Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs
Betriebsprüfung
Keine vollständige Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten
Gesondertes Statusfeststellungsverfahren
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, eine GmbH, wendet sich gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Januar 2016, mit dem diese festgestellt
hat, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin Frau B. C. ihre Tätigkeit seit Januar 1995 in einem abhängigen und versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat, wobei die Antragstellerin zugleich für den von der Verjährung nicht erfassten Zeitraum
ab Januar 2011 (bezogen auf den Zeitraum bis Dezember 2014) zu Beitragszahlungen in einer Gesamthöhe von 56.612,43 EUR verpflichtet
worden ist.
Die Prüfabteilung der Antragsgegnerin hatte bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV durchgeführt. Im Rahmen der am 30. Juni 2015 durchgeführten "Schlussbesprechung" wurden einzelne Beanstandungen mit der Maßgabe
erörtert, dass die Besprechung zugleich die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung beinhalten sollte.
In dem Protokoll war ferner vermerkt worden: "Hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Gesellschafter-Geschäftsführerin
wird Ihnen (d.h. der Antragstellerin) ein Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zugesandt."
Unter dem Datum vom 17. Juli 2015 und dem Betreff "Sozialversicherungsrechtliche Feststellung gem. §§
7 ff.
SGB IV" sandte die Geschäftsführerin den von ihr ausgefüllten Fragebogen an die Antragsgegnerin zurück.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 nahm die Antragsgegnerin eine Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X für die - wie es im Betreff formuliert war - "sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung nach §
7 Abs.
1 SGB IV" vor. Im Eingangssatz führte sie aus: "durch die im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV i.V.m. §
166 Abs.
2 SGB VII eingeleiteten sozialversicherungsrechtlichen Feststellung" (grammatikalische Fehler im Original) zwischen Frau C. und der
Antragstellerin beabsichtige sie festzustellen, dass es bei dem seit 1995 bestehenden Anstellungsverhältnis um eine beitragspflichtige
Beschäftigung handele. Eine Erhebung von Beitragsnachforderungen für den Zeitraum 2011 bis 2014 in Höhe von 56.612,43 EUR
sei vorgesehen.
Am 16. November 2015 erließ die Antragsgegnerin einen Bescheid mit dem Betreff "Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV, durchgeführt in der Zeit vom 11.05.2015 bis 03.11.2015", mit dem sie - von der Antragstellerin nicht beanstandet - feststellte,
dass die sich "aus der Prüfung ergebende Nachforderung insgesamt" 765,97 EUR betrage.
Mit weiterem Bescheid vom 12. Januar 2016 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Geschäftsführerin seit Januar 1995 in
einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Antragstellerin gestanden habe. Das "durch die Betriebsprüfung eingeleitete
sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren" habe zu diesem Ergebnis geführt. Zugleich wurde die Antragstellerin
für den Beitragszeitraum 2011 bis 2014 zur Nachentrichtung von Beiträgen in Höhe von 56.612,43 EUR herangezogen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 22. Januar 2016, über den die Antragsgegnerin bislang
nicht entschieden hat.
Den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs vom 19. Februar 2016 hat das Sozialgericht
Stade mit Beschluss vom 2. Mai 2016, der Antragstellerin zwei Tage später zugestellt, abgelehnt. Die Annahme einer abhängigen
und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sei nicht zu beanstanden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 20. Mai 2016.
Soweit zunächst neben der Antragstellerin auch ihre Geschäftsführerin als Antragstellerin zu 2. das Begehren auf vorläufigen
Rechtsschutz geltend gemacht hat, hat das Sozialgericht mit dem o.g. Beschluss den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz
mangels Beschwer auf Seiten der damaligen Antragstellerin zu 2. als unzulässig angesehen; die vormalige Antragstellerin zu
2. hat die zunächst auch in ihrem Namen eingelegte Beschwerde bezogen auf ihre Person als Antragstellerin mit Schriftsatz
vom 15. Juni 2016 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin zu 1. hat mit der Maßgabe Erfolg, dass festzustellen ist, dass ihr Widerspruch
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Januar 2016 bereits von Gesetzes wegen eine aufschiebende Wirkung aufweist.
Nach §
7a Abs.
7 SGB IV haben Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. In der Rechtsprechung
wird unterschiedlich beurteilt, ob diese Regelung auch maßgeblich ist, wenn im Rahmen einer nach § 28p
SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung Feststellungen über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu treffen sind (vgl. etwa
verneinend: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Oktober 2014 - L 5 R 868/14 B ER -, juris; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07. September 2015 - L 5 KR 147/15 B ER -, juris; bejahend: Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 03. Juni 2015 - L 12 R 539/15 B ER -, juris).
Der Senat teilt im Ausgangspunkt schon unter systematischen Gesichtspunkten die erstere Auffassung, wonach nur bei einem Anfrageverfahren
nach §
7a SGB IV der im 7. Absatz dieser Vorschrift normierte Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen zu berücksichtigen ist.
Der Gesetzgeber ist damit von dem in §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG normierten Grundsatz abgewichen, wonach die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen insbesondere bei Entscheidungen über
eine Versicherungspflicht und bei Beitragsanforderungen gerade entfallen soll. Mit der in §
7a Abs.
7 SGB IV zum Ausdruck gebrachten Privilegierung will der Gesetzgeber die Bereitschaft zur Einleitung von Statusfeststellungsverfahren
nach dieser Vorschrift im Interesse der Rechtssicherheit und der Sicherung des Beitragszuflusses an die Sozialversicherungsträger
fördern. Die Privilegierung knüpft im Rahmen einer typisierenden Betrachtung an die üblicherweise (soweit es sich nicht um
einen - eine entsprechende Meldung des Arbeitgebers voraussetzenden - Antrag der Einzugsstelle nach §
7a Abs.
1 Satz 2
SGB IV handelt) anzunehmende Freiwilligkeit der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens nach §
7a SGB IV an, mit der der Antragsteller von sich aus - typischerweise frühzeitig - die Aufmerksamkeit der Sozialleistungsträger auf
den maßgeblichen Sachverhalt ungeachtet des Risikos einer für ihn nachteiligen Beurteilung lenkt.
Sehen hingegen die Beteiligten des in Betracht kommenden Beschäftigungsverhältnisses von einer entsprechenden Befassung der
Sozialleistungsträger im Rahmen des Verfahrens nach §
7a SGB IV ab, womit nicht selten die Hoffnung verbunden sein wird, dass der gesamte Vorgang diesen Trägern verborgen bleiben möge,
und wird der zu prüfende Sachverhalt erst im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgedeckt und beurteilt, dann entfällt die maßgebliche
Grundlage für die mit §
7a Abs.
7 SGB IV vorgesehene Privilegierung.
Die nach § 28p
SGB IV zur Prüfung berufenen Rentenversicherungsträger sind allerdings schon im Ausgangspunkt nicht zu einer vollständigen Überprüfung
der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten verpflichtet (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 10/02 R -, SozR 4-5375 § 2 Nr. 1). Dementsprechend haben sie auch das Recht, von einer abschließenden Beurteilung von im Rahmen der
Betriebsprüfung erkennbar gewordenen sozialrechtlichen Einordnungsproblemen Abstand zu nehmen und statt dessen darauf hinzuwirken,
dass die Beteiligten zur Klärung der betreffenden Frage eines gesondertes Statusfeststellungsverfahren nach §
7a SGB IV einleiten. Machen sie von letzter Möglichkeit Gebrauch, dann sind allerdings auch die für entsprechende Verfahren nach §
7a SGB IV maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben unter Einschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen nach §
7a Abs.
7 SGB IV zu beachten.
Insbesondere soweit - wie im vorliegenden Fall - der für die Betriebsprüfung zuständige Rentenversicherungsträger zugleich
auch nach den Vorgaben des §
7a Abs.
2 SGB IV zur Beurteilung von Anträgen nach §
7a Abs.
1 SGB IV berufen ist, können sich im Einzelfall Abgrenzungsfragen stellen. Will der Rentenversicherungsträger die Statusfrage noch
im laufenden Prüfverfahren mitentscheiden, dann muss er dies in der Verfahrensgestaltung hinreichend deutlich machen.
Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin aber gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie die Entscheidung über den sozialrechtlichen
Status der Geschäftsführerin außerhalb des zunächst eingeleiteten Betriebsprüfungsverfahrens treffen wollte.
Schon im Ausgangspunkt wäre zu erwarten gewesen, dass die Antragsgegnerin, wenn sie im Rahmen der laufenden Betriebsprüfung
zugleich den sozialrechtlichen Status der Geschäftsführerin (mit-)beurteilen wollte, den Sachverhalt diesbezüglich näher aufgeklärt
hätte, bevor sie die "Schluss"-(!)Besprechung anberaumte.
Auch die Formulierung in ihrem Schreiben vom 9. Oktober 2015, wonach die vorzunehmende Feststellung "im Rahmen der Betriebsprüfung
nach § 28p
SGB IV i.V.m. §
166 Abs.
2 SGB VII" (lediglich) "eingeleitet" worden sei, musste ein verständiger Empfänger dahingehend verstehen, dass die Statusprüfung zwar
im Rahmen der Betriebsprüfung "eingeleitet", aber getrennt von dieser fortgeführt werde.
Bezeichnenderweise hat die Antragsgegnerin auch bereits am 16. November 2015 einen Bescheid über das Ergebnis der Betriebsprüfung
erlassen, in dem sie auf die Problematik der sozialrechtlichen Einstufung der Geschäftsführerin der Antragstellerin gar nicht
eingegangen ist. Der Bescheid enthielt auch keine Hinweise, wonach mit ihm nur eine Teilregelung getroffen werden sollte.
Ebenfalls bezeichnend ist, dass nach den klaren Angaben in diesem Bescheid die Betriebsprüfung bereits am 3. November 2015
abgeschlossen worden ist. Da die Antragsgegnerin das eingeleitete Statusfeststellungsverfahren jedoch seinerzeit noch gar
nicht abgeschlossen hatte und insbesondere am 3. November 2015 noch nicht die in diesem Verfahren mit Schreiben vom 9. Oktober
2015 gesetzte Äußerungsfrist abgelaufen war, konnte dies verständigerweise von der Antragstellerin nur in dem Sinne verstanden
werden, dass diese Statusfrage außerhalb des (doch nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin bereits abgeschlossenen) Betriebsprüfungsverfahrens
beurteilt werden sollte.
Im Übrigen hat die Antragsgegnerin auch von einer Korrektur des Bescheides vom 16. November 2015 nach § 45 SGB X abgesehen, wie sie geboten gewesen wäre, wenn aufgrund und im Rahmen derselben Betriebsprüfung über den zunächst erlassenen
Betriebsprüfungsbescheid hinaus zum selben Prüfzeitraum weitere Beitragsnachforderungen erhoben werden sollen (vgl. Bayerisches
Landessozialgericht, Urteil vom 08. Oktober 2013 - L 5 R 554/13 -, juris).
Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass ausgehend von einer Zuordnung des angefochtenen Bescheides zu einem Verfahren
nach §
7a SGB IV die sich für die Antragsgegnerin in einem solchen Verfahren ergebenden Regelungsbefugnisse nicht überschritten werden dürfen.
Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass ein Verfahren nicht nach §
183 SGG kostenprivilegiert ist, wenn der maßgebliche Bescheid an einen nicht kostenprivilegierten Adressaten gerichtet ist und neben
diesem ein kostenprivilegierter weiterer Beteiligter als Antragsteller bzw. Kläger am Verfahren teilnimmt, für den jedoch
kein Rechtsschutzbedürfnis aufgezeigt werden kann. Es ist nicht ersichtlich, dass die von der Antragsgegnerin geltend gemachte
vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides auch für die Geschäftsführerin Frau C. mit sie persönlich treffenden
Rechtsnachteilen verbunden war; bezeichnenderweise hat diese ihr Begehren im Beschwerdeverfahren nach rechtlichem Hinweis
des Senates auch gerade im Hinblick darauf zurückgenommen, dass sie persönlich von den festgesetzten Zahlungspflichten gar
nicht erfasst werde.
Es würde im Ergebnis zu einem Missbrauch der Kostenprivilegierung nach §
183 SGG verleiten, wenn diese auch zur Kostenfreiheit von Verfahren führen würde, in denen der Kostenprivilegierte gar keine Betroffenheit
in eigenen Rechten aufzuzeigen vermag und letztlich nur formal dem Antrag des tatsächlich durch den angefochtenen Bescheid
belasteten, jedoch kostenrechtlich nicht privilegierten weiteren Beteiligten beitritt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG. Angesichts der bei wirtschaftlicher Betrachtung erheblichen Relevanz des vorliegend angestrebten vorläufigen Rechtsschutzes
erscheint es angemessen, die Höhe des Streitwertes mit der Hälfte der streitbetroffenen Forderungen in Ansatz zu bringen (vgl.
auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2014 - L 1 KR 361/13 B ER -, juris; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. November 2013 - L 4 KR 383/13 B ER -, juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).