Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Ferienfahrt als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem
Sechsten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe (SGB XII).
Der 1953 geborene Kläger leidet ausweislich einer amtsärztlichen Stellungnahme des Dr. med. C., Gesundheitsamt C-Stadt, vom
5. August 2009 an einer leichten geistigen Behinderung, einer Alkoholabhängigkeit, einer Fehlernährung sowie an sozialer Isolation.
Aufgrund des Zusammenwirkens dieser Krankheiten sei der Kläger als geistig wesentlich behindert im Sinne des Gesetzes anzusehen.
Der Kläger, der zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II)
- Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) erhielt, beantragte am 29. Juni 2009 die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form des Betreuten Wohnens.
Der daraufhin erstellte "Integrierte Hilfeplan" (IHP) vom 7. Dezember 2009 für die Zeit vom 14. Dezember 2009 bis 30. Juni
2010 sieht als Eingliederungshilfe unter anderem die Einbindung des Klägers in den Freizeitbereich des D. E-Stadt durch Gespräche,
Motivation zur Teilnahme an den Freizeitaktivitäten und gegebenenfalls Begleitung vor. Am 14. Dezember 2009 wurde der Kläger
dann im "Betreuten Wohnen" der Einrichtung D. E-Stadt e.V. (nachfolgend D. E-Stadt) aufgenommen. Mit Bescheid vom 21. Januar
2010 gewährte der Beklagte ihm für den Zeitraum vom 14. Dezember 2009 bis 31. Juli 2010 darlehensweise Leistungen der Eingliederungshilfe
in Form eines Kontingents von 198 Fachleistungsstunden jährlich.
Ab dem 1. April 2010 erhielt der Kläger eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Hessen wegen voller Erwerbsminderung in
Höhe von 702,76 Euro pro Monat netto. Daneben bezog er ab dem 1. August 2010 monatlich einen Betrag von 84,19 Euro aus einer
privaten Rentenversicherung. Zudem wurde ihm - rückwirkend ab August 2009 - eine monatliche Rentenbeihilfe der Zusatzversorgungskasse
des Baugewerbes AG in Höhe von 57,92 Euro zuerkannt.
Der IHP vom 15. Juni 2010 für die Zeit vom 1. August 2010 bis 30. Juni 2011 führt unter der Überschrift "Gestaltung sozialer
Beziehungen" aus, der Kläger sei sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig. Er rede viel und gerne, was einige Personen auch
abschrecken könne, weiter in Kontakt mit ihm zu bleiben. Derzeit habe er regelmäßigen Kontakt zu den pädagogischen Mitarbeitern
des Vereins sowie zu einem Cousin und einem ehemaligen Arbeitskollegen. Weitere lose Kontakte habe er durch Besuche des Freizeitbereichs
knüpfen können. Unter der Überschrift "Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben" wird mitgeteilt, dass der Kläger
an kulturellen Veranstaltungen interessiert sei und auch immer wieder anfrage, ob die pädagogischen Mitarbeiter ihn zu diversen
Veranstaltungen begleiten könnten. Weiter nutze er den Freizeitbereich des Vereins und finde es sehr schön, unter Leute zu
kommen. Als Ziele der Eingliederungshilfe nennt der IHP unter anderem die Erweiterung des sozialen Umfeldes des Klägers und
Kontakte zu anderen Klienten des Vereins durch Teilnahme am Freizeitbereich des D. E-Stadt und Begleitung zu anderen kulturellen
Veranstaltungen.
Mit Bescheid vom 31. August 2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2010 bis 30. Juni 2011 erneut
Leistungen der Eingliederungshilfe für "Betreutes Wohnen" in Form eines Kontingents von 198 Fachleistungsstunden jährlich.
Am 8. März 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Kosten für eine Ferienfahrt nach F-Stadt, die vom
16. Mai 2011 bis 20. Mai 2011 stattfinden sollte. Die voraussichtlichen Kosten bezifferte er dabei mit 345,00 Euro. Zur Begründung
des Antrags wurde ausgeführt, der Kläger habe nicht sehr viele soziale Kontakte. Bis vor 3 Jahren habe er mit seiner Tante
und einem Cousin zusammengelebt, die ihm Stabilität und Unterstützung im Alltag geboten hätten. Nachdem die Tante gestorben
sei, sei für den Kläger eine wichtige Bezugsperson und Unterstützerin weggebrochen. Auch aus dem Haus der Tante habe er nach
deren Tod ausziehen müssen, so dass er seit Dezember 2010 in einer eigenen Wohnung lebe. Die Ereignisse der letzten 2 Jahre
hätten ihn sehr belastet. Der Kläger sei zwar ein grundsätzlich offener und kontaktfreudiger Mensch, habe aber immer wieder
Probleme, sozial befriedigende Bezüge zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Auch im Freizeitbereich des Vereins "ecke" er immer
wieder an. Aufgrund seiner finanziellen Lage, aber auch aufgrund seiner sozialen Situation habe er schon lange nicht mehr
in Urlaub fahren können. Er würde sich sehr freuen, an der geplanten Freizeit teilnehmen zu können. Angestrebte pädagogische
Ziele seien "Abstand gewinnen von den Ereignissen der letzten Zeit", "Stiften sozialer Kontakte innerhalb der Reisegruppe",
"positive Erfahrungen sammeln und Lebensfreude wecken" sowie "psychische Stabilisierung durch positive Urlaubserlebnisse".
Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 9. März 2011 ab. Die Teilnahme an der Ferienfreizeit diene nicht den
besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25. März 2011 am 28. März 2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er sich auf
ein beigefügtes Begleitschreiben des D. E-Stadt vom selben Tag bezog.
In dem IHP vom 16. Mai 2011 für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 heißt es unter der Überschrift "Gestaltung sozialer
Beziehungen", der Kläger habe einige Bekannte in seinem Wohnort. Diese Kontakte nutze er auch für Hilfestellungen. Unter der
Überschrift "Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben" wird mitgeteilt, der Kläger nehme in diesem Jahr erstmals
an einer Ferienfreizeit des D. E-Stadt teil und freue sich schon sehr darauf. Als eines der Ziele werden die Nutzung der Freizeitangebote
des Vereins und von "ZwischenRäume" genannt.
Der Kläger nahm an der Ferienfreizeit nach F-Stadt teil. Die Gruppe bestand aus 5 eingliederungshilfeberechtigten Personen
sowie 2 Mitarbeitern des D. E-Stadt.
Die Freizeit hatte nach den Angaben des D. E-Stadt (Bl. 90 bis 91 der Gerichtsakte) folgenden Verlauf:
"16.05.11:
Treffpunkt am Bahnhof. Fahrt mit dem Zug nach F-Stadt (mit Umsteigen in G-Stadt). Ankunft mittags in F-Stadt, Fahrt zur Jugendherberge,
Bezug der Einzelzimmer. Danach Erkunden der näheren Umgebung, Spaziergang zum Rhein. Gemeinsames Abendessen in Jugendherberge.
Danach war Herr A. im Bistro der Jugendherberge, wo auch andere Gäste der Jugendherberge den Abend verbrachten.
17.05.11:
Gemeinsames Frühstück und Planung des Tages. Die Gruppe teilt sich auf. Herr A. schließt sich seiner Bezugsbetreuerin und
einer weiteren Teilnehmerin an. Im Laufe des Tages unternimmt er eine 1-stündige Schifffahrt und besucht das H. Der andere
Teil der Gruppe besucht das J.-Museum. Nach dem Museumsbesuch machen sie noch einen Stadtbummel und kehren zu Fuß zur Jugendherberge
zurück. Den Abend verbringt der Großteil der Gruppe mit einem Kneipenbummel.
18.05.11:
Gemeinsames Frühstück. Gemeinsame Planung des Tages. Bis auf einen Teilnehmer möchten alle den Zoo besuchen. Im Zoo teilt
man sich auf und verabredet einen Treffpunkt. Ein Teilnehmer erleidet einen Schwächeanfall im Zoo und muss mit Herzrhythmusstörungen
auf die Intensivstation des Krankenhauses. Eine Mitarbeiterin begleitet ihn, die 2. Mitarbeiterin bleibt mit den anderen Teilnehmern
im Zoo, begleitet die Gruppe noch zurück zur Jugendherberge, muss dann aber ebenfalls vorübergehend ins Krankenhaus fahren,
um dort das weitere Vorgehen abzuklären. Herrn A. nimmt dies sehr mit. Er bleibt wieder im Bistro der Jugendherberge, als
Raucher bekommt er bei seinen "Raucherpausen" vor der Tür automatisch Kontakt zu den anderen Rauchern.
19.05.11:
Gemeinsames Frühstück und Planung des Tages. Alle möchten an dem Tagesausflug ins K teilnehmen. Herr A. befürchtet, ebenfalls
Probleme mit dem Herz zu haben und muss zum Blutdruckmessen zu einer Apotheke begleitet werden. Danach Fahrt zum K, vor Ort
Aufteilung in 2 Gruppen, gemeinsames Mittagessen. Herr A. probiert mehrere Fahrgeschäfte aus. Den Abend verbringt er wieder
mit einem Spaziergang zum Rhein und dem Besuch des Bistros.
20.05.11:
Gemeinsames Frühstück, Packen der Koffer, Fahrt zum Bahnhof, etwas Zeit zur eigenen Verfügung und für kleinere Einkäufe. Rückfahrt
nach E-Stadt mit Umsteigen in G-Stadt."
Ergänzend führte der D. E-Stadt zum Ablauf weiter aus:
"Die Teilnahme an der Gruppe ist bei unseren Freizeitfahrten nur bei An- und Abreise erforderlich. Vor Ort kann jeder selber
wählen, ob er an den Angeboten teilnehmen möchte oder nicht. Herr A. ist in fremder Umgebung zunächst sehr unsicher. Daher
traute er sich erst, auch einmal allein an den Rhein oder sogar über die Brücke in die Stadt zu gehen, nachdem er den Weg
mehrmals in Begleitung gegangen war und sicher sein konnte, dass er ihn kennt. Die Ausflüge unternahm er daher jeweils in
Begleitung seiner zuständigen, ihm vertrauten Mitarbeiterin.
Als Raucher kam Herr A. sehr schnell in Kontakt zu anderen Gästen der Jugendherberge. Er ist sehr kontaktfreudig, gerät aufgrund
seines Auftretens aber immer wieder in Konfliktsituationen.
Für ihn spielte zwar auch der durch die Freizeitfahrt bedingte Ortswechsel mit all seinen positiven Effekten eine zentrale
Rolle. Noch wichtiger war für ihn aber die Erfahrung der Gruppensituation der Reisegruppe. Hier konnte er sich unter ganz
anderen Rahmenbedingungen als in E-Stadt im sozialen Miteinander üben."
Mit Bescheid vom 15. Juni 2011 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2012 abermals
Leistungen der Eingliederungshilfe für "Betreutes Wohnen", nunmehr in Form eines Kontingents von 288 Fachleistungsstunden
jährlich.
In seinem Schreiben vom 24. Juni 2011 bezifferte der D. E-Stadt die von ihm verauslagten Kosten für die Ferienfahrt in F-Stadt
abschließend mit 319,39 Euro und legte hierzu verschiedene Quittungen vor. Der Kläger hat diesen Betrag bisher noch nicht
entrichtet.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011, dem Kläger zugestellt am 15. Oktober 2011, wies der Beklagte den Widerspruch
des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 9. März 2011 zurück. Die Teilnahme an der Ferienfahrt diene nicht der Erfüllung
der besonderen Aufgabe der Eingliederungshilfe, weil sie nicht primär darauf ausgerichtet gewesen sei, dass es zu Begegnungen
und Umgang mit nichtbehinderten Menschen komme. Diesbezüglich fehle es an einem entsprechenden pädagogischen Konzept. Zudem
sei nicht ersichtlich, dass die Ferienfahrt Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten des Klägers haben werde.
Am 20. Oktober 2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben und vorgetragen, der Beklagte sei bereits aus
Vertrauensschutzgründen zur Kostenübernahme verpflichtet, weil die Ferienfahrt im IHP aufgeführt sei. Dies habe der Beklagte
nicht beanstandet und damit die Finanzierung der Ferienfahrt zugesagt. Wolle der Beklagte hiervon abrücken, müsse er sich
auf den Bereich der Hilfeplanung verweisen lassen. Der IHP sei Grundlage für die Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen.
Sein Vertrauen wirke auf den Zeitpunkt zurück, in dem er mit den Vorbereitungen für die Ferienfahrt begonnen habe. Die Entscheidung
des Beklagten verstoße gegen den Grundsatz der bedarfsgerechten Einzelfallhilfe.
Mit Urteil vom 20. November 2013, dem Kläger zugestellt am 10. Januar 2014, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zugleich
hat es die Berufung zugelassen.
Die zulässige Klage sei unbegründet. Statthaft sei vorliegend die kombinierte Anfechtung- und Leistungsklage gemäß §
54 Abs.
1 und Abs.
4 i. V. m. §
56 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Zwar sei bei Streitigkeiten um Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 SGB XII regelmäßig die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1 i. V. m. §
56 SGG) als so genannte Bescheidungsklage (§
131 Abs.
3 SGG) die statthafte Klageart. Das beruhe darauf, dass der Leistungsberechtigte nach der gesetzlichen Systematik einen gebundenen
Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "Ob", nicht aber auch auf das "Wie" der Leistungserbringung, habe. Denn bei der Gewährung
von Eingliederungshilfeleistungen habe der Sozialhilfeträger nach § 17 Abs. 2 SGB XII über Art und Ausmaß dieser Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. LSG Thüringen, Urteil vom
23. Mai 2012, L 8 SO 640/09, juris Rn. 26 m. w. N.). Beschaffe sich jedoch der Leistungsberechtigte die im Streit stehende
Leistung selbst oder leiste ein Dritter - wie hier der D. E-Stadt - vor, weil der Sozialhilfeträger entweder nicht rechtzeitig
entscheide oder die Leistung rechtswidrig abgelehnt habe, bestehe für die gerichtliche Klärung über Art und Ausmaß der Leistungserbringung
gemäß § 17 Abs. 2 SGB XII regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse mehr. Vielmehr sei das Begehren des Leistungsberechtigten ausschließlich auf eine Geldleistung
(Kostenerstattung) gerichtet, die allein im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen sei.
Die Klage bleibe in der Sache ohne Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 319,39 Euro
für die vom 16. Mai 2011 bis 20. Mai 2011 dauernde Ferienfahrt nach F-Stadt habe. Der Bescheid des Beklagten vom 9. März 2011
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 (§
95 SGG) sei rechtmäßig und beschwere den Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 SGG.
Das Begehren des Klägers stütze sich auf §§ 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. §§
55 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
7,
58 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX). Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch sei jedenfalls, dass die Ablehnungsentscheidung des Beklagten rechtswidrig
sei. Dies sei zu verneinen.
Der Kläger gehöre zum leistungsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII, wie der Stellungnahme des Gesundheitsamtes C-Stadt vom 5. August 2009 unschwer zu entnehmen sei. Danach sei der Kläger nicht
nur vorübergehend geistig wesentlich behindert, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehe. Das zeige sich im Übrigen
auch daran, dass der Beklagte dem Kläger bereits Leistungen für "Betreutes Wohnen" gemäß §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX erbringe.
Indessen lägen die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen für die Ferienfahrt nach F-Stadt
nicht vor. Die Entscheidung des Beklagten über die Einschränkung des Ausmaßes der Leistungsgewährung unter Ausschluss der
Übernahme der Kosten für diese Ferienfahrt sei nicht ermessensfehlerhaft, weil er die Vorgaben des §
39 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (
SGB I) eingehalten habe. Nach dieser Vorschrift hätten Leistungsträger, die ermächtigt seien, bei der Entscheidung über Sozialleistungen
nach ihrem Ermessen zu handeln, dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen
des Ermessens einzuhalten. Beidem sei der Beklagte nachgekommen.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII würden Leistungen nach §
55 Abs.
1 SGB IX erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichten oder sicherten oder sie so
weit wie möglich unabhängig von Pflege machten und die nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht würden. §
55 Abs.
2 Nr.
7 SGB IX bestimme dabei, dass solche Leistungen insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben seien.
Nach §
58 SGB IX umfassten die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung
und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (Nr. 1) sowie Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die
der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienten (Nr. 2).
Ausgehend von diesen Grundsätzen könnten Urlaubsreisen und Ferienfahrten den Zweck der Förderung der Begegnung und des Umgangs
mit nichtbehinderten Menschen durchaus erfüllen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2010, L 9 SO 163/10, juris
Rn. 31 m. w. N.). Daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass jede Urlaubsreise oder Ferienfahrt den Teilhabegedanken
der Eingliederungshilfe verwirkliche und folglich vom Sozialhilfeträger zu erbringen sei. Denn für jede einzelne Maßnahme
müssten die in § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII normierten Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt sein, mithin nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere
nach Art und Schwere der Behinderung, die Aussicht bestehen, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne.
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII setze somit nicht nur voraus, dass die konkrete Maßnahme geeignet sei, die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erreichen,
sondern knüpfe darüber hinaus auch an die Eingliederungsbedürftigkeit des behinderten Menschen an.
Nach Auffassung der Kammer genüge es nicht, den Teilhabegedanke als verwirklicht anzusehen, wenn eine Urlaubsreise oder Ferienfahrt
lediglich zu Kontakt mit nichtbehinderten Menschen führe. Das beruhe darauf, dass jede Urlaubsreise oder Ferienfahrt in irgendeiner
Form und zwangsläufig zum Zusammentreffen von behinderten und nichtbehinderten Menschen führe. Um den Vorgaben des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gerecht zu werden, müssten Begegnung und Umgang zwischen behinderten Menschen und nichtbehinderten Menschen über ein einfaches
Aufeinandertreffen beider hinausgehen, weil andernfalls jede Urlaubsreise oder Ferienfahrt aus Mitteln der Sozialhilfe zu
erbringen wäre. Die konkrete Maßnahme dürfe dabei nicht nur darauf gerichtet sein, dass sich behinderte Menschen und nichtbehinderte
Menschen begegneten und miteinander umgingen, sondern dass eine solche Kontaktaufnahme und Umgangspflege Auswirkungen auch
für das zukünftige Verhalten des behinderten Menschen haben könne. Insoweit müsse der Urlaubsreise bzw. Ferienfahrt ein Konzept
zugrunde liegen, in dem sozialpädagogische Ziele und Zwecke enthalten seien (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 12. November 2010,
S 17 SO 109/09, juris Rn. 34). Notwendig hierfür sei, dass das geplante Freizeitprogramm eine Förderung der Begegnung mit
nichtbehinderten Menschen zulasse und nicht allein auf das Zusammensein behinderter Menschen in ihrer Gemeinschaft ausgerichtet
sein dürfe (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O., juris Rn. 36).
Ein derartiges Konzept für die hier im Streit stehende Ferienfahrt nach F-Stadt vermöge die Kammer nicht zu erkennen. Das
ergebe sich vor allem daraus, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Ferienfahrt in ihrer Tagesgestaltung frei
gewesen seien und eine verpflichtende Gruppenteilnahme nur bei An- und Abreise erforderlich gewesen sei. Schon allein vor
diesem Hintergrund ließen sich Umgang und Begegnung des Klägers mit nichtbehinderten Menschen keinesfalls sicher planen oder
gar steuern. Auch die vom Kläger anlässlich der Antragstellung aufgeführten Gründe für seine Teilnahme an der Ferienfahrt
bestätigten, dass es an einem entsprechenden Konzept gefehlt habe, mit dem sichergestellt habe werden sollen, dass die Aufgabe
der Eingliederungshilfe erfüllt werde. Im Vordergrund der Ferienfahrt habe offenkundig nicht der Eingliederungsgedanke gestanden,
was die Ziele "Abstand gewinnen von den Ereignissen der letzten Zeit", "positive Erfahrungen sammeln und Lebensfreude wecken"
sowie "psychische Stabilisierung durch positive Urlaubsziele" verdeutlichten. Stattdessen zeige sich daran, dass es sich im
Ergebnis um eine Ferienfahrt mit überwiegendem Erholungscharakter gehandelt habe, die nicht in besonderem Maße der Förderung
von Kontakten des Klägers zu nichtbehinderten Menschen gedient habe. Hierzu passe auch, dass der Kläger zur Begründung seines
Antrags vom 8. März 2011 vorrangig darauf hingewiesen habe, er sei wegen seiner finanziellen Lage schon lange nicht mehr im
Urlaub gewesen. In einem sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben der Eingliederungshilfe stehe allenfalls das anlässlich
der Antragstellung ebenfalls noch genannte Ziel "Stiften sozialer Kontakte innerhalb der Reisegruppe". Aber auch dies genüge
vorliegend nicht, um die Ferienfahrt als geeignete Maßnahme im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ansehen zu können. Vielmehr deute dies darauf hin, dass von vornherein geplant gewesen sei, während der Ferienfahrt im Wesentlichen
gemeinsame Aktivitäten der Kunden des D. E-Stadt durchzuführen mit dem Ziel, soziale Kontakte innerhalb der Gemeinschaft aufzubauen
und zu stärken. Ein solches Ansinnen möge zwar durchaus wünschenswert sein. Es führe allerdings dazu, dass die Kontaktaufnahme
zu dritten, nichtbehinderten Menschen während der streitbefangenen Ferienfahrt geradezu ausgeschlossen gewesen sein dürfte.
Allein die Teilnahme des Klägers an der Teilhabegruppe reiche deshalb nicht aus, um dem Eingliederungsgedanken im Sinne des
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gerecht zu werden (a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. August 2012, L 7 SO 1525/10, juris Rn. 23). Daher komme es
nicht darauf an, dass dem Kläger die Erfahrung der Gruppensituation mit der Reisegruppe - mithin in erster Linie der Kontakt
mit den anderen behinderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern - wichtig gewesen sei. Diese Einschätzung des D. E-Stadt konterkariere
geradezu den hier vom Kläger geltend gemachten Anspruch.
Der fehlende Eingliederungsgedanke zeige sich auch daran, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Ferienfahrt
weitgehend unter sich geblieben seien, selbst wenn nicht sämtliche Mitglieder der Reisegruppe stets geschlossen an den einzelnen,
ihnen angebotenen Freizeitaktivitäten teilgenommen hätten. Hierauf komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr, dass letztlich
keine Unternehmungen stattgefunden hätten, anlässlich derer der Kontakt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu nichtbehinderten
Menschen gezielt gefördert worden sei. Es sei zwar nicht von der Hand zu weisen, dass für den Kläger zumindest bei bestimmten
Aktivitäten wie beispielsweise dem abendlichen Kneipenbummel oder den Besuchen des Bistros der Jugendherberge die theoretische
Möglichkeit bestanden habe, auch den Kontakt zu nichtbehinderten Menschen zu suchen. Ob es hierzu tatsächlich gekommen sei,
bedürfe keiner weitergehenden Aufklärung. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre dies eher zufällig und
beiläufig geschehen und hätte gerade nicht auf einem bestimmten und von vornherein verfolgten Eingliederungskonzept beruht.
In Anbetracht dessen könne von einer Förderung im Sinne des Eingliederungsgedankens des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII keine Rede sein.
Im Übrigen bestätige auch der tatsächliche Ablauf der Ferienfahrt das hier gefundene Ergebnis. Denn soweit ersichtlich, habe
der Kläger Kontakt mit nichtbehinderten Menschen überwiegend während der "Raucherpausen" im Eingangsbereich der Jugendherberge
gehabt. Inwiefern diese Kontaktaufnahme Auswirkungen auch für sein zukünftiges Verhalten gehabt hätten, erschließe sich dabei
ebenso wenig wie, darin ein bestimmtes Eingliederungskonzept zu erkennen ist. Das gelte umso mehr, als nicht nachvollziehbar
sei, inwieweit es hierzu der Ferienfahrt nach F-Stadt bedurft habe.
Dem Kläger sei zuzugestehen, dass sich ein mehrtägiger Aufenthalt an einem anderen Ort regelmäßig positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung
des behinderten Menschen auswirke. Hierbei handele es sich allerdings um einen bloßen Nebeneffekt, ohne dass dabei ein spezifisches,
die Eingliederung des behinderten Menschen in das Leben der Gemeinschaft förderndes Konzept erkennbar sei.
Ungeachtet dessen könne die Kammer nicht erkennen, inwiefern der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum überhaupt eingliederungsbedürftig
gewesen sei. Die in der amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. August 2009 noch diagnostizierte soziale Isolation des Klägers
müsse offenkundig als überholt angesehen werden. Dabei dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit seiner Lebensführung,
die durch ein selbständiges Wohnen geprägt werde, zwangsläufig regelmäßig ein Kontakt auch mit nichtbehinderten Menschen verbunden
sei, selbst wenn dieser Kontakt möglicherweise nur oberflächlicher und geschäftsmäßiger Natur sei. Entscheidend sei, dass
der Kläger zu der Zeit, als die Ferienfahrt nach F-Stadt stattgefunden habe, bereits in einem gewissen Umfang an dem Leben
in der Gemeinschaft teilgenommen habe. Das gehe insbesondere aus der im IHP vom 16. Mai 2011 getroffenen Feststellung hervor,
dass der Kläger in seinem Wohnort einige Bekannte habe und er die Kontakte zu ihnen auch für Hilfestellungen nütze. Dies bestätige,
dass der Kläger nicht unbedingt auf weitergehende Eingliederungsmaßnahmen in Form einer Ferienfahrt angewiesen gewesen sei.
Dass seine Eingliederung in das Leben der Gesellschaft möglicherweise noch habe intensiviert werden können, sei in diesem
Zusammenhang unerheblich. Maßgeblich sei allein, dass der Teilhabebedarf des Klägers im Sinne eines Mindestmaßes gedeckt gewesen
sei. Denn dann sei das Ziel der steuerfinanzierten Eingliederungshilfe bereits erreicht, nämlich dem Leistungsberechtigten
auch in sozialer und kultureller Hinsicht die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspreche (§
1 Satz 1 SGB XII). Eine darüber hinausgehende Eingliederung oder gar bestmögliche Eingliederung des Leistungsberechtigten durch Leistungen
der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII sei damit von vornherein ausgeschlossen.
Zu Unrecht meine der Kläger schließlich, dass er auf eine Leistungserbringung durch den Beklagten habe vertrauen dürfen. Ungeachtet
der weiteren Voraussetzungen scheitere ein derartiger Vertrauensschutz bereits daran, dass der Kläger erstmals im Jahr 2011
an einer vom D. E-Stadt angebotenen Ferienfahrt teilgenommen habe. Ein etwaiges Vertrauen durch in der Vergangenheit gewährte
Eingliederungshilfeleistungen zur Durchführung von Ferienfahrt habe sich daher gerade in seiner Person nicht bilden können.
Im Übrigen vermöge die Kammer nicht zu erkennen, inwiefern aus Hilfeplänen, die der Ermittlung des Bedarfs an Fachleistungsstunden
für das Betreute Wohnen (§
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX) dienten, ein Vertrauenstatbestand in Bezug auf die Übernahme von Reisekosten begründet werde. Dies gelte umso mehr, als
die hier geltend gemachten Reisekosten für Unterkunft, Bahnfahrt, Versicherung, Eintrittsgelder und Fahrtkosten vor Ort gerade
nicht behinderungsbedingt seien. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen habe, dass er einen bestimmten
Anteil der ihm gewährten Fachleistungsstunden für die Ferienfahrt nach F-Stadt habe einsetzen müssen, rechtfertige dies kein
anderes, für ihn günstigeres Ergebnis. Denn wenn schon die Kosten der Ferienfahrt nicht vom Beklagten als Leistung der Eingliederungshilfe
zu erbringen seien, so müsse dies erst Recht für die zwecks "Betreuten Wohnens" gewährten Fachleistungsstunden gelten. Sei
der Einsatz von Fachleistungsstunden zur Durchführung der Ferienfahrt damit nicht von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gedeckt, mithin rechtswidrig, könne der Kläger daraus keine für ihn günstige Rechtsposition ableiten.
Die Kostenentscheidung folge aus §
193 SGG. Die Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG).
Der Kläger hat am 6. Februar 2014 Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtswidrig.
Der Beklagte habe dem Kläger auf der Grundlage eines Integrierten Hilfeplanes Eingliederungshilfe in Form von 288 Fachleistungsstunden
bewilligt. Dieser Bedarf an Fachleistungsstunden sei unter Berücksichtigung der geplanten Ferienfreizeit vom 16. Mai bis 20.
Mai 2011 festgestellt worden und der Beklagte habe einen Teil der Fachleistungsstunden auf die Teilnahme an der Ferienfreizeit
angerechnet. Damit habe er verbindlich entschieden, dass die Ferienfreizeit als eine Maßnahme der Eingliederungshilfe anzusehen
sei. Die Teilnahme des Klägers an dieser Maßnahme setze die Übernahme der damit verbundenen Kosten voraus. Insoweit könne
auch dahingestellt bleiben, ob die Sach- und Rechtslage bei einer anderen Handhabung durch den Beklagten anders beurteilt
werden müsse. Bei einer Änderung sei auch die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 30. August 2012 (Az. L 7 SO 1525/10)
zu beachten.
Hiervon ungeachtet habe der Ferienfreizeit ein hinreichendes Eingliederungskonzept zugrunde gelegen. Insoweit werde auf die
entsprechenden Ausführungen des D. E-Stadt verwiesen, der erklärt hat:
"Der Großteil unseres Klientels (ca. 100 Personen) fährt entweder überhaupt nicht oder alleine, bzw. mit Angehörigen oder
Bekannten in Urlaub. Lediglich mit 10 bis 15 Personen pro Jahr führen wir Freizeitfahrten durch. Die Freizeitfahrten sind
seit vielen Jahren fester Bestandteil des pädagogischen Konzeptes des Vereins. Es gibt Klienten, die aus den unterschiedlichsten
Gründen die angebotenen Maßnahmen vor Ort nicht, oder nicht im eigentlich erforderlichen Maß nutzen. In diesen Fällen ist
es sinnvoll, E-Stadt für einige Tage zu verlassen und Angebote in einem anderen Rahmen anzubieten. Die vier am häufigsten
auftretenden Gründe sind hierbei:
Überbehütung durch Angehörige: Aus Angst vor befürchteten Folgen verhindern Angehörige die Teilnahme an Freizeitangeboten
des Vereins oder die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie befürchten, dass ihre behinderten Angehörigen den unterschiedlichsten
Gefahren ausgesetzt werden könnten, wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegen (z. B. Heimfahrt alleine im Dunkeln). Mangels
eines stabilen Selbstbewusstseins trauen sich die Klienten nicht, sich über die Verbote der Angehörigen hinweg zu setzen.
Psychische Probleme der Klienten (insbesondere depressive Erkrankungen und Antriebsschwäche): Diese Klienten bringen im entscheidenden
Moment nicht die Energie auf, sich an den Freizeitangeboten zu beteiligen, obwohl sie dies eigentlich gerne würden.
Problematisches Sozialverhalten: Es gibt Klienten, die grundsätzlich Probleme im sozialen Miteinander haben. Entweder ecken
sie mit ihrem Verhalten immer wieder an und werden ausgegrenzt, oder sie haben so große Ängste vor Kontakten zu anderen Personen,
dass sie sich entsprechende Situationen entziehen.
Fehlende Gruppenfähigkeit: Diese Personen neigen dazu, Gruppen durch ihr auffälliges Sozialverhalten zu sprengen. Sie benötigen
entweder durchgehend eine 1 zu 1 Betreuung oder in Gruppensituationen die Option, die Gruppe jederzeit mit einem Mitarbeiter
verlassen zu können.
Bei diesen vier Personengruppen kann vor Ort nicht im erforderlichen Maß auf ihre jeweils persönliche Problematik, die einer
Teilhabe im Wege steht, eingegangen werden.
D. E-Stadt arbeitet nach einem psychoanalytisch-pädagogischen Ansatz, bei dem nicht die Konfrontation mit Defiziten, sondern
der Aufbau von Fähigkeiten, insbesondere Beziehungsfähigkeit und darüber der Aufbau von psychischen Strukturen und Selbstbewusstsein
im Vordergrund stehen (in Anlehnung an die so genannte Bindungstheorie sowie Objektbeziehungstheorie). Von daher entsprechen
unsere Freizeitfahrten auch eher nur im weiteren Sinne dem vom Gericht geforderten "konfrontationstherapeutischen Ansatz".
Allerdings bedeutet der Wechsel an einen unbekannten Ort per se eine Konfrontation mit der jeweils grundsätzlichen Problematik
eines Klienten, der sie sich an dem fremden Ort auch nicht entziehen können. Vor Ort steht dann allerdings der Aufbau von
Beziehungsfähigkeiten und psychischen Strukturen im Vordergrund. Dies geschieht nicht über gezielte konfrontationstherapeutische
Aktionen, sondern situationsabhängig im Rahmen des sogenannten "szenischen Verstehens".
Personen, die in einer erheblichen emotionalen Abhängigkeit zu ihrer Familie stehen, werden dazu ermutigt, auf ihre eigenen
Wünsche und Interessen zu achten. Antriebsschwache Personen werden zu Aktionen motiviert, Personen mit problematischem Sozial-
oder Gruppenverhalten immer wieder gezielt entsprechenden Situationen ausgesetzt. In E-Stadt wäre dies entweder überhaupt
nicht, oder zumindest nicht in diesem intensiven Rahmen möglich. Im Rahmen des Betreuten Wohnens sieht man sich in der Regel
zwei bis vier Stunden pro Woche. In dieser Zeit müssen zunächst administratorische und organisatorische Dinge erledigt werden.
Während einer Freizeitfahrt sind Mitarbeiter und Klienten dagegen über 100 Stunden am Stück zusammen. D. h. Prozesse, die
im Alltag immer wieder abbrechen oder gar nicht erst entstehen würden, können dort intensiv begleitet werden. Dadurch werden
Erfahrungen ermöglicht, die in E-Stadt nicht möglich wären.
Gerade in touristischen Urlaubszentren sind Erfahrungen möglich, die Klienten in E-Stadt nicht machen können. In E-Stadt stoßen
sie aufgrund ihrer Behinderung in der Regel auf Ablehnung und Ausgrenzung. Misslungene Versuche von sozialen Kontaktaufnahmen
zu Nachbarn, Vereinen, in Kneipen oder Cafés haben nachhaltige Folgen, da man diesen Personen im Alltag immer wieder begegnet.
Ganz anders verhält sich dies an einem anderen Ort. Auch misslungene Versuche führen zu keinen nachhaltigen Folgen im weiteren
Leben. Und gerade in touristischen Zentren sind Einheimische und Urlauber sehr viel offener für Kontakte, da alle aus eben
diesem Grund zusammen kommen. Auch unserem Klientel gegenüber sind alle zumindest anfangs viel aufgeschlossener, da sie keine
Behinderung bei einer Person vermuten, bei der keine offensichtliche Behinderung sichtbar ist. Allenfalls kommt es manchmal
nach und nach zu zunehmender Irritation wegen auffälligem Verhalten.
Gerade kurze oberflächliche Kontakte eröffnen daher die Chance, einmal gleichberechtigt mit anderen Personen in Kontakt treten
zu können und nicht sofort in die Rolle des Behinderten zu geraten. So kann man sich z. B. bei der Schiffsrundfahrt mit anderen
Touristen darüber unterhalten, wo man schon gewesen ist und was man noch vorhat. Ober bei der Würstchenbude erzählen, wo man
herkommt, so man untergebracht ist, wie einem die Stadt gefällt etc. Alle diese kleinen Interaktionen mit fremden Personen
fördern den Aufbau von Selbstbewusstsein, wenn die gelingen. Und wenn sie nicht gelingen, kann sich nicht im Wohnviertel herumsprechen,
wie man sich schon wieder daneben benommen hat."
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. November 2011 sowie des Bescheides vom 9. März
2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 zu verurteilen, an den D. E-Stadt e.V. die Kosten des Klägers
für die Ferienfahrt vom 16. Mai 2011 bis 20. Mai 2011 nach F-Stadt in Höhe von 319,39 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtmäßig. Obwohl der Kläger zum leistungsberechtigten Personenkreis
im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII gehöre, lägen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen für die streitgegenständliche Ferienfreizeit
nicht vor. Mit der Ferienfreizeit seien keine Teilhabeziele verfolgt bzw. erreicht worden. Die Ferienfreizeit sei nicht darauf
gerichtet gewesen, dass es zu Begegnungen und Umgang mit nicht behinderten Menschen komme, wie das Sozialgericht - worauf
verwiesen werde - zutreffend ausgeführt habe. Der Ferienfreizeit habe kein entsprechendes sozialpädagogisches Konzept zugrunde
gelegen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien während der Ferienfahrt in ihrer Tagesgestaltung frei gewesen. Eine verpflichtende
Gruppenteilnahme sei nur für die An- und Abreise vorgesehen gewesen. Auch lasse die Ferienfreizeit nicht erkennen, dass eine
etwaige Kontaktpflege während der Ferienfreizeit Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten des behinderten Menschen gehabt
hätte. Nachhaltige Erfolge für den Alltag ließen sich daraus nicht ableiten. Die Ferienfreizeit sei bereits keine geeignete
Maßnahme gewesen, um die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Unabhängig davon habe der Kläger zum streitgegenständlichen
Zeitpunkt in ausreichendem Maße an anderen Aktivitäten zur Teilhabe teilgenommen, wie aus dem IHP hervorgehe. Vertrauensschutz
bestehe ebenfalls nicht.
Wegen der weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge
des Beklagten. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils sowie der angefochtenen Bescheide und Zahlung
eines Betrages in Höhe von 319,39 Euro an den D. E-Stadt e.V., damit er von der ihm gegenüber bestehenden Forderung des Vereins
freigestellt wird. Er hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung durch den Beklagten. Alle der angegriffenen Entscheidungen
sind rechtmäßig und verletzten ihn nicht in seinen Rechten.
Die Übernahme der Kosten für die Ferienfahrt nach F-Stadt im Mai 2011 ist jedoch keine Leistung der Eingliederungshilfe, auf
die der Kläger einen Anspruch hat.
Welche Leistung der Eingliederungshilfe erbracht wird und in welcher Form die Erbringung erfolgt - als Geld-, Dienst- oder
Sachleistung - steht im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die hier betroffene Fahrt stünde
dem Kläger also von vornherein nur zu, wenn das Ermessen des Beklagten bei der Auswahl der "richtigen" Leistung im vorliegenden
Fall auf Null reduziert, d.h. nur die Entscheidung, die Fahrt nach F-Stadt als Eingliederungshilfeleistung zu gewähren, ermessensfehlerfrei
gewesen wäre. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null lag nicht vor.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass eine Ferienreise das einzige hierfür geeignete Mittel wäre. Selbst wenn man die Kriterien,
die der D. E-Stadt als Zweck für die durchgeführte Reise benennt - dass in touristischen Urlaubszentren für die behinderten
Personen Erfahrungen möglich seien, die diese in E-Stadt selbst nicht machen könnten, weil dort Einheimische und Touristen
offener für Kontakte seien und nicht die Gefahr des späteren Wiederaufeinandertreffens bestehe - bedürfte es, um dem Kläger
eine solche Erfahrung zu ermöglichen, keiner mehrtägigen Fahrt nach F-Stadt. Ausreichend wäre z.B. auch ein Tagesausflug nach
Heidelberg oder Frankfurt am Main, wodurch deutlich geringere Kosten anfallen würden. Dass der Beklagte sich bei mehreren
geeigneten Maßnahmen für die kostengünstigere entscheidet, ist zulässig, wenn nicht sogar geboten, weil er Leistungen auch
unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit (vgl. §§ 2, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 SGB XII) auszuwählen und zu erbringen hat.
Der Kläger hat des Weiteren keinen Anspruch auf Neubescheidung. Die Ablehnungsentscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Sie ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig; insbesondere ist sie frei von Ermessensfehlern.
Der Beklagte ist schließlich auch zulässigerweise davon ausgegangen, dass diese Bedingungen durch die hier streitige Maßnahme
nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße erfüllt werden.
Wie der D. E-Stadt e.V. selbst angegeben hat, gab es bei der Fahrt nach F-Stadt - abgesehen von Hin- und Rückfahrt - keine
Pflicht für die Klienten, an den verschiedenen Programmpunkten teilzunehmen. Gemeinsame Unternehmungen mit Nichtbehinderten,
um den Kontakt zwischen diesen und den Fahrtteilnehmern ganz gezielt zu fördern, waren kein Bestandteil des Reisekonzepts.
Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, es entspreche gerade dem pädagogischen Ansatz des D. E-Stadt, statt
Begegnungen mit Nichtbehinderten erzwingen, solche Zusammentreffen zufällig entstehen zu lassen; es komme bei den Ferienfahrten
automatisch immer wieder zu zahlreichen kleinen und niedrigschwelligen Begegnungen mit nicht behinderten Menschen, was bewusst
so gewollt sei. Denn an dieses pädagogische Konzept ist der Beklagte als Leistungsträger nicht gebunden. Er darf vielmehr
eigenständig, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, entscheiden, ob er eine bestimmte Maßnahme unter Eingliederungsaspekten
für zielführend erachtet oder nicht. Der Beklagte war insofern berechtigt, solche nur zufälligen Begegnungen jedenfalls bei
mehrtägigen Fahrten als nicht ausreichend anzusehen, um die Zwecke der Eingliederungshilfe zu erreichen.
Auch die Annahme des Beklagten, es sei nicht hinreichend erkennbar, dass durch die Fahrt nach F-Stadt das zukünftige Verhalten
des Klägers im Alltag nachhaltig günstig beeinflusst werde, ist frei von Ermessensfehlern. Seine Einschätzung, die während
der Fahrt entstehenden zufälligen und niedrigschwelligen Kontakte hätten keinen ausreichenden positiven Einfluss auf den Kläger,
ist plausibel. Die Angaben des D. E-Stadt stützen diese Einschätzung gerade. Denn der Kläger hat, wie sich übereinstimmend
aus allen Beschreibungen seiner Person in den Akten ergibt, kein Problem damit, zu anderen - Behinderten oder Nichtbehinderten
- überhaupt Kontakt aufzunehmen. In den IHP wird er durchgängig als kontaktfreudig und ausgeschlossen beschrieben. Problematisch
ist vielmehr das klägerische Verhalten nach der Kontaktaufnahme, vor allem auch gegenüber ihm bereits bekannten Personen.
Der D. E-Stadt hat hierzu ausgeführt, der Kläger ecke durch sein aufdringliches Benehmen und offensichtliche "Aufschneidereien"
bei seinen Mitmenschen regelmäßig an. Es gelinge ihm kaum, positive Kontakte zu anderen herzustellen. Er nerve sein Wohnumfeld
mit überzogenen Erwartungen an die Einhaltung von Regeln, z.B. bezüglich Mülltrennung und Entsorgung. Selbst im beschützenden
Rahmen der Freizeitangebote des Vereins sei es ihm bis heute nicht gelungen, Freundschaften zu schließen. Von den anderen
Klienten werde er eher gemieden. Der Änderung bedarf danach weniger das Verhalten des Klägers gegenüber Fremden als sein Auftreten
gegenüber Bekannten, Nachbarn und Mitklienten im Alltagsleben. Es ist insofern nachvollziehbar, wenn der Beklagte den nachhaltigen
Nutzen von oberflächlichen Urlaubsbegegnungen verneint.
Auch der Einwand des Klägers, sein Teilhabebedarf lasse sich in E-Stadt selbst nicht ausreichend decken, weil er mangels ausreichender
Mobilität nicht in dem erforderlichen Umfang an Freizeitaktivitäten vor Ort teilnehmen könne, greift nicht durch. Sollte es
tatsächlich im Zeitpunkt der Durchführung der Reise nach F-Stadt so gewesen sein, dass der Kläger behinderungsbedingt nicht
genügend mobil war, um sich in gebotenem Maße an Freizeitaktivitäten in E-Stadt zu beteiligen, könnte sich hieraus nur ein
Anspruch auf Maßnahmen zur Verbesserung seiner Mobilität ergeben. Eine Verpflichtung des Beklagten, die streitgegenständliche
Fahrt zu finanzieren, folgt hieraus nicht.
Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ferienreise ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.
Eine Zusicherung des Beklagten im Sinne von § 34 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) liegt ersichtlich nicht vor.
Auch ein sonstiges Verhalten des Beklagten, aus dem sich zugunsten des Klägers Vertrauensschutz ergeben könnte, ist nicht
erkennbar. Vertrauensschutz wird grundsätzlich nur gewährt, wenn ein Anspruchsteller auf die Fortsetzung einer bestimmten
behördlichen Handhabung vertrauen durfte und dieses Vertrauen auch betätigt hat, z.B. durch das Treffen von Vermögensdispositionen.
Zu beachten ist, dass Adressat des Vertrauensschutzes ausschließlich der Leistungsempfänger ist, nicht der Leistungserbringer.
Schützenswertes Vertrauen in diesem Sinne war bei dem Kläger im damaligen Zeitpunkt nicht vorhanden. Schon die relativ ausführliche
Begründung des Antrags auf Kostenübernahme zeigt, dass den Beteiligten klar war, dass es einer individuellen Darlegung der
Gründe für den Teilnahmewunsch bedurfte, eine positive Entscheidung also nicht automatisch garantiert war. Auch nahm der Kläger
2011 erstmals an einer Fahrt des D. E-Stadt teil. Sein Antrag auf Kostenübernahme wurde mehr als zwei Monate vor Durchführung
der Fahrt abgelehnt, wobei die Ablehnungsentscheidung sehr zeitnah nach Eingang des Antrages erfolgte. Dafür, dass der Kläger
bereits im Zeitpunkt des Zugangs dieses Bescheides die Kosten für die Reise beglichen oder sich verbindlich, ohne Rücktrittsmöglichkeit,
für diese angemeldet hätte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Der Umstand, dass der Beklagte einen Teil der von ihm bewilligten Fachleistungsstunden auf die Teilnahme an der Fahrt angerechnet
hat, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Dieses Vorgehen mag nicht ganz konsequent sein. Der Kläger konnte aber
angesichts der beklagtenseits erlassenen Bescheide aus dieser Anrechnung keinesfalls folgern, der Beklagte beurteile die Reise
insgesamt als geeignete Eingliederungsmaßnahme, habe also seine bisherige Auffassung geändert. Vertrauen konnte insofern nicht
entstehen. Mit der Anrechnung hat der Beklagte sich auch nicht in Bezug auf seine Entscheidung, sonstige Kosten, die durch
die Fahrt entstanden sind, zu übernehmen, gebunden.