Nach §
86b Abs.
2 S. 1
SGG kann das Gericht - soweit ein Fall nach Absatz 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige
Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt
in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt,
der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) i.V.m. §
86b Abs.
2 S. 4
SGG glaubhaft zu machen. Der G. geborene, in H. (I.) mit seiner Ehefrau in einer Mietwohnung wohnende Antragsteller absolviert
seit August 2018 bei der Fa. J. in K. /L. eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Er erhält hierfür eine monatliche Vergütung
i.H.v 628,19 EUR netto. Am 27. März 2019 stellte er bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Förderung aus dem Vermittlungsbudget
gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §
44 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) bzw. auf eine freie Förderung nach § 16f. SGB II in Form der Gewährung eines Darlehens i.H.v. 4.500 EUR für den Ankauf eines seiner Tante gehörenden, ca. ein Jahr alten Pkw
der Marke Skoda. Er benötige den Pkw, da er an den Tagen, in denen er im rotierenden Schichtmodell bis 20 Uhr oder bei Sonderaktionstagen
(Late-Night- oder Moonlight-Shopping) gar bis 22 Uhr arbeiten müsse, nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln von K. nach
H. gelangen könne. Der letzte Bus auf dieser Strecke fahre um 19 Uhr. Bislang habe ihm sein Vater seinen Pkw zur Verfügung
gestellt. Dieser sei nun selbst auf das Fahrzeug angewiesen. Ein Fahrzeugkauf mithilfe eines Ratenkredites sei nicht möglich,
da er ein Privatinsolvenzverfahren durchlaufe. Der Antragsgegner hat den Antrag mit Bescheid vom 8. April 2019 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 abgelehnt (die hierauf erhobene Klage S 42 AS 103/19 ist bei dem SG Bremen noch anhängig). Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget scheitere
daran, dass der Antragsteller bei der Antragstellung bereits im Ausbildungsverhältnis gestanden habe. Hinsichtlich einer freien
Förderung nach § 16f SGB II, die im Ermessenswege auch zur Abwendung eines drohenden Arbeitsplatzverlustes möglich sei, habe der Antragsteller nicht
dargelegt, dass er die erforderliche Mobilität nur mit einem Pkw erlangen könne. Sofern ab 20 Uhr kein Bus mehr von K. nach
H. fahre, bestehe die Möglichkeit, mit dem Fahrrad oder mit Arbeitskollegen den 5,5 km entfernten Bahnhof M. zu erreichen
und von dort auch zu später Stunde mit dem Zug nach N. zu gelangen. In Frage komme auch die Vereinbarung einer Abweichung
von den Arbeitszeiten nach 18:30 Uhr bzw. von der Ausbildung im Schichtsystem mit dem Ausbildungsbetrieb. Am 8. Mai 2019 hat
die bislang eine geringfügige Erwerbstätigkeit ausübende Ehefrau des Antragstellers dem Antragsgegner per E-Mail mitgeteilt,
dass sie und der Antragsteller ab Juli 2019 auf SGB II-Leistungen verzichten, da auch sie eine Ausbildung beginnen werde. Ab dem 1. September 2019 erhält der Antragsteller von
dem Antragsgegner wieder vorläufig Arbeitslosengeld II. Der Antragsgegner hat ihn aufgefordert, bei der Bundesagentur für
Arbeit einen Antrag auf Leistungen der Ausbildungsförderung zu beantragen. Hinsichtlich der von ihm begehrten Förderungsleistung
hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch ergibt sich, unabhängig davon,
dass seine Ehefrau nach Beantragung der streitgegenständlichen Förderung für die Bedarfsgemeinschaft auf SGB II-Leistungen verzichtet hat, weder aus § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II i.V.m. §
44 SGB III (vgl. hierzu Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. Mai 2019 - L 15 AS 74/19 B ER -: zumutbar ist eine mehrmals täglich mit dem Fahrrad zurückzulegende Fahrtstrecke von 5,84 km bzw. nötigenfalls auch
von 8,7 km) noch aus § 16f Abs. 1 SGB II (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Mai 2015 - L 11 AS 676/15 B ER - juris). In beiden Fällen hat der Antragsgegner, sofern die beantragte Förderung den Zielen und Grundsätzen des SGB II entspricht und ein hierdurch zu erzielender Verbleib des Antragstellers in der Ausbildung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert
werden kann, sowohl über das "Ob" als auch über das "Wie" der Leistung eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. Stölting
in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 16f Rn. 14). Der Erlass einer dem Begehren auf vorläufige Gewährung der Förderungsleistung stattgebenden einstweiligen Anordnung
ist insofern nur dann zulässig, wenn eine sog. Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Auflage 2017, §
86b Rn. 30a). Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Stichhaltige Gesichtspunkte dafür, dass nur die Gewährung eines Zuschusses
zum Ankauf eines Pkw bzw. die Gewährung eines hierzu dienenden Darlehens den Erhalt des Ausbildungsplatzes des Antragstellers
sichert, sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Zutreffend hat bereits der Antragsgegner darauf verwiesen, dass es dem Antragsteller
durchaus möglich und zumutbar ist, an den Tagen, an denen er bis 20 Uhr oder in Einzelfällen sogar bis 22 Uhr arbeiten muss,
die 5,5 km betragende Fahrtstrecke auf dem Radweg entlang der N. von seiner Ausbildungsstelle in K. zum Bahnhof in M., von
dem eine umfassende Nahverkehrsanbindung nach H. im Stundentakt und mit einer Fahrtzeit von lediglich 19 Minuten auch in den
Abend- und Nachtstunden besteht, mit dem Fahrrad zurückzulegen. Gründe, die der Bewältigung einer solchen, keine nennenswerten
Steigungen und Gefahren aufweisenden Strecke entgegenstehen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Soweit er in
der Beschwerdebegründung die Ansicht vertritt, Empfänger von SGB II-Leistungen könnten generell in zumutbarer Weise lediglich auf die Benutzung des öffentlichen Nachverkehr verwiesen werden,
so folgt der Senat dem nicht. Auch in den Wintermonaten und nach 20 Uhr ist es erwachsenen Leistungsempfängern, die wie der
Antragsteller nicht an gravierenden gesundheitlichen Problemen leiden, möglich und zumutbar, auch in den Herbst- und Wintermonaten
ein- bis zweimal am Tag eine Wegstrecke von weniger als 10 km mit dem Fahrrad zurückzulegen (die Zumutbarkeit für den Fall
dauerhaft viermal täglich erforderlicher Fahrten verneinend: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. April 2018 - L 4 AS 609/14 -, juris Rn. 33). Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).