Anforderungen an die Begründung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung im sozialgerichtlichen Verfahren; besondere Dringlichkeit;
Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten steht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen einen Entziehungsbescheid
von laufenden Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII in Streit.
Der 1933 geborene Antragsteller 1) und seine 1934 geborene Ehefrau - Antragstellerin 2) - beantragten am 13. November 2008
Leistungen nach dem 4. Kap. SGB XII. Nach Überprüfung und Auswertung ihrer Vermögensverhältnisse und Stellung einer Sicherungshypothek
in Höhe von 25.000,00 Euro bewilligte ihnen der Antragsgegner durch Bescheid vom 3. März 2009 sowie Änderungsbescheid vom
11. März 2009 auf der Grundlage eines Darlehensvertrages vom 4. März 2009 darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem
3. Kap. SGB XII. Die Gewährung der Leistungen als Darlehen erfolgte im Hinblick darauf, dass der Antragsteller 1) Eigentümer
eines villenartigen Anwesens im A-Stadt mit einer Wohnfläche von 260 Quadratmetern und einer Grundstücksfläche von 1090 Quadratmetern
ist. Ein Immobilienmakler in W., dem der Alleinauftrag für den Verkauf des Grundstücks erteilt worden war, bot das Anwesen
für knapp 500.000,00 Euro zum damaligen Zeitpunkt zum Verkauf an. Das Grundstück ist mit Grundschuld in Höhe von insgesamt
725.000,00 Euro belastet, zu Gunsten der X bank AG in Höhe von 250.000,00 Euro sowie 100.000,00 Euro, in Höhe von 155.000,00
Euro als Eigentümergrundschuld sowie zu Gunsten der Tochter der Antragsteller - Frau A. A. - in Höhe von 200.000,00 Euro.
Zuletzt wurde am 9. April 2009 die Sicherungshypothek zu Gunsten des Antragsgegners im Grundbuch eingetragen. Die Antragsteller
sind insgesamt beträchtlichen Forderungen der X-bank AG, der Y-Bank, des Finanzamtes AAA. und der QQ. a. G., bei der sie privat
kranken- und pflegeversichert sind, ausgesetzt.
Nach Eintragung der ihm bestellten Sicherungshypothek stellte der Antragsgegner fest, dass diese Sicherheit entgegen seiner
bis dahin vorhandenen, durch einen ihm von den Antragstellern vorgelegten Grundbuchauszug gewonnenen Erkenntnisse nicht im
Rang unmittelbar nach den beiden Grundschulden zu Gunsten der X-bank AG eingetragen worden war. Stattdessen lasteten zudem
die Eigentümergrundschuld und die Grundschuld zu Lasten der Tochter A. A. vorrangig auf dem Grundstück des Antragstellers
1).
Ermittlungen des Antragsgegners ergaben sodann, dass die Tochter der Antragsteller ein geringes Einkommen aus selbständiger
Tätigkeit erzielte, jedoch über ein Vermögen von über 260.000,00 Euro verfügte. Durch Bescheid vom 27. November 2009 stellte
der Antragsgegner nach Anhörung der Antragsteller die Leistungen nach dem SGB XII zum 1. Dezember 2009 mit der Begründung
ein, dass vorrangig Unterhaltsansprüche gegen die Tochter der Antragsteller geltend zu machen seien. Der hiergegen eingelegte
Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10. März 2010 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht
Darmstadt war zuletzt unter dem Aktenzeichen S 17 SO 68/10 dort anhängig.
Dem am 14. April 2010 beim Sozialgericht Darmstadt beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde durch Beschluss
vom 20. Juli 2010 stattgegeben, in den dem Antragsgegner auferlegt wurde, vorläufig den Antragstellern ab dem 14. April 2010
bis zu seiner rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in
gesetzlicher Höhe zu zahlen, da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht sicher zu beurteilen seien. Dem war eine Zeugeneinvernahme
der Tochter der Antragsteller vorangegangen. Aufgrund der offenen Erfolgsaussichten falle die Interessenabwägung zu Gunsten
der Antragsteller aus. Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt änderte das
Hessische Landessozialgericht durch Beschluss vom 17. Februar 2011 den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 20. Juli
2010 dahingehend ab, dass festgestellt werde, dass Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2009 aufschiebende
Wirkung haben. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 3. März 2009 und
dem Änderungsbescheid vom 11. März 2009 um Dauerverwaltungsakte handele, die jedoch nicht auf dem Gebiet der Sozialversicherung
ergangen seien und daher Widerspruch und Klage gegen den Einstellungsbescheid vom 27. November 2009 aufschiebende Wirkung
hätten, weil §
86 a Abs.
2 Nr.3
SGG keine Anwendung fände. Das HLSG führte des Weiteren aus, dass es die Zweifel des Antragsgegners im Hinblick auf eine bei
dem Antragstellern gegebene akute Notlage durchaus teile, weil die Angaben hierzu trotz Vorlage umfangreicher Unterlagen und
Aufstellungen der Antragsteller in keiner Weise schlüssig erschienen und der Tatsachenvortrag zumindest hinsichtlich seiner
Vollständigkeit zweifelhaft sei.
Nach Anhörung der Antragsteller durch Schreiben vom 4. März 2011 nahm der Antragsgegner durch Bescheid vom 22. März 2011 den
Einstellungsbescheid vom 27. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2009 auf Grundlage des § 44 Abs. 1 SGB X zurück. Des Weiteren nahm der Antragsgegner seine Bewilligungsbescheide vom 3. März 2009 und 11. März 2009 zurück unter Berufung
auf § 45 SGB X. Des Weiteren verlangte der Antragsgegner von den Antragstellern die Erstattung der seit dem 13. November 2008 darlehensweise
gewährten Leistungen in Höhe von 23.111,60 Euro zurück. Schließlich wurden gemäß Ziffer 4 des Verfügungssatzes des Bescheides
vom 22. März 2011 die Nachzahlungsansprüche der Antragsteller für die Zeiten vom 1. Dezember 2009 bis 13. April 2010 sowie
vom 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 ohne die Krankenversicherungsbeiträge für den Antragsteller 1) in Höhe von 6.832,59
Euro verrechnet mit dem durch die Rücknahme der Bewilligungsbescheide für diese Zeiträume entstehenden Erstattungsanspruch
in gleicher Höhe. Schließlich ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Die wesentliche Begründung
lautete dahingehend, dass die Einstellung der Leistungen mit Blick auf die Ausführungen des Hessischen Landessozialgerichts
rechtswidrig gewesen sein. Deshalb seien den Antragstellern weitere Leistungen darlehensweise zu erbringen, nämlich für die
Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 13. April 2010 sowie für die Zeit vom 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 6.482,82
Euro sowie für den laufenden Monat März 2011 in Höhe von 1.080,47 Euro. Der Sozialhilfebedarf der Antragsteller sei auch im
Laufe des sozialgerichtlichen Eilverfahrens immer zweifelhafter geworden. Auch die Zeugeneinvernahme der Tochter der Antragsteller
durch das Sozialgericht hätte ergeben, dass deren Vermögensverhältnisse mit denen der Antragsteller zumindest eng verflochten
seien und der Antragsteller 1) alle Vermögensgeschäfte der Tochter erledige. Plausible Angaben zur Herkunft des eigenen Vermögens
habe die Tochter ebenso wenig machen können, wie auch nur einen Geschäftsvorgang laienhaft zu beschreiben. Es fehle ein Nachweis
für die angebliche Übergabe des Grundschuldbriefes an das Finanzamt, was alleine den Schluss zuließe, dass die Antragsteller
die Eintragung einer Rentenversicherungshypothek zu Gunsten des Sozialhilfeträgers verhindern wollten. Damit stehe fest, dass
die Antragsteller bei der Beantragung der Leistungen vorsätzlich unvollständige Angaben über die Belastung ihres Grundstücks
gemacht hätten. Ihre tatsächliche Vermögenssituation sei bis zum heutigen Tage ungeklärt und undurchsichtig. Die Antragsteller
seien daher in den Genuss von Sozialhilfeleistungen gekommen, in dem sie vorgespiegelt hätten, sie würden die ihnen bewilligten
Leistungen im Falle einer Veräußerung des Grundstücks zurückzahlen. Tatsächlich aber sei das Grundstück zu diesem Zeitpunkt
bereits weit über Wert belastet gewesen. In dem Bestand des rechtswidrigen Bewilligungsbescheides hätten die Antragsteller
nicht vertrauen dürfen, so dass das öffentliche Interesse an dessen Rücknahme überwiege. Aufgrund dieser Rücknahme errechne
sich eine Überzahlung in Höhe von 12.740,27 Euro für den Zeitraum vom 13. November 2008 bis zum 30. November 2009 in Höhe
von 4.934,14 Euro für den Zeitraum vom 14. April 2010 bis 31. August 2010 sowie in Höhe von 4.356,72 Euro für die Krankenversicherungsbeiträge
für den Antragsteller 1) für die Zeiten vom 1. Dezember 2009 bis 13. April 2010 sowie vom 1. September 2010 bis zum 28. Februar
2011 sowie in Höhe von 1.080,47 Euro für März 2011. Da den Antragstellern für die Zeiten vom 1. Dezember 2009 bis 13. April
2010 und vom 1. September 2010 bis zum 28. Februar 2011 noch darlehensweise Leistungen in Höhe von 6.832,59 Euro nachzuzahlen
seien, jedoch im Falle dieser Nachzahlung aufgrund der Rücknahme der Leistungsbewilligung dem Antragsgegner ein Erstattungsanspruch
in gleicher Höhe entstehen würde, werde die Aufrechnung erklärt. Der gegenwärtige Bedarf der Antragsteller werde hierdurch
nicht beeinträchtigt. In Anbetracht des bereits bestehen Erstattungsanspruchs, dessen Realisierung derzeit höchst ungewiss
sei, existiere außerdem ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass sich dieser Erstattungsanspruch durch die Nachzahlung
nicht noch erhöhe. Die Anordnung des Sofortvollzugs werde daher mit der Feststellung begründet, dass die Antragsteller bereits
bei Antragstellung Vorsorge dafür getroffen hätten, die Darlehensrückzahlung zu vereiteln. Zwischenzeitlich lägen darüber
hinaus auch erhebliche Zweifel an ihrem Hilfebedarf bzw. dem Bestehen einer Notlage vor. Es bestehe der dringende Verdacht,
dass die Antragsteller ohne Aufgabe ihrer Verfügungsbefugnis Vermögensverschiebung zu Gunsten ihrer Tochter getroffen hätten,
um gegenüber dem Sozialhilfeträger ihre Vermögenslosigkeit vorzutäuschen. Bei Ausschöpfung aller Rechtsmittel bestünde gleichwohl
die Verpflichtung, ihnen nicht nur zukünftig weiterhin Sozialhilfeleistungen zu erbringen, sondern auch eine beträchtliche
Nachzahlung zu leisten. Nach deren Verbrauch sei die Rückzahlung der Leistungen an den Sozialhilfeträger ausgeschlossen, zumindest
aber erschwert. Dieses Risiko könne in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls im Interesse der Steuerzahler nicht eingegangen
werden, zumal das bisherige Verhalten der Antragsteller auf eine hohe Risikobereitschaft schließen lasse. Im Übrigen hätten
die Antragsteller nicht nur ohne den Bezug von Sozialhilfeleistungen ihren Lebensunterhalt sicherstellen können, sondern auch
die Krankenversicherungsbeiträge für die Antragstellerin zu 2 beglichen. Dies beweise, dass sie auf finanzielle Mittel zurückgreifen
könnten, die sie dem Antragsgegner gegenüber nicht angegeben hätten. Die Antragsteller legten gegen den Bescheid vom 22. März
2011 mit Ausnahme der Ziffer 1 Widerspruch ein. Das Klageverfahren S 17 SO 68/10 wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.
Auf den am 1. April 2011 beim Sozialgericht Darmstadt erhobenen Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes hat
dieses durch Beschluss vom 30. Juni 2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners
vom 22. März 2011 wieder hergestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß
§
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde stehe und sie hierbei in Ansehung des Rechts auf effektiven Rechtsschutzes
Art.
19 Abs.
4 GG eine sorgfältige und umfassende Interessenabwägung durchführen müsse. Im vorliegenden Eilverfahren lasse sich nicht hinreichend
sicher feststellen, ob die Rücknahme der Leistungsbewilligung in Ziffer 2 des Bescheids vom 22. März 2011 rechtmäßig ergangen
ist. Diese Frage sei nach Auffassung des Sozialgerichts als offen zu bezeichnen. Ob die Voraussetzungen des § 45 SGB X als alleinige in Betracht kommende Rechtsgrundlage erfüllt seien, hänge zum einen davon ab, ob bereits der Bewilligungsbescheid
vom 3. März 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. März 2011 von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, woran nach
dem derzeitigen Sach- und Streitstand Zweifel bestünden, die zu Lasten des Antragsgegners gingen. So stehe nicht entgegen
der Ansicht des Antragsgegners fest, dass der vorgelegte Vertrag zwischen den Antragstellern und ihrer Tochter über die Gewährung
eines Darlehens in Höhe von 200.000,00 Euro lediglich fingiert wurde und es daher der Eintragung einer Grundschuld nicht bedurft
hätte. Ebenso wenig lasse die Aussage der Tochter der Antragsteller vor dem Sozialgericht den zwingenden Schluss zu, dass
die Antragsteller vor der Beantragung der Sozialhilfeleistungen ihr Vermögen zumindest teilweise auf den Namen ihrer Tochter
transferiert hätten. Insofern verweist das Sozialgericht auf die Begründung des Beschlusses vom 20. Juli 2010, die sich das
Sozialgericht zueigen mache. Des Weiteren habe auch die X-bank AG ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet, weshalb die
diesbezügliche Argumentation der Antragsgegner im Hinblick auf gute Geschäftsbeziehungen zu diesem Bankinstitut hinfällig
geworden seien. Auch sei nicht nachgewiesen, dass die Antragsteller mit der Bestellung der Eigentümergrundschuld die Eintragung
einer rangsicheren Sicherungshypothek zu Gunsten des Antragsgegners hätten verhindern wollen und ohne weitere Ermittlungen
beim Finanzamt sei es nicht nachvollziehbar, warum der Antragsgegner davon ausgehe, dass der Grundschuldbrief als Sicherheit
beim Finanzamt vorliege. Auch stehe nicht fest, wie der Antragsgegner meine, dass die Antragsteller bei Beantragung der Sozialhilfeleistungen
vorsätzlich unvollständige Angaben über die Belastung des Grundstücks gemacht hätten. Noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides
vom 3. März 2011 hätten die Antragsteller dem Antragsgegner ein Schreiben des Finanzamtes AAA. vom 7. Januar 2009 vorgelegt,
auf dem handschriftlich sowohl die Eigentümergrundschuld als auch die Grundschuld zu Gunsten ihrer Tochter aufgeführt war
(unter Berufung auf Bl. 188 f. der Verwaltungsakte). Dem entsprechend habe der Antragsgegner nicht erst im Zuge der Eintragung
der Sicherungshypothek Kenntnis von der weiteren Belastung des Grundstücks erhalten. Auch stehe nicht fest, dass die Antragsteller
Zugang zu Vermögen haben. Insbesondere der Umstand, dass die Krankversicherungsbeiträge der Antragstellerin zu 2 bis einschließlich
Februar 2011 ausgeglichen gewesen seien, erlaube nicht die vom Antragsgegner gezogene Schlussfolgerung, weil es zunächst erforderlich
gewesen sei, bei der privaten Krankenversicherungsgesellschaft nachzufragen, wer bzw. wie die Beiträge beglichen wurden. Zudem
könne der Antragsgegner durch ein Kontenabrufersuchen gemäß §§
93,
93b Abgabenordnung (
AO) feststellen, ob die Antragsteller in der Lage sind, auf Vermögen zurückzugreifen. Insgesamt könne nach dem derzeitigen Sach-
und Streitstand die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 3. März 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom
11. März 2009 nicht hinreichend sicher festgestellt werden, was zu Lasten des Antragsgegners gehe, da bloße Zweifel am Vorliegen
der Leistungsvoraussetzungen nicht ausreichten. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen
Leistungsbewilligung treffe grundsätzlich den Leistungsträger, weil die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen gehe,
der daraus eine günstigere Rechtsfolge für sich ableite. Auch eine in Betracht kommende Beweislastumkehr, wenn Vorgänge in
der Sphäre des Leistungsempfängers betroffen sind und das Risiko der Unaufklärbarkeit deshalb ihm zuzusprechen sei, verlange,
dass zunächst alle zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft würden. Diese habe der Antragsgegner nicht
erschöpft. Sofern die Rücknahmeentscheidung gemäß § 45 SGB X rechtswidrig sei, gelte dies zwangsläufig auch für das Erstattungsverlangen der überzahlten Beträge. Die zwischen den Beteiligten
umstrittene Frage der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller sei daher im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bzw. eines ggf.
anschließenden Klageverfahrens zu klären. Solange dies aber noch ungeklärt sei, ob und möglicherweise in welchen Umfang der
Bescheid des Antragsgegners vom 22. März 2011 rechtmäßig sei, könne jedenfalls kein besonderes Interesse an seiner Vollziehung
bestehen.
Gegen diesen am 6. Juli 2011 dem Antragsgegner zugegangenen Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 1. August 2011.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass das Verhalten der Antragsteller, noch kurz vor Beantragung der Hilfe sich
eine Eigentümergrundschuld über 150.000,00 Euro eintragen zu lassen, bis zur Eintragung einer Grundschuld ohne Brief in Höhe
von 200.000,00 Euro zu Gunsten der Tochter offensichtlich ein Verhalten sei, welches bewusst darauf angelegt sei, Sozialhilfebedürftigkeit
vorzugeben und über die tatsächlichen Vermögensverfügungen und Verhältnisse vor Beantragung von Sozialhilfe zu verwirren.
Das Gericht habe weder dies berücksichtigt in seiner Abwägung noch die Tatsache, dass die Antragsteller bisher nichts unternommen
hätten, um ihre finanzielle Notsituation, so sie denn tatsächlich bestehe, aus eigener Kraft zu beseitigen. Weder seien Anstrengungen
unternommen worden, einen Teil des Hauses abzutrennen und zu vermieten. Der Verkauf des Hauses wurde keinesfalls mit dem nötigen
Ernst betrieben. Auch habe der Antragsgegner aufgrund der handschriftlichen Anmerkung zu Beginn des Jahres 2009 keinesfalls
erkennen können, dass weitere Belastungen im Grundbuch eingetragen seien. Die Schlüsse, welche das Gericht aus diesem Vorfall
ziehe, seien keinesfalls praxisnah. Der Antragsteller habe bewusst einen unvollständigen Grundbuchauszug bei Antragstellung
vorgelegt. Die Anforderungen, die das Sozialgericht an die Sachbearbeiter eines Sozialamtes stelle seien weit überzogen. Angesichts
der gravierenden Zweifel am Bestehen der Hilfebedürftigkeit sei es Sache der Antragsteller gewesen, nachzuweisen bzw. hinreichend
glaubhaft zu machen, dass sie den geltend gemachten Anspruch nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen sicherstellen könnten.
Schließlich bestehe abgesehen von der Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers noch die Unterhaltsverpflichtung der Tochter,
die bisher seitens des Sozialhilfeträgers nicht weiter verfolgt werde, da Sozialhilfe nur darlehensweise gewährt wurde. Die
Tochter komme aber ihrer Unterhaltspflicht nach. Diese habe in der Vergangenheit Leistungen erbracht. Aus den Unterlagen des
Finanzamtes und insbesondere den starken Zinsschwankungen sei zudem ersichtlich, dass die Antragsteller innerhalb der vergangenen
10 Jahre Vermögensverschiebungen zugunsten ihrer Tochter A. vorgenommen hätten. Außerdem hätten die Antragsteller im Zusammenhang
mit der Vorlage eines alten Grundbuchauszugs und dem Verhalten mit dem Hausverkauf ihre Mitwirkungspflichten verletzt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 30. Juni 2011 aufzuheben und den Antrag der Antragsgegner auf Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 30. März 2011 abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie beziehen sich im Wesentlichen auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses des Sozialgerichts. Des Weiteren tragen
sie vor, dass ohne die Darlehen der Tochter sie nach der Zahlungseinstellung des Antragsgegners nicht hätten überleben können,
da weniger als 500,00 Euro Rente für zwei Personen für den Lebensunterhalt nicht ausreichten. Vermögensverschiebungen hätten
nicht stattgefunden, weil die Tochter ihnen ein Darlehen von 200.000,00 Euro gegeben habe, welches nach der Zwangsversteigerung
verloren sei. Eine Unterhaltsverpflichtung der Tochter bestehe nicht, weshalb die Darlehensverträge bindend seien. Wegen der
weiteren Einzelheiten an Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Akte des Antragsgegners hingewiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde fristgemäß eingelegt. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 30. Juni 2011 ist dem
Antragsgegner am 6. Juli 2011 zugestellt worden. Die Einlegung der Beschwerde erfolgte am 28. Juli 2011. Auch ist die Beschwerde
statthaft und nicht gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ausgeschlossen, da der Beschwerdewert die in §
144 Abs.
1 SGG vorgegebenen 750,00 EUR übersteigt.
Die Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid vom 22. März
2011 zu Recht wieder hergestellt.
Nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nachdem der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 22. März 2011 die sofortige
Vollziehung des Bescheides angeordnet hat, konnte der Widerspruch der Antragsteller vom 30. März 2011 keine aufschiebende
Wirkung entfalten (§
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG). Sie war auf Antrag der Antragsteller nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG wiederherzustellen.
Die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung liegen vor.
Gemäß §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage außer in den in §
86a Abs.
2 SGG genannten Fällen aufschiebende Wirkung. Nach §
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden
Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat,
die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Der
Antragsgegner hat im Entziehungsbescheid vom 22. März 2011 zugleich dessen sofortige Vollziehung angeordnet, so dass dem Widerspruch
und auch der Klage des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung zukommt. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung gemäß §
86b Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGG ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung
der aufschiebenden Wirkung und dem, durch den Antragsgegner vertretenen, Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung
das private Interesse überwiegt. Bei der Interessenabwägung ist u. a. die nach summarischer vorläufiger Prüfung der Rechtslage
zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO., § 86b, Rn. 12c, m.w.N.; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, S. 92). Die offensichtliche Rechtmäßigkeit spricht im Regelfall
gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, die offensichtliche Rechtswidrigkeit dafür. Liegt nach summarischer
Prüfung ein offener Ausgang des Hauptsacheverfahrens vor, sind im Rahmen der Interessenabwägung das öffentliche Interesse
an einer Vollziehung des Verwaltungsaktes sowie das private Interesse an der Wiederherstellung des Suspensiveffektes unter
Beachtung aller Umstände des Einzelfalles miteinander abzuwägen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 86b, Rdnr.
12 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Mai 2010 - L 12 B 107/09 SO ER - juris).
Zwar hat der Senat bereits im Beschluss vom 17. Februar 2011 (L 9 SO 154/10 ER) darauf hingewiesen, dass er die Zweifel des
Antragsgegners im Hinblick auf eine bei den Antragstellern gegebene akute Notlage durchaus teile, weil die Angaben hierzu
trotz Vorlage umfangreicher Unterlagen und Aufstellungen der Antragsteller in keiner Weise schlüssig erschienen und der Tatsachenvortrag
zumindest hinsichtlich seiner Vollständigkeit zweifelhaft sei. Ob damit aber davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen
des § 45 SGB X für eine Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 3. März 2009 und 11. März 2009 für die Vergangenheit vorliegen bzw. ob die
Antragsteller bei der Beantragung der Sozialhilfeleistungen bezüglich der bereits eingetragenen Grundschulden getäuscht haben,
bedarf der Ermittlungen im Widerspruchsverfahren, die dem Antragsgegner - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen
hat - möglich und zumutbar sind. Eine abschließende Bewertung wird daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen.
Zu beachten wird sein, dass für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X nach den allgemeinen Grundsätzen der objektiven Beweislast diese den Leistungsträger trifft (Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rdnr. 29). Darüber hinaus ist anzumerken, dass nur ein Teil der seitens des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren vorgetragenen
Argumente für eine objektive Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Verwaltungsakte vom 3. März 2009 und 11. März 2009 spricht;
sofern der Antragsgegner auf inzwischen vorhandenes Vermögen bzw. mögliche Unterstützungszahlungen der Tochter hinweist, käme
allenfalls eine Aufhebung nach § 48 SGB X in Betracht.
Im Übrigen prüft das Gericht auch, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formal rechtmäßig getroffen worden ist. Nach
§
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG bedarf die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausdrücklich einer schriftlichen Begründung. Die Vollziehungsanordnung ist
grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden und nicht lediglich formelhaften Begründung des besonderen
öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung muss erkennen lassen,
aus welchen Gründen das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall das Interesse des
Betroffenen überwiegt. An die Begründung sind im Hinblick auf die mit ihr verbundene Warnfunktion für die Behörde sowie die
dadurch bezweckte Transparenz und Rechtsklarheit hohe Anforderungen zu stellen (Keller, aaO., § 86a Rdnr. 21b m. w. N.; LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. März 2008 - L 20 B 18/08 SO ER - juris).
Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen einer Rücknahme der Dauerverwaltungsakte vom 3. März 2009 und 11. März 2009
nach § 45 SGB X vorlagen, insbesondere ob die Voraussetzungen für die Rücknahme für die Vergangenheit gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs.
2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB X vorlagen, hält der Senat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für geboten. Denn es genügen die Ausführungen zur Begründung
des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung den (strengen) gesetzlichen Anforderungen an die schriftliche Begründung
nicht. Die Begründung hebt im Wesentlichen darauf ab, es müsse im öffentlichen Interesse verhindert werden, dass der Antragsgegner
den Antragstellern weiterhin Sozialhilfeleistungen sowie eine beträchtliche Nachzahlung gewähren müsse. Dieses Risiko könne
angesichts der Risikobereitschaft der Antragsteller und auch des Umstands, dass anscheinend doch Eigenmittel vorhanden seien,
nicht eingegangen werden. Diese Begründung rechtfertigt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Aufhebung von bewilligten
Leistungen für die Vergangenheit bereits deshalb nicht, weil sie sich erkennbar wesentlich auf die aus einem bereits abgeschlossenen
Verfahren resultierende Nachzahlungsverpflichtung bzw. die Aufrechnungserklärung bezieht, mit der die Verpflichtung zu dieser
Nachzahlung vermieden werden soll.
Zum einen kann sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Natur nach nur auf Verwaltungsakte, nicht aber auf bloße
Gestaltungserklärungen beziehen (vgl. Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rdnr. 140). Den Antragstellern wird durch
den Bescheid vom 22. März 2011 mit der gewählten Überschrift "Verfügung" bzw. der Bezeichnung als "Bescheid" sowie mit ihrem
Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, der "Bescheid" könne mit dem Widerspruch angefochten werden, der Anschein vermittelt,
sie treffe auch im Hinblick auf die Aufrechnungsentscheidung (Ziffer 4) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts verbindlich
eine Regelung. Damit hat sie sich zwar nicht dem Inhalt, jedoch der äußeren Form nach eines sog. formellen Verwaltungsaktes
bedient, durch dessen Existenz alleine der Kläger mit dem Risiko behaftet ist, dass ihm in Zukunft unter Umständen ein insoweit
bestandskräftiger Verwaltungsakt entgegengehalten werden könnte, der unabhängig von der materiellen Rechtslage das Erlöschen
seiner Forderung feststellt (s. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 23; s. auch BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 16; s. auch Keller in Meyer-Ladewig-Keller-Leitherer,
SGG, 8. Aufl., Anhang §
54 Rdnr. 4). Ob eine Verrechnung "durch" Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist umstritten. Eine ausdrückliche formelle Ermächtigung
zur Aufrechnung durch Verwaltungsakt wie in § 43 Abs. 4 SGB II kennt das SGB XII nicht. Da die in den Bescheiden vom 3. März
2009 und 11. März 2009 festgestellten subjektiven Rechte der Antragsteller durch die Aufrechnungserklärung selbst erkennbar
nicht aufgehoben oder abgeändert wurden (s. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R; s. auch BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 2) spricht vieles dafür, dass es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt, sondern eine bloße Gestaltungserklärung
handelt (s. zur Meinungsübersicht Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 43 Rdnr. 6). Die Wirkungen der Verrechnung ebenso
wie die der Aufrechnung beurteilen sich, soweit die §§
51,
52,
57 Abs.
2 SGB I nichts anderes vorgeben, nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§
387 ff.
BGB, die in diesem Rahmen auf dieser Grundlage lückenfüllend entsprechend anwendbar sind (vgl. BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 S.
5 m.w.N., 15, 17; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 3 S. 32; s. auch BSG SozR 1200 § 51 Nr. 5 S. 9; sowie BSG SozR 1200 § 51 Nr. 8
S. 17). Ob die Erklärung von Verrechnungen durch Verwaltungsakt zulässig ist, ist derzeit Gegenstand einer Anfrage beim Großen
Senat des BSG (GS 2/10 BSG, B 13 R 76/09 R). Der Entscheidungszeitpunkt ist noch nicht absehbar. Angesichts der Eilbedürftigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
geht die diesbezügliche Unsicherheit der Rechtslage zu Lasten des Antragsgegners.
Selbst wenn man zugunsten des Antragsgegners die Regelungswirkung der Aufrechnungserklärung unterstellte oder die sofortige
Vollziehbarkeit einer bloßen Verrechnungserklärung unabhängig von ihrer Regelungswirkung für zulässig hielte, gibt der Begründungsinhalt
nichts dafür her, warum gerade die sofortige Vollziehung der Rücknahme und Rückforderung von Leistungen für in der Vergangenheit
liegende Zeiträume angeordnet wird. Gerade deren Aufhebung und Rückforderung mag im öffentlichen Interesse stehen, eine besondere
Dringlichkeit im Hinblick auf die Vermeidung weiterer und künftiger Belastungen für den Steuerzahler lässt sich daraus nicht
herleiten. Die Begründung bezieht sich vielmehr auf die Vermeidung einer aus dem Beschluss des erkennenden Senats vom 17.
Februar 2011 im Verfahren mit dem Aktenzeichen L 9 SO 154/10 ER bzw. der mittlerweile erfolgten Aufhebung gemäß § 44 SGB X des Einstellungsbescheids vom 27. November 2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheids vom 10. März 2009 resultierenden Nachzahlung.
Es fehlt mithin an einer tragfähigen Begründung dafür, warum das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung
einer Rücknahme für die Vergangenheit das private (Aussetzungs-) Interesse derart überwiegen sollte, dass die Regel der aufschiebenden
Wirkung zu durchbrechen gerechtfertigt erschiene (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 4. März 2008 - L 20 B 18/08 SO ER - juris).
Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung - auch auf öffentlich-rechtlichem Gebiet - ist zudem, dass sich zwei gleichartige
Forderungen gegenüberstehen, die im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gemäß §
388 BGB vollwirksam und fällig sind (BSG, NJW 68, 813, Palandt,
BGB §
387 Rdnr. 11). Insbesondere bei der Aufrechnung mit Forderungen aus dem zugleich ergangenen, die Gegenforderung konstituierenden
Verwaltungsakt ist diese mangels Fälligkeit unwirksam, sofern Rechtsbehelfe gegen den Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung
entfalten (Kopp,
VwGO §
40 Rdnr. 46). Es begegnet daher Bedenken, ob die Anordnung einer sofortigen Vollziehung der Rücknahme eines Bewilligungsbescheides
für die Vergangenheit - selbst wenn man die Begründung des Antragsgegners in diesem Sinne zu seinen Gunsten auslegen würde
- mit der Herstellung einer Aufrechnungslage im Hinblick auf die (später) fehlende Durchsetzbarkeit der Rückforderung mangels
Liquidität der Antragsteller begründet werden könnte.
Nicht zu entscheiden hatte der Senat, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Aufhebung der hier streitgegenständlichen
Bescheide für die Zukunft hätte Bestand haben können, da wie bereits dargelegt die Begründung der Sofortvollziehung sich alleine
auf die Aufrechnung mit Nachzahlungen bezieht und auch insoweit hierfür nicht ergiebig ist.
Liegt keine formal rechtmäßige Anordnung der sofortigen Vollziehung vor, ist die aufschiebende Wirkung wieder herzustellen
bzw. anzuordnen (vgl. ähnlich Keller, aaO., § 86b Rn. 12f und § 86a Rn. 21b). Zudem wäre es dem Antragsgegner auch prinzipiell
möglich, erneut die sofortige Vollziehung (mit Wirkung für die Zukunft) anzuordnen (vgl. Keller, aaO., §
86a Rdnr. 21 b; Binder in Lüdtke,
SGG, 2. Auflage 2006, §
86b Rdnr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.