Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall
Schutzbereich der Schülerunfallversicherung
Unterbrochener Versicherungsschutz
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung des Ereignisses vom 9. April 2014 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1998 geborene Kläger war Schüler am Sportgymnasium A-Stadt und als solcher bei der Beklagten versichert. Zum Zeitpunkt
des schädigenden Ereignisses war er Schüler der 9. Klasse. Die Klasse des Klägers unternahm in der Zeit vom 7. April 2014
bis 11. April 2014 eine als Schulveranstaltung durchgeführte Klassenfahrt nach D-Stadt, an der auch der Kläger teilnahm. Die
Unterbringung in D-Stadt erfolgte in der DJH Jugendherberge D-Stadt "Jugendgästehaus". Während des Aufenthalts in D-Stadt
waren verschiedene Programmpunkte geplant, unter anderem eine Stadtführung, ein Besuch des Hygienemuseums, eine Besichtigung
der Frauenkirche usw.. Für den 9. April 2014 standen als Programmpunkte ein Ausflug in die sächsische Schweiz, eine geführte
Paddeltour auf der Elbe sowie Schlendern durch das abendliche D-Stadt an. Die Verpflegung war durch die Jugendherberge zum
Frühstück und zum Abendbrot sichergestellt. Die Erziehungsberechtigten der Schüler wie auch der jeweilige Schüler selbst unterschrieben
eine Belehrung über die während der Klassenfahrt geltenden Verhaltensregeln. Diese beinhalteten unter anderem, dass es in
Absprache mit den Lehrern erlaubt ist, dass sich die Schüler in kleinen Gruppen selbständig bewegen.
Am Abend des 9. April 2014 wartete der Kläger, nachdem er zuvor für den folgenden Tag Lebensmittel eingekauft hatte, mit 2
Freunden, J. K. und K. M., in der Altmarkt Galerie vor dem Rewe-Markt auf weitere Mitschüler, die noch im Rewe-Markt einkauften.
Neben ihnen saß Frau Z., deren Bruder, Herr Z. und ihr Freund aus dem Rewe Markt kamen und zu ihr gingen. Es folgten dann
Beleidigungen durch Herrn Z. in Richtung des Klägers und seiner Freunde. Als sich die Männer von dem Kläger und seinen Freunden
wegdrehten, sagte der Kläger zu seinen Freunden: „Wie assi kann man denn sein?“, was Frau Z. offenbar hörte. Sie stand jedenfalls
auf, spuckte dem Kläger ins Gesicht und ging mit ihrem Freund und Herrn Z. davon. Im Weggehen sagte sie noch, dass das draußen
geklärt würde. Kurz vor 21:00 Uhr verließen der Kläger und seine Freunde die Altmarkt Galerie und nahmen den Ausgang in Richtung
Jugendherberge. Frau Z. und ihre Begleiter standen am selben Ausgang. Der Kläger entschuldigte sich bei Frau Z., wurde von
ihr aber dennoch tätlich angegriffen. Als der Kläger den Angriff der Frau Z. abblockte, griff Herr Z. ein und nahm den Kläger
in den „Schwitzkasten“. Der Kläger konnte sich aus diesem befreien. Noch während der Kläger sich wieder aufrichtete bekam
er eine Bierflasche, die Herr Z. in der Hand hielt, in das Gesicht. Daraufhin entfernten Frau Z., Herr Z. und der weitere
Begleiter sich.
Der Kläger trug diverse Verletzungen im Gesicht davon. Es waren Teile der oberen Schneidezähne abgebrochen, die Lippe aufgeschnitten.
Auch mussten die Bracketts seiner Zahnspange, die sich gelöst hatten, durch einen Zahnarzt entfernt werden.
Durch Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 25. November 2015 wurde Herr Z. wegen gefährlicher Körperverletzung und Frau Z.
wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt (Az. 256 Ds 611 Js 3922/15 jug).
Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Schüler seien im Rahmen
einer Klassenfahrt nur gegen Unfälle versichert, die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stünden. Hierbei sei zwischen
Tätigkeiten abzugrenzen, die in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fielen und solchen, die einem privaten
Zweck dienten und demzufolge dem privaten Schutzbereich zuzuordnen seien. Tätigkeiten, die mit der Schule nichts zu tun hätten,
würden nicht in deren organisatorischen Verantwortungsbereich fallen. Da der Kläger im Rewe-Markt private Getränke und Verpflegung
für den nächsten Tag einkaufen wollte, handele es sich um eine Verrichtung, die nicht in den organisatorischen Verantwortungsbereich
der Schule falle. Es habe sich vielmehr um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung stehe.
Hiergegen legten die vertretungsberechtigten Eltern des Klägers am 10. Juli 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung wiesen sie
darauf hin, dass in der Rechtsprechung keine Einigkeit bestehe, was im Rahmen einer Klassenfahrt versichert sei. Der überwiegende
Teil der Rechtsprechung tendiere allerdings zu einer großzügigen Anwendung. Der Kläger habe sich mit dem Einverständnis der
Lehrer entfernt, um für den nächsten Tag Lebensmittel zu kaufen, da nur Frühstück und Abendbrot sichergestellt gewesen seien.
Die Beschaffung von Lebensmitteln sei deshalb der Organisation der Klassenfahrt geschuldet gewesen. Aufgrund dieser Tatsache
sowie des Einverständnisses der Lehrer sei das Ereignis als Arbeitsunfall zu bewerten.
Auf Anforderung der Polizeidienstelle D-Stadt erstattete die Zahnärztin Frau Z. am 22. September 2014 einen Befundbericht.
Es seien folgende Verletzungen festgestellt worden: Beschädigungen der Multibandapparatur im Ober- und Unterkiefer mit Verlust
bzw. Lockerung von Brackets im Frontbereich, an den Zähnen 11 und 21 Frakturen im Kronenbereich, Stellungsänderung der Zähne
21 und 41 und eine Verletzung der Weichteile im Gingivabereich von Ober-und Unterkiefer sowie im Lippenbereich von Ober- und
Unterkiefer.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte
sie aus, dass während einer Klassenfahrt nicht bei jedweder Betätigung Unfallversicherungsschutz bestehe, weil sich der Versicherte
im schulischen Interesse außerhalb seines Wohn- und Schulortes aufhalte. Auch hier komme es darauf an, ob die unfallbringende
Tätigkeit noch dem rechtlichen und organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zuzurechnen sei. Versicherungsschutz
bestehe nicht, wenn sich der Schüler rein persönlichen, vom Verantwortungsbereich der Schule nicht mehr wesentlich beeinflussbaren
Belangen widme. Hierzu seien Essen, Trinken und Schlafen zu zählen. Der Kläger habe sich mit Einverständnis der Lehrer zum
Rewe-Markt begeben, um dort Lebensmittel zu kaufen. Hierbei handele es sich um eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, die
dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei. Es sei keine unaufschiebbare, notwendige Handlung gewesen, um es dem Kläger
zu ermöglichen, die aktuelle schulische Tätigkeit fortzusetzen. Das Zurücklegen des Weges zum Rewe-Markt sei nicht wesentlich
durch die Tätigkeit als Schüler einer allgemeinbildenden Schule bedingt gewesen. In Abstimmung mit den Eltern sei für diesen
privaten Zwecken dienenden Weg auch eine schulische Aufsichtspflicht nicht zu gewährleisten gewesen.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 2. Oktober 2014 vor dem Sozialgericht Schwerin erhobenen Klage gewandt. Er hat ausgeführt,
dass Unfallversicherungsschutz bestanden habe. Er sei darauf angewiesen gewesen, sich für die Mittagszeit selbst zu versorgen,
weshalb er den Rewe-Markt aufgesucht habe, um sich Nahrungsmittel und Getränke zu kaufen. Die Verrichtung des „Einkaufens“
habe deshalb im inneren Zusammenhang mit der schulischen Veranstaltung gestanden. Nicht jegliche Betätigung von Jugendlichen
auf einer Klassenfahrt könne wegen des erweiterten Zwecks einer Klassenfahrt, die in der Schule erworbenen Kenntnisse durch
unmittelbare Anschauung zu ergänzen und die Förderung der Einsicht in die eigene Verantwortung für sich und andere, dem unversicherten
Bereich zugeordnet werden. Im Übrigen habe der Kläger die Verletzung nicht schuldhaft oder gar vorsätzlich herbeigeführt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2014 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, die Körperverletzung zum Nachteil des Klägers vom 9. April 2014 als Versicherungsfall anzuerkennen
und entsprechende Leistungen zu erbringen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf Ihre Ausführungen in den streitgegenständlichen Verwaltungsentscheidungen bezogen.
Mit Urteil vom 20. April 2017 hat das Sozialgericht Schwerin die Klage abgewiesen. Das streitige Ereignis stelle keinen Arbeitsunfall
dar. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Schüler während des Schulbesuches bzw. während der Teilnahme an unmittelbar vor
oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen in der gesetzlichen
Unfallversicherung versichert seien. Der Versicherungsschutz der Schülerunfallversicherung sei allerdings enger gefasst als
bei der „echten“ Unfallversicherung. Es komme im Rahmen der Schülerunfallversicherung nicht auf den inneren Zusammenhang einer
Verrichtung mit dem Schulbesuch an. Vielmehr sei entscheidend, ob die maßgebliche Verrichtung im organisatorischen Verantwortungsbereich
der Schule liege. Außerhalb des Verantwortungsbereichs der Schule bestehe deshalb selbst dann kein Versicherungsschutz, wenn
die Verrichtung wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sei. Klassenfahrten würden zwar zum organisatorischen Verantwortungsbereich
der Schule zählen. Doch umfasse der Versicherungsschutz nicht jedwede Betätigung während der gesamten Dauer der Klassenfahrt.
Unter Beachtung der Besonderheiten bei Klassenfahrten sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Versicherungsschutz
auf Dienst- und Geschäftsreisen entsprechend heranzuziehen und zu prüfen, ob die Tätigkeit zur Zeit des Unfalls in einem sachlichen
Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler gestanden habe. Versicherungsschutz bestehe dann nicht,
wenn sich der Schüler zur Unfallzeit rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Bedürfnissen
und Belangen widme wie Essen, Trinken und Schlafen oder einem privaten Spaziergang. Danach habe Versicherungsschutz nicht
bestanden. Das Besorgen der Nahrungsmittel für den kommenden Tag sei als unversicherte Vorbereitungshandlung einzustufen.
Derartige Tätigkeiten gingen der eigentlich versicherten Tätigkeit voran, erleichterten oder ermöglichten die Tätigkeit erst.
Nur wenn die Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der eigentlich versicherten Tätigkeit so eng verbunden sei, dass beide bei
natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bildeten, komme Versicherungsschutz in Betracht. Ein solcher Zusammenhang sei vorliegend
jedoch nicht erkennbar.
Gegen das am 20. Juli 2017 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 15. August 2017 eingelegten Berufung. Er
trägt vor, dass die rechtliche Wertung des Sozialgerichts, wonach das Besorgen von Nahrungsmitteln für den kommenden Tag eine
unversicherte Vorbereitungshandlung sei, nicht überzeuge. Die Klassenfahrt sei dergestalt organisiert gewesen, dass Frühstück
und Abendbrot durch die Jugendherberge gestellt worden sei. Die Schüler seien von den Lehrern angehalten worden, sich darüber
hinaus selbst mit Lebensmitteln und Getränken für den Folgetag zu versorgen. Gerade hierfür sei eine Erlaubnis der Eltern
eingeholt worden. Der Kläger habe sich auch beim zuständigen Lehrer abgemeldet und sich mit Kenntnis des Lehrers zum Einkaufen
begeben. Zudem habe sich der Kläger ausschließlich wegen der Klassenfahrt selbstständig in D-Stadt zum Einkaufen begeben.
Derartige Verrichtungen wären zu Hause und anlässlich des normalen Schulbesuchs nicht erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 20. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 9. April 2014 (Körperverletzung
zum Nachteil des Klägers) ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihren Vortrag aus den streitgegenständlichen Verwaltungsentscheidungen. Sie führt ergänzend aus, dass
der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule verlassen werde, wenn wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr
zu gewährleisten seien. Konkret sei dem Kläger aufgrund der Unterschrift der vertretungsberechtigten Eltern gestattet worden,
sich in kleinen Gruppen selbstständig zu bewegen. Demnach sei die schulische Aufsichtspflicht nicht mehr zu gewährleisten
gewesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte
der Beklagten und die Akte der Staatsanwaltschaft zum Aktenzeichen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Sie ist jedoch unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
54 Abs.
1 SGG i.V.m. §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zulässig. Dem Kläger steht insoweit ein Wahlrecht (vgl. Urteil des Bundesozialgerichts vom 5. Juli 2016, Az.: B 2 U 5/15 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. Mai 2012, Az.: B 2 U 8/11 R) zu, ob er eine behördliche (dann Verpflichtungsklage) oder unmittelbar eine gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls
(dann Feststellungsklage) erstrebt.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten 18. Juni 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger
hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 9. April 2014 als Arbeitsunfall anerkannt wird.
Nach §
8 Abs.
1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse,
die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs.
1 S. 2
SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Betroffenen zur Zeit des Unfalls
der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen
auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden
oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat. Unzweifelhaft stellt der Angriff auf den Kläger
durch den Herrn Z., bei dem ihm letzterer mit einer Bierflasche die Schneidezähne zerstörte und den Mundbereich verletzte,
ein Unfallereignis dar. Jedoch war der Kläger während dieses Angriffs nicht unfallversichert. Gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
8b SGB VII sind Schüler in der gesetzlichen Unfallversicherung während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während
der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmenkraft
Gesetzes versichert. Danach unterliegen dem Versicherungsschutz in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den
dazwischenliegenden Pausen und solche im Rahmen sogenannter Schulveranstaltungen sowie die genannten Betreuungsmaßnahmen.
Der Schutzbereich der "Schülerunfallversicherung" ist jedoch enger als der Versicherungsschutz von Beschäftigten nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII, weil er auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule beschränkt ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts
vom 30. Juni 2009, Az.: B 2 U 19/08 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Oktober 2004, Az.: B 2 U 41/03 R). Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht auch bei Verrichtungen, die durch den Schulbesuch wesentlich bedingt sind
und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zuzuordnen wären, in der Regel kein Versicherungsschutz
(vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Oktober 2004, Az.: B 2 U 41/03 R). Dieser organisatorische Verantwortungsbereich erfordert im Regelfall einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang
zum Schulbesuch, an dem es regelmäßig fehlt, wenn schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind (vgl. Urteil
des Bundessozialgerichts vom 30. Juni 2009, Az.: B 2 U 19/08 R). Zu den vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfaßten Veranstaltungen gehört auch die unter schulischer
Aufsicht durchgeführte Klassenfahrt nach D-Stadt. Versicherungsschutz besteht indes nicht schlechthin während der gesamten
Dauer der Klassenfahrt für jedwede Betätigung der Schüler. Vielmehr besteht ein solcher im Zusammenhang mit der Teilnahme
an einer Schulveranstaltung (Klassenfahrt) nur für Verrichtungen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich
versicherten Tätigkeit als Schüler stehen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. Oktober 2004, Az.: B 2 U 41/03 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. Oktober 1995, Az.: 2 RU 44/94). Versicherungsschutz besteht hingegen nicht, wenn sich die betreffende Person rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit
nicht mehr beeinflussten Belangen widmet (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Januar 1977, Az.: 2 RU 50/76). Dies führt in der Regel zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes.
Ausgenommen vom Versicherungsschutz bleiben außerhalb der eigentlichen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Stadtbesichtigungen,
gemeinsamer Sport oder Spiele grundsätzlich überwiegend persönlichen Bedürfnissen dienende Verrichtungen wie Essen, Trinken
und Schlafen. Betriebsbedingte (hier durch die Klassenfahrt bedingte) Umstände wie das Beschaffen von Essen, weil eine Vollverpflegung
nicht angeboten wird, können aber auch durchaus im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dies erfordert
allerdings eine über eine bloß raum-zeitliche Verursachung hinausgehende Gefährdung durch die Schulausbildung. Es ist darauf
abzustellen, ob ein wesentlicher innerer Zusammenhang mit der Klassenfahrt bestand oder ob - auf den vorliegenden Fall bezogen
- das Verhalten der beteiligten Schüler in einem solchen Zusammenhang mit der Klassenfahrt stand (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts
vom 05. Oktober 1995, Az.: 2 RU 44/94).
Nach diesen Maßstäben war der Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens unterbrochen. Hierbei kann offen bleiben,
ob der Einkauf im Rewe-Markt der Altmarktgalerie in D-Stadt von Essen und Getränken für den folgenden Tag unter Versicherungsschutz
stattgefunden hat. Denn es ist nicht während des Einkaufens selbst zu dem schädigenden Ereignis gekommen. Dieses ereignete
sich vielmehr erst einige Zeit nach dem bereits abgeschlossenen Einkauf. Denn nachdem der Kläger eingekauft hatte, wartete
er mit Freunden zunächst vor dem Rewe-Markt auf weitere Mitschüler, die sich noch in diesem aufhielten. Erst als sich der
Kläger danach vor die Altmarkt Galerie begab, um zurück zur Jungendherberge zu gehen, erfolgte der tätliche Angriff. Ein innerer
Zusammenhang mit der Klassenfahrt bestand nicht. Der Einkauf der Lebensmittel war bereits abgeschlossen, und es handelte sich
nicht um ein im weitesten Sinne von schulischen Belangen getragenes Ereignis, sondern war hiervon vollkommen unabhängig. Weder
ist es durch einen einer Klassenfahrt eigenen, schultypischen gruppendynamischen Prozess noch durch einen Konflikt, der seine
Ursache im schulischen Bereich hatte, ausgelöst worden. Bis zum Zeitpunkt des sich anbahnenden Konfliktes waren dem Kläger
Herr Z. und dessen Begleiter vollkommen unbekannt. „Auslöser“ für die Attacke war die auf den Herrn Z. und dessen Begleiter
bezogene Äußerung des Klägers „Wie assi kann man denn sein?“, deren Inhalt unzweifelhaft nicht den schulischen Bereich betraf.
Allein die Tatsache, dass der Kläger zuvor Essen und Getränke gekauft hat, die er für seine Versorgung während der Klassenfahrt
benötigt hat, vermittelt keinen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Klassenfahrt selbst.
Nichts anderes ergibt sich, wenn in der Betrachtung auf das Zurücklegen des Weges vom Einkauf zur Jugendherberge abgestellt
wird. Dieser Weg ist grundsätzlich dem Weg zur Beschaffung von Lebensmitteln hinzuzurechnen, für den – unter Heranziehung
der Maßstäbe zur Rechtsprechung während Dienstreisen (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Februar 2000, Az.:
B 2 U 20/99 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. April 1980, Az.: 2 RU 95/79) sowie zu Wegen zur und von der Nahrungsaufnahme bzw. Nahrungsbeschaffung – grundsätzlich Versicherungsschutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII besteht. Während des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit schützt die gesetzliche Unfallversicherung
vorrangig gegen Gefahren, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem
Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben,
die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken. In den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung
des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII fallen somit zwar grundsätzlich auch Überfälle auf den Versicherten auf dem Weg zur Arbeit, soweit sie rechtlich wesentlich
durch das Zurücklegen des Weges bedingt sind. Die Gefahr, auf Grund eigener privater Beziehungen, Kontakte oder sonstiger
aus dem persönlichen Bereich stammender Umstände Opfer eines Überfalls (unabhängig vom Ort der Tat und dessen besonderen Verhältnissen)
zu werden, wird jedoch nicht vom Schutzbereich der Wegeunfallversicherung erfasst (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom
18. Juni 2013, Az.: B 2 U 10/12 R). Denn eine solche Gefahr besteht nicht nur auf öffentlich zugänglichen Wegen, sondern auch im häuslichen Bereich und stellt
keine beim Zurücklegen des Weges spezifische Gefahr dar.
Der gegenüber dem Kläger erfolgte tätliche Angriff ist nach diesen Maßstäben nicht mehr vom Schutzbereich der Wegeunfallversicherung
umfasst. Es hat sich keine spezifische, durch die Klassenfahrt geschaffene Gefahr verwirklicht. Vielmehr geriet der Kläger
in einen Konflikt, in den er auch außerhalb der hiesigen Situation ohne weiteres hätte geraten können. Schulische Belange
hatten keinerlei Bedeutung, weil der Auslöser des Konflikts nicht schulbezogen war. Der tätliche Angriff ereignete sich sozusagen
nur gelegentlich der Klassenfahrt. Denn der tätliche Angriff des Herrn Z., den der Kläger nicht kannte und der vor allem auch
kein Mitschüler von ihm war, hatte keinen Bezug zu der schulischen Maßnahme, da er sich nicht aufgrund schulischer Konflikte
oder aus einem einer Klassenfahrt eigenen gruppendynamischen Prozess heraus entwickelte. Ursache war allein die gerade erst
entstandene „persönliche“ Beziehung des Klägers zu Herrn und Frau Z.. Auch ist nicht ersichtlich, dass die örtlichen Verhältnisse
den Angriff des Herrn Z. überhaupt erst ermöglicht oder begünstigt haben, so dass hierdurch der Versicherungsschutz begründet
würde (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2013, Az.: B 2 U 10/12 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. Januar 2018, Az.: B 2 U 8/16 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.