Höhe eines Regelleistungsvolumens
BAG-Zuschlag
Arztbezogenes und praxisbezogenes RLV
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Regelleistungsvolumens (RLV).
Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung in F. zugelassen und ist seit dem 1. Oktober 2009
als drittes ärztliches Mitglied in einer ursprünglich aus zwei Fachärzten für Urologie bestehenden Berufsausübungsgemeinschaft
(BAG) tätig.
In den Quartalen IV/2009 und I/2010 erhöhte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das RLV nur für die ärztlichen Mitglieder in der BAG des Klägers um 10 vH (sogenannter BAG-Zuschlag), die dort schon in den Vorjahresquartalen
tätig waren. Den daraufhin vom Kläger gestellten Antrag, in den Quartalen auch sein RLV um den BAG-Zuschlag zu erhöhen, lehnte die Beklagte mit dem Hinweis ab, dass er in den für die Berechnung des RLV maßgeblichen Vorjahresquartalen noch in Einzelpraxis tätig gewesen sei. Daher könnten seine Fallzahlen exakt ermittelt werden.
Für ihn bestehe nicht der Nachteil, der mit der Gewährung des BAG-Zuschlags ausgeglichen werden solle - nämlich dass die von
mehreren ärztlichen Mitgliedern gleichzeitig betreuten Patienten nur einmal in die Berechnung des RLV einfließen könnten (Bescheide vom 29. September 2009 und 18. Dezember 2009). Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010).
Der Kläger hat am 13. April 2010 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort geltend gemacht, dass nach dem Wortlaut in Teil F Nr 1.2.4 in dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
(EBewA) vom 20. April 2009 bzw des Bewertungsausschusses (BewA) vom 22. September 2009 das praxisbezogene RLV jeder fach- und schwerpunktgleichen BAG um 10 vH zu erhöhen sei. Eine Beschränkung dahingehend, dass der Zuschlag nur BAGen
zu gewähren sei, die bereits im Vorjahresquartal bestanden hätten, habe der (E)BewA nicht festgelegt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass sein RLV in den Quartalen IV/2009 und I/2010 um den BAG-Zuschlag erhöht werde. Zwar ergebe sich nicht aus dem Wortlaut der hier maßgeblichen
Beschlüsse des (E)BewA, dass nur solchen BAGen der Zuschlag zu gewähren sei, die bereits in den Vorjahresquartalen bestanden
hätten. Da die Zuschlagsregelung aber beabsichtige, einen im Vergleich zu Einzelpraxen bestehenden Nachteil bei der Berechnung
des RLV auszugleichen, müsse sinngemäß ein Vorjahresbezug hergestellt werden.
Gegen dieses Urteil (zugestellt am 12. April 2013) wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 13. Mai 2013 (einem Montag).
In der Sache macht er geltend, es treffe nicht zu, dass die Gewährung des BAG-Zuschlags für Ärzte, die im Vorjahresquartal
noch in einer Einzelpraxis tätig gewesen seien, zu einer Besserstellung gegenüber den Ärzten führe, die sich im Vorjahresquartal
bereits einer BAG angeschlossen hätten. Im Übrigen ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik oder dem Sinn
und Zweck der hier maßgeblichen Beschlüsse des (E)BewA, dass die Zuschlagsregelung nur für BAGen gelte, die bereits im Vorjahresquartal
bestanden hätten. Vielmehr habe der (E)BewA damit eine pauschalierende Regelung getroffen, die auf alle noch bestehenden BAG-Konstellationen
zutreffe.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. November 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 29. September 2009 und
18. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2010 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, sein Regelleistungsvolumen in den Quartalen IV/2009 und I/2010 um einen Zuschlag iHv 10 vH
zu erhöhen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und präzisiert ihren bisherigen Vortrag dahingehend, dass der BAG-Zuschlag
vom (E)BewA eingeführt worden sei, um sogenannte Fallzählungsverluste von BAGen gegenüber Einzelpraxen auszugleichen. Dies
ergebe sich aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Regelung. Der Zuschlag könnte daher nur
Ärzten gewährt werden, die bereits im Vorjahresquartal in einer BAG tätig gewesen seien. Um einen derartigen Fallzählungsverlust
auch bei den Ärzten auszuschließen, die zwar im Vorjahres-, aber nicht mehr im Zuweisungsquartal in einer BAG tätig gewesen
seien, werde auch diesen der Zuschlag gewährt. Da keiner dieser Fälle auf den Kläger zutreffe, habe er keinen Anspruch darauf,
dass sein RLV um den Zuschlag erhöht werde.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der
Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das SG Hannover hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen.
1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers, für das in den Quartalen IV/2009 und I/2010 gültige RLV (ebenfalls) den BAG-Zuschlag über 10 vH zu erhalten. Damit richtet sich seine Klage bzw das gegen das klagabweisende Urteil
des SG von ihm eingelegte Rechtsmittel nicht gegen die mit dem RLV einhergehende Budgetierung als solche. Vielmehr wendet sich der Kläger damit gegen ein einzelnes Berechnungselement des ihm
zugewiesenen RLV (vgl zur gesonderten Anfechtbarkeit der RLV-Zuweisung Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2500 § 87b Nr 1). Die damit einhergehende Beschränkung auf den abtrennbaren Teil eines Verwaltungsakts ist auch grundsätzlich zulässig;
insbesondere steht es dem Kläger als Ausdruck seiner Dispositionsmaxime frei, den Prüfungsumfang des Gerichts von sich aus
auf den abtrennbaren Teil einer angefochtenen Verwaltungsentscheidung zu begrenzen. Zweifel an der Abtrennbarkeit des BAG-Zuschlags
von den sonstigen Berechnungselementen des RLV bestehen dabei nicht, weil der Zuschlag als isoliert geltend gemachter Regelungsbestandteil nicht in einem untrennbaren rechtlichen
Zusammenhang mit der sonstigen Berechnung des RLV steht.
a) Dabei steht der Zulässigkeit der Klage zunächst nicht entgegen, dass der Kläger (bzw die BAG, der er seit dem 1. Oktober
2009 angehört) im Anschluss an den von ihm gestellten Antrag auf Erhöhung seines RLV um den BAG-Zuschlag davon abgesehen haben, auch noch gegen die Honorarbescheide für die Quartale IV/2009 und I/2010 vorzugehen.
Zwar ist für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen zur Bestimmung des Quartalshonorars nur Raum, soweit der entsprechende Honorarbescheid nicht
bestandskräftig (geworden) ist. Anderenfalls würde der Honorarbescheid die ihm zugewiesene Funktion einer abschließenden und
verbindlichen Regelung des vom Vertragsarzt geltend gemachten Honoraranspruchs verlieren. Da dies aber vor allem in der älteren
Rechtsprechung der Sozialgerichte nicht immer mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen ist, müssen die KÄVen
weiterhin in jedem Einzelfall prüfen, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung von einer Anfechtung
der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren ist (vgl zu alledem BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 1 mwN). Entsprechend kann auch der Kläger annehmen, dass die vom BSG erst nach Rechtshängigkeit seines Klagebegehrens präzisierte Rechtsprechung hinsichtlich der Funktion von Honorarbescheiden
als einer abschließenden Honorarregelung hier noch nicht anwendbar ist.
b) Der Kläger ist für das von ihm geltend gemachte Klagebegehren (Erhöhung seines RLV um den BAG-Zuschlag) auch prozessführungsbefugt (vgl zu dieser Befugnis Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar
zum
SGG, 11. Aufl 2014, §
54 Rn 11). Dafür sieht der Senat als maßgeblich an, dass die beklagte KÄV den BAG-Zuschlag in Niedersachsen (entgegen dem Wortlaut
in den hier maßgeblichen Beschlüssen des (E)BewA) nicht auf das praxis-, sondern auf das arztbezogene RLV berechnet hat. Daher ist durch die Entscheidung der Beklagten unmittelbar auch nur der Kläger (und nicht die BAG, der er
seit dem 1. Oktober 2009 angehört) beschwert.
3. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers ist auch begründet. Er hat einen Anspruch darauf, dass sein RLV für die Quartale IV/2009 und I/2010 um den BAG-Zuschlag iHv 10 vH erhöht wird.
a) Seit dem 1. Januar 2009 werden die vertragsärztlichen Leistungen abweichend von §
85 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung vergütet (§
87 SGB V aF). Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis sind dabei arzt- und praxisbezogene
RLV festzulegen (§
87b Abs
2 S 1
SGB V aF). Nach dem Gesetzeswortlaut ist hierunter die von einem Arzt oder einer Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare
Menge der vertragsärztlichen Leistungen zu verstehen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß §
87a Abs
2 SGB V aF enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist hingegen mit abgestaffelten Preisen zu vergüten, wovon bei einer außergewöhnlich starken
Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aber abgewichen werden kann (§
87b Abs
2 S 3
SGB V aF).
In diesem Kontext hat der Gesetzgeber die Aufgabe, "das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung" der RLV zu bestimmen, an den BewA übertragen (§
87b Abs
4 S 1
SGB V aF). Demgegenüber obliegt die bescheidmäßige "Zuweisung" der (nach den Vorgaben des BewA zu berechnenden) RLV "an den Arzt oder die Arztpraxis" der jeweils zuständigen KÄV (§
87 Abs
5 S 1
SGB V aF). Entsprechend hat der (E)BewA in den Sitzungen am 20. April 2009 bzw 22. September 2009 alle für die Berechnung der RLV erforderlichen Maßgaben - auch hinsichtlich des dabei zu berücksichtigenden BAG-Zuschlags - beschlossen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung des vom Kläger begehrten Zuschlags sind dabei die Vorgaben in Teil F Nr 1.2.4 der hier maßgeblichen
Beschlüsse des (E)BewA. Dort ist unter der Überschrift "Arztpraxisbezogene Zuweisung der Regelleistungsvolumen und Abrechnung"
ua vorgesehen:
"Die Zuweisung der Regelleistungsvolumen erfolgt praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe des Regelleistungsvolumens einer
Arztpraxis aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind. (...). Zur Förderung der
vertragsärztlichen Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften wird das nach Anlage 2 Nr. 5 ermittelte praxisbezogene Regelleistungsvolumen
a) für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe
um 10 Prozent erhöht
b) (...)."
Die zunächst bis zum 31. Dezember 2009 gültige Regelung hat der BewA im Jahr 2010 fortgeführt.
b) Dieser Zuschlag ist dem Kläger in den Quartalen IV/2009 und I/2010 zu Unrecht vorenthalten worden. Denn nach Wortlaut,
Systematik sowie Sinn und Zweck dieser Regelung ist die beklagte KÄV nicht berechtigt, die Gewährung des Zuschlags auf BAG-Mitglieder
zu beschränken, die bereits im Vorjahresquartal kooperativ tätig gewesen sind.
aa) Dem Wortlaut der Vorgaben in Teil F Nr 1.2.4 Abs 1 S 2 der hier maßgeblichen Beschlüsse des (E)BewA folgend, ist bei einer
fach- und schwerpunktgleichen BAG das "praxisbezogene Regelleistungsvolumen" (und nicht: das arztbezogene RLV) um den BAG-Zuschlag iHv 10 vH zu erhöhen. Die Höhe des auf die Arztpraxis bezogenen RLV ergibt sich dabei "aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind" (und nicht: die
in der Arztpraxis im Vorjahresquartal tätig gewesen sind). Ergänzend hierzu ergibt sich aus der Anl 2 Nr 5 (auf die in den
Beschlüssen unter Teil F Nr 1.2.4 ausdrücklich verwiesen wird), dass sich das praxisbezogene RLV aus der Addition der arztbezogenen RLV "sowie der entsprechenden Zuschläge für Berufsausübungsgemeinschaften" ergibt. Demnach fließt der BAG-Zuschlag erst in die
Berechnung des RLV mit ein, nachdem die zunächst arztbezogen ermittelten RLV (vgl dazu die Vorgaben in Teil F Nr 1.2.2 der hier maßgeblichen Beschlüsse des (E)BewA) der aktuell in der BAG tätigen Ärzte
zusammengezählt worden sind. Erst ein nach diesen Vorgaben berechnetes RLV ist von der jeweiligen KÄV "praxisbezogen" (und nicht: arztbezogen) zuzuweisen.
Damit hat der (E)BewA in den hier maßgeblichen Beschlüssen das Verfahren zur Berechnung der RLV in der Form festgelegt, dass von den KÄVen in einem ersten Schritt die arztbezogenen RLV zu ermitteln sind (Teil F Nr 1.2.2). In einem zweiten Schritt sind diese dann durch Addition und der Einbeziehung des BAG-Zuschlags
zu einem praxisbezogenen RLV zusammenzufassen (Teil F Nr 1.2.4). Dabei ist die Einberechnung des Zuschlags ein Bestandteil der den KÄVen obliegenden Zuweisung
der RLV nach §
87 Abs
5 S 1
SGB V aF und hat daher gegenüber der Arztpraxis bzw der BAG zu erfolgen.
Insoweit lässt sich dem Wortlaut der hier maßgeblichen Beschlüsse des (E)BewA an keiner Stelle ein Hinweis darauf entnehmen,
dass die Zuschlagsregelung auf solche Ärzte beschränkt ist, die bereits im Vorjahresquartal Mitglied einer BAG gewesen sind.
Sofern eine derartige Beschränkung gewollt gewesen wäre, hätte es im Übrigen nahegelegen, einen entsprechenden Zusatz ("wird
das (...) praxisbezogene Regelleistungsvolumen für die Ärzte, die bereits im Vorjahresquartal Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft
gewesen sind, (...) um 10 Prozent erhöht.") in den Beschlusstext mit aufzunehmen. Dass dies nicht geschehen ist, lässt nur
den Schluss zu, dass der BAG-Zuschlag keinen Vorjahresbezug aufweist und eine für die Gewährung des Zuschlags relevante Mitgliedschaft
in einer BAG auch dann vorliegt, wenn der betreffende Arzt im Vorjahresquartal noch in einer Einzelpraxis tätig gewesen ist.
Vor diesem Hintergrund kann die Berechnungsmethode, die die Beklagte bisher (nicht nur im Fall des Klägers, sondern allgemein)
bei der Gewährung des BAG-Zuschlags berücksichtigt hat, mit den eindeutigen und für die KÄVen bindenden Vorgaben in den hier
maßgeblichen Beschlüssen des (E)BewA gleich in mehrfacher Hinsicht nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Zum einen hat
die Beklagte den Zuschlag nicht auf das praxisbezogene RLV berechnet, sondern auf das im ersten Schritt zu ermittelnde arztbezogene RLV. Dies führt zwar rechnerisch zum selben Ergebnis, solange alle ärztlichen Mitglieder einer BAG den Zuschlag erhalten; gleichzeitig
ermöglicht diese Berechnungsmethode der Beklagten aber auch, einen im Wortlaut der Beschlüsse nicht zum Ausdruck kommenden
Vorjahresbezug des BAG-Zuschlags umzusetzen. Zum anderen hat die Beklagte im Anschluss an die Berechnung der arztbezogenen
RLV das (bei einer BAG im zweiten Schritt zu addierende) Gesamtvolumen nicht praxisbezogen, sondern - wie der Kläger auf Nachfrage
des Senats in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - nur arztbezogen zugewiesen. Eine beschlusskonforme (praxisbezogene)
Zuweisung des RLV ist daher bei der BAG, in der der Kläger seit dem 1. Oktober 2009 eines der ärztlichen Mitglieder ist, zu keinem Zeitpunkt
erfolgt.
bb) Neben dem Wortlaut sprechen auch systematische Gesichtspunkte dafür, dass die KÄVen von der in den hier maßgeblichen Beschlüssen
des (E)BewA vorgegebenen Berechnungsmethode für den BAG-Zuschlag nicht abweichen können. So ist nach der Konzeption in den
Beschlüssen zwischen der (arztbezogenen) Ermittlung und der (praxisbezogenen) Zuweisung der RLV zu unterscheiden. Ein unmittelbarer Vorjahrsbezug besteht dabei nur für die Ermittlung des RLV. Hierfür wird in Teil F Nr 3.2.1 der Beschlüsse vorgegeben, dass sich die Höhe des RLV eines Arztes aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwerts
und der RLV-Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal ergibt. Demgegenüber kann sich die im zweiten Schritt vorzunehmende Zuweisung des
RLV nur auf das Quartal beziehen, für das die im ersten Schritt ermittelten (arztbezogenen) RLV gültig sind. Da der (E)BewA den BAG-Zuschlag aber im Zusammenhang mit der Zuweisung der RLV geregelt hat, kann sich auch die mit der Zuweisung erforderliche Addition der einzelnen arztbezogenen RLV zu einem praxisbezogenen RLV (das erst im Anschluss daran um den BAG-Zuschlag zu erhöhen ist) nur auf die Anzahl der Mitglieder der BAG im Zuweisungs-
und nicht im Vorjahresquartal beziehen.
cc) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des BAG-Zuschlags herleiten. Insbesondere ist die Annahme der
Beklagten - der Zuschlag sei vom (E)BewA eingeführt worden, um "Fallzählungsverluste" von BAGen gegenüber in Einzelpraxis
tätigen Vertragsärzten auszugleichen - unzutreffend.
Dies wird bereits an dem eindeutigen Wortlaut im Beschluss des (E)BewA vom 20. April 2009 bzw im Beschluss des BewA vom 22.
September 2009 deutlich. Danach hat der (E)BewA den erstmals zum 1. Januar 2009 (damals nur für "arztgruppen- und schwerpunktgleiche
Berufsausübungsgemeinschaften") eingeführten BAG-Zuschlag ab dem 1. Juli 2009 "zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung
in Berufsausübungsgemeinschaften" (und nicht zum Ausgleich von "Fallzählungsverlusten") fortgeführt. Neben dem von den Sozialgerichten
stets gebilligten Förderungszweck hinsichtlich kooperativer Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit (vgl hierzu grundlegend
BSGE 106, 49 mwN) ist dabei für die Einführung des Zuschlags maßgeblich gewesen, dass bestimmte Ordinationskomplexe und Pauschalen in
einer BAG nur einmal je Behandlungsfall der gesamten Praxis abgerechnet werden können (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5). Insoweit korrespondiert die Zuschlagsregelung in den hier maßgeblichen Beschlüssen des (E)BewA erkennbar mit den Allgemeinen
Bestimmungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen ((EBM); hier: in der seit dem 1. Januar 2009
gültigen Fassung), wonach in arztgruppen- und schwerpunktgleichen BAGen oder Arztpraxen mit angestellten Ärzten derselben
Arztgruppe bzw desselben Schwerpunkts ein Aufschlag iHv 10 vH auf die jeweiligen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen
erfolgt. Mit diesen sich gegenseitig ergänzenden Vorgaben des (E)BewA soll zum einen die kooperative Tätigkeit von Vertragsärzten
gefördert und zum anderen der interkollegiale Aufwand bzw die Kosten konsiliarischer Rücksprachen zwischen den ärztlichen
Mitgliedern einer BAG abgegolten werden.
Im Übrigen hat der (E)BewA mit der Einführung eines BAG-Zuschlags in den hier maßgeblichen Beschlüssen erkennbar an die Allgemeinen
Bestimmungen über Fallpunktzahlen in den in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 30. Juni 2003 gültigen EBM-Praxisbudgets angeknüpft.
Auch dort ist ein Zuschlag iHv 10 vH für fachgleiche bzw iHv von 5 vH für fachübergreifende (in der damaligen Bezeichnung
als) Gemeinschaftspraxen auf die Berechnung der Fallpunktzahlen vorgesehen gewesen, den die Sozialgerichte wiederum unter
dem Gesichtspunkt der Förderung kooperativer Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit (und nicht zum Ausgleich von
"Fallzählungsverlusten") als rechtmäßig angesehen haben (vgl hierzu BSG, Beschluss vom 28. Januar 2004 - B 6 KA 112/03 B - juris). Nichts anderes gilt hinsichtlich der Vorgaben des BewA für die in den Jahren 2005 bis 2008 gültigen RLV, in denen die Fallpunktzahl im RLV zwar nicht pauschal um einen bestimmten Prozentsatz, dafür aber konkret um 130 Punkte für arztgruppengleiche bzw zwischen
130 und 220 Punkten für arztgruppenübergreifende Gemeinschaftspraxen zu erhöhen gewesen ist (vgl hierzu BSGE 106, 49). Deutlich wird hieran, dass der BewA seit jeher die kooperative Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit als sinnvoll angesehen
und sowohl durch Vorgaben im EBM als auch zur Berechnung der RLV gefördert hat. Demgegenüber sind Anhaltspunkte dafür, dass sich dies zum 1. Juli 2009 geändert und seitdem der Ausgleich
von "Fallzählungsverlusten" im Vordergrund gestanden haben soll, nicht ersichtlich.
Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass es zumindest bei fachgleichen BAGen allenfalls im Ausnahmefall zu den von
der Beklagten angeführten Fallzählungsverlusten bei der Berechnung der RLV kommen kann. Zwar trifft es zu, dass die mehrfache Behandlung eines Patienten innerhalb desselben Quartals nur einen RLV-relevanten Behandlungsfall abbildet; dies gilt jedoch nicht nur für fachgleiche BAGen, sondern ebenfalls für die Ärzte derselben
Fachgruppe, die in einer Einzelpraxis tätig sind. Bei der für die Berechnung des RLV notwendigen Fallzählung besteht kein Unterschied, ob der Patient im selben Quartal von mehreren Ärzten einer fachgleichen
BAG oder mehrfach vom selben Arzt einer entsprechenden Einzelpraxis behandelt worden ist. In beiden Konstellationen handelt
es sich nur um einen RLV-relevanten Behandlungsfall.
Schließlich ist die Auffassung der Beklagten, wonach für die Gewährung des BAG-Zuschlags ein Vorjahresbezug besteht, auch
nicht mit dem vom (E)BewA fortlaufend fortgeführten Förderungszweck kooperativer Ausübungsformen der vertragsärztlichen Tätigkeit
zu vereinbaren. Ein derartiger Bezug führt nämlich im Ergebnis dazu, dass den BAG-Zuschlag sogar Ärzte erhalten, die ihre
im Vorjahr noch bestehende BAG bereits aufgelöst haben und im Zuweisungsquartal schon in einer Einzelpraxis tätig sind (vgl
hierzu die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 12. Dezember 2013). Für eine solche Konstellation können die Gesamtvertragspartner
auf Landesebene zwar Übergangsregelungen im HVV vereinbaren (vgl hierzu die Regelung in Teil F Nr 3.5 im Beschluss des EBewA
vom 20. April 2009); hiervon ist in dem streitbefangenen Zeitraum aber nur insoweit Gebrauch gemacht worden, als entsprechende
Regelungen für die Ermittlung der Fallzahlen derjenigen Ärzte festgelegt worden sind, die neu in eine bereits bestehende Praxis
eintreten. Vorgaben dazu, ob Ärzte nach einem Wechsel der Kooperationsform auch im Zuweisungsquartal Anspruch auf die Gewährung
des BAG-Zuschlags haben, fehlen hingegen in den Übergangsregelungen des HVV (vgl hierzu Teil A Nr 4 der Vereinbarungen zur
Umsetzung der Beschlüsse des (E)BewA zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in den Jahren 2009 und 2010). Die Beklagte
ist daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berechtigt, den vom (E)BewA mit seinem Vorgaben verfolgten Förderungszweck
zu unterlaufen und Ärzten den BAG-Zuschlag vorzuenthalten, die sich nach Aufgabe ihrer Einzelpraxis entschlossen haben, anders
als noch im Vorjahresquartal in einer BAG tätig zu sein.
4. Nach alledem hat der Kläger, der seit dem 1. Oktober 2009 Mitglied einer fachgleichen BAG ist, einen Anspruch darauf, dass
die Beklagte auch sein RLV in den Zuweisungsquartalen IV/2009 und I/2010 um den BAG-Zuschlag iHv 10 vH erhöht. Dabei ist dem Senat bewusst, dass der
Zuschlag nach dem eindeutigen Wortlaut in den hier maßgeblichen Beschlüssen des (E)BewA nicht auf das arztbezogene RLV des Klägers, sondern auf das praxisbezogene (Gesamt-)RLV der BAG des Klägers zu berechnen ist. Das hat in dem anhängigen Verfahren aber (ausnahmsweise) nicht zur Folge, dass nur
die BAG (und nicht der Kläger) den Anspruch auf die Gewährung des Zuschlags geltend machen kann. Hintergrund ist, dass sich
die Beklagte wegen ihrer ständigen Verwaltungsübung (Zuweisung der RLV an die BAG-Mitglieder und nicht an die BAG) dahingehend (selbst-)gebunden hat (vgl zum Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung
Sodan/Ziekow, Kommentar zur
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), 4. Aufl 2014, §
114 Rn 152 ff mwN), den Zuschlag mittels einer zwar nicht beschlusskonformen, aber zumindest im Ergebnis nicht abweichenden Berechnungsmethode
bei der Festlegung der RLV (in Form der Addition der bereits um den Zuschlag erhöhten arztbezogenen RLV aller ärztlichen Mitglieder einer BAG) zu berücksichtigen. Auch bei einer solchen Konstellation muss der von einer solchen
Verwaltungspraxis betroffene Arzt nach dem Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG) die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit der ihn betreffenden Zuweisung gerichtlich überprüfen und - wie hier - ggf korrigieren
zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die BAG mangels eines an sie gerichteten Zuweisungsbescheids keine Anfechtungsklage erheben
könnte. Entsprechend hat die Beklagte im hier streitbefangenen Zeitraum nicht nur die arztbezogenen RLV der übrigen Mitglieder der BAG, sondern auch das des Klägers um den BAG-Zuschlag zu erhöhen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs
2 SGG), liegen nicht vor. Insbesondere vermag sich der Senat der Auffassung der Beklagten, dem Verfahren komme eine grundsätzliche
Bedeutung zu, nicht anzuschließen. Dafür müsste sich in dem Verfahren eine Rechtsfrage stellen, deren Klärung über den zu
entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich
(Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist ((Klärungsfähigkeit) vgl hierzu auch
Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 160 Rn 6 mwN). In der Rechtsprechung des BSG ist aber bereits geklärt, dass die Gesamtvertragspartner unter der Geltung des ab dem 1. Januar 2009 gültigen Vergütungssystems
die Vorgaben des (E)BewA zur Berechnung und Anpassung der RLV zu beachten haben (hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 6 KA 34/14 R - juris mwN; zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Ferner besteht - wie dargelegt - nach dem eindeutigen und einer
anderweitigen Auslegung erkennbar unzugänglichen Wortlaut in den hier maßgeblichen Beschlüssen des (E)BewA auch kein vernünftiger
Zweifel daran, dass die Gewährung des BAG-Zuschlags allein von der Kooperationsform des Arztes im Zuweisungs- und nicht im
Vorjahresquartal abhängig ist (zur fehlenden Klärungsbedürftigkeit bei einer solchen Konstellation BSG, Beschluss vom 2. April 2003 - B 6 KA 83/02 B).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Anwendung von §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm den §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).