Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II
Fehlende Hilfebedürftigkeit
Berücksichtigung von Vermögen
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme und die daraus folgende Erstattungsforderung des Beklagten betr. ihm in der Zeit
vom 29. April 2005 bis 31. August 2008 gewährter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Streitig ist die Frage der Bedürftigkeit, ob der Kläger jeweils
bei Antragstellung eine bei der J. Gruppe K. bestehende Lebensversicherung angegeben und ob der Beklagte nach Kenntnis innerhalb
der Jahresfrist seine Bescheide erlassen hat. Außerdem wendet sich der Kläger gegen den vom Beklagten geltend gemachten Ersatzanspruch
gemäß § 34a SGB II für denselben Zeitraum wegen der seinen Familienangehörigen gewährten Leistungen.
Der 1951 geborene Kläger beantragte im April 2005 für die Zeit ab Beendigung des Alg I-Bezuges (29. April 2005) für sich und
seine mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau L. sowie den am M. geborenen Sohn N., die am O. geborene Tochter
P. und den am Q. geborenen Sohn R. Leistungen nach dem SGB II. Er wohnte mit der Familie in S. in einem ihm und der Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörenden Mehrfamilienhaus, in dem zu diesem
Zeitpunkt von den vier vorhandenen Wohnungen jedenfalls zwei vermietet waren. Er gab an, er sei außerdem Eigentümer eines
Mehrfamilien- und Geschäftshauses in T. und legte hierzu vier Mietverträge vor. Zu den Vermögensverhältnissen teilte er mit,
dass Kapitallebensversicherungen abgeschlossen worden seien, die jedoch zur Sicherung der Darlehensverpflichtungen, zum damaligen
Zeitpunkt bei der U. V., abgetreten bzw. verpfändet seien. Er legte eine Bescheinigung der U. über die Abtretung/Verpfändung
zweier Versicherungen der W., einer Versicherung bei der X., einer bei der Y. Versicherung und einer bei der J. bestehenden
Versicherung (Nr. Z.) vor, außerdem Darlehensverträge, abgeschlossen zur Finanzierung der Immobilien. Ein Bausparvertrag sei
für die Heizungserneuerung bestimmt, das Kfz sei geleast. Der Beklagte ging davon aus, dass die Belastungen auf den Immobilien
höher als deren jeweiliger Wert waren.
Zum damaligen Zeitpunkt wurden die Regelleistungen von der örtlich zuständigen Bundesagentur für Arbeit, die Kosten der Unterkunft
und Heizung (KdUH) vom kommunalen Träger jeweils bescheidmäßig gesondert bewilligt.
Der Rechtsnachfolger ist das Jobcenter im Landkreis T., im Folgenden: Beklagter.
In der Zeit ab 29. April 2005 ergingen folgende Bescheide (vgl. im Einzelnen zu den Bescheiden und den jeweiligen Bewilligungsbeträgen
für die einzelnen Monate und Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft: Widerspruchsbescheide vom 7. Januar 2013, Bl. 2-8/9; Bd.
VI, Bl. 1464ff Verwaltungsakten - VA -, auf die ergänzend Bezug genommen wird):
Bewilligungsabschnitt 29. April bis 31. Oktober 2005: Bescheid vom 10. Mai 2005 und 23. Mai 2005;
Bewilligungsabschnitt 1. November 2005 bis 30. April 2006: Bescheide vom 24. Oktober und 2. November 2005;
Bewilligungsabschnitt 1. Mai 2006 bis 31. Oktober 2006: Bescheid vom 19. April 2006 in Gestalt der Änderungsbescheide vom
22. Juni und 6. Juli 2006 sowie Bescheid vom 6. Juni 2006 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 19. Juli 2006;
Bewilligungsabschnitt 1. November 2006 bis 30. April 2007: Bescheid vom 21. November 2006 sowie Bescheide vom 19. Dezember
2006 und 5. Januar 2007 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2007;
Bewilligungsabschnitt 1. Mai bis 31. Oktober 2007: Bescheid vom 23. März 2007 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 30. Mai
und 21. Dezember 2007 sowie Bescheid vom 3. Juli 2007;
Bewilligungsabschnitt 1. November 2007 bis 30. April 2008: Bescheid vom 28. September 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids
vom 21. Dezember 2007 sowie Bescheid vom 1. Oktober 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 1. April 2008;
Bewilligungsabschnitt 1. Mai 2008 bis 31. August 2008: Bescheid vom 25. Juni 2008 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 18.
September 2009.
Auf den Weiterbewilligungsantrag von März 2007 hin wurde der Kläger aufgefordert, aktuelle Unterlagen zu den Mietverträgen
sowie zur Darlehenssituation vorzulegen. Dabei ergab sich ein häufiger Wechsel der Mieter sowie teilweiser Leerstand und Ablösung/Umschuldung
der Darlehen. Im Mai 2008 legte der Kläger ein notariell beurkundetes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über die Immobilie
in T. für 580.000,- EUR vor. Der Beklagte überprüfte (erneut) die Angemessenheit bzw. die Möglichkeit der Verwertung und bewilligte
ab Mai 2008 die Leistungen bis August 2008 zunächst nur darlehensweise. Einen im Dezember 2008 gestellten neuen Antrag auf
Gewährung von Leistungen lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
7. Januar 2013, bestätigt durch Urteil des SG Lüneburg vom 19. März 2015 - S 27 AS 195/13 -; die hiergegen eingelegte Berufung wurde zurückgenommen). Aufgrund eines in einem Überprüfungs-und Klageverfahren eingeholten
Wertgutachtens bewilligte der Beklagte dann im September 2009 rückwirkend für die Zeit von Mai bis August 2008 Leistungen.
Im Rahmen der Bearbeitung eines Neuantrags vom 15. Oktober 2009 (Bd. III Bl. 700) teilte der Kläger auf Nachfrage in einem
Gespräch am 3. November 2009 mit (Bl. 775 VA), dass Zins- und Tilgungsraten z.Zt. von einer aufgelösten Lebensversicherung
und geliehenem Geld bedient würden. Er legte sodann Unterlagen über eine Lebensversicherung bei der J. vor (Versicherungspolice
der J. vom 17. Dezember 1985 - Versicherungs-Nr. AA. - Bd. IV Bl. 790-795 und Schreiben vom 6. Februar 2009 über eine Auszahlung
in Höhe von 32.904,94 EUR sowie Kündigung dieser Lebensversicherung). Diesen Betrag habe er verwandt, um davon die Schuldzinsen
und Tilgungsraten gegenüber der W. (insgesamt 3.250,- EUR monatlich) zu begleichen. Er habe von den bar abgehobenen 31.000,-
EUR monatlich den erforderlichen Betrag eingezahlt und legte hierzu Kontoauszüge vor (Bl. 907ff VA). Der Beklagte forderte
den Kläger auf, Unterlagen über die eingezahlten Beiträge vorzulegen. Der Kläger legte schließlich eine Bescheinigung vom
12. August 2010 vor, wonach insgesamt 87.533,52 EUR im Laufe der Jahre eingezahlt wurden. Der Beklagte hielt hierzu nochmals
Nachfrage bei der J. und erhielt die Auskunft vom 16. Dezember 2010 (Bd. V, Bl. 984 VA) über die Auszahlungen während der
bestehenden Versicherung. Bis einschließlich Februar 2000 wurden insgesamt ca. 24.000,- EUR ausgezahlt, in der Zeit ab Februar
2007 bis zur Kündigung und Auflösung im Februar 2009 weitere Beträge in Höhe von ca. 79.000,- EUR (vgl. Aufstellung Bl. 984
VA). Nachdem schließlich mit Schreiben vom 3. Januar 2011 (Bl. 1138 VA) die J. mitgeteilt hatte, dass die Summe der eingezahlten
Beiträge zum 1. April 2005 75.722,05 EUR und der Rückkaufswert am 29. April 2005 57.379,21EUR (Rückkaufswert 51.400,60 EUR
zuzüglich Überschuss, abzüglich Vorauszahlung) betragen habe, errechnete der Beklagte den überzahlten Betrag und hörte den
Kläger am 29. August 2011 (Bd. VI Bl. 1379 VA) zur Überzahlung in der Zeit vom 29. April 2005 bis 31. August 2008 an. Er habe
über Vermögen verfügt, das über dem Freibetrag gelegen habe und sei deshalb nicht hilfebedürftig gewesen. Er habe dieses Vermögen
in Form der Lebensversicherung bei der J. Versicherungs-Nr. AA. nicht angegeben, so dass die Rücknahme gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 und 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beabsichtigt sei; der zu erstattende Betrag wurde erläutert. In einem weiteren Anhörungsschreiben vom 29. August 2011 führte
der Beklagte aus, dass der Kläger durch die fehlende Angabe seines Vermögens im fraglichen Zeitraum die Leistungsgewährung
an die Ehefrau und Kinder bewirkt habe und deshalb beabsichtigt sei, einen Ersatzanspruch gemäß § 34a Abs 1 Satz 1 SGB II geltend zu machen; auch hier wurde der Erstattungsbetrag erläutert. Am 20. März 2012 ergingen jeweils gesonderte Anhörungen
zu den Kosten der Unterkunft und dem sich hieraus ergebenden Erstattungsbetrag.
Am 18. April 2012 erließ der Beklagte den Rücknahme- und Erstattungsbescheid für den Kläger und führte im Einzelnen auf, welche
Kosten für Regelleistungen, KdUH und Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 29. April 2005 bis 31. August 2008 in
den einzelnen Monaten geleistet wurden und forderte insgesamt 18.217,64 EUR zurück.
Mit einem weiteren Bescheid vom 18. April 2012 machte er den Ersatzanspruch gemäß § 34a Abs 1 SGB II für die Zeit vom 29. April 2005 bis 31. August 2008 geltend und führte im Einzelnen die der Ehefrau und den Kindern geleisteten
Beträge auf und forderte vom Kläger insgesamt 31.137,79 EUR zurück.
Mit den hiergegen am 11. Mai 2012 eingelegten Widersprüchen berief der Kläger sich auf die Versäumung der Jahresfrist durch
den Beklagten. Er habe die von ihm abgeschlossenen Versicherungen frühzeitig angegeben. Der Beklagte habe umfassende Kenntnis
seiner Vermögensverhältnisse gehabt. Er habe die Überzahlung nicht verursacht. Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den
Rücknahme- und Erstattungsbescheid mit Bescheid vom 7. Januar 2013 zurück. Dem Widerspruch gegen den Bescheid betr. den Ersatzanspruch
gemäß § 34a Abs 1 SGB II gab er insoweit statt, als der Erstattungsbetrag im Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2013 nun mit 30.807,87 EUR festgesetzt
wurde.
Mit der am 8. Februar 2013 erhobenen Klage hat der Kläger sich sowohl gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 18.
April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2013 als auch gegen den im Bescheid vom 18. April 2012 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids geltend gemachten Ersatzanspruch gewandt. Er hat erneut vorgetragen, der Beklagte sei umfassend
über seine Vermögensverhältnisse informiert gewesen. Er habe das Bestehen einer Versicherung bei der J. bereits im Jahre 2005
angegeben und auf Bl. 19/20 VA hingewiesen. Die Bescheide vom 18. April 2012 hätten die Jahresfrist nicht gewahrt.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 19. März 2015 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig gewesen, da er die Freibeträge
übersteigendes Vermögen in Form der Lebensversicherung Nr. AA. gehabt habe.
Diese Versicherung habe er gegenüber dem Beklagten nicht angegeben. Die von ihm angegebene Versicherung bei der J. (Nr. Z.)
sei abgetreten bzw. verpfändet gewesen. Da er die weitere Versicherung Nr. AA. bei der J. nicht angegeben habe, beruhe die
Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligungen seit 29. April 2005 auf seinen fehlerhaften Angaben; außerdem hätte er wissen
müssen, dass ihm die Leistungen nicht zustanden. Zwar habe der Beklagte seit Januar 2011 Kenntnis von der Auszahlung gehabt.
Für die Einhaltung der Jahresfrist des § 45 Abs 4 SGB X sei jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern auf den Ablauf der Anhörungsfrist
am 15. September 2011 abzustellen, so dass mit Erlass des Bescheides am 18. April 2012 die Jahresfrist gewahrt sei. Da auch
die Voraussetzungen des § 34a Abs 4 Satz 1 SGB II für die Zeit vom 29. April 2005 bis 31. August 2008 gegeben seien und der Beklagte die Beträge zutreffend errechnet habe,
sei die Klage insgesamt abzuweisen.
Gegen dieses ihm am 27. April 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 27. Mai 2015 eingegangenen Berufung.
Er wiederholt, er habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt den Beklagten umfassend über seine Vermögensverhältnisse informiert.
Insbesondere habe er bereits am 20. November 2009 (Bl. 795 VA) den Vertrag Nr. AA. mit der AB. vom 17. Dezember 1985 vorgelegt.
Ein grob fahrlässiges Verschweigen könne ihm daher nicht vorgeworfen werden. Auch wenn in dem Versicherungsvertrag noch als
Name des Versicherungsnehmers AC. angegeben worden sei, habe der Beklagte doch auch gewusst, dass dies sein damaliger Name
gewesen sei und erst im Rahmen der Einbürgerung im Jahre 1988 die Namensänderung erfolgt sei. Bei der Entscheidung über die
Ermessensausübung hinsichtlich der Rücknahme hätte deshalb berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger frühzeitig über seine
gesamten Vermögenswerte Auskunft erteilt habe. Er habe weder vorsätzlich noch grob fahrlässig Vermögen verschwiegen. Außerdem
sei die Jahresfrist nicht eingehalten.
Die Mitarbeiter des Beklagten hätten - wie sich aus Bl. 795 VA ergebe - bereits seit November 2009 und nicht erst seit Januar
2011 Kenntnis gehabt. Jedenfalls sei aber im Januar 2011 hinreichende Kenntnis über die Höhe des Rückkaufswertes vorhanden
gewesen, so dass ein Abwarten des Anhörungsverfahrens nicht notwendig gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. März 2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 18. April 2012 in Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 7. Januar 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zum Vortrag im
Berufungsverfahren verweist er erneut darauf, dass die Jahresfrist erst nach Ablauf der Anhörungsfrist am 15. September 2011
begonnen habe und deshalb von ihm eingehalten worden sei. Darüber hinaus habe der Kläger auch über seine Vermögensverhältnisse
getäuscht. Denn das verwertbare Vermögen in Form der Lebensversicherung J. AD. sei von ihm bei den jeweiligen Antragstellungen
nicht angegeben worden. Erstmals habe der Kläger am 20. November 2009 Angaben dazu gemacht.
Außer den Gerichtsakten haben die den Kläger und die Bedarfsgemeinschaft betreffenden 7 Bände Verwaltungsakten des Beklagten
vorgelegen und waren Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. Sie ist bezogen auf einen Bescheid vom 18. April 2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2013 (Ersatzanspruch) begründet, bezogen auf den weiteren Bescheid desselben
Datums (Rücknahme- und Erstattungsbescheid) unbegründet.
Aufgrund der Beschränkung des Berufungsbegehrens des Klägers im Schriftsatz vom 10. September 2015 ist der Bescheid vom 23.
Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2013 und damit das Leistungsbegehren ab 1. Dezember 2008
nicht mehr streitbefangen und insoweit das Urteil des SG Lüneburg vom 19. März 2015 rechtskräftig.
1. Streitgegenstand ist zum einen der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 7. Januar 2013, mit dem der Beklagte von dem Kläger einen Betrag von 18.217,64 EUR fordert. Es geht hier um die Rücknahme
der dem Kläger bewilligten Leistungen nach dem SGB II (Regelbedarf und KdUH) und die Erstattung von Leistungen und Beiträgen für die Zeit vom 29. April 2005 bis 31. August 2008.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass wegen verschwiegenen Vermögens der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten rechtmäßig
ist.
Der Beklagte hat den Kläger zutreffend vor Erlass des Bescheides gemäß § 24 Abs 1 SGB II angehört. Der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids bezeichnet hinreichend die zurückgenommenen Bewilligungsentscheidungen,
führt für die einzelnen Bewilligungsabschnitte die dem Kläger gewährten Leistungen - getrennt nach KdUH und Regelleistungen
- auf und beziffert getrennt nach Zeitabschnitten die zu erstattenden Leistungen und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Beklagte hat zutreffend den Rücknahmebescheid auf § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 3 SGB II in der im Rücknahmezeitpunkt geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (a.F.) i.V.m. § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X und §
330 Abs
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) gestützt. Hiernach ist eine rechtswidrige begünstigende Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie auf Angaben beruht, die der Begünstigte
vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Die Alg II-Bewilligungen für die Zeit ab 29. April 2005 bis 31. August 2008 waren rechtswidrig, da der 1951 geborene, erwerbsfähige
und in S. lebende Kläger in dieser Zeit nicht hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs 1 i.V.m. § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere nicht von Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält oder derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von Vermögen nicht möglich
ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde (Abs 4).
Dem von dem Beklagten in der Vergangenheit zutreffend festgestellten und im Einzelnen im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen
Bedarf des Klägers standen während des gesamten Rücknahmezeitraums zu Beginn eines jeden Monats ausreichende Vermögensmittel
gegenüber, die vorrangig zur Sicherung seines Lebensunterhaltes einzusetzen waren.
Als Vermögen zu berücksichtigen sind nach § 12 Abs 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände abzüglich der nach § 12 Abs 2 SGB II abzusetzenden Beträge, soweit sie nicht nach § 12 Abs 3 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen sind. Abzusetzen waren gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 1. Halbsatz SGB II der Grundfreibetrag von 200,- EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und der Partnerin (in der seit
dem 1. August 2006 geltenden Fassung: Grundfreibetrag von 150,- EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen
und der Partnerin); der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000,- EUR
(in der seit dem 1. August 2006 geltenden Fassung: 9.750,- EUR) nicht übersteigen. Zusätzlich ist nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II der Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen
abzusetzen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für andere in § 12 SGB II aufgeführte Freibeträge sind nicht erfüllt. Insbesondere waren keine weiteren Freibeträge gem. § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1a SGB II für die Kinder zu berücksichtigen, da hier nur das Vermögen des Klägers maßgeblich ist und nicht auch eventuell vorhandenes
Vermögen der Kinder (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 58/08 R -, BSGE 103, 153 und Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Oktober 2016 - L 11 AS 107/15 -, Rn 18, juris).
Mit dem am 10. Januar 1951 geborenen Kläger lebten in der Bedarfsgemeinschaft die am AE. geborene Ehefrau, der im Juni 1987
geborene Sohn N. - dieser wegen der gesetzlichen Regelungen in der Zeit von Juni 2005 bis 31. Juli 2006 nur in Haushaltsgemeinschaft
-, die im August 1989 geborene Tochter P. und der im Juni 1991 geborene Sohn AF ... Somit verfügte der Kläger für sich und
die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen im streitbefangenen Zeitraum - ausgehend von den von der J. am 16. Dezember
2010 und 3. Januar 2011 mitgeteilten Daten, d.h. unter Außerachtlassung der nach April 2005 vorgenommenen weiteren Beitragszahlungen
und erhöhten Überschussbeteiligungen - mindestens über zu berücksichtigendes Vermögen im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung
(vgl. zum Abstellen auf diesen Zeitpunkt: Urteil des BSG vom 25. April 2018, B 4 AS 29/17 R), das den monatlichen Bedarf (zu dessen Höhe nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen im Widerspruchsbescheid auf Seiten
2-8/9, denen er folgt) überstieg. Im Einzelnen betrug das zu berücksichtigende Vermögen zum jeweiligen Zeitpunkt der vom Kläger
gestellten Leistungsanträge:
April 2005: 32.629,21 EUR (57.379,21 abzüglich Freibeträge i.H.v. 24.750,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
21.000,- EUR: 10.800,- EUR (54 Jahre x 200,- EUR) und 10.200,- EUR (51 Jahre x 200,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 3.750,- EUR (5 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
Oktober 2005: 33.379,21 EUR (57.379,21 abzüglich Freibeträge i.H.v. 24.000,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
21.000,- EUR: 10.800,- EUR (54 Jahre x 200,- EUR) und 10.200,- EUR (51 Jahre x 200,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 3.000,- EUR (4 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
April 2006: 32.979,21 EUR (57.379,21 abzüglich Freibeträge i.H.v. 24.400,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
21.400,- EUR: 11.000,- EUR (55 Jahre x 200,- EUR) und 10.400,- EUR (52 Jahre x 200,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 3.000,- EUR (4 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
November 2006: 37.579,21 EUR (57.379,21 abzüglich Freibeträge i.H.v. 19.800,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
16.050,- EUR: 8.250,- EUR (55 Jahre x 150,- EUR) und 7.800,- EUR (52 Jahre x 150,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 3.750,- EUR (5 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
März 2007: 29.362,55 EUR (49.312,55 EUR abzüglich Freibeträge i.H.v. 19.950,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
16.200,- EUR: 8.400,- EUR (56 Jahre x 150,- EUR) und 7.800,- EUR (52 Jahre x 150,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II: 3.750,- EUR (5 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
September 2007: 22.712,55 EUR (42.812,55 EUR abzüglich Freibeträge i.H.v. 20.100,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute
insgesamt 16.350,- EUR: 8.400,- EUR (56 Jahre x 150,- EUR) und 7.950,- EUR (53 Jahre x 150,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 3.750,- EUR (5 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
April 2008: 9.462,62 EUR (29.862,62 EUR abzüglich Freibeträge i.H.v. 20.400,- EUR (Grundfreibeträge für die Eheleute insgesamt
16.650,- EUR: 8550,- EUR (57 Jahre x 150,- EUR) und 8.100,- EUR (54 Jahre x 150,- EUR) sowie Freibetrag für Anschaffungen
nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II: 3.750,- EUR (5 Personen in Bedarfsgemeinschaft x 750,- EUR).
Dieses Vermögen war auch verwertbar. Denn die Lebensversicherung bei J. AG. war - anders als die vom Kläger gegenüber dem
Beklagten jeweils mitgeteilten Lebensversicherungen - nicht abgetreten oder verpfändet und konnte - wie teilweise auch durch
den Kläger in den streitigen Jahren geschehen - verwertet werden.
Die Verwertung war auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich und daher zumutbar. Denn der Rückkaufswertzuzüglich Überschussbeteiligung
dieser Lebensversicherung betrug zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung 57.379,21 EUR zuzüglich der bereits vorfristlich
ausgezahlten Guthaben, mithin insgesamt 81.563,61 EUR. Dem standen bis zu diesem Zeitpunkt eingezahlte Beiträge in Höhe von
75.722,05 EUR gegenüber.
Die Voraussetzungen für die - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht im Ermessen des Beklagten stehende zwingende Rücknahme
der Leistungsbewilligungen mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. i.V.m. §
330 Abs.
2 SGB III lagen vor, da die Bewilligungen auf zumindest grob fahrlässig unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben des Klägers beruhten
(§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Denn er hatte seit der Erstantragstellung im April 2005 bei Beantwortung
der Fragen nach seinem Vermögen diese Lebensversicherung Nr. AA. nicht mitgeteilt. Der Beklagte hat erstmals nach Unterbrechung
des Leistungsbezugs bei erneuter Antragstellung durch den Kläger im November 2009 - worauf der Kläger auch selbst hinweist
- Kenntnis von dieser weiteren Lebensversicherung erhalten. Dass dem Kläger die Existenz dieser Lebensversicherung zuvor nicht
bewusst war, kann nicht unterstellt werden. Denn ausweislich der Bescheinigung der J. hat er Beiträge gezahlt sowie sich bis
Februar 2000 Beträge auszahlen lassen und wiederum in der Zeit ab Februar 2007 bis zur vollständigen Auflösung.
Der Beklagte hat auch die Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Danach muss die Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen
begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, diesen zurücknehmen. Der Lauf der Jahresfrist beginnt
in aller Regel frühestens mit der Anhörung (BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 - B 7 AL 88/99 R, SozR 3-1300 § 45 Nr 42; Urteil des erkennenden Senats vom 3. April 2017 - L 11 AS 41/14 -; vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2018, § 45 Rn 27 m.w.N.). Auch wenn erstmals
die Existenz eines - aufgekündigten - weiteren Lebensversicherungsvertrages im November 2009 bekannt wurde, fehlten Informationen
zu den Rückkaufswerten, den gezahlten Beiträgen und den bereits getätigten Auszahlungen. Die hierzu vollständigen Informationen
lagen dem Beklagten - hierauf hat der Kläger zutreffend hingewiesen - erstmals im Januar 2011 vor. Dass hier - wegen der Vielzahl
der weiteren Bearbeitungsschritte für aktuelle Bewilligungszeiträume - die Anhörung erst im August 2011 vorgenommen wurde,
führt nicht zu einer Verwirkung des Rücknahmerechts oder zur Verkürzung der Jahresfrist (ab Januar 2011). Der Erlass des Bescheides
am 18. April 2012 war rechtzeitig und rechtmäßig.
Hinsichtlich des Erstattungsbetrages nimmt der Senat - wie auch schon das SG - auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug, denen er folgt. Fehler in der
Berechnung sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat hierzu auch keine Einwände vorgebracht. Das sich aus dem Rückkaufswert der
Lebensversicherung ergebende Vermögen war während der hier zu beurteilenden Bewilligungszeiträume April 2005 bis 31. August
2018 tatsächlich vorhanden. Dass der Kläger auch dieses Vermögen zur Begleichung von Schulden, die er im Zusammenhang mit
dem Immobilienerwerb aufgenommen hat, einsetzen wollte und ab Februar 2009 eingesetzt hat, rechtfertigt keine andere Behandlung.
Schließlich ist vorhandenes Vermögen zunächst zur Sicherung des Lebensunterhalts und erst dann zur Begleichung von Schulden
einzusetzen.
Auch der auf § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr 5 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sowie §
335 Abs.
1,
2 und 5
SGB III gestützte Erstattungsanspruch ist rechtmäßig. Denn die zugrundeliegenden Bewilligungen sind - wie oben ausgeführt - gemäß
§ 45 SGB X zutreffend aufgehoben worden. Raum für eine Begrenzung unter Härtefallgesichtspunkten besteht nicht; diese Prüfung ist ggf.
dem Verfahren nach § 44 SGB II vorbehalten (vgl. dazu ausführlich Urteile des BSG vom 25. April 2018, B 14 AS 15/17 R, Rn. 33 und B 4 AS 29/17 R Rn. 32, jeweils m.w.N.).
2. Streitgegenstand ist zum anderen der Bescheid vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Januar 2013,
mit dem der Beklagte von dem Kläger einen Betrag von 30.807,87 EUR fordert. Es geht hier um den Ersatzanspruch nach § 34a SGB II, der sich errechnet aus den von dem Beklagten der Ehefrau des Klägers und den drei Kindern in der Zeit vom 29. April 2005
bis 31. August 2008 gewährten Leistungen nach dem SGB II.
Dieser Bescheid ist rechtswidrig, so dass das ihn bestätigende Urteil des SG Lüneburg sowie der Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids
- Az. AH. - aufzuheben waren.
a. Entgegen der Auffassung des Beklagten, der die angefochtene Verwaltungsentscheidung auf § 34a SGB II in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: alte Fassung - a.F.) gestützt hat, kann diese
Vorschrift nicht als Grundlage für einen Ersatzanspruch gegenüber dem Kläger herangezogen werden. Denn diese Vorschrift, nach
der zum Ersatz rechtswidrig erbrachter SGB II-Leistungen verpflichtet ist, wer diese durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten an Dritte herbeigeführt hat,
ist erst mit Wirkung vom 1. April 2011 - und somit erst mehrere Jahre nach den hier zu beurteilenden Bewilligungszeiträumen
und der Erbringung der Leistungen für diese Zeiträume - in Kraft getreten. Eine Übergangsvorschrift enthält das Gesetz zur
Ermittlung vonRegelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I 453), mit dem die Vorschrift neu eingefügt worden ist, nicht. Nach dem zum
SGB III entwickelten und auch hier anzuwendenden Geltungszeitraumprinzip ist das Recht anzuwenden, das zu der Zeit galt, in der die
maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es - wie hier - an einer speziellen Regelung mangelt (vgl. BSG, Urteil vom 19.Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 Rn 15; BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R Rn 15 zu § 34 a.F. und Gagel/Stotz, SGB II, § 34a SGB II, Stand Juni 2018, Rn 86 mit Verweis auf § 33 Rn 96 ff.). Auch wenn der Beklagte den sich aus § 34a SGB II a.F. ergebenden eigenständigen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch durch Verwaltungsakt geltend machen muss, ist seine
Anwendung nach dem Geltungszeitraumprinzip auf Sachverhalte beschränkt, die nach dem 1. April 2011 verwirklicht worden sind
(so Böttiger in Eicher/Luik, SGB II 4. Auflage 2017, § 34a Rn 68 mwN; a.A. Bayerisches LSG Urteil vom 17. August 2017 - L 11 AS 451/16 - Rn 28 f). Die Grundlage für die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs - die zumindest grob fahrlässige Herbeiführung der
rechtswidrigen Erbringung von Geldleistungen nach dem SGB II - liegt hier jedoch in den Jahren 2005 bis 2008 (siehe oben die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung
an den Kläger, die entsprechend für die Leistungserbringung an seine Ehefrau und Kinder gelten).
b. Die angefochtene Entscheidung kann auch nicht auf § 34 Abs. 1 SGB II in der vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2011 geltenden Fassung (a.F.) gestützt werden. Nach dieser Vorschrift war derjenige,
der vorsätzlich oder grob fahrlässig 1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen,
die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder 2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich
oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen
gezahlten Leistungen verpflichtet. Abgesehen davon, dass dieser Ersatzanspruch gem. Abs. 3 der Regelung drei Jahre nach Ablauf
des Jahres, in dem die Leistungen erbracht worden sind, erlischt und somit jedenfalls die bis einschließlich 31. Dezember
2007 erbrachten Leistungen danach nicht mehr zurückgefordert werden konnten, war umstritten, ob von der Regelung des Abs.
1 Satz 1 Nr 2 auch eine - hier nach dem oben ausgeführten gegebene - rechtswidrige Leistungserbringung erfasst wurde. Der
Gesetzgeber selbst hat in der Begründung zur Einführung des § 34a SGB II zum 1. April 2011 (vgl. BT-Drucksache 17/3404 S 113) ausgeführt, dass durch diese Gesetzesänderung auch im SGB II derjenige zur Erstattung von Leistungen in Anspruch genommen werden können soll, der zurechenbar eine unrechtmäßige Leistungsgewährung
an Dritte verursacht hat. Der Senat kann diese das vor dem 1. April 2011 geltende Recht betreffende Frage jedoch unentschieden
lassen. Denn der Beklagte hat sich durch seine "Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des Sozialgesetzbuch II (SGB II)" zu § 34 (34.2) Stand 2/2010 selbst gebunden. Dort heißt es: "§ 34 findet keine Anwendung, soweit Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende zu Unrecht erbracht worden sind; hierüber ist nach den Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten
zu entscheiden (§ 40 SGB II i.V.mit §§ 44 ff. SGB X)." Im Rahmen der Gleichbehandlung war der Beklagte danach gehindert, unter Geltung des § 34 SGB II a.F. einen Ersatzanspruch wegen der an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erbrachten Leistungen gegenüber dem
Kläger - der hier allenfalls die Leistungen ab 1. Januar 2008 betroffen hätte - geltend zu machen.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die angefochtene Entscheidung des Beklagten - ungeachtet des auch hier zum Tragen
kommenden Geltungszeitraumprinzips - auch nicht auf § 34 Abs. 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung gestützt werden kann. Dort ist geregelt, dass wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres
vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen,
die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen gezahlten
Leistungen verpflichtet ist. Voraussetzung für diesen Ersatzanspruch ist somit ein rechtmäßiger Leistungsbezug (wenn auch
infolge sozialwidrigen Verhaltens). Im vorliegenden Fall war der Leistungsbezug (sowohl des Klägers als auch) der Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft vom 29. April 2005 bis 31. August dagegen rechtswidrig (s.o.).
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor, zumal es hier auch um die Anwendung von bereits außer Kraft getretenen Vorschriften geht.