Anspruch auf häusliche Krankenpflege, Erforderlichkeit der Behandlungspflege bei der Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger
Arzneimittel
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten der Inanspruchnahme eines Pflegedienstes
für die Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente mittels intramuskulärer (i. m.) Injektionen streitig.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1918, ist bei der Beklagten krankenversichert. Der Hausarzt verordnete am 5. Mai 2006 ihr für
den Zeitraum 18. Mai bis 1. Juni 2006 einmal wöchentlich die i. m. Injektion von B 12 und Folsäure in Form der häuslichen
Krankenpflege wegen Altersgebrechlichkeit, Inappetenz und Gehstörungen zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung.
Die Medikamente B 12 und Folsäure verordnete der Hausarzt der Klägerin auf einem Privatrezept.
Den Antrag der Klägerin vom 10. Mai 2006, die Kosten der Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes für die i. m. Injektion
zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2006 ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 18. Mai 2006 Widerspruch und verwies auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz
vom 16. März 2006 (Az.: L 5 KR 14/05).
Der in Anspruch genommene Pflegedienst (X. Pflegedienst) stellte die Kosten der Fahrten und der Injektionen im verordneten
Zeitraum in Höhe von 29,47 EUR in Rechnung (Rechnung vom 6. Juni 2006).
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2006 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen
führte sie dazu aus, nach Punkt 26 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung häuslicher
Krankenpflege seien die Voraussetzungen geregelt, unter denen die Medikamentengabe als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) in Form der häuslichen Krankenpflege anzusehen sei. Danach müsse ein ärztlich verordnetes Medikament gerichtet oder
verabreicht werden. Daraus folge, dass es sich um ein zu Lasten der Krankenkasse ärztlich verordnetes Medikament handeln müsse.
Mit Einführung des GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) zum 1. Januar 2004 seien nur noch verschreibungspflichtige Arzneimittel
nach §§
31,
34 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) von der Leistungspflicht der GKV erfasst. Die GKV sei für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nur dann leistungspflichtig,
wenn diese im sogenannten Ausnahmekatalog vom 16. März 2004 (Richtlinie nach §
92 Abs.
1 Nr.
6 SGB V) enthalten seien. Vorliegend fehle die Verordnungsfähigkeit der Medikamente zu Lasten der Krankenkasse und sie seien in dem
Ausnahmekatalog nicht enthalten. Daraus folge, dass auch die Kosten der häuslichen Krankenpflege zur Verabreichung dieser
Medikamente nicht übernommen werden können. Im Übrigen sei die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz nicht
verbindlich.
Dagegen hat die Klägerin am 4. September 2006 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, da ihr Hausarzt die Verabreichung der Medikamente im Rahmen der häuslichen Krankenpflege
verordnet habe, sei es unerheblich, dass die Medikamente nicht verschreibungspflichtig seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 6. Juni 2007 die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, da weder ein Notfall im Sinne von §
13 Abs.
3 1. Alt.
SGB V vorgelegen habe, noch die Beklagte gemäß §
13 Abs.
3 2. Alt.
SGB V die Leistung zu unrecht abgelehnt habe. Der Anspruch auf Krankenpflege sei nach §§
11,
27 und
37 SGB V geregelt. Auf der Grundlage von §
92 Abs.
1 Nr.
6 SGB V habe der Gemeinsame Bundesausschuss zu Art und zum Umfang der häuslichen Krankenpflege in den Richtlinien über die Verordnung
von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) bindende Festlegungen getroffen. So erfolge die Verordnung von häuslicher Krankenpflege
durch die Vertragsärzte nur bei medizinischer Notwendigkeit. Aus dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie (Ziffer 3 Anlage
1) ergäben sich die verordnungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege. Nach Ziffer 6 der HKP-Richtlinie sei die häusliche
Krankenpflege eine Unterstützung der ärztlichen Behandlung, um das Ziel der ambulanten ärztlichen Behandlung zu ermöglichen
und deren Ergebnis zu sichern. Zwar gehöre das Aufziehen, Dosieren und Einbringen intramuskulär zu verabreichender Medikamente
zum Leistungskatalog der häuslichen Krankenpflege, jedoch nur bei ärztlich verordneten Medikamenten (Nr. 18 des Verzeichnisses
verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege). Da seit dem 1. Januar 2004 Vitamin B 12 Präparate und Folsäure
als nichtverschreibungspflichtige Medikamente aus dem Leistungskatalog der GKV entfallen seien und nach den Richtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschuss nicht als Ausnahmefall zu Lasten der GKV verordnet werden können, entfalle auch die Leistungspflicht
für die zur Verabreichung erforderliche häusliche Krankenpflege. Ein außerhalb des Leistungssystems der GKV erhaltenes Medikament
könne nicht zur Übernahme der Kosten der häuslichen Krankenpflege der Verabreichung führen. Auch könne sich die Klägerin nicht
auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz stützen. Der dort entschiedene Fall sei mit dem vorliegenden
nicht vergleichbar. Dort habe es sich um die Verabreichung einer nicht verschreibungspflichtigen Salbe gehandelt, die keine
andere Darreichungsform ermögliche. Dies sei bei den streitigen Präparaten anders. Auch könne die zitierte Entscheidung nicht
überzeugen, da die Versorgung im Rahmen der GKV ein geschlossenes Leistungssystem sei. Es gäbe keine Anhaltspunkte für die
Argumente des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz, der Gesetzgeber hätte eine Regelung treffen müssen, wenn er die Kosten
der häuslichen Krankenpflege für die Verabreichung privat verordneter Arzneimittel habe ausschließen wollen.
Gegen das am 24. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. August 2007 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az.:
L 8 KR 234/07 NZB). Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 22. November 2007 zugelassen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, auch wenn B 12 Präparate und Folsäure nicht verschreibungspflichtig seien, so lasse
dies nicht auf einen Ausschluss der Leistungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die Kosten der Verabreichung im Rahmen
der häuslichen Krankenpflege schließen. Das Leistungsspektrum der häuslichen Krankenpflege sei gegenüber der Arzneimittelversorgung
abgegrenzt und unabhängig. Mit in Kraft treten des GMG zum 1. Januar 2004 seien zwar zur kostenmäßigen Entlastung der GKV
nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV entfallen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers
habe keine Aspekte der Wirksamkeit oder Wirtschaftlichkeit der Medikamente beinhaltet. Maßgeblich für die Entscheidung des
Gesetzgebers sei allein die soziale Vertretbarkeit einer Selbstzahlungspflicht der Versicherten für diese Arzneimittel gewesen.
Diese soziale Vertretbarkeit betreffe nicht die Verabreichung dieser Medikamente innerhalb der häuslichen Krankenpflege. Dieser
finanzielle Aufwand der Verabreichung sei von den Kosten des Erwerbs unabhängig. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts
Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16. März 2006, Az.: L 5 KR 40/05) lasse der Ausschluss der Leistungspflicht des Arzneimittels nicht den Rückschluss auf den Ausschluss der Leistungspflicht
für die Darreichung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zu. Eine derartige Entlastung der GKV und Belastung der Versicherten
habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Auch ergebe sich aus den HKP-Richtlinien nichts anderes. So werde nur die ärztliche Verordnung,
nicht jedoch eine Verordnung auf Kassenrezept gefordert. Auch sei ein Leistungsausschluss der GKV im Rahmen von Richtlinien
des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zulässig (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. November 2005, Az.: B 3 KR 38/04, Urteil
vom 17. März 2005, Az.: B 3 KR 35/04 R). Dies sei allein aufgrund einer gesetzlichen Regelung möglich. Im Übrigen sei die Darreichungsform des verordneten Medikaments
für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege unerheblich. Dies zeige Nr. 26 der HKP-Richtlinie.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 1. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der intramuskulären Verabreichung des ärztlich
verordneten B 12 Präparates und Folsäure in der Zeit vom 18. Mai bis zum 1. Juni 2006 gemäß der Rechnung des X. Pflegedienstes
vom 6. Juni 2006 in Höhe von 29,47 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden. Nach ihrer Auffassung impliziere die Formulierung "ärztlich
verordneten Medikamenten" in Ziffer 18 und 26 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege
(Anlage zur HKP-Richtlinie) die ärztliche Verordnung innerhalb des Versorgungssystems der GKV. Dies sei auch aus der Kommentierung
von Gerlach in Hauck-Noftz,
SGB V K §
37 Rdnr. 13) zu entnehmen. Zwar sei die häusliche Krankenpflege keine Annexleistung zu anderen Grundleistungen. Diese Maßnahme
dürfe jedoch nicht losgelöst vom Verordnungszweck gesehen werden. Auch habe der Gesetzgeber den Ausschluss bestimmter Arzneimittel
aus dem Leistungskatalog der GKV mit allen gesetzessystematischen Konsequenzen vorgenommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten
des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand
der Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Juni 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 1. August 2006 waren aufzuheben. Diese Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Inanspruchnahme des X. Pflegedienstes in
der Zeit vom 18. Mai bis zum 1. Juni 2006 für die i. m. Verabreichung des ärztlich verordneten B 12 Präparates und Folsäure.
Dementsprechend war die Beklagte zur Übernahme dieser Kosten entsprechend der Rechnung des X. Pflegedienstes vom 6. Juni 2006
in Höhe von 29,47 EUR zu verurteilen.
Als Anspruchsgrundlage für das Kostenerstattungsbegehren der Klägerin kommt allein §
13 Abs.
3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) in Betracht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von
der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Vorliegend hat die Beklagte im Sinne von §
13 Abs.
3 SGB V eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Das ist dann der Fall, wenn auf eine nach dem
SGB V vorgesehene Leistung ein Rechtsanspruch bestand (Wagner in Krauskopf, Kommentar zur Sozialen Krankenversicherung, §
13 SGB V, Rdnr. 29).
Versicherte erhalten gemäß §
37 Abs.
2 Satz 1 Satz 1 1. Halbsatz
SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung (BGBl. I 2003 S. 2190) in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der
ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die i. m. Injektion zählt zu den verordnungsfähigen Leistungen der Behandlungspflege.
In Nr. 18 der Anlage zu den Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 und Abs.
7 SGB V benennen die HKP-Richtlinien ausdrücklich die Injektionen intramuskulär (i.m.) als Leistung der häuslichen Krankenpflege.
Als Leistungsbeschreibung wird angeführt: Aufziehen, Dosieren und Einbringen von ärztlich verordneten Medikamenten. Gemäß
§
92 Abs.
7 Satz 1 Nr.
1 SGB V regeln diese HKP-Richtlinien die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung. Nach Ziffer 3a
der HKP-Richtlinie umfasst die häusliche Krankenpflege Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die dazu dienen, Krankheiten zu
heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern und die üblicherweise an Pflegefachkräfte/Pflegekräfte
delegiert werden können (Behandlungspflege). Von der Beklagten unwidersprochen war für die Klägerin die ärztliche Behandlung
notwendig. Der Hausarzt der Klägerin hat die häusliche Krankenpflege laut Verordnung vom 5. Mai 2006 zur Sicherung der ambulanten
ärztlichen Behandlung der von ihm diagnostizierten Altersgebrechlichkeit, Inappetenz und Gehstörungen verordnet.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass dem Anspruch der Klägerin nicht entgegensteht, dass die intramuskulär verabreichten
Medikamente B 12 und Folsäure nicht verschreibungspflichtig sind. Mit der Neufassung des §
34 Abs.
1 Satz 1
SGB V zum 1. April 2004 (in der Fassung des GMG vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) werden nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr von der Medikamentenversorgung der GKV umfasst. Dies bedeutet
jedoch ausschließlich, dass die Anschaffungskosten der nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel aus dem Leistungsumfang
der GKV herausgenommen wurden. Nach der Begründung des GMG (BT-Drs. 15/1525 S. 75) sollen mit dieser Einschränkung der Versorgung
die Ausgaben der GKV gesenkt werden. So heißt es dort: "Die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln erfolgt auf der
Grundlage eines vielfältigen Angebots. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in diesen Bereichen sind in den letzten
fünf Jahren überproportional angestiegen, ohne dass dies allein medizinisch zu begründen wäre. Deshalb sind steuernde Maßnahmen
erforderlich, die die Effizienz der Versorgung in diesen Bereichen erhöhen. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden
grundsätzlich aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Ausgenommen bleiben Verordnungen
für Kinder bis zum 12. Lebensjahr sowie für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen. Ferner gelten Ausnahmen bei der Behandlung
schwerwiegender Erkrankungen, für die nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zum Therapiestandard gehören. Der Gemeinsame
Bundesausschuss erarbeitet entsprechende Ausnahmen in seinen Arzneimittelrichtlinien. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt
Rechnung zu tragen." Dies macht deutlich, dass nur die Anschaffungskosten, nicht jedoch die Kosten der Verabreichung aus dem
Leistungskatalog der GKV gestrichen werden sollen (so auch SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2006, Az.: S 5 KR 956/05, veröffentlicht in JURIS). Entsprechend lautet auch die Begründung zur Änderung des §
34 SGB V (BT-Drs. 15/1525 S. 86) wie folgt: "Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden bereits bisher in den Apotheken zum
überwiegenden Anteil ohne Rezept abgegeben. Es handelt sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich
weniger als 11 Euro je Packung, so dass die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
für den einzelnen Versicherten sozial vertretbar ist."
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, zu ihren Lasten könnte nur die Verabreichung verschreibungspflichtiger Arzneimittel
im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verordnet werden, so kann sich der Senat dem nicht anschließen. Die Änderungen des
GMG lassen nicht darauf schließen, dass auch der Leistungsumfang der GKV im Bereich der häuslichen Krankenpflege eingeschränkt
werden sollte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des §
37 SGB V durch das GMG nicht verändert wurde und auch die Gesetzesbegründung dazu nichts besagt. Der Senat ist der Auffassung dass
es einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers bedurft hätte, wenn die Änderung des §
34 Abs.
1 Satz 1
SGB V Auswirkungen auf einen anderen Leistungsbereich - wie vorliegend die häusliche Krankenpflege des §
37 SGB V - hätte haben sollen. Der Gesetzgeber hätte den Inhalt und den Umfang dieser Auswirkungen regeln müssen. Denn die häusliche
Krankenpflege stellt - wie die Beklagte zutreffend ausführt - keine Annexleistung der Arzneimittelversorgung dar. Soll eine
Leistungseinschränkung auch auf andere, nach anderen Voraussetzungen und Zielen gestalteter Leistungsbereiche Auswirkungen
haben, so muss der Gesetzgeber Inhalt und Art der Auswirkungen regeln. Dies ist jedoch nicht geschehen. Dementsprechend hat
der Gemeinsame Bundesausschuss den Wortlaut der HKP-Richtlinie nicht geändert. Der Senat braucht somit nicht darüber zu entscheiden,
ob der Gemeinsame Bundesausschuss im Hinblick auf die Änderungen des GMG zu einer Änderung der HKP-Richtlinien befugt gewesen
wäre. Auf den unveränderten Wortlaut der HKP-Richtlinien kann die Beklagte ihre Auffassung nicht stützen. Die Einschränkung
auf die die Beklagte ihre Auffassung stützt ist nach Überzeugung des Senats nicht überzeugend, denn sie ergibt sich nicht
ausdrücklich aus dem Wortlaut der Nr. 18 der Anlage zu den Krankenpflege-Richtlinien, denn hierin ist nur die Rede von "ärztlich"
verordneten Medikamenten. Folglich ergibt sich aus dem Richtlinientext keine Unterscheidung danach, ob die ärztliche Verordnung
auf Privatrezept oder auf Kassenrezept erfolgt ist oder eine Beschränkung auf Medikamente erfolgte, die zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung verordnungsfähig sind (so auch Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 16. März 2006, Az.: L 5 KR 40/05 zu Nr. 26 der Anlage zur HKP-Richtlinie). Der Begriff "ärztlich verordnet" ist Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht generell mit dem Begriff "auf Kassenrezept verordnet" gleichzusetzen. Die Versorgung mit Arzneimitteln im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung setzt nach Nr. 4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen
Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) eine Arzneimittelverordnung des Vertragsarztes voraus. Allerdings stellt nicht
jede Arzneimittelverordnung eines Vertragsarztes eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die zu
Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähigen Arzneimittel hat der Arzt vielmehr "auf Kassenrezept" zu verordnen
(Nr. 9 Satz 1 AMR). Gleichwohl "soll" der Vertragsarzt gemäß Nr. 16.8 Satz 2 AMR nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
zu Lasten der Versicherten verordnen, wenn sie zur Behandlung einer Erkrankung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend
sind. Daraus folgt, dass im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
durchaus zwischen "ärztlich" verordneten Medikamenten und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung "auf Kassenrezept"
verordneten Medikamenten zu differenzieren ist. Soweit in den Krankenpflege-Richtlinien von "ärztlich verordneten" Medikamenten
die Rede ist, bedeutet das folglich nicht, dass hiermit nur vertragsärztlich "auf Kassenrezept" zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung verordnete Medikamente gemeint sind. Vielmehr können auch (auf Privatrezept) verordnete Medikamente erfasst
sein, sofern nur die häusliche Krankenpflege als solche vom Vertragsarzt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet
wurde (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, aaO.).
Unstreitig konnte die Klägerin die verordnete intramuskuläre Gabe der verordneten Medikamente nicht selbst durchführen.
Zu erstatten sind die tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe (Wagner, aaO., §
13 SGB V, Rdnr. 29). Diese betragen nach der Rechnung des X. Pflegedienstes vom 6. Juni 2006 in Höhe von 29,47 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zu.