Grundsicherungsleistungen
Leistungsausschluss für EU-Ausländer
Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegner im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten,
ihr Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) einschließlich Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die am 00.00.1960 geborene, verwitwete Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben lebt sie bereits
seit Juli 2009 in Deutschland. Seit November 2015 bewohnt sie eine Mietwohnung unter der Adresse H-str. 00 in I. Nach einer
Mahnung des Vermieters vom 23.05.2016 sind zu diesem Zeitpunkt Mietrückstände von 2.940,00 EUR aufgelaufen. Seit Anfang des
Jahres 2013 begehrte die Antragstellerin immer wieder die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, die sie zum Teil im Rahmen von Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen konnte.
Nach vorläufigen Feststellungen übte die Klägerin in der Zeit vom 15.10. bis 31.12.2015 eine Tätigkeit als Reinigungskraft
für die Firma Hausmeisterservice U, Inhaber Z L, aus. Sie erwirtschaftete daraus für Oktober einen Verdienst von 204,00 EUR,
für November von 255,00 EUR und für Dezember von 136,00 EUR. Bereits seit dem Jahr 2014 arbeitete sie ebenfalls als Reinigungskraft
für die Firma C, Inhaber S H. Sie wurde und wird auf Abruf tätig und erwirtschaftete insbesondere auch die folgenden Beträge:
Dezember 2015: 51,00 EUR, Januar, März, April, Mai und Juni 2016 jeweils 119,00 EUR, im Februar 2016 110,50 EUR. Ferner nahm
die Antragstellerin am 27.01.2016 eine unbefristete Tätigkeit als Zeitungsausträgerin bei der Firma X GmbH auf. Für Januar
2016 betrug ihr Verdienst 13,65 EUR. In den folgenden Monaten schwankte er zwischen etwa 57,00 EUR und 71,00 EUR. Soweit aus
der Akte ersichtlich wurden die Tätigkeiten von den unterschiedlichen Arbeitgebern jeweils ordnungsgemäß buchhalterisch abgerechnet,
es erfolgte eine ordnungsgemäße Anmeldung zur Minijobzentrale und es liegen jeweils schriftliche Arbeitsverträge vor.
Am 04.11.2015 stellte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag. Der Antrag ist bisher nicht
beschieden.
Am 28.01.2016 ersuchte die Antragstellerin schließlich um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das Sozialgericht
Dortmund hat den Antrag mit Beschluss vom 18.04.2016 abgelehnt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragstellerin
unter den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II falle. Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin generiere sich insbesondere nicht aus ihren Tätigkeiten als Arbeitnehmerin
für die vorgenannten Firmen. Die Tätigkeiten stellten sich jeweils einzeln betrachtet als völlig untergeordnet und unwesentlich
dar. Eine Verpflichtung der Beigeladenen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) käme ebenfalls nicht in Betracht. Die Leistungsgewährung nach dem SGB XII sei durch die gesetzlichen Vorgaben für die erwerbsfähige, 56 Jahre alte Antragstellerin ausgeschlossen. Die entgegenstehende
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verkenne die eindeutigen gesetzlichen Vorgaben. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss
bestünden nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug
genommen.
Gegen den ihr am 22.04.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 12.05.2016 erhobenen Beschwerde.
Sie macht im Wesentlichen geltend, ihr stünde ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin zu. Die von ihr ausgeführten Tätigkeiten
stellten sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich dar.
Der Antragsgegner und die Beigeladene halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten
beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch zum Teil begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung zu Unrecht vollständig abgelehnt. Der Antrag der Antragstellerin ist insoweit begründet, als ihr von
dem Antragsgegner für den Zeitraum vom 28.01.2016 bis zum 31.10.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form
des Regelbedarfs nach dem SGB II zu erbringen sind.
Gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint
(Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen
Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
sind glaubhaft zu machen, §
86b Abs.
2 S. 4
SGG i. V. m. §§
920 Abs.
2,
294 Zivilprozessordnung (
ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des
Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit
unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit
spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R und Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, jeweils [...]).
Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der
Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs
und des Anordnungsgrundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren
gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung
unumgänglich macht. Eine solche besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist nur zu bejahen, wenn
dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung
seiner Rechte droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann,
es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995,
1 BvR 1087/91).
Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) für Vornahmesachen dürfen grundsätzlich
sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden
(vgl. BVerfG Beschlüsse vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, SGb 2015, 175, m.w.N. und vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, BVerfGK 20, 196). Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
86b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden
und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach
Möglichkeit zu verhindern (BVerfG Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte bei rechtlichen Fragen: BVerfG Beschluss vom 27.05.1998, 2 BvR 378/98, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Anspruchs
von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung
seiner Grundrechte droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je
gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die
tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl.
BVerfG Beschluss vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand
einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die
Abwägung einzustellen.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund
hinsichtlich der Gewährung von Regelleistungen nach dem SGB II unter Anrechnung des Erwerbseinkommens ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II für die Zeit vom 28.01.2016 bis 31.10.2016 hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Insbesondere ist das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit dem Grunde nach auch unter Berücksichtigung des erzielten Einkommens
aus den im Sachverhalt erwähnten Tätigkeiten in dem maßgebenden Zeitraum zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach der im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren anzustellenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht einem Leistungsanspruch
der Antragstellerin auch nicht § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Denn im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung spricht nach Auffassung des Senats mehr dafür als dagegen, dass
die Antragstellerin freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern
(Freizügigkeitsgesetz/EU vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557) geändert worden ist, (FreizügG/EU)) ist. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird diese Frage abschließend und dabei insbesondere auch zu prüfen sein, in welcher
genauen Höhe der Antragstellerin Einkommen aus tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten zugeflossen ist.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihre Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen,
wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung erfordert
eine fiktive Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum bestehende Freizügigkeitsberechtigung
nach dem FreizügG/EU, welches die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern in nationales Recht umsetzt, oder eines Aufenthaltsrechts nach den gemäß
§ 11 Abs. 1 S. 11 FreizügigG/EU im Wege eines Günstigkeitsvergleichs anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem
Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts allein zum Zwecke der Arbeitsuche
(vgl. z.B. BSG Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R, und vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R).
Die Antragstellerin fällt in den Anwendungsbereich des FreizügG/EU, denn sie ist bulgarische Staatsangehörige und damit Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Sie
ist ferner nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU als Arbeitnehmerin unionsrechtlich auch freizügigkeitsberechtigt. Denn nach summarischer Prüfung der bestehenden Verhältnisse
anhand der Aktenlage ist überwiegend wahrscheinlich, dass die von der Antragstellerin behaupteten geringfügigen Tätigkeiten
tatsächlich in dem von ihr dargestellten Umfang im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt werden. Aus diesen
Arbeitsverhältnissen hat die Antragstellerin nach den vorliegenden nachvollziehbaren Dokumenten durchschnittliche monatliche
Einkünfte bezogen auf die Zeit von Januar bis Juni 2016 von etwa 162,00 EUR erzielt. Es spricht auch nichts dagegen, dass
sie Einkünfte in dieser Höhe gegenwärtig erzielt und zukünftig erzielen wird. Denn die zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisse
bestehen seit einiger Zeit und sie sind vertraglich nicht befristet. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners und des Ausgangsgerichts
sind damit die Tätigkeiten nicht als solche von völlig untergeordneter und unwesentlicher Natur einzuordnen. Immerhin lagen
die monatlichen Verdienste der Antragstellerin durchgehend oberhalb der Freibetragsgrenze des § 11b Abs. 2 SGB II i.H.v. 100 Euro. Allein dieses Indiz wäre grundsätzlich geeignet, der Antragstellerin nicht bereits im Vorhinein den Arbeitnehmerstatus
im Sinne des FreizügG/EU abzusprechen. Der EuGH (Urteile vom 04.06.2009, C-22/08 und C-23/08 Vatsouras/Koupatantze und vom 04.02.2010, C-14/09 Genc; [...]) betont in ständiger Rechtsprechung, dass als Arbeitnehmer jeder anzusehen ist, der eine tatsächliche und echte
Tätigkeit ausübt, wobei nur Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig
untergeordnet und unwesentlich darstellen. Den EuGH-Entscheidungen lässt sich insoweit keine bestimmte Grenze für das Einkommen
oder die Arbeitszeit entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden müsste. Der EuGH hat vielmehr
stets deutlich gemacht, dass eine vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände letztlich den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten
bleibt (vgl. EuGH Urteil vom 04.02.2010, C-14/09 Genc; in der Rechtssache Genc waren 5,5 Wochenstunden und eine Monatsvergütung von 175 EUR ausreichend). Danach kann zwar
der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür
sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind, doch lässt es sich unabhängig von der begrenzten
Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit nicht
ausschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses als tatsächlich und
echt angesehen werden kann und es somit ermöglicht, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft zuzuerkennen (vgl. EuGH
Urteil vom 04.02.2010, C-14/09 Genc). Gegen eine völlig untergeordnete und unwesentliche Natur der Tätigkeiten spricht auch der Umstand, dass sie bereits
einige Zeit ausgeübt werden und eine Beendigung nicht absehbar ist. Die Position der Antragstellerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
scheint sich auf sehr geringem Niveau verfestigt zu haben.
Ob die wirtschaftlichen Tätigkeiten von völlig untergeordneter und unwesentlicher Natur sind, beurteilt sich nach einer Gesamtbetrachtung
der von einem Betroffenen ausgeübten Tätigkeiten. Die Tätigkeiten sind nicht jeweils nur einzeln zu betrachten. Denn eine
Integration eines Betroffenen in den heimischen Arbeitsmarkt von nicht nur untergeordneter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher
Bedeutung kann nicht nur durch ein einziges, sondern auch in vergleichbarer Qualität durch mehrere Arbeitsverhältnisse oder
Tätigkeiten vermittelt werden. Darüber hinaus zeugt der Umstand, dass ein Betroffener in der Lage ist, zu mehreren Arbeitgebern
im Sinne eines Arbeitsverhältnisses Kontakte zu knüpfen, von einer - wenn vielleicht auch auf geringem Niveau - gesteigerten
Gewandtheit auf dem Arbeitsmarkt. Eine Vielzahl von beruflichen Kontakten erhöht daneben die Chance auf einen Ausbau der beruflichen
Tätigkeit in der Zukunft. Für die entgegenstehende Ansicht sind keine sonstigen - z.B. systematischen oder teleologischen
- Argumente zu erkennen.
Nach summarischer Prüfung führt demnach eine Gesamtbewertung der Sach- und Rechtslage dazu, dass vorliegend nicht von einer
unwesentlichen Tätigkeit mit völlig untergeordneter Bedeutung ausgegangen werden kann (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 23.12.2015,
L 12 AS 2000/15 B ER, [...] und vom 04.07.2016, L 12 AS 391/16 B ER; vgl auch LSG NRW Beschluss vom 15.12.2015, L 6 AS 2016/15 B ER, [...]: 150 Euro ausreichend, da mehr als 25% des Regelsatzes, und LSG NRW Beschluss vom 07.04.2016, L 7 AS 288/16 B ER, [...]: im Ergebnis offen gelassen; a.A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 17.02.2015, L 31 AS 3100/14 B ER, Rn. 11ff., mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes). Insofern steht der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht
nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU mit der Folge zu, dass ihr der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegengehalten werden kann.
Neben dem Anordnungsanspruch ist hinsichtlich der begehrten Regelsatzleistungen auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht,
soweit die Antragstellerin nicht auf das bestehende Einkommen zurückgreifen kann. Die Antragstellerin hat insofern nachvollziehbar
dargelegt, dass ihr aufgrund ihrer wirtschaftlichen Notlage das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar ist.
Das gilt nicht für die ebenfalls geltend gemachte Verpflichtung des Antragsgegners auf Gewährung von Leistungen zur Deckung
der Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes insofern erst
dann erfolgreich sein, wenn unmittelbar Obdachlosigkeit droht (vergleiche z.B. Senatsbeschlüsse vom 23.10.2013, L 12 AS 1449/13 B ER, und vom 17.02.2015, L 12 AS 47/15 B ER, [...]). Eine solche Gefahrenlage kann hier nicht angenommen werden. Zwar hat der Vermieter die Antragstellerin bereits
mit Schreiben vom 23.05.2016 auf bestehende, nicht unerhebliche Mietrückstände hingewiesen und eine Kündigung jedenfalls sinngemäß
in Aussicht gestellt, seitdem jedoch von weiteren Schritten Abstand genommen. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin trägt
zur Thematik im Beschwerdeverfahren auch gar nicht explizit vor. Damit ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der
gegenteiligen Auffassung, wonach an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes im Rahmen der Befriedigung von Rechten aus
§ 22 SGB II geringere Anforderungen zu stellen seien (so wohl LSG NRW Beschluss vom 04.05.2015, L 7 AS 139/15 B ER), folgt der Senat nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 11.09.2015, L 12 AS 1494/15 B ER; ebenso: LSG NRW Beschlüsse vom 06.07.2015, L 19 AS 931/15 B ER, und vom 25.05.2016, L 9 SO 210/16 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG und berücksichtigt insbesondere den teilweisen Erfolg der Antragstellerin.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 S. 1
ZPO.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).