LSG Hessen, Urteil vom 18.09.2013 - 4 KA 32/11
Rückzahlung zu viel geleisteten Arzthonorars wegen überhöhter Abschlagszahlungen
Rechtsweg zu den Sozialgerichten in einer Vertragsarztangelegenheit
Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage
1. Die Geltendmachung einer Erstattungsforderung aus überhöhten Abschlagszahlungen ist eine Vertragsarztangelegenheit der
gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 10 Abs. 2, 57a SGG. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. An dieser rechtlichen Zuordnung ändert auch das Ausscheiden
eines Arztes aus einer Gemeinschaftspraxis sowie aus der vertragsärztlichen Versorgung nichts, da die persönliche Haftung
eines Gesellschafters nicht bereits mit Ausscheiden aus der Gesellschaft endet (vgl. § 160 HGB).
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine reine Leistungsklage ist zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung
Zweifel bestehen, ob die Geltendmachung durch Verwaltungsakt der rechtlichen Nachprüfung standhalten wird. In diesem Fall
kann dem Leistungsträger das Risiko einer reinen Verfahrensentscheidung ohne Klärung der umstrittenen materiellen Frage nicht
zugemutet werden.
Normenkette: ,
,
,
HGB § 128 ,
HGB § 129 ,
HGB § 160 Abs. 1
Vorinstanzen: SG Marburg 23.03.2011 S 12 KA 247/10
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Rückzahlung zu viel geleisteten Honorars in Höhe von 41.387,09 EUR.
Der Beklagte war in der Zeit vom 1. März 2006 bis zum 11. Mai 2007 zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Klägerin
zugelassen und führte mit den Ärztinnen Dres. med. C. C. und E. eine Gemeinschaftspraxis unter der Arztnummer xxx1. Er beendete
seine Zulassung durch Verzichtserklärung am 11. Mai 2007. Die beiden Ärztinnen führten die Gemeinschaftspraxis unter der Abrechnungsnummer
xxx2 fort.
Die Klägerin wandte sich unter Datum vom 6. Juli 2009 an den Beklagten und wies darauf hin, sie habe ihm bereits mit Kurzbrief
vom 29. Februar 2008 nachrichtlich ein Schreiben an die Partnerinnen der ehemaligen Berufsausübungsgemeinschaft übersandt,
in dem sie die Überzahlung des Honorarkontos in Höhe von 126.784,88 EUR zurückgefordert habe. Die Partnerinnen hätten sich
bereit erklärt, ihre Anteile der Überzahlung in Höhe von 84.523,25 EUR auszugleichen. Um einen Kontoausgleich zu erreichen,
bitte sie um Überweisung des Anteils des Beklagten in Höhe von 41.387,09 EUR. Hieran erinnerte sie den Beklagten mit Schreiben
vom 3. August 2009 und setzte eine Frist bis 31. August 2009.
Am 30. März 2010 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben. Zur Begründung ihres Zahlungsanspruchs hat sie auf die Überzahlung des Arztkontos der Gemeinschaftspraxis zum Zeitpunkt
des Ausscheidens des Beklagten in Höhe von 126.784,88 EUR und auf die bisher erfolglose Geltendmachung der Forderung verwiesen.
Aufgrund einer nachträglichen Honorargutschrift für das Quartal I/07 habe sich die anteilige Rückforderungssumme von zunächst
42.261,63 EUR auf 41.387,09 EUR reduziert. Auch der nach der Fristverstreichung geführte Schriftverkehr habe kein Ergebnis
gebracht. Vielmehr werde darin der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Weiterhin werde die Berechtigung der
Klägerin bestritten, den Rückforderungsanspruch jedem einzelnen Gesellschafter gegenüber geltend zu machen. Selbst nachdem
sie die Kontoauszüge für die Quartale I/06 bis einschließlich II/09 übermittelt habe und anhand einer Übersicht die Historie
der Überzahlung dargestellt habe, verweigere der Beklagte weiterhin, den Überzahlungsbetrag auszugleichen. Die Überzahlung
sei in erster Linie auf zu hoch bemessene Abschlagszahlungen, aber auch auf ÄBD-Umlagen und Honorarkorrekturen zurückzuführen.
Sie könne nicht aufrechnen, da mit Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit eine Forderung des Beklagten auf Honorarzahlung
nicht mehr bestehe und er an der Erweiterten Honorarverteilung nicht partizipiere. Der Beklagte sei passiv legitimiert. Für
Gesellschaftsschulden hafteten neben der Gesellschaft die Gesellschafter analog § 128 HGB (gesamtschuldnerische Gesellschafterhaftung) persönlich und in uneingeschränktem Umfang mit ihrem Privatvermögen. Sie habe
ein Wahlrecht, ob sie Honorarrückforderungen gegen die frühere Gemeinschaftspraxis richte oder einen oder alle ehemaligen
Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesamtschuldner aus ihrem persönlichen Vermögen in Anspruch nehme (Hinweis auf LSG
Niedersachsen- Bremen, Urteil vom 17. Dezember 2008 - L 4 KA 316/04 und Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 12. Dezember 2001, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3). Sie habe auch den Status der Gemeinschaftspraxis nicht außer acht gelassen. Der Anteil des Beklagten betrage nur
ein Drittel der Gesamtschuld. Sie habe die Kontoauszüge vorgelegt, die nachvollziehbar seien. Der Betrag vom 29. Mai 2007
in Höhe von 7.314,16 EUR beziehe sich auf die Betriebsstättennummer (BSNR) xxx3. Diese BSNR habe die Gemeinschaftspraxis mit
Herrn Dr. D. C., den beiden Ärztinnen und den Beklagten betroffen. Herr Dr. C. sei zum 28. Februar 2006 aus der Gemeinschaftspraxis
ausgeschieden. Die Gemeinschaftspraxis sei unter der BSNR xxx1 mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt worden. Dementsprechend
sei eine Belastung aus der Überzahlung aus dem Quartal IV/06 vorgenommen worden. Sie vergebe bei jeder Veränderung der Gemeinschaftspraxis
eine neue Abrechnungsnummer. Für die rechtliche Zuordnung von Zahlungen oder Zahlungsansprüchen komme es nicht auf die verwaltungsinterne
Vergabe der Abrechnungs- bzw. Kontonummer an, sondern allein auf den Bestand der Gemeinschaftspraxis. Die Belastung des Kontos
der Gemeinschaftspraxis mit Datum vom 24. Mai 2007 in Höhe von 30.000,00 EUR beziehe sich auf die Abschlagszahlung Mai 2007.
Bei der Vereinbarung vom 30. Mai 2007 sei es um eine Überzahlung des Honorarkontos aus dem Quartal IV/06 in Höhe von insgesamt
99.044,37 EUR gegangen. Der Betrag lasse sich dem Kontoauszug für das Quartal I/07 entnehmen (Addition der Belegnummern 1234
und 9876). Am 30. Mai 2007 sei die Überzahlung der Gemeinschaftspraxis mitgeteilt und eine Tilgungsvereinbarung geschlossen
worden (8 Raten zu je 12.380,55 EUR). Die erste Tilgungsrate für das Quartal I/07 sei als Belastung verrechnet und der verbliebene
Betrag dem Honorarkonto gutgeschrieben worden (86.663,82 EUR). Im Quartal II/07 sei das Konto mit der 2. Tilgungsrate belastet
worden. Eine notwendige Beiladung der Mitgesellschafterinnen sie nicht erforderlich. Eine notwendige Streitgenossenschaft
liege bei Gesamtschuldnern nicht vor. Sie verfolge mit dem hiesigen Klageverfahren lediglich eine Drittel der Forderung aus
Überzahlungen gegenüber dem Beklagten. Eine Aufrechnung des Anteils des Beklagten gegenüber den beiden ehemaligen Gesellschafterinnen
sei ihr angesichts der existenzgefährdenden Folgen für die fortgeführte Gemeinschaftspraxis nicht zielführend erschienen.
Der Beklagte hat entgegnet, er bestreite, dass auf dem Honorarkonto für die vormalige Gemeinschaftspraxis eine Überzahlung
in Höhe von 126.784,88 EUR vom 1. März 2006 bis 11. Mai 2007 aufgelaufen sei. Die Klägerin habe noch nach seinem Ausscheiden
das Konto belastet, so unter anderem unter dem 29. Mai 2007 mit dem Betrag von 7.340,16 EUR, der eine andere Betriebstättennummer
(Nr. xxx3) betroffen habe. Ferner habe sie noch nach seinem Ausscheiden die Abschlagsrate Mai 2007 (Datum 24. Mai 2007) zugebucht.
Weiter enthielten die Kontoauszüge Zahlungen, die sich auf eine offenbar nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis
getroffene Vereinbarung vom 30. Mai 2007 bezögen. Etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse habe die Gemeinschaftspraxis
zu tragen. Die Gemeinschaftspraxis sei daher sowohl Gläubigerin der Honorarforderung als auch Schuldnerin bei Honorarkürzungen.
Daher richteten sich Ansprüche der KÄven bei Honorarberichtigung oder Honorarrückforderungen gegen die Gemeinschaftspraxis
selbst und nicht gegen einzelne ihr angehörende Ärzte (Hinweis auf LSG Brandenburg, Urteil vom 18. März 2009 - L 7 KA 88/06). Er sei nicht passiv legitimiert. Auf § 57a SGG könne sich die Klägerin nicht berufen. Es bestehe kein Bedürfnis, den Vertragsarztstatus des aus der vertragsärztlichen Versorgung
ausgeschiedenen Arztes trotz Ausscheidens aus der vertragsärztlichen Versorgung als fortbestehend anzuerkennen. Dies sei lediglich
für die Gemeinschaftspraxis selbst anerkannt (Hinwies auf BSG, Urteil vom 7. Februar 2007 - B 6 KA 6/06 R). Die Klägerin habe grundsätzlich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der vorangegangenen Honorarbescheide darzustellen.
Die Vorlage eines Kontoauszuges genüge hierfür offensichtlich nicht. Die vormaligen Mitgesellschafterinnen müssten beigeladen
werden. Der Umstand, dass die beiden Mitgesellschafterinnen nach den Angaben der Klägerin bereits kopfteilige Zahlungen geleistet
hätten, entbinde sie weder im Außenverhältnis zu der Klägerin von einer darüber hinausgehenden Verbindlichkeit noch sei damit
bereits über die Ausgleichspflicht im Innenverhältnis laut § 426 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB) entschieden. Auch nach seinem Ausscheiden sei die Gemeinschaftspraxis fortgeführt worden. Er könne sich darauf berufen,
dass sich die Klägerin durch Aufrechnung hätte befriedigen können (§§ 705 BGB, 128, 129 HGB).
Mit Urteil vom 23. März 2011 hat das SG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 41.387,09 EUR zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass es
sich um eine Vertragsarztangelegenheit der gesetzlichen Krankversicherung handele, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei
daher gegeben. Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung wurzele in der früheren Tätigkeit des Beklagten als Vertragsarzt.
Die Klägerin mache einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend, der aufgrund der haftungsrechtlichen Heranziehung
des Beklagten aufgrund seiner Gesellschafterstellung nicht zu einer zivilrechtlichen Forderung werde, für die der Rechtsweg
zu den Zivilgerichten eröffnet wäre. Von einer Beiladung der übrigen Gesellschafter der vormaligen Gemeinschaftspraxis habe
abgesehen werden können, da der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter in Anspruch genommen worden sei. Die Klage
sei auch begründet. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung
des Arztkontos der ehemaligen Gemeinschaftspraxis. Hierfür habe der Beklagte als ehemaliger Gesellschafter einzutreten. Bei
der ehemaligen Gemeinschaftspraxis habe es sich um eine BGB-Gesellschaft nach §§ 705 ff. BGB gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das SG folge, bestehe in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft eine akzessorische Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Soweit der Gesellschafter
für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich hafte, sei der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld auch für
die persönliche Haftung maßgebend. Insoweit entspreche das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit
der Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128 ff. HGB bei der OHG (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - zitiert nach juris Rdnr. 39). In Fortführung seiner Rechtsprechung stelle der BGH nunmehr auf eine Analogie zu §§ 128 ff. HGB ab (vgl. Ulmer/Schäfer, Münchener Kommentar, 5. Auflage 2009, § 714, Rdnr. 35 m. w. N.). Nach § 128 HGB hafteten die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende
Vereinbarung sei Dritten gegenüber unwirksam. Der Gesellschafter nach § 129 Abs. 1 HGB könne dabei auch Einwendungen der Gesellschaft geltend machen. Von daher treffe die Auffassung der Klägerin zu, wonach sie
berechtigt sei, auch einzelne Gesellschafter der ehemaligen Gemeinschaftspraxis in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin habe die
Überzahlung in Höhe von 126.784,88 EUR mithilfe der Kontoauszüge der damaligen Gemeinschaftspraxis nachgewiesen. Soweit der
Beklagte diese Forderung bestreite, fehle es an einer Substantiierung. Der Betrag in Höhe von 7.340,16 EUR im Kontoauszug
I/07 folge aus der Überzahlung der Gemeinschaftspraxis im Quartal I/06 noch in der Zusammensetzung mit Herrn Dr. C., für die
die fortbestehende Gemeinschaftspraxis des Beklagten mit den beiden Ärztinnen ebenfalls einzustehen habe. Die Abschlagszahlung
im Mai 2007 falle noch in den Zeitraum der Tätigkeit des Beklagten, da er noch im Mai tätig gewesen sei. Auf das Buchungsdatum
(24. Mai 2007) nach seinem Ausscheiden (21. Mai 2007) komme es insofern nicht an.
Gegen das ihm am 28. März 2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28. April 2011 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
eingelegt. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, der vertragsärztliche Status des Beklagten habe mit dem Verzicht auf seine
Zulassung geendet. Angesichts dessen, dass der Honoraranspruch aus ärztlichen Leistungen der vormaligen Gemeinschaftspraxis
und nicht den einzelnen Gesellschaftern zugestanden habe, und auch der Anspruch auf Honorarrückzahlung gegen die Gemeinschaftspraxis
und nicht gegen einzelne insbesondere ihr nicht mehr angehörende Gesellschafter gerichtet sei, fehle es für seine Inanspruchnahme
an einer sozialrechtlichen Anspruchsgrundlage. Dementsprechend mangele es an einer Forderung des öffentlichen Rechts, die
gegen ihn vor den Sozialgerichten erhoben werden könnte. Die gesellschaftsrechtliche Mithaftung vormaliger Gesellschafter
für Verbindlichkeiten der Gesellschaft regele sich auf zivilrechtlicher Grundlage, nämlich nach den §§ 705 BGB, 128 HGB. Es handele sich um einen gesetzlichen Fall der akzessorischen Haftung und keine echte Gesamtschuld zwischen Gesellschaft
und Gesellschaftern im Sinne von §§ 421 ff. BGB. Dies verkenne das erstinstanzliche Urteil. Entgegen den Ausführungen in den Entscheidungsgründen betreffe die gesetzliche
Anordnung der Gesamtschuld in § 128 S. 1 HGB allein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, d. h. mehrere nach § 128 HGB haftende Gesellschafter seien Gesamtschuldner im Sinne von §§ 421 ff. BGB. Sei der einzelne Gesellschafter damit nicht Gesamtschuldner neben der Gesellschaft für die von ihr begründete Verbindlichkeit,
nehme er auch an der rechtlichen Zuordnung der von der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeit (hier eine mögliche sozialrechtliche
Forderung) teil. Dessen ungeachtet gelte jedenfalls die Bestimmung des § 129 HGB. Obwohl er sich ausdrücklich auf die anderweitige Befriedigungsmöglichkeit der Klägerin nach § 129 Abs. 3 HGB berufen und eine ihm damit gesetzlich zugestandene Einwendung erhoben habe, habe das Sozialgericht seine Einwendung unberücksichtigt
gelassen. Die Klägerin habe gerade nicht die fortgeführte Gemeinschaftspraxis aufgrund einer mit dieser getroffenen Tilgungsabrede
von der streitgegenständlichen Forderung entlasten können. Sie hätte sich vielmehr durch Aufrechnung befriedigen müssen. Unabhängig
von dem Meinungsstreit zu § 129 Abs. 3 HGB gelte jedenfalls die Aufrechnungseinwendung des in Anspruch genommenen Gesellschafters dann als begründet, wenn die Aufrechnungsmöglichkeit
nicht nur auf der Gläubigerseite, hier bei der Klägerin, sondern auch auf Seiten der Gesellschaft, das heißt der fortgeführten
Gemeinschaftspraxis wie hier bestanden habe. Die Gesellschaft hätte zweifelsfrei ihre fälligen Honoraransprüche gegen den
Rückforderungsanspruch aus vorangegangenen Vorauszahlungen der Klägerin aufrechnen können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten
sei gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) gegeben. Es handele sich vorliegend um eine Rückforderung zu viel gezahlten Honorars aus vertragsarztrechtlicher Tätigkeit
nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ( SGB V). Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch stamme aus der Zeit, in der der Beklagte in ihrem Bereich zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen gewesen sei. § 129 Abs. 3 HGB sei nicht auf das vorliegende Rechtsverhältnis anwendbar. Es handele sich um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis, das von
den vertragsarztrechtlichen Grundsätzen überlagert werde. Die Vorschriften des HGB seien hierauf nur bedingt anwendbar. Die Anwendung des § 129 Abs. 3 HGB auf das hier in Streit stehende Verhältnis der Beteiligten würde ihr Wahlrecht aushebeln. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift
komme es auf die Aufrechnungsmöglichkeit der Gesellschaft, nicht hingegen des Gläubigers an (Hinweis auf Hollmann/Ebenroth/Boujong,
HGB Kommentar 2. Auflage 2008, § 129 Rdnr. 14). Aus Sinn und Zweck des den Grundsatz der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung durchführenden § 129 HGB folge, dass ein Leistungsverweigerungsrecht nur bestehe, wenn die Gesellschaft aufrechnen könne, dies aber noch nicht getan
habe. Der Gesellschaft stehe ihr gegenüber kein Aufrechnungsrecht zu, § 395 BGB. Sie werde bei Anwendbarkeit des § 129 Abs. 3 HGB künftig darauf verwiesen, bei Ausscheiden eines Arztes aus dem vertragsärztlichen System allein gegen die übrigen Gesellschafter,
die weiterhin vertragsärztlich tätig sind, zurückzugreifen. Dies erscheine vor allem dann unbillig, wenn es sich bei der Höhe
der Rückforderung um einen Betrag handle, der eine durchschnittliche abrechnende Gemeinschaftspraxis in eine finanzielle Schieflage
bringen oder zur Zahlungsunfähigkeit führen würde. Der Rückforderungsbetrag müsste im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der
Gesellschaft zulasten der Gesamtvergütung allen Vertragsärzten auferlegt werden. Dies könne dazu führen, dass die Sicherstellung
der ärztlichen Versorgung nicht mehr gewährleistet sei. Die Anwendung des § 129 Abs. 3 HGB auf den vorliegenden Fall würde dem Normzweck widersprechen. Normzweck sei, dass der Gesellschafter vor einer ungerechtfertigten
Inanspruchnahme wegen einer Gesellschaftsschuld, die nicht oder nicht so bestehe, geschützt werde; es solle sichergestellt
werden, dass der Gesellschaftsgläubiger bei der Durchsetzung der Gesellschaftsschuld gegenüber dem Gesellschafter nicht besser
stehe als bei der Inanspruchnahme der Gesellschaft selbst (Hinweis auf BGH, Urteil vom 22. März1988, Az.: X ZR 64/87, BGHZ 104, 76, 78). Im vorliegenden Fall habe sie die Gesellschaftsschuld aufgeteilt und lediglich ein Drittel gegen den einzelnen Gesellschafter
geltend gemacht, der nicht mehr vertragsärztlich tätig sei. Eine Schlechterstellung gegenüber der Inanspruchnahme der Gesellschaft
sei nicht zu erkennen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 18. September 2013 einen Kontoauszug für das Quartal I/2013 der fortgeführten
Gemeinschaftspraxis Dr. C. und Dr. E. mit der Abrechnungsnummer xxx2 zu den Akten gereicht.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts und Verwaltungsakten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des SG vom 23. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Beklagten nicht in seinen Rechten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten
einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 41.387,09 EUR.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet. Hinsichtlich der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten geltenden gemachten Erstattungsforderung aus überhöhten
Abschlagszahlungen liegt eine Vertragsarztangelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 10 Abs. 2, 57a SGG vor. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin, der auf der vormaligen Tätigkeit des
Beklagten in der Gemeinschaftspraxis beruht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG hat zwar im Regelfall die Gemeinschaftspraxis Regresse wie auch etwaige Honorarkürzungen zu tragen, jedoch tritt neben die
Verpflichtung (bzw. Haftung) der Gemeinschaftspraxis eine solche ihrer Gesellschafter (BSG, Urteil vom 9. Februar 2011, Juris Rdnr. 22 f.; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 6 Rdnr. 22; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 26 Rdnr. 16 m. w. N.; BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 21/09 R). Da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch der Klägerin aus überzahlten Abschlagszahlungen auf die vertragsärztliche
Tätigkeit des Beklagten in der Gemeinschaftspraxis bezieht, und auch die persönliche Haftung als Gesellschafter durch die
Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis begründet wird, betrifft der Rechtsstreit einen sozialrechtlichen Anspruch. An dieser
rechtlichen Zuordnung ändert auch das Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis sowie aus der vertragsärztlichen
Versorgung nichts, da die persönliche Haftung eines Gesellschafters nicht bereits mit Ausscheiden aus der Gesellschaft endet
(vgl. § 160 HGB).
Die früheren Partnerinnen und Mitgesellschafterinnen des Beklagten waren im vorliegenden Rechtsstreit nicht notwendig beizuladen.
Als persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegenüber der Gemeinschaftspraxis kann ein Gesellschafter diese wahlweise
zusammen mit den Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis
als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren. Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln,
folgt zugleich, dass der oder die Mitgesamtschuldner weder als so genannte notwendige Streitgenossen einbezogen noch notwendig
beigeladen werden müssen (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 37/08 R, Juris Rdnr. 16; BSGE 89, 90, 92 ff. = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 5; vgl. auch BSG, MedR 2004, 172).
Die Klägerin ist gegen den Beklagten nicht zunächst im Wege des Verwaltungsaktes vorgegangen, sondern mit einer reinen Leistungsklage.
Die Leistungsklage war zulässig, ein Rechtsschutzinteresse gegeben. Bei den Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 6.
Juli 2009 und 3. August 2009 handelt es sich nicht um Verwaltungsakte, sondern lediglich um eine Zahlungsaufforderung und
nachträgliche Erinnerung. Eine über die Zahlungsaufforderung hinausgehende eigenständige und bindende Regelung gegenüber dem
Beklagten im Sinne des § 31 SGB X wie seine Inanspruchnahme aufgrund persönlicher Haftung als Gesellschafter und Festlegung seines Anteils ist dem Schreiben
vom 6. Juli 2009 nicht zu entnehmen, vielmehr wird auf ein Schreiben an die Praxispartnerinnen Bezug genommen. Aus dem Schreiben
an die Praxispartnerinnen vom 29. Februar 2008 ergibt sich nichts anderes. Entsprechendes gilt für das Erinnerungsschreiben
an den Beklagten, auch wenn es hier heißt: "Ihr Anteil beträgt 41.387,09 EUR". Gleichzeitig wird dort eine Abgabe an die juristische
Abteilung nach Frankfurt in Aussicht gestellt, was gegen eine abschließende bindende Regelung spricht. Nach der Rechtsprechung
des Senats kann ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus überhöhten Abschlagszahlungen gegenüber dem persönlich
haftenden Gesellschafter auf der Rechtsgrundlage des § 50 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) analog grundsätzlich im Wege des Verwaltungsakts geltend gemacht werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 26. Juli
2013, L 4 KA 4/12). Diese Rechtsprechung ist auch auf einen aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen früheren Gesellschafter anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des BSG können auch nach dem Ausscheiden eines Vertragsarztes auf Grund der aus dem Mitgliedschaftsverhältnis nachwirkenden Regelungsbefugnisse
der KÄV Honorarberichtigungen vorgenommen und zu Unrecht gezahlte Honorare aus der Zeit der vertragsärztlichen Tätigkeit zurückgefordert
werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 6 KA 17/12 R, Juris Rdnr.28; Urteil vom 18. Dezember 1996, 6 RKa 66/95, Juris Rn. 23). Entsprechend ist auch eine Regelungsbefugnis der Klägerin durch Verwaltungsakt für den Fall der Rückforderung
überzahlter Abschlagszahlungen anzunehmen.
Insoweit ist streitig, ob die Behörde, anstelle einen Verwaltungsakt zu erlassen, Leistungsklage gegen den Bürger erheben
kann (vgl. Keller in Mayer- Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, Rdnr. 41b zu § 54 und Rdnr. 17 vor § 51). Geht das Gesetz von einer Regelung durch Verwaltungsakt aus, könnte es zwar grundsätzlich dem Zweck
des Widerspruchsverfahrens (Verbesserung des Rechtsschutzes des Bürgers; Schutz der Gerichte vor Überlastung) widersprechen,
wenn die Behörde allein deshalb, weil ohnehin mit einer gerichtlichen Streitaustragung zu rechnen ist, Leistungsklage erheben
könnte (vgl. Keller in Mayer- Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Rdnr. 17 vor 51; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 22). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine reine Leistungsklage ist jedoch zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung der bisherigen
Rechtsprechung Zweifel bestehen, ob die Geltendmachung durch Verwaltungsakt der rechtlichen Nachprüfung standhalten wird (vgl.
BSG SozR 1500 § 144 Nr. 21; BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 1; BSGE 66, 81 = SozR 3-4100 § 145 Nr. 1). In diesem Fall kann dem Leistungsträger das Risiko einer reinen Verfahrensentscheidung ohne Klärung
der umstrittenen materiellen Frage nicht zugemutet werden (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 22). Aufgrund der früher noch nicht ausreichend geklärten Rechtslage bezüglich der Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen
Erstattungsanspruchs aus überzahlten Abschlagszahlungen gegenüber einem persönlich haftenden Gesellschafter sowie aus prozessökonomischen
Gründen ist hier von einem Rechtsschutzinteresse für die Leistungsklage auszugehen.
Der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Zahlungsanspruch ist auch begründet. Der Senat konnte im vorliegenden
Fall offenlassen, ob der Beklagte nach Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis und der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich
daran gehindert ist, gegenüber der Klägerin die Einrede des § 129 Abs. 3 HGB analog (Aufrechnungsmöglichkeit der Gesellschaft) geltend zu machen, da jedenfalls die Voraussetzungen des § 129 Abs. 3 HGB analog nicht vorliegen.
Bei der von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsforderung wegen überzahlter Abschlagszahlungen handelt es sich zunächst
um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der
Beklagte haftet jedoch für Schulden der Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich auch persönlich.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist nicht zu beanstanden, wenn Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Quartale betreffen, in denen eine Praxis als
Berufsausübungsgemeinschaft geführt wurde, nicht an die Berufsausübungsgemeinschaft, sondern an einen der Partner gerichtet
werden. Die Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft können jeder für sich in Anspruch genommen werden (vgl. BSGE 89, 90, 92 = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 5; BSG SozR 4- 2500 § 106 Nr. 26 Rdnr. 16; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4 Rdnr. 30).
Die dem zugrunde liegende Rechtsprechung des BGH geht in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts von einer akzessorischen Haftung der Gesellschafter entsprechend §§ 128 f. HGB für Gesellschaftsverbindlichkeiten aus (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001, II ZR 331/00, Juris Rdnr. 39). Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142,
315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld für die persönliche Haftung maßgebend. Danach ist eine unmittelbare
Anwendung der §§ 420 ff. BGB nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht; es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils
verschiedenartigen Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 f. BGB im Einzelfall zur Anwendung kommt oder nicht (BGHZ 39, 319, 329; 44, 229, 233; 47, 376, 378 ff; 104, 76, 78). Auch zwischen Gesellschaft und ausgeschiedenem Gesellschafter liegt keine
echte Gesamtschuld im Sinne von §§ 421 f. BGB vor. Das Verhältnis des ausgeschiedenen Gesellschafters zur Gesellschaft wird zwar der Gesamtschuld ähnlicher, aber es bleibt
doch jeweils zu prüfen, ob die unterschiedliche Interessenlage die entsprechende Anwendung der §§ 422 f. BGB erlaubt oder nicht (vgl. Baumbach/Hopt, 35. Auflage, § 128 Rdnr. 36 m. w. N.).
Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so haftet er für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten gemäß
§ 160 Abs. 1 HGB (hier analog), wenn sie vor Ablauf von 5 Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in §
197 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 BGB bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt
wird; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt der Erlass eines Verwaltungsakts. Maßnahmen der Rechtsverfolgung
und andere Umstände hemmen aber den Fristablauf der Ausschlussfrist von fünf Jahren (vgl. Baumbach/Hopt, 35. Auflage, § 160
Rdnr. 3 m. w. N.). Ein Erstattungsanspruch, der auf überhöhten Abschlagzahlungen beruht, wird nach der Rechtsprechung des
BSG erst in dem Zeitpunkt fällig, in dem der Honorarbescheid für das Quartal, für das überhöhte Abschlagzahlungen geleistet wurden,
erlassen wird (vgl. BSG, Urteil vom 17. August 2011, B 6 KA 24/10 R, Juris Rdnr. 13 m. w. N.). Der Erstattungsanspruch der Klägerin wegen überzahlter Abschlagszahlungen bezogen auf das Quartal
II/07, in dem der Beklagte noch in der Gemeinschaftspraxis tätig war, wurde somit mit Honorarfestsetzung für das Quartal II/07
(nach dem Kontoauszug im Oktober 2007) fällig. Dies ist nach § 160 HGB analog für die Einhaltung der 5-Jahresfrist ausreichend. Mit der Rechtsverfolgung durch Leistungsklage wurde der Fristablauf
gehemmt.
Gemäß § 129 HGB analog hat der nach § 128 f. HGB analog haftende Gesellschafter, auch der ausgeschiedene, gegen Inanspruchnahme aus Gesellschaftsschulden grundsätzlich die
Einwendungen der Gesellschaft (vgl. Baumbach/Hopt, 35. Auflage, § 129 Rdnr. 1 m. w. N.). Selbst nach rechtskräftigem Urteil
gegen den Gesellschafter kann dieser noch später entstandene Einwendungen der Gesellschaft geltend machen, z. B. nachträgliche
Erfüllung durch die Gesellschaft, ausgenommen die Einrede, die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft sei nachträglich
verjährt (Baumbach/Hopt, aaO., § 129 Rdnr. 8; BGHZ 104, 76).
Die vom Beklagten vorgebrachten Einwände gegen die Höhe der Erstattungsforderung gegenüber der Gemeinschaftspraxis greifen
nicht durch. Soweit er sich gegen die Verbuchung des Betrags von 7.340,16 EUR auf dem Honorarkonto unter dem 29. Mai 2007
wendet, handelt es sich nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten um eine Überzahlung der Gemeinschaftspraxis
aus dem Quartal I/06, für die der Beklagte ebenso wie die fortbestehende Gemeinschaftspraxis einzustehen hat. Ebenso wenig
sind die Buchungen aufgrund der Tilgungsvereinbarung vom 30. Mai 2007 zu beanstanden, da sich dadurch an der Überzahlung insgesamt
- bis auf den berücksichtigten Abzug der Tilgungsraten - nichts ändert. Die Buchung der Abschlagsrate Mai 2007 (Datum 24.
Mai 2007) betrifft noch den Zeitraum der Tätigkeit des Beklagten im Mai 2007. Die Abschlagsrate Juni 2007 ist auf den vorliegenden
Kontoauszügen nicht mehr verbucht.
Nach dem Wortlaut des § 129 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 HGB kann der Gesellschafter die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine
fällige Forderung der Gesellschaft befriedigen kann. Dem Gesellschafter bürgerlichen Rechts steht ein Leistungsverweigerungsrecht
analog § 129 Abs. 3 HGB analog - über den Wortlaut hinaus - nur dann zu, wenn die Gesellschaft mit eigenen Forderungen gegen den Gläubiger aufrechnen
könnte (vgl. BGH NJW 1965, 627; Baumbach/Hopt, aaO., § 129 Rn. 12; OLG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2010, 3 U 200/09, Juris Rn. 3, 5). Der Gesellschafter hat das Verweigerungsrecht nach § 129 Abs. 3 HGB analog entgegen dem Wortlaut nicht, wenn zwar der Gläubiger, nicht aber die Gesellschaft aufrechnen darf (Baumbach/Hopt,
aaO., § 129 Rn. 12; BGHZ 42, 397).
Da zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine offenen Honoraransprüche der fortgeführten Gemeinschaftspraxis
ersichtlich sind, ist es dem Beklagten schon deshalb verwehrt, die Einrede des § 129 Abs. 3 HGB analog geltend zu machen, weil der Gesellschaft eine Aufrechnungsmöglichkeit mit fälligen Honoraransprüchen fehlt. Unabhängig
davon hat der Beklagte, der für die zu seinen Gunsten wirkende Einrede darlegungspflichtig wäre, auch keine Aufrechnungsmöglichkeit
der Gesellschaft mit fälligen Honoraransprüchen zu einem früheren Zeitpunkt substantiiert dargelegt.
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