Prozesskostenhilfe; Regelsatzhöhe Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017; Fortschreibung der Regelbedarfsstufen; EVS
2013
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers mit dem - sinngemäßen - Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. September 2017 aufzuheben und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für den
ersten Rechtszug ab Antragstellung ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Straße, A-Stadt, zu bewilligen,
ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet.
Der angegriffene sozialgerichtliche Beschluss ist nicht zu beanstanden, denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht (Az. S 26 SO 63/16) liegen nicht vor.
Gemäß §
73a Abs.
1 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
114 S. 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Maßstab für die insoweit geforderten Erfolgsaussichten ist im Licht der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit
zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art.
20 Abs.
3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der
seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Hinreichende Erfolgsaussichten in diesem
Sinne liegen vor, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch die
Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe
gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (Bundesverfassungsgericht, 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06; BVerfGE 81, 347 <357>; stRspr).
Von diesem Maßstab ausgehend, fehlt es vorliegend an der hinreichenden Erfolgsaussicht der sozialgerichtlichen Klage. Es mangelt
an der nicht fernliegenden Möglichkeit, dass der Antragsteller sein Rechtsschutzziel, die Gewährung eines höheren Regelsatzes,
für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016, bei Ausschöpfung des Rechtsweges erreichen könnte.
Der in dem angefochtenen Bescheid vom 21. Januar 2016 berücksichtigte Regelsatz von 404 € im Monat entspricht zunächst den
sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe (SGB XII) für das Jahr 2016 ergebenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. § 28 SGB XII i.V.m. mit der Anlage zu § 28, § 28a SGB XII). Die Beklagte hat dem Antragsteller, der im streitgegenständlichen Zeitraum alleinlebend und erwerbsgemindert war und Leistungen
der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel bezog, gemäß § 27a Abs. 3 S. 1 SGB XII i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII zu Recht beim Regelsatz Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 bewilligt.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sich aus dem Umstand, dass die Regelbedarfsstufen für 2016 gemäß §
28a Abs. 1 SGB XII fortgeschrieben und nicht auf Grundlage einer neuen EVS (der EVS 2013) nach § 28 Abs. 1 SGB XII neu ermittelt wurden, gemessen am einfachrechtlichen Maßstab folgen könnte, dass der so festgelegte und bei der Antragsteller
zugrunde gelegte Regelsatz zu niedrig ist. § 28a Abs. 1 SGB XII sieht gerade die Möglichkeit der Fortschreibung vor. Weder aus dem SGB XII noch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12 u.a., juris) lässt sich entnehmen, dass eine Fortschreibung der Regelbedarfe für das Jahr 2016 nicht mehr zulässig gewesen
wäre. Wie die Antragsteller selbst vorträgt, nennt § 28a Abs. 1 SGB XII für die Neuermittlung der Regelbedarfsstufen keinen festen Zeitpunkt und auch keine Umsetzungsfrist. Warum er dann dennoch
meint, dies könne bei sachgerechter Auslegung der Norm bedeuten, dass eine "sofortige Umsetzung" zu erfolgen habe, erschließt
sich nicht. Vielmehr machen § 28 oder § 28a SGB XII zum konkreten zeitlichen Ablauf ersichtlich gar keinen Vorgaben.
Genauso wenig ergeben sich solche Vorgaben, ausgehend von der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, aus dem
Grundgesetz. Der Gesetzgeber kommt seiner Pflicht zur Aktualisierung von Leistungsbeträgen zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums
nur dann nach, wenn er die Entwicklung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs
durch regelmäßige Neuberechnungen und Fortschreibungen berücksichtigt (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <165 f., Rn. 79>). Auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie auf Preissteigerungen oder auf
die Erhöhung von Verbrauchsteuern muss zeitnah reagiert werden, um sicherzustellen, dass der aktuelle Bedarf gedeckt wird
(BVerfGE 132, 134 <163, Rn. 72>; BVerfGE 137, 34, <77, Rn. 88>). Die Fortschreibung für die Jahre 2011 und 2012 hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 23. Juli
2014 (BVerfGE 137, 34) als verfassungsgemäß eingestuft und nur zukunftsgerichtet ausgeführt (Rn. 144):
"Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung
der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah
darauf reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (oben C II 2 e bb). Ist eine
existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der
Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten."
Dafür, dass bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums einer der dort beschriebenen Fälle eingetreten war, ist nichts
erkennbar. Anhaltspunkte für eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen
zu berücksichtigenden Preisentwicklung bestehen nicht. Erst recht ist nichts für das zwischenzeitliche Auftreten "extremer
Preissteigerungen" ersichtlich. Ganz im Gegenteil war die Inflation in Deutschland zwischen 2014 und 2016 deutlich niedriger
als die jeweiligen prozentualen Regelsatzsteigerungen. So betrug die Inflationsrate bei den Verbraucherpreisen laut den Daten
des Statistischen Bundesamtes (im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr) 0,9 % in 2014, 0,3 % in 2015 und 0,5 % in 2016, während
die Regelsätze um 2,27 % (2014), 2,02 % (2015) und 1,25 % (2016) anstiegen.
Soweit des Bundesverfassungsgericht in der obigen Entscheidung die - wiederum zukünftige - Gefahr der Unterdeckung einzelner
Bedarfe angesprochen hat (Beschluss vom 23. Juli 2014, juris, Rn. 109f.), hat es ausdrücklich erklärt, dem Gesetzgeber stehe
es insofern frei, anfallende Bedarfe statt durch eine Erhöhung des Regelsatzes durch konkrete Einzelansprüche zu befriedigen
(Rn. 115f., 147). Selbst wenn sich daher die genannte Gefahr bis 2016 verwirklicht hätte, ergäbe sich daraus folglich nicht
automatisch ein Anspruch auf einen höheren Regelsatz. Hiervon abgesehen ist weder ersichtlich noch von dem Antragsteller vorgetragen,
dass es tatsächlich bei bestimmten Bedarfen zu einer Unterdeckung, bei ihm konkret oder auch ganz allgemein, gekommen ist.
Nach alledem ist auch dem Vortrag des Antragstellers nicht ansatzweise zu entnehmen und auch nicht sonst erkennbar, dass es
sich bei der Umsetzung und Fortschreibung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen
sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl I, 3159) um ein Verstoß gegen die oben genannte verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers
zur "zeitnahen Reaktion" handelt.
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung auch die Rechtmäßigkeit des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes in der
ab 1. Januar 2017 gültigen Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl I, 3159) rügt, kann er damit schon deshalb nicht gehört werden, weil er sich in der Hauptsache
ausschließlich gegen die Höhe des Regelsatzes im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 richtet.
Nur vorsorglich und ergänzend ist auszuführen, dass auch, soweit der Gesetzgeber die Regelsätze für den Zeitraum ab Januar
2017 auf Grundlage der Vorgaben des § 28 SGB XII neu ermittelt hat, eine Verfassungswidrigkeit der Höhe der festgesetzten Beträge unter Berücksichtigung der bundesverfassungsgerichtlichen
Vorgaben nicht erkennbar ist. Insbesondere ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verfassungswidrig, bestimmte
Ausgabepositionen des EVS bei der Regelsatzermittlung herauszurechnen. Wie in dem erstinstanzlichen Beschluss bereits zutreffend
ausgeführt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 ein solches Vorgehen vielmehr
gerade als grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig angesehen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 -, juris Rn. 109). Dass sich die vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss angesprochenen möglichen zukünftigen Gefahren
(Unterdeckung konkreter Bedarfe, besondere Preisentwicklung) für 2017 tatsächlich verwirklicht haben könnten, ist, auch angesichts
des oben dargelegten Verhältnisses zwischen des Umfangs der Regelsatzerhöhungen und der bisherigen Inflationsraten, weder
ersichtlich noch vom Antragsteller dargelegt worden.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.