Zulassung der Berufung
Grundsatzberufung oder Verfahrensberufung
Fehlerhafte Beweiswürdigung
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist gemäß §
145 Abs.
1 und
2 SGG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Gemäß §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
2. das Urteil von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
Die Beklagte beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Dies erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird. Die Klärung der Rechtsfrage muss im allgemeinen Interesse erforderlich
(Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten sein (Klärungsfähigkeit; vgl. für viele Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2016 - L 31 AS 802/16 NZB -, Rn. 9, [...]). Ist ein Urteil auf mehrere selbständige Begründungen gestützt, die jede für sich das Urteil tragen,
muss ein Zulassungsgrund für jede Begründung vorliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
144 Rn. 27a m.w.N.).
Die Beklagte macht geltend, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, die nachträgliche Verrechnung einer von der Krankenkasse
vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschale verstoße gegen Treu und Glauben, sei deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil
aktuell mehrere hundert Klagen verschiedener Krankenhäuser bei den Sozialgerichten anhängig seien, deren Sachverhalte mit
dem Tatbestand des anhängigen Verfahrens vergleichbar sei. Der Hinweis auf eine Vielzahl von Verfahren mit gleichem oder ähnlichen
Streitgegenstand begründet jedoch allein keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, sondern darüber hinaus ist aufzuzeigen,
dass in dem einzelnen Verfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten ist, mag diese Rechtsfrage sich
auch in weiteren - parallel oder ähnlich gelagerten Fällen - in gleicher Weise stellen. Daran fehlt es vorliegend.
Die vorliegend maßgeblichen Rechtsfragen sind Ausfluss der vom 1. Senat des BSG entwickelten Unterscheidung zwischen der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung
und der Überprüfung von Auffälligkeiten der Abrechnung nach §
275 Abs.
1c SGB V. Danach betrifft die Auffälligkeitsprüfung regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben kann, dass das
Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 Abs.
1 SGB V) erbracht hat. Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch des Krankenhauses
auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach §
275 Abs.
1c S. 3
SGB V. Demgegenüber soll das Überprüfungsrecht der Krankenkassen von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit
einem eigenen Prüfregime unterliegen; die Krankenkassen sind jederzeit berechtigt, die sachlichrechnerische Richtigkeit einer
Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu
überprüfen; die Zahlung der Aufwandspauschale ist hier ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R -; Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 34/13 R -; Urteil vom 23. Juni 2015, B 1 KR 23/14 R).
Hiervon ausgehend begründet das Sozialgericht seine stattgebende Entscheidung zunächst damit, die Beklagte könne sich nicht
nachträglich darauf berufen, die Prüfung durch den MDK habe der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung
gegolten, wenn der MDK auf Veranlassung der Krankenkasse in der Prüfanzeige an das Krankenhaus mitteile, dass es sich um eine
von der Krankenkasse beauftragte (Auffälligkeits-)Prüfung nach §
275 Abs.
1c SGB V handele und die Krankenkasse auf entsprechende Inrechnungstellung der Aufwandspauschale durch das Krankenhaus diese vorbehaltlos
ohne Wenn und Aber zahle (Seite 24 f der Urteilsgründe); das Sozialgericht hält dies für einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung
(Seite 26) bzw. des Verstoßes gegen Treu und Glauben (Seite 27). Weiter führt das Sozialgericht aus, der Vortrag der Beklagten
im Klageverfahren, sie habe eine Prüfung nach §
275 Abs.
1c SGB V tatsächlich nicht in Auftrag gegeben, sei nach den dem Gericht vorgelegten Unterlagen trotz wiederholter Fristsetzung nicht
nachgewiesen. Dem Gericht sei der Prüfauftrag nicht im Fließtext vorgelegt worden, sondern allein eine EDV-Maske, die zwar
keinen ausdrücklichen Hinweis auf §
275 SGB V ausweise, dann aber ebenso ausdrücklich die einzelnen Auffälligkeiten aufliste, auf die dann der MDK in seiner Prüfanzeige
gegenüber der Klägerin als Grund für die nach §
275 SGB V angezeigte Prüfung verweise (Seite 25).
Angesichts dieser Ausführungen liegt dem Urteil des Sozialgerichts eine klärungsbedürftige Rechtsfrage i.S.v. §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG aber allenfalls insoweit zugrunde, als es die nachträgliche Verrechnung einer bereits vorbehaltslos gezahlten Aufwandspauschale
aus Rechtsgründen stets für unzulässig hält. Daneben stellt das Sozialgericht seine Entscheidung aber auf eine weitere - von
der Annahme der grundsätzlichen Unzulässigkeit der nachträglichen Verrechnung unabhängige - Erwägung: Das Sozialgericht hält
es nicht für erwiesen, dass die Beklagte hier tatsächlich keine Auffälligkeitsprüfung, sondern eine sachlich-rechnerische
Prüfung veranlasst hat.
Diese die Entscheidung des Sozialgerichts selbständig tragende Begründung wird seitens der Beklagten im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde
nicht angegriffen. Sie wäre vom Senat im Hinblick auf die in §
144 Abs.
2 SGG enumerativ aufgelisteten Zulassungsgründe auch nur darauf überprüfbar, ob die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen
des Sozialgerichts verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind, was wiederum voraussetzt, dass Verfahrensmängel von der beschwerten
Partei geltend gemacht werden und tatsächlich vorliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
144 Rn. 36 f). Eine mögliche fehlerhafte Beweiswürdigung des Sozialgerichts kann demgegenüber nicht zur Zulassung nach §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG führen. Ein solcher Fehler - wenn er denn vorläge - wäre nicht dem insoweit zu prüfenden äußeren Verfahrensgang zuzurechnen,
sondern der Ausfüllung materiellen Rechts, dessen Anwendung mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erneut zur Prüfung gestellt
werden kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 2011, L 19 AS 980/10 NZB; Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 34a m.w.N.).
Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.