Tatbestand
Der 1963 geborene Kläger beantragte nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld
mit Wirkung zum 3. April 2018. Im Antrag vom 6. April 2018 gab er an, weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. Die
Beklagte übersandte ihm sodann mit Schreiben vom 6. April 2018 ein Merkblatt über das Verfahren nach §
145 SGB III sowie einen von ihm auszufüllenden Gesundheitsfragebogen.
Mit Bescheiden vom 9. und 11. Juli 2018 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund des noch fehlenden ärztlichen Gutachtens
zunächst vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 3. April 2018 für 450 Kalendertage in Höhe von 50,34 € täglich. Mit sozialmedizinischer
gutachterlicher Stellungnahme vom 10. August 2018 wurde mitgeteilt, dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend
trennscharf innerhalb der 6-Monats-Frist gutachterlich terminiert werden könne, so dass aus agenturärztlicher Sicht die medizinischen
Voraussetzungen nach §
145 SGB III zu bejahen seien. Hierauf bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2018 abschließend Arbeitslosengeld mit vorgenannter
Dauer und Höhe und forderte den Kläger mit Schreiben gleichen Datums auf, innerhalb der Frist von einem Monat einen Antrag
auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen; dieser Antrag gelte als Rentenantrag, sollten Rehabilitationsleistungen nicht
in Betracht kommen.
Mit Schreiben vom 6. September 2018 beantragte der Kläger sodann über die Beklagte Leistungen zur Rehabilitation bei der Deutschen
Rentenversicherung Hessen. Den Antrag leitete die Beklagte zusammen mit dem ärztlichen Gutachten vom 10. August 2018 an den
Rentenversicherungsträger weiter, mit der Bitte zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Dieser stellte nach ärztlichen
Stellungnahmen vom 7. November 2018 und 7. Dezember 2018 mit am 20. Dezember 2018 unterschriebener Verfügung das Vorliegen
einer zeitlich befristeten vollen Erwerbsminderung bei dem Kläger fest. Mit Bescheid vom 2. Januar 2019 lehnte der Rentenversicherungsträger
den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab, weil die Erwerbsfähigkeit durch solche Leistungen nicht wesentlich
gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Mit weiterem Schreiben
vom 2. Januar 2019 teilte er dem Kläger zudem mit, der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gelte als Antrag auf Rente. Um das
Rentenverfahren durchführen zu können, werde er gebeten, bei einer zuständigen Stelle ein Rentenantragsformular auszufüllen.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 legte der Kläger sodann beim Rentenversicherungsträger “gegen den Bescheid vom 02.01.2019“
Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen formularmäßigen Rentenantrag bei dem Rentenversicherungsträger
zu stellen und dies bis zum 15. März 2019 nachzuweisen. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Datum belehrte die Beklagte den
Kläger über seine Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Feststellung, ob eine Erwerbsminderung vorliege durch den zuständigen
Rentenversicherungsträger. Mit Schreiben vom 25. Februar 2019, überschrieben mit „Widerspruch, Ihr Schreiben vom 14.02.2019“
teilte der Kläger mit, er wolle mitwirken, habe aber gegen die Umwandlung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation in
einen Rentenantrag bei der Rentenversicherung Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Widerspruch
gegen den Bescheid vom 14. Februar 2019, mit welchem dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung
eine Mitwirkung erforderlich sei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2019 als unbegründet zurück.
Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 19. März 2019 fragte die Beklagte sodann beim Rentenversicherungsträger an, ob der Antrag auf Leistungen
zur Rehabilitation in einen Rentenantrag umgewandelt und die formelle Rentenantragstellung erfolgt sei und bat, das Leistungsvermögen
des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mitzuteilen. Mit handschriftlichem Eintrag vom 25. März 2019 auf dem Schreiben
der Beklagten vom 19. März 2019, eingegangen bei der Beklagten am 2. April 2019, teilte der Rentenversicherungsträger mit,
es liege ein unter dreistündiges Leistungsvermögen vor; die Umwandlung des Rehabilitationsantrages sei wegen des Widerspruchs
des Klägers noch nicht vollzogen worden, eine Entscheidung über den Widerspruch gegen die Umdeutung stehe von Seiten der Rehabilitationsabteilung
noch aus.
Mit Aufhebungsbescheid vom 24. April 2019 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24. April 2019 auf. Hiergegen legte der Kläger mit
Schreiben vom 23. Mai 2019 Widerspruch ein. Er habe gegen die Umwandlung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation in
einen Rentenantrag bei dem Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt; diese Akteneinsicht
sei bis heute noch nicht erfolgt. Dennoch sei die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben worden. Er habe kein Geld mehr
und sei nicht versichert. Es sei unverständlich, warum die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegenüber dem Rentenversicherungsträger
nicht berücksichtigt werde. Er verstehe auch nicht, warum ab dem 24. April 2019 kein Arbeitslosengeld mehr gezahlt werde,
obwohl er das Recht zum Widerspruch binnen eines Monats habe. Mit Schreiben vom 24. sowie 26. Mai 2019 vertiefte er diese
Begründung. Er habe immer mitgewirkt, dennoch habe er eine Aufforderung zur Mitwirkung erhalten. Er bitte um eine verständliche
Begründung, warum die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 24. April 2019 aufgehoben worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2019 hob die Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 24. April 2019 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 28. April 2019
auf und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Dem Kläger sei Arbeitslosengeld unter den Bedingungen des
§
145 SGB III zuerkannt worden. Hiernach könne das Arbeitslosengeld jedoch nur solange gewährt werden, bis der Rentenversicherungsträger
eine Entscheidung über die Erwerbsminderung getroffen habe. Dieser habe verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt und dies
der Beklagten am 2. April 2019 mitgeteilt. Aufgrund der vorliegenden Entscheidung des Rentenversicherungsträgers habe der
Kläger keinen Anspruch darauf, dass ihm trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens Leistungen nach §
145 SGB III gezahlt würden. Denn auch wenn er der Umdeutung des Rehabilitationsantrags widersprochen habe, liege doch eine Entscheidung
des Rentenversicherungsträgers vor. Da der Bescheid vom 24. April 2019, welcher am gleichen Tag zur Post aufgegeben wurde,
nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X als am 27. April 2019 als zugestellt gelte, sei die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld abweichend vom
streitgegenständlichen Bescheid ab dem 28. April 2019 aufzuheben gewesen.
Den sodann vom Kläger gestellten Eilantrag lehnte das Sozialgericht Marburg mit Beschluss vom 22. August 2019 (Aktenzeichen
S 2 AL 39/19 ER) ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 30. Oktober 2019 (Aktenzeichen
L 7 AL 91/19 B ER) zurück.
Mit der am 28. Juni 2019 bei dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe
einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach §
145 SGB III bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers und verweist hierzu auf das Urteil des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 9. September 1999 – B 11 AL 13/99 R.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten Sie hält ihren Bescheid weiterhin für rechtmäßig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2019 hat der Rentenversicherungsträger den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Mit Verfügung vom 22. August 2019 und 12. September 2019 hat das Sozialgericht die Beteiligten zu einer Entscheidung mittels
Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Februar 2020 hat das Sozialgericht Marburg die Klage abgewiesen.
Das Gericht habe ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach §
105 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entscheiden können. Die Sache weise keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt sei geklärt.
Die Beteiligten hätten keine Einwände erhoben.
Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 24. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai
2019 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser habe keinen Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld
ab dem 29. April 2019 (richtig wohl: 28. April 2019).
Streitgegenständlich sei der Bescheid vom 24. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2019, mit welchem
die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 28. April 2019 aufgehoben hatte. Streitig sei nach dem vorgebrachten
Begehren des Klägers die weitere Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 29. April 2019 (richtig wohl: ab dem 28. April 2019)
bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Rentenversicherung. Die Klage sei daher als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
auszulegen und als solche statthaft.
Die Klage sei aber unbegründet.
Rechtsgrundlage des Anspruchs sei §§
136 ff.
SGB III. Nach §
136 Abs.
1 Nr.
1 SGB III hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Nach §
137 Abs.
1 SGB III habe Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer Nr.
1 arbeitslos sei, sich Nr. 2 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet habe und Nr.
3 die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Nach §
138 Abs.
1 SGB III sei arbeitslos, wer 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, 2. sich bemühe, die eigene Beschäftigungslosigkeit
zu beenden und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe. Nach §
138 Abs.
5 Nr.
1 SGB III stehe den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer insbesondere eine versicherungspflichtige, mindestens
15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht
kommenden Arbeitsmarktes ausüben könne und dürfe. Damit sei zu unterscheiden zwischen den objektiven, also willensunabhängigen
Gegebenheiten, und der subjektiven Verfügbarkeit, der Arbeitsbereitschaft des Leistungsempfängers(vgl. Baldschun in: Gagel, Stand: September 2019,
SGB III, §
138, Rn. 148).
Der Kläger habe im Antrag auf Arbeitslosengeld angegeben, weiterhin arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Zu prüfen seien daher
im Hinblick auf die Frage, ob der Kläger den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe, die Voraussetzungen
des §
145 SGB III, der so genannten Nahtlosigkeitsregelung. Nach §
145 Abs.
1 S. 1
SGB III habe Anspruch auf Arbeitslosengeld auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos sei, weil sie wegen einer mehr als
sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen
nicht unter den Bedingungen ausüben könne, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der
Minderung der Leistungsfähigkeit üblich seien, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht festgestellt worden sei. Durch diese Regelung werde die objektive Verfügbarkeit des Leistungsempfängers fingiert. Die
Feststellung, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliege, treffe der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,
§
145 Abs.
1 S. 2
SGB III.
Nach der sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme der Beklagten vom 10. August 2018 seien beim Kläger die Voraussetzungen
des §
145 SGB III, namentlich eine Leistungsfähigkeit unter drei Stunden für mehr als sechs Monate, erfüllt. Damit habe zunächst ein Anspruch
des Klägers auf Zahlung des Arbeitslosengeldes nach §§
136 ff. iVm §
145 Abs.
1 SGB III bestanden.
Dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld sei aber zumindest ab dem 28. April 2019 weggefallen.
Dies beruhe zunächst nicht auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Klägers. Denn der nach §
145 Abs.
2 S. 1
SGB III erfolgten Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen, sei dieser mit Beantragung
der Leistungen am 6. September 2018 nachgekommen. Eine weitere Mitwirkungsverpflichtung in dem Sinne, außerdem einen Antrag
auf Rente zu stellen, wozu der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 14. Februar 2019 aufgefordert worden sei, bestehe nicht.
Denn ausweislich des Wortlautes von §
145 Abs.
2 S. 1
SGB III bestehe eine Mitwirkungsverpflichtung des Leistungsempfängers nur hinsichtlich der Beantragung von Leistungen der medizinischen
Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dies bedeute, dass der Leistungsempfänger durch Beantragung einer dieser
beiden Leistungsarten seiner Mitwirkungsverpflichtung nachkomme. Ein weiterer Antrag auf Rente müsse nicht gestellt werden,
da der Antrag auf Leistungen der Rehabilitation nach §
116 Abs.
2 SGB VI in einen Antrag auf Rente umgedeutet werde (vgl. auch Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.12.2019,
SGB III, §
145, Rn. 26).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes bestehe aber ein Anspruch auf Arbeitslosengeld über die Sondervorschrift des §
145 SGB III, mit welchem die objektive Verfügbarkeit fingiert werde, nur solange die Feststellung des zuständigen Rentenversicherungsträgers
über das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit noch nicht vorliege. Nur bis zum Vorliegen einer solchen Feststellung
entfalte die Nahtlosigkeitsregelung ihre Sperrwirkung in dem Sinne, dass der für die Leistungen nach dem
SGB III zuständige Leistungsträger die Gewährung von Arbeitslosengeld wegen der objektiven Einschränkungen des gesundheitlichen Leistungsvermögens
des Leistungsempfängers nicht ablehnen dürfe. Erreicht werde auf diese Weise ein Schutz des Leistungsempfängers vor negativen
Kompetenzkonflikten infolge einer unterschiedlichen Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung
sowie Träger des Arbeitslosengelds nach dem
SGB III (vgl. Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.12.2019,
SGB III, §
145, Rn. 17).
Der zuständige Rentenversicherungsträger habe schon mit am 20. Dezember 2018 unterschriebenen Formular eine Entscheidung
über das Vorliegen der Erwerbsminderung beim Kläger getroffen und eine volle Erwerbsminderung festgestellt. Somit liege eine
Feststellung des Rentenversicherungsträgers über die verminderte Erwerbsfähigkeit vor. Unmittelbare Folge einer positiven
Feststellung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung sei das Entfallen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß §
145 SGB III im Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung bei dem Antragsgegner (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 11 RAr 19/95; Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1. Dezember 2019,
SGB III, §
145, Rn. 17). Abzustellen sei daher auf den Eingang der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers hinsichtlich des Leistungsvermögens
des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei der Beklagten am 2. April 2019, wohingegen die Beklagte hinsichtlich des
Zeitpunkts der Aufhebung wohl von einem Zugang des Aufhebungsbescheids beim Kläger ausgehe.
Ein Bestehenbleiben der Sperrwirkung ergebe sich nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem Widerspruch des Klägers (sowie
einer Klage hiernach) gegen die Ablehnung seines Antrages auf Rehabilitation und der hierdurch gemäß §
116 Abs.
2 SGB VI erfolgten Umdeutung in einen Rentenantrag. Denn durch den Widerspruch entfalle nicht die Feststellung der Erwerbsminderung
durch den ärztlichen Dienst des Rentenversicherungsträgers; diese sei vielmehr immer noch vorhanden – unabhängig von der Frage,
ob diese zutreffend sei. Überdies sei die Feststellung der Erwerbsminderung eine interne Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
und kein angreifbarer Verwaltungsakt (vgl. Brand in: Brand, SGB, 8. Aufl. 2018,
SGB III, §
145 Rn. 7). Der Widerspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger beziehe sich damit allein auf die Ablehnung der Rehabilitation
und die Umdeutung in einen Rentenantrag und habe daher auch hinsichtlich der Feststellung der Erwerbsminderung keinen Suspensiveffekt
entfalten können.
Auch der Sinn und Zweck des §
145 SGB III erfordere keine zeitlich unbegrenzte Nahtlosigkeitsregelung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rentenverfahrens (vgl.
SG Karlsruhe 22. April 2013 - S 11 AL 3545/12). Durch die Nahtlosigkeitsregelung solle verhindert werden, dass ein dauernd leistungsgeminderter Arbeitsloser von der Beklagten
als nicht verfügbar und vom Rentenversicherungsträger als nicht erwerbsgemindert mit der Folge angesehen werde, dass beide
Träger für denselben Zeitraum Leistungen versagen. Die Vorschrift diene damit dem Schutz des Arbeitslosen vor divergierenden
Entscheidungen der beiden Träger. Aufgabe der Nahtlosigkeitsregelung sei es aber nicht, einen nahtlosen Leistungsbezug bis
zum Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens sicherzustellen (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 12. Juni 2003
- L 14 AL 2/01; SG Karlsruhe, Urteil vom 22. April 2013 - S 11 AL 3545/12). Seine Funktion und Wirkungsweise bestehe nicht darin, dass Arbeitslosengeld nach Erschöpfung des Krankengelds als eine
Art Anschlusskrankengeld bedingungslos fortgewährt werde. Allein ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente bzw. medizinische
Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger genüge nicht, um fortan ohne jede Prüfung der objektiven Verfügbarkeit Arbeitslosengeld
bis zum endgültigen und rechtskräftigen Abschluss eines rentenrechtlichen Verfahrens zu beziehen (vgl. LSG Bayern, Urteil
vom 15. Dezember 2011 - L 9 AL 66/09).
Es sei dem Kläger zuzugeben, dass die Regelung des §
145 SGB III insoweit versage, als dass dieser nicht seine Rechte gegenüber dem Rentenversicherungsträger verfolgen könne und in dieser
Zeit - bis zur rechtskräftigen Entscheidung - weiter seine Verfügbarkeit über §
145 SGB III fingiert werde. Dies sei aber nach Auffassung der Kammer ausweislich des Wortlauts und Sinn und Zweck der Vorschrift gewollt;
vermieden werden solle allein eine negative Folge für den Leistungsempfänger durch unterschiedliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit
durch Rentenversicherungsträger und Arbeitsagentur. Diese Auffassung bestätige sich auch dadurch, dass die Sperrwirkung auch
dann entfalle, wenn keine Rente bewilligt werde. Zwar versage hier auch das Konzept der Nahtlosigkeit (vgl. Winkler in: Gagel, SGB II/III, Stand: März 2019, §
145 SGB III, Rn. 80); die Funktion sei gleichwohl erfüllt, weil durch die positive Feststellung der Erwerbsminderung die grundsätzliche
Zuständigkeit der Rentenversicherung für den Versicherten festgestellt sei und dadurch die Gefahr eines negativen Kompetenzkonflikts
zwischen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung wegen gegensätzlicher Beurteilung der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit
nicht mehr bestehe (vgl. Müller in: BeckOK SozR, Stand: 1.6.2019,
SGB III, §
145, Rn. 19).
Es bestehe daher kein Anspruch des Antragstellers auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld nach §
145 SGB III ab dem 28. April 2019.
Der Antragsteller habe auch einen Anspruch auf die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld gemäß §§
136 ff.
SGB III aufgrund dem Vorliegen der Verfügbarkeit im Sinne von §
138 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
5 Nr.
1 SGB III nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt. Vielmehr führe er selbst aus, es sei ihm aufgrund seiner Krankheit eine Reha
zu bewilligen.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 4. Februar 2020 ist dem Kläger am 11. Februar 2020 zugestellt worden.
Mit der am 9. März 2020 beim Sozialgericht Marburg eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren unter Wiederholung
und Vertiefung seines bisherigen Vortrags weiter. Aufgrund seines Widerspruchs gegen die Feststellung der DRV sei noch alles
offen und noch nichts entschieden, so dass ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung weiterhin Arbeitslosengeld zu zahlen sei.
Auf seinen zusammenfassenden Schriftsatz vom 16. März 2021 (Bl. 107 - 108 der Gerichtsakte), beim Senat eingegangen noch vor
der mündlichen Verhandlung am 19. März 2021, wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 4. Februar 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2019 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum ab 28.
April 2019 Arbeitslosengeld nach §
145 SGB III bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Berufung nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 11. Januar 2021 nach pflichtgemäßem
Ermessen auf den Berichterstatter zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen (§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im zuletzt noch eingereichten
Schriftsatz vom 16. März 2021 - zu einer anderen rechtlichen Bewertung keine Veranlassung.
§
145 Abs.
1 Satz 1
SGB III enthält - wie das Sozialgericht schon zutreffend ausgeführt hat - eine sogenannte Nahtlosigkeitsregelung, deren Wirkung darin
besteht, ein aus gesundheitlichen Gründen objektiv nicht bestehendes Leistungsvermögen des Arbeitslosen bis zum Eintritt des
in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung zu fingieren. Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung
daran, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen einer Leistungsminderung
auf weniger als 15 Stunden wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten nach Maßgabe von §
138 Abs.
5 Nr.
1 SGB III objektiv nicht verfügbar und deshalb nicht arbeitslos im Sinne von §§
137 Abs.
1 Nr.
1,
138 Abs.
1 Nr.
3 SGB III. Die Fiktion objektiver Verfügbarkeit und damit auch die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung dauert bis zur Feststellung,
dass verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (§
43 Abs.
1 bis
3 SGB VI) vorliegt; diese Feststellung ist nach §
145 Abs.
1 Satz 2
SGB III vom zuständigen Rentenversicherungsträger zu treffen. Mit der Feststellung des Rentenversicherungsträgers entfällt der Anwendungsbereich
der Nahtlosigkeitsregelung (so zuletzt BSG vom 12. Dezember 2017 – B 11 AL 27/16 R, juris Rn. 12 mit Verweis auf BSG vom 14. Dezember 1995 - 11 RAr 19/95 - RdNr 13 ff; BSG vom 9. September 1999 - B 11 AL 13/99 R - BSGE 84, 262 = SozR 3-4100 § 105a Nr 7, juris RdNr 15 zu § 105a AFG; vgl. auch Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
145 RdNr 35,
63, Stand Juli 2013; Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III, 1. Aufl 2014, §
145 RdNr 11; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl. 2017,
SGB III, §
145 RdNr 8, 12). Unerheblich ist dabei, ob die Feststellung des Rentenversicherungsträgers mit der Zahlung einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit verbunden ist oder ob die Rente ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt oder ob der Kläger
die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers – wie vorliegend – angefochten hat und ob diese Entscheidung bereits bestandskräftig
geworden ist oder nicht.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.