Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für das Mistelpräparat Iscucin salicis zur Behandlung einer seropositiven
rheumatoiden Arthritis
Verfassungsmäßigkeit des grundsätzlichen Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus dem Leistungskatalog
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für das Mistelpräparat Iscucin salicis zur Behandlung einer seropositiven
rheumatoiden Arthritis.
Die Klägerin (geb. 1963) beantragte am 15. Juli 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für das Mistelpräparat Iscucin
salicis. Auf Anfrage der Beklagten legte Klägerin eine Auskunft ihres Hausarztes Dr. B. vor, der eine seropositive rheumatoide
Arthritis diagnostizierte mit Schmerzen, Rötung und Schwellungen an allen großen und kleinen Gelenken, Sehnen, Muskeln, Schleimbeutel.
Es bestehe ein chronischer Verlauf seit 2004. Mistel werde komplementär zur bisherigen konventionellen Therapie eingesetzt.
Der hierzu gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) teilte in einem Gutachten nach Aktenlage der
Dipl.-Med. C. vom 25. Oktober 2011 mit, Iscucin salicis sei ein nicht verschreibungspflichtiges apothekenpflichtiges Arzneimittel,
welches zu der besonderen Therapierichtung Anthroprosophie und Homöopathie gehöre. Es sei nicht auf der sog. OTC-Liste enthalten.
Mit Bescheid vom 2. November 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für Iscucin salicis ab. Dieses Medikament
sei nicht in der OTC-Auslistung enthalten, weshalb die Kasse die Kosten nicht übernehmen dürfe. Den Widerspruch der Klägerin
vom 4. Dezember 2011, den diese mit einem Attest des hausärztlichen Internisten Dr. D. begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 22. Mai 2013, zugestellt am 24. Mai 2013, zurück. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien gemäß §
34 Abs.
1 SGB V von der Versorgung nach §
31 SGB V mit Arzneimitteln ausgeschlossen. Davon gebe es Ausnahmen bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, wenn das betreffende
Medikament als Therapiestandard gelte. Für diese Festlegung sei der Gemeinsame Bundesauschuss (GBA) in den Arzneimittelrichtlinien
zuständig. Sei das Medikament dort für die entsprechende Indikation gelistet, könne es vom Vertragsarzt auf Kassenrezept verordnet
werden. Die bei der Klägerin vorliegende Diagnose sei in den Arzneimittelrichtlinien nicht als Ausnahmetatbestand für eine
vertragsärztliche Verordnung genannt. Ergänzend verwies die Beklagte auf § 27a ihrer Satzung, die seit 1. August 2012 die
Erstattung von Kosten für nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel der Homöopathie usw. ermögliche,
insgesamt jedoch max. bis zu einem Betrag von 100 EUR pro Kalenderjahr.
Die Klägerin hat am 24. Juni 2013 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und u.a. mitgeteilt, nach einem Aufenthalt
in einem ganzheitlich behandelnden Krankenhaus für schwere/sehr schwere Erkrankungen im Jahr 2011 sei sie von diesem Medikament
überzeugt.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Kostenerstattungsanspruch
nach §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V), denn die Beklagte habe die Versorgung mit Iscucin salicis nicht zu Unrecht abgelehnt. Es handele sich um ein nicht verschreibungspflichtiges
Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand nach dem Gesetz eingreife. Für Mistelpräparate mache der GBA eine Ausnahme nur
in der palliativen Therapie. Dieser gesetzliche Ausschluss der Erstattungsfähigkeit sei auch, wie das Bundessozialgericht
(BSG) entschieden habe, verfassungsgemäß.
Gegen das am 24. Juni 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt am 21. Juli 2017. Der Senat hat mit Beschluss
vom 10. Januar 2018 die Berufung auf den Berichterstatter des Senats übertragen.
Die Klägerin führt aus, es gehe ihr nicht um die Erstattung von Kosten für die Vergangenheit. Bis heute habe sie dieses Medikament
nicht auf eigene Kosten gekauft bzw. kaufen können. Vielmehr gehe es um die Weiterbehandlung ab Sommer 2018 im Paracelsus
Krankenhaus mit dem genannten Medikament. Im Rahmen der Gleichbehandlung habe sie als schwerster Rheumatiker Anspruch auf
Verbesserung der Lebensqualität.
Im Erörterungstermin am 20. Dezember 2017 hat die Klägerin weiter erklärt, auf der Grundlage der Satzungsregelung der Beklagten
erhalte sie für verschiedene naturheilkundliche Medikamente einen Betrag von 100 EUR pro Jahr erstattet, davon seien die Kosten
für Iscucin salicis jedoch nicht erfasst.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 2017 aufzuheben, dem Bescheid vom 2. November 2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie zukünftig mit Iscucin
salicis zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung entscheidet aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Senats vom 10. Januar 2018 der Berichterstatter zusammen
mit den ehrenamtlichen Richtern (§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist
nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf zukünftige Versorgung mit dem Medikament Iscucin salicis im Rahmen der Sachleistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung.
Bei Iscucin salicis handelt es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges apothekenpflichtiges Medikament. Zwar gehört zum
Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten gemäß §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V auch der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, allerdings sind durch §
34 Abs.
1 Satz 1
SGB V nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen.
Eine Ausnahmeregelung greift nicht ein. §
34 Abs.
1 Satz 2
SGB V gibt dem GBA auf, in Richtlinien schwerwiegende Erkrankungen aufzuführen, für deren Behandlung nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel als Therapiestandard zur Verfügung stehen (sog OTC-Ausnahmeliste). In Bezug auf Iscucin salis gibt es keine solche
Regelung. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, enthält die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie eine Ausnahmeregelung
in Bezug auf Mistelpräparate nur für den Einsatz in der palliativen Therapie von malignen Tumoren. Auf die zutreffenden Darlegungen
des Sozialgerichts nimmt der Senat Bezug (§
153 Abs.
2 SGG).
Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente wie Iscucin salicis aus dem Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Das hat das Sozialgericht unter Darlegung der einschlägigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts eingehend und zutreffend begründet.
Der Senat sieht auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§
153 Abs.
2 SGG). Ergänzend ist nur anzufügen, dass die Folgen des Leistungsausschlusses im Fall der Klägerin durch die Regelung in § 27a
der Satzung der Beklagten gemildert werden, wonach im Jahr bis zu 100,00 EUR für die Kosten nicht verschreibungspflichtiger
apothekenpflichtiger Arzneimittel der Homöopathie, Phytotherapie und Anthroposophie erstattet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.