Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 01.03.2021 hat keinen Erfolg.
1. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Beschwerde zulässig und insbesondere der maßgebliche Beschwerdestreitwert von mehr
als 750 Euro erreicht wird (§§
172 Abs.
3 Nr.
1,
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, vor §
51 Rn. 13b).
2. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Sache zu Recht abgelehnt.
Gem. §
86b Abs.
2 S. 2
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint
(Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen
Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
sind glaubhaft zu machen, §
86b Abs.
2 S. 4
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Zivilprozessordnung (
ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des
Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit
unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit
spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R; Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B; jeweils juris).
Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht.
a) Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass hinsichtlich des verfahrensgegenständliche
Begehrens, dem Antragsteller Schutzmasken nach dem FFP2-, KN95-, N95- oder einem vergleichbaren Standard zur Verfügung zu
stellen, hilfsweise, einen entsprechenden "finanziellen Mehrbedarf" anzuerkennen, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften und Zweiten Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 09.12.2020, BGBl. I S. 2855) erfüllt wären.
aa) Bereits das Vorliegen eines Einzelfalls i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 SGB II ist nicht glaubhaft gemacht. Der nunmehr geltend gemachte Bedarf dürfte vielmehr ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach
dem SGB II treffen, denn die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gilt grundsätzlich für alle natürlichen Personen im
Geltungsbereich der jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften (für Nordrhein-Westfalen: § 3 Abs. 2 Coronaschutzverordnung
<CoronaSchV>; zu Ausnahmen s. § 3 Abs. 4 ebd.). Selbst wenn man davon ausginge, dass mit den in die Regelbedarfsbemessung
eingeflossenen Verbrauchsausgaben für Gesundheitspflege (vgl. § 5 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021, dort Abt. 6)
die durch die landesrechtlichen Vorschriften verursachten Ausgaben für Mund-Nasen-Bedeckungen "strukturell unzutreffend" erfasst
wären (vgl. BSG Urteil vom 08.05.2019, B 14 AS 13/18 R, juris Rn. 20 ff.) und damit ein "besonderer Bedarf" i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs.1 SGB II vorläge (vgl. dazu BSG a.a.O., juris Rn. 27; sowie Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 8/15 R juris Rn. 20; zudem auch BT-Drs. 17/1465, S. 8 <zu Art. 3a Nr. 2>; BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 207f.), weil die maßgebliche Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie
stattfand (zur [Nicht-]Berücksichtigung pandemiebedingter Bedarfe bei der Regelbedarfsermittlung vgl. auch Groth in Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 70 Rn. 16), fehlte es daher jedenfalls an einem Einzelfall i.S.d. § 21 Abs. 6 S. 1 Hs. 1 SGB II. Von einem ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf kann angesichts eines grundsätzlich alle Leistungsberechtigten gleichermaßen
treffenden Bedarfs nach Mund-Nasen-Bedeckungen nicht ausgegangen werden. Der Anspruch aus §
21 Abs.
6 SGB III ist aber, soweit es strukturell unzureichend erfasste Bedarfe angeht, auf Fälle "eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen
Bedarfs" beschränkt (BT-Drs. 17/1465, S. 8 f.). Dagegen dient die Regelung nicht dazu, einen für unzureichend erachteten Regelbedarf
aufzustocken (vgl. Blüggel in Eicher/Luik, 4. Auflage 2017, § 21 Rn. 67).
Weil auch Personen ohne Vorerkrankungen o.ä. landesrechtlich zum Tragen von Mund-Nasen-bedeckungen verpflichtet sind, vermag
auch der bloße Hinweis des Antragstellers auf eine bei ihm bestehende "lebenslange Erkrankung" keinen abweichend gelagerten
Bedarf zu begründen. Vielmehr unterscheidet sich die Bedarfslage hinsichtlich der Versorgung mit entsprechenden Mund-Nasen-Bedeckungen
bei Personen mit und ohne Vorerkrankungen grundsätzlich nicht.
bb) Darüber hinaus ist jedenfalls ein Bedarf gerade nach Mund-Nasen-Bedeckungen eines der beanspruchten Standards nicht glaubhaft
gemacht. Ein Mehrbedarf i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II muss aber sowohl seinem Grunde als auch seiner Höhe nach objektiviert werden (vgl. BSG Urteil vom 20.01.2016, B 14 AS 8/15 R juris Rn. 22). Hieran fehlt es. Landesrechtlich vorgeschrieben ist nämlich nicht das Tragen einer Maske des FFP2-, KN95-,
N95- oder eines vergleichbaren Standards. § 3 Abs. 2 CoronaSchV enthält (für bestimmte Situationen) lediglich die Verpflichtung
zum Tragen einer medizinischen Maske. Medizinische Masken im Verordnungsinne sind gem. § 3 Abs. 1 S.2 CoronaSchV neben Masken
des Standards FFP2 und höheren Standards jeweils ohne Ausatemventil und diesen vergleichbaren Masken (insbesondere KN95/N95)
aber auch "sog. OP-Masken". Von Gesetzes wegen besteht damit kein Bedarf gerade nach Masken des Standards FFP2 bzw. vergleichbaren
Masken (zur Maßgeblichkeit der CoronaSchV vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 30.04.2020, L 7 AS 625/20 B ER, juris Rn. 6).
Vor diesem Hintergrund greift auch der Verweis des Antragstellers auf eine vermeintliche "verordnete Pflicht zum Schutz der
Allgemeinheit" nicht durch. Sollte der Antragsteller damit auf die CoronaSchV anspielen, ist das Vorbringen schon im Ansatz
nicht nachvollziehbar, weil diese auch eine OP-Maske genügen lässt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit sich der
Antragsteller auf "das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen" beruft. Der Senat braucht insofern nicht zu entscheiden,
ob die Infektion eines anderen mit dem SARS-CoV-2-Virus den Tatbestand der Körperverletzungsdelikte überhaupt erfüllt (dazu
Zitzelsberger in Esser/Tsambikakis, Pandemiestrafrecht, 1. Auflage 2020, § 2 Rn. 17 ff. m.w.N.;). Mit Blick auf die insoweit
interessierenden Fälle einer ggf. fahrlässigen Körperverletzung (§
229 Strafgesetzbuch <StGB>) dürfte es aber jedenfalls nicht auf der Hand liegen, dass das Tragen "nur" einer OP-Maske eine Sorgfaltspflicht verletzte
und deshalb eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen könnte (vgl. dazu BGH Urteil vom 14.03.2003, 2 StR 239/02, juris Rn. 18), nachdem § 3 Abs. 2 CoronaSchV auch OP-Masken grundsätzlich ausreichen lässt.
Dass der Antragsteller aufgrund der bei ihm bestehenden Erkrankung gerade auf Masken des begehrten Standards angewiesen wäre,
ist weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich. Dies folgt auch nicht ohne weiteres daraus, dass der Antragsteller offenbar
zum Kreis der nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Corona-Schutzmasken-Verordnung (SchutzmV) Anspruchsberechtigten zählt. Selbst wenn er
als Risikopatient auf Masken eines bestimmten Standards angewiesen wäre, müsste er sich indes entgegenhalten lassen, dass
er gerade aufgrund der SchutzmV Anspruch auf Ausstattung mit ebensolchen Schutzmasken hat (näher dazu cc sowie b/bb <1>).
cc) Des Weiteren bestehen zumindest Zweifel gegen die Unabweisbarkeit des geltend gemachten Bedarfs. Unabweisbar ist ein Mehrbedarf
gem. § 21 Abs. 6 S. 2 SGB II nur, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten
gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Der Antragsteller selbst hat in diesem
Zusammenhang vor dem SG vorgetragen, er sei aus dem aktuellen Regelbedarf nicht in der Lage, sich FFP2-Masken zu kaufen und deshalb auf - mit Namen
und Anschrift als Zeugen benannte Dritte - angewiesen. Soweit diese Dritten ihn mit den begehrten Mund-Nasen-Masken ausstatten,
ist sein Bedarf aber nicht unabweisbar. Nichts anderes gilt, soweit der Antragsteller seinen Bedarf nach Mund-Nasen-Masken
aus der SchutzmV befriedigen kann (zum Anordnungsgrund unten b/bb <1>).
b) In jedem Fall aber fehlt es an einem Anordnungsgrund.
aa) Soweit der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung ausdrücklich ab Anfang 2021 und damit auch für Zeiten
vor Antragstellung beim SG am 13.02.2021 begehrt, ist der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung bereits deshalb ausgeschlossen, weil Leistungen
im gerichtlichen Eilverfahren grundsätzlich erst ab Antragstellung gewährt werden können (Senatsbeschluss vom 24.01.2012,
L 12 AS 1773/11 B ER juris Rn. 15; LSG NRW Beschluss vom 01.12.2017, L 19 AS 2138/17 B ER, juris Rn. 5).
bb) Darüber hinaus hat der Antragsteller - obwohl bereits das SG auf das Fehlen eines Anordnungsgrundes abgestellt hat - auch mit seiner Beschwerde nicht substantiiiert dargetan, weshalb
es ihm derzeit unzumutbar sein sollte, den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache anderweitig zu überbrücken.
(1) Insoweit muss der Antragsteller sich zum einen darauf verweisen lassen, seinen Anspruch auf Schutzmasken nach der SchutzmV
durchzusetzen. Dass dem Antragsteller ein entsprechender Anspruch auf zwölf Schutzmasken zusteht, ergibt sich bereits aus
dem von ihm selbst vorgelegten Serienbrief der Bundesregierung, mit dem ihm - offenbar auf Grundlage der §§ 1 Abs. 1 Nr. 2
bzw. Abs. 2 Nr. 1, 2 Abs. 2 SchutzmV - Berechtigungsscheine zur Abholung von zweimal sechs abgabefähigen Schutzmasken (i.S.d.
Anl. zu § 2 Abs. 3 SchutzmV) übersandt wurden. Dass er diese Berechtigungsscheine bereits eingelöst und auch die ausgegebenen
Masken bereits verbraucht hätte, hat der Antragsteller nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Daran, dass der
Antragsteller sich zumindest für die Zwecke des Eilverfahrens auf diese Masken verweisen lassen muss, ändert die hierfür zu
leistende Eigenbeteiligung schon angesichts ihrer geringen Höhe von 2 Euro je Abgabe von sechs Schutzmasken (§ 6 S. 1 SchutzmV)
nichts. Der Antragsteller behauptet insoweit lediglich pauschal eine Unterdeckung seines Regelbedarfs, ohne dies aber näher
darzutun. Angesichts einer Eigenbeteiligung von lediglich rd. 0,33 Euro je Maske, kann aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass es dem Antragsteller unzumutbar wäre, seinen Bedarf zumindest bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aus
dem Regelbedarf zu decken (zu notwendigen Ansparungen aus dem Regelbedarf vgl. § 12 Abs. 2 S.1 Nr. 4 SGB II).
(2) Weiter ist jedenfalls perspektivisch zu beachten, dass der Antragsteller, sollte er im Mai 2021 weiterhin im Leistungsbezug
nach dem SGB II stehen, Anspruch auf die in § 70 S. 1 SGB II (i.d.F. des Sozialschutz-Pakets III vom 10.03.2021, BGBl. I S. 335) vorgesehene Einmalzahlung von 150 Euro Anspruch haben wird. Diese Einmalzahlung wird ausweislich des Gesetzeswortlauts "zum
Ausgleich der mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen" gewährt. Zu diesen Mehraufwendungen zählen
zusätzliche finanzielle Belastungen, die sich z.B. aus der Notwendigkeit der Versorgung mit nötigen Hygieneprodukten und Gesundheitsartikeln
ergeben (so BT-Drs. 19/26542, S. 19 <zu Nr. 5>).
(3) Das gerade Gesagte gilt umso mehr, als der Antragsteller auch zur Menge der von ihm begehrten Masken sowie zur Anzahl
der Anlässe, zu denen er diese benötigt, nichts weiter dargetan hat. Vor dem SG hatte der Antragsteller insoweit noch einen Bedarf von wöchentlich 20 FFP2- oder vergleichbaren Masken geltend gemacht, ohne
das Zustandekommen dieser Zahl aber zu begründen. Bereits das SG hat insoweit darauf hingewiesen, dass es in Zeiten des Lockdowns zumutbar erscheine, Einkäufe, Kontakte mit anderen Menschen
etc. auf das Notwendigste zu beschränken. Diese Annahme ist - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Rücksichtnahmegebotes
des § 1 Abs. 2 CoronaSchV - grundsätzlich nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsteller vor dem SG weiter ausgeführt hat, die Verrichtung jeder "maskenpflichtigen Erledigung (z.B. Einkauf, Arztbesuch, Nahverkehrsfahrt bzw.
Gottesdienstbesuch) dauere max. 75 Minuten", und hieraus einen Bedarf von wöchentlich 7×3 FFP2-Masken "errechnet" hat, ist
auch dies nicht nachvollziehbar (vgl. in diesem Zusammenhang auch Blüggel, jurisPR-SozR 6/2021 Anm. 1). Der Antragsteller
hat nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass und ggf. welche "maskenpflichtigen Erledigungen" in einem derartigen
Umfang bei ihm anfielen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§
183,
193 Abs.
1 SGG.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung
aus den eben ausgeführten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
144 Abs.
1 S. 1
ZPO).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).