Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe Kosten eines Widerspruchsverfahrens zu erstatten sind.
Die 1928 in Rumänien geborene Klägerin wurde wegen ihres jüdischen Glaubens während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft
verfolgt und von April 1944 bis Mai 1945 zunächst im Ghetto Dés (damals Ungarn) und in der Folge in den Konzentrationslagern
Auschwitz und Buchenwald (dort im angegliederten Arbeitslager Taucha) zwangsinterniert. Für diesen Zeitraum erhielt sie wegen
der erlittenen Freiheitsschäden Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (Bescheid vom 16.5.1968). Nach ihrer Befreiung
lebte sie zunächst in Rumänien, seit 1958/59 lebt sie als israelische Staatsangehörige in Israel. Dort bezieht sie aufgrund
eines Antrags vom 26.10.1988 eine israelische Altersrente.
Am 14.12.2010 beantragte ihre Prozessbevollmächtigte für sie "Altersrente für ehemalige Ghettobeschäftigte mit Wohnsitz im
Ausland" nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Die Beklagte bewilligte ihr unter
Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit im Ghetto Dés vom 16.4. bis 30.5.1944 und sich anschließender Ersatzzeiten Regelaltersrente
ab dem 1.12.2010 in Höhe von monatlich 187,94 EUR und setzte für den Zeitraum vom 1.12.2010 bis 30.6.2011 einen Nachzahlbetrag
in Höhe von 1.302,63 EUR fest (Bescheid vom 21.6.2011).
Mit ihrem - durch Ihre Prozessbevollmächtigte - dagegen eingelegten, aus drei kurzen Sätzen bestehenden Widerspruch verwies
sie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.4.2011 (Aktenzeichen (Az) B 13 R 20/10 R) und begehrte aufgrund des 1988 in Israel gestellten Rentenantrages die Rente bereits ab dem 1.7.1997 (Widerspruchsschreiben
vom 14.7.2011). "Im Nachgang" dazu bat sie mit Schreiben vom 9.11.2011 dringend um eine Sachstandsmitteilung. Die Beklagte
antwortete, dass eine Stellungnahme noch nicht erfolgen könne, weil die Abstimmung der Rentenversicherungsträger zum Urteil
des BSG vom 19.4.2011 noch andauere (Schreiben vom 15.11.2011). Mit Schreiben vom 4.1.2012 erwiderte die Klägerin, die "Lenkungsgruppe
ZRBG" habe am 15.11.2011 beschlossen, dem Urteil des BSG zu folgen. Danach half die Beklagte dem Widerspruch ab: Sie bewilligte der Klägerin wegen des in Israel am 26.10.1988 gestellten
Rentenantrags Regelaltersrente bereits ab dem 1.7.1997 (monatliche Rentenzahlung 114,87 EUR ab dem 1.4.2012) und setzte für
den Zeitraum vom 1.7.1997 bis zum 31.3.2012 einen Nachzahlbetrag in Höhe von 16.509,03 EUR fest. Sie entschied außerdem, die
durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen seien auf Antrag erstattungsfähig (Bescheid vom 29.2.2012).
Die Klägerin machte unter Bezugnahme auf die Kostengrundentscheidung für die anwaltliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten
Kosten des Widerspruchsverfahrens nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und dem dazu gehörenden Vergütungsverzeichnis (VV) in Höhe von insgesamt 280 EUR geltend (Geschäftsgebühr gemäß Nr 2401
VV RVG in Höhe von 260 EUR zzgl. der Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr 7002 VV RVG in Höhe von 20 EUR). Die Beklagte erkannte nur eine Geschäftsgebühr in Höhe von 150 EUR an, setzte die zu erstattenden Kosten
auf insgesamt 170 EUR fest und zahlte diesen Betrag an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus. Die Mittelgebühr von 150
EUR sei angemessen. Umstände, die eine Überschreitung der Mittelgebühr rechtfertigten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der anwaltliche Aufwand sei nicht erheblich gewesen (Bescheid vom 12.6.2012).
Mit ihrem dagegen noch im Juni 2012 eingelegten Widerspruch führte der Klägerin - wiederum durch ihre Prozessbevollmächtigte
- über mehr als zwei DIN A4 Seiten aus, dass die Beklagte den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit verkenne
und die Bedeutung der Angelegenheit außer Betracht lasse. Dass Rechtsfragen von höchstem Schwierigkeitsgrad betroffen seien,
belege das Urteil des BSG vom 19.4.2011. Die Prüfung des Bescheides, sowie Einlegung und Begründung des Widerspruchs verlangten die Kenntnis des benannten
BSG-Urteils sowie spezielle Rechtskenntnisse im zwischenstaatlichen Rentenrecht. Im Übrigen habe das Widerspruchsverfahren überdurchschnittlich
lange gedauert. Der besondere wirtschaftliche Erfolg lasse sich an der Nachzahlung in Höhe von 16.509,03 EUR ablesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück: Der Umfang der Tätigkeit der Bevollmächtigten sei im Widerspruchsverfahren
unterdurchschnittlich gewesen. Der Umfang der Schreiben vom 14.7.2011, 9.11.2011 und 4.1.2012 lasse nicht auf eine zeitaufwändige
anwaltliche Tätigkeit schließen. Der Schwierigkeitsgrad sei durchschnittlich gewesen. Die Bevollmächtigte habe sich darauf
beschränken können, auf die Rechtsprechung des BSG Bezug zu nehmen. Die wirtschaftliche Bedeutung sei nur eines der Bemessungskriterien. Außerdem sei nicht der Rentenanspruch
an sich, sondern lediglich der Rentenbeginn streitig gewesen (Widerspruchsbescheid vom 14.8.2012). Aus den Akten ergibt sich
nicht, wann die Beklagte den Widerspruchsbescheid zur Post gegeben hat.
Mit ihrer am 18.9.2012 erhobenen Klage hat die Klägerin Zahlung weiterer 110 EUR begehrt und ergänzend vorgetragen, dass die
Problematik einer fiktiven Antragstellung in Israel eine Rechtsfrage von höchstem Schwierigkeitsgrad betreffe. Der zeitliche
Aufwand könne nicht anhand der Schriftsätze beurteilt werden. Vielmehr seien die der Widerspruchsbegründung zugrundeliegenden
Tätigkeiten einzubeziehen. Die Bevollmächtigte habe sich in die Rechtsprechung des BSG einlesen, diese verfolgen und die dort aufgestellten Rechtssätze auf den konkreten Fall anwenden müssen. Dabei dürfe nicht
auf etwaige Vorkenntnisse der Bevollmächtigten abgestellt werden, die daraus resultierten, dass sie sich schwerpunktmäßig
mit der Rechtsmaterie befasse. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung sei die Nachzahlung von 16.509,03 EUR überdurchschnittlich
hoch. Andere Rentenversicherungsträger hätten in vergleichbaren Fällen die überdurchschnittliche Schwierigkeit anerkannt und
die Verfahrensgebühr in Höhe von 260 EUR erstattet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Sache als durchschnittlich zu beurteilen sei. Der Nachzahlbetrag sei
zwar kein wirtschaftlich unerheblicher Betrag, jedoch hänge die wirtschaftliche Existenz der Klägerin davon nicht so sehr
ab, wie dies bei den im Sozialrecht üblichen Streitigkeiten über den Lebensunterhalt sichernde Dauerleistungen der Fall sei.
Es treffe zu, dass der Rechtsstreit zwischenstaatliche Fragen aufgeworfen habe, die - für sich gesehen - eine deutlich überdurchschnittliche
Einstufung rechtfertigen könnten. Die Bevollmächtigte der Klägerin sei jedoch in einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter
Fälle tätig geworden und habe zur Arbeitserleichterung teilweise gleichlautende Schriftsätze gefertigt. Der dadurch bedingte
Rationalisierungseffekt könne auch gebührenrechtlich berücksichtigt werden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2012 abgewiesen und die
Berufung nicht zugelassen (Urteil vom 21.4.2015, zugestellt am 30.4.2015).
Dagegen hat die Klägerin am 20.5.2015 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen für 2015 für den 3. Senat erfasst wurde (Az L 3 R 408/15 NZB). Der 3. Senat hat die Berufung gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.4.2015 ohne erkennbare oder aus den Akten ersichtliche
Begründung zugelassen (Beschluss vom 7.12.2015) und das Verfahren unter dem Az L 3 1072/15 als Berufungsverfahren fortgeführt.
Durch Ziffer A.II.2 des Geschäftsverteilungsplans 2016 des LSG NRW wurde dieses Verfahren zum 1.1.2016 (zusammen mit 24 weiteren
Berufungsverfahren des 3. Senats) dem 18. Senat zugewiesen.
Die Beteiligten haben im Berufungsverfahren nicht weiter zur Sache vorgetragen und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt. Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihre Bevollmächtigte in mehreren
Parallelverfahren tätig (gewesen) ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten
der Beklagten.
Entscheidungsgründe
A. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben, §
124 Abs
2 SGG.
B. Die Berufung ist durch die Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben,
§
151 SGG. Sie ist jedoch unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 12.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.8.2012 nicht beschwert, §
54 Abs
2 Satz 1
SGG. Zu Recht hat die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 170 EUR festgesetzt. Die Beklagte
ist nicht verpflichtet, sie auf 280 EUR festzusetzen und der Klägerin weitere 110 EUR zu zahlen bzw. sie von einer entsprechenden
Zahlungsforderung ihrer Prozessbevollmächtigten freizustellen.
I. Die Klage ist zulässig; sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben. Gemäß §
87 Abs
1 Satz 1
SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, beginnt
die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, §
87 Abs
2 SGG. Diese Frist hat die Klägerin mit der am 18.9.2012 erhobenen Klage gewahrt. Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom
14.8.2012 erfolgte mit einfachem Brief. Es ist nicht bekannt, wann genau dieser der Klägerin bekannt gegeben worden ist. Der
Zeitpunkt, zu dem die Klagefrist zu laufen begonnen hat, ist damit nicht feststellbar. Folglich war am 18.9.2012 auch noch
keine Frist abgelaufen. Zwar gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als
bekannt gegeben, § 37 Abs 2 Zehntes Buch SGB (SGB X). Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass zumindest der Tag der Aufgabe zur Post bekannt ist, zB weil in
den Verwaltungsakten der Beklagten vermerkt wurde (vgl BSG, Urt v 28.11.2006, Az B 2 U 33/05 R = BSGE 97, 279-285 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2; LSG NRW, Beschl v 15.11.2011, Az L 7 AS 1382/11 B). Auch das ist hier nicht der Fall.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft, §
54 Abs
1 und 4
SGG (so auch LSG NRW, Urt v 17.10.2013, Az L 7 AS 1139/12; LSG Berlin-Brandenburg, Urt v 23.4.2008, Az L 7 KA 2/07). Gegenstand des Verfahrens ist die im Bescheid vom 12.6.2012 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.8.2012, §
95 SGG) getroffenen Verfügung zur (Gesamt-)Höhe der erstattungsfähigen Kosten. Das Begehren der Klägerin, die Geschäftsgebühr Nr
2401 VV RVG mit 260 EUR anzusetzen, ist nicht Gegenstand eines eigenen Verfügungssatzes, sondern lediglich die Begründung für die Abweichung
zwischen geltend gemachten und anerkannten Kosten. Bei der Festlegung einzelner Positionen handelt es sich lediglich um Begründungselemente
für die (Gesamt-) Höhe des Erstattungsanspruchs (vgl LSG NRW, Urt v 5.5.2009, Az L 1 AL 13/08).
II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer 110 EUR.
1. Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass die Klägerin und nicht ihre Prozessbevollmächtigte Inhaberin des streitigen
Anspruchs und damit allein aktivlegitimiert ist. Obwohl auch ihre Prozessbevollmächtigte ein vitales eigenes Interesse an
der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs hat, ist sie nur faktisch (mittelbar) von der Entscheidung betroffen und tritt
folgerichtig im Verfahren so lange nur als Bevollmächtigte auf, wie der Anspruch - wie hier - nicht an sie abgetreten worden
ist (vgl. LSG NRW, Urt v 31.5.2007, Az L 16 KR 229/06). Eine Kostenerstattung setzt zwar begrifflich voraus, dass die Kostengläubigerin die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts
beglichen hat. Hier sind der Klägerin wohl bislang keine Kosten entstanden, die "erstattet" werden könnten, weil sie offenbar
(noch) keine Zahlungen an ihre Bevollmächtigte geleistet hat. Weil der Kostenerstattungsanspruch aber nicht von einer tatsächlichen
Zahlung abhängen kann, muss es ausreichen, wenn der Kostengläubiger - wie hier - einer Honorarforderung des Rechtsanwalts
tatsächlich ausgesetzt ist. In diesen Fällen kann er jedenfalls verlangen, von der Vergütungsforderung freigestellt zu werden
(LSG NRW, Urt v 17.10.2013, Az L 7 AS 1139/12; LSG NRW, Urt v 5.5.2009, Az L 1 AL 13/08, Rn. 34, juris; vgl zum Befreiungsanspruch §
257 des
Bürgerlichen Gesetzbuches). Im Ergebnis kann offenbleiben, ob die Klägerin den Anspruch als Zahlungs- oder als Freistellungsanspruch verfolgt, da der
Anspruch nicht besteht.
2. Nach der hier einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 63 SGB X hat bei einem erfolgreichen Vorverfahren der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat,
dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten, § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Hierzu gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, wenn seine Hinzuziehung notwendig war, § 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X. Der Umfang der notwendigen Aufwendungen des bevollmächtigten Rechtsanwalts richtet sich nach dem RVG iVm dem nach § 2 Abs 2 Satz 1 RVG dazu gehörenden VV.
Auf dieser Grundlage hat ein Leistungsträger in Verfahren, in denen ein Rechtsanwalt tätig geworden ist, (im Abhilfe- oder
Widerspruchsbescheid oder in einem separaten Bescheid) drei Entscheidungen zu treffen, eine Entscheidung zur Kostentragung
dem Grunde nach (hier im Bescheid vom 29.2.2012), eine Entscheidung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts
und eine Entscheidung zur Kostenhöhe (hier im angefochtenen Bescheid vom 12.6.2012). Die Beklagte hat (mindestens konkludent)
auch entschieden, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war. Zwar fehlt es insoweit an einem ausdrücklichen
Verfügungssatz in den genannten Bescheiden. Indes ist die Beklagte im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren zunächst stillschweigend
vom Vorliegen dieses Sachverhalts ausgegangen und hat dies später auch nach außen konkludent dadurch erklärt, dass sie einen
Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten von 170 EUR anwies (vgl dazu BSG, Urt v 21.12.2009, Az B 14 AS 83/08 R).
3. Die Beklagte hat die Höhe der zu erstattenden Gebühren mit 170 EUR jedenfalls nicht zu niedrig festgesetzt.
Nach § 3 Abs 2, Abs 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern
das Gerichtskostengesetz (GKG) keine Anwendung findet; die Vorschrift gilt auch für das isolierte Vorverfahren (vgl LSG NRW, Urt v 29.1.2007, Az L 1 AL 54/06; LSG Rheinland-Pfalz, Urt v 8.3.2006, Az L 4 SB 174/05). Da die Klägerin als Versicherte und Leistungsempfängerin kostenprivilegiert nach §
183 Satz 1
SGG ist, findet das GKG keine Anwendung. Ein isoliertes Vorverfahren liegt hier vor. Denn die Klägerin hat gegen den im Bescheid vom 21.6.2011 festgelegten
Rentenbeginn Widerspruch eingelegt, dem die Beklagte mit Bescheid vom 29.2.2012 vollständig abgeholfen und die im Widerspruchsverfahren
entstandenen notwendigen Kosten dem Grunde nach als erstattungsfähig anerkannt hat. Die Klägerin hat mit Kostennote vom 16.4.2012
ordnungsgemäß abgerechnet, § 10 Abs 2 RVG. Ob ihre Prozessbevollmächtigte auch der Klägerin eine Abrechnung vorgelegt hat, die den Anforderungen des § 10 RVG genügt, ist für die Erstattung von Kosten nach § 63 SGB X ohne Belang (vgl BSG, Urt vom 2.12.2014, Az B 14 AS 60/13 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 22).
Nach Nr 2400 VV RVG beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen - wie hier - im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren
entstehen, 40 bis 520 EUR. Ist - wie hier - eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen, beträgt die Gebühr für
das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 EUR, Nr 2401 VV RVG. Dabei ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer
ist, Nr 2401 Absatz 1 VV RVG. Innerhalb des Gebührenrahmens (hier von 40 EUR bis 260 EUR) bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der
Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber
hinaus ist nach § 14 Abs 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Die Aufzählung
der Bemessungskriterien in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, sodass weitere Kriterien mit einbezogen werden können.
Über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, kann leicht Streit entstehen. Um solchen
Streit möglichst zu vermeiden, hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt.
Ihm wird eine Abweichung von bis zu 20% zugestanden (sog Toleranzgrenze), die auch von den Gerichten zu beachten ist (vgl
BSG, Urteil vom 1.7.2009, Az B 4 AS 21/09 R, BSGE 104, 30-41, SozR 4-1935 § 14 Nr 2; LSG NRW, Urteil vom 5.5.2009, Az L 1 AL 55/08 -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9.2.2012, Az L 25 AS 559/11 B PKH, alle mwN). Die Ansetzung einer Geschäftsgebühr von 260 EUR ist danach unbillig, weil sie um mehr als 20% von der hier
maximal zu berücksichtigenden Mittelgebühr von 150 EUR abweicht (Toleranzgrenze hier 180 EUR).
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Mit dieser Gebühr wird die Tätigkeit
eines Rechtsanwalts in einem Durchschnittsfall abgegolten. Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn die Streitsache nach den
gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien als durchschnittlich zu bewerten ist. Es muss sich um eine Streitsache mit durchschnittlichem anwaltlichen
Aufwand, durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlicher Bedeutung für den Auftraggeber, durchschnittlichen Einkommens-
und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers und durchschnittlichem anwaltlichen Haftungsrisiko handeln. Ob ein Durchschnittsfall
vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen
und ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Das Abweichen eines einzigen Kriteriums des § 14 RVG kann ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigen; eine Automatik ist nicht gegeben (vgl LSG Thüringen, Beschl v 14.3.2001,
Az L 6 B 3/01 SF und v 23.2.2004, Az L 6 B 54/03 SF mwN; LSG NRW, Beschl v 26.04.2007, Az L 7 B 36/07 AS).
a. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist vorliegend per Saldo von einem Durchschnittsfall auszugehen, der eine Geschäftsgebühr
nach Nr 2401 VV RVG von mehr als 150 EUR nicht rechtfertigt. Dabei sind die Bemessungskriterien des § 14 Abs 1 RVG wie folgt zu gewichten:
aa. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist weit unterdurchschnittlich.
Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat, soweit
er ihn objektiv auf die Sache verwenden musste. Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer
umschriebene Tätigkeitsfeld. Die Nr 2401 VV RVG umfasst außergerichtliche Tätigkeiten in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren
entstehen. Bei einer außergerichtlichen Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts können der Aufwand für Besprechung und Beratung,
auch außerhalb der Kanzleiräume, das Lesen der Verwaltungsentscheidung, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen und
das Anfordern von Unterlagen beim Mandanten, deren Sichtung, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, und die Auseinandersetzung
hiermit berücksichtigt werden. Weiter können das Eingehen auf von der Behörde herangezogene Beweismittel, der Schriftverkehr
mit dem Auftraggeber und der Gegenseite sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften
nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden, berücksichtigt werden (vgl BSG, Urt v 21.12.2009, Az B 14 AS 83/08 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 11 Rn 20 ff; BSG, Urt v 1.7.2009, Az B 4 AS 21/09 R = BSGE 104, 30 ff = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 28 f; BSG, Urt v 2.4.2014, Az B 4 AS 27/13 R = SozR 4-1935 § 15 Nr 1 Rn. 20).
Vorliegend war der Aufwand - auch im Vergleich zum Widerspruchsverfahren gegen den streitigen Bescheid vom12.6.2012 - ausgesprochen
gering. Das gilt auch bei Einbeziehung der gedanklichen Vorarbeit einschließlich Recherche. Die Prozessbevollmächtigte der
Klägerin brauchte nur den Bescheid vom 21.6.2011 lesen und erkennen, dass für den Rentenbeginn die Rentenantragstellung bei
der Beklagten (am 14.12.2010) und nicht die Antragstellung beim israelischen Rentenversicherungsträger (im Jahr 1988) berücksichtigt
worden ist, und wissen, dass dies kurz zuvor vom BSG anders beurteilt wurde. Es ist auch einem Rechtsanwalt, der sich nicht schwerpunktmäßig mit Sozialrecht befasst, ohne großen
Aufwand möglich, eine aktuelle höchstrichterliche Entscheidung zu recherchieren, die in Fachkreisen Beachtung gefunden hat.
Danach genügte ein knapp dreizeiliger Schriftsatz (wie derjenige vom 14.7.2011), in dem lediglich auf die aktuelle Rechtsprechung
des BSG vom 19.4.2011 (Az B 13 R 20/10 R) hinzuweisen war. Mit weiterem - einzeiligen - Schriftsatz vom 9.11.2011 erbat sie Sachstandsmitteilung. Am 4.1.2012 wies
sie - zweizeilig - auf das Abstimmungsergebnis der "Lenkungsgruppe ZRBG" vom 15.11.2011 hin. Umfangreicher Aktenstudien, Beweiswürdigungen,
Schriftwechsel mit der Klägerin oder der Beklagten oder umfangreicher Rechtsprechungsrecherchen bedurfte es nicht. Zusätzlich
kommt für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin als arbeitserleichternder Umstand hinzu, dass sie in einer Reihe gleich
oder ähnlich gelagerter Fälle für andere in Israel ansässige Betroffene tätig geworden ist. Der dadurch bedingte Rationalisierungseffekt
ist gebührenrechtlich zu berücksichtigen, weil er den objektiv erforderlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit beeinflusst
(BSG, Beschluss vom 22.2.1993, Az 14b/4 REg 12/91).
bb. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist durchschnittlich.
Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit, also in erster
Linie die gedankliche Tiefe und außerdem den durch die (spezial-)rechtliche Komplexität vorgegebenen Umfang vertiefter Überlegungen.
Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf
beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung
und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Davon ist umfasst, dass hierfür in eingeschränktem Umfang spezielle Kenntnisse und
Fertigkeiten erforderlich sein können. Damit ist auf der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung
Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle, dass der Anwalt zum Beispiel auf
Grund vertiefter Fachkenntnisse oder Erfahrung das Mandat leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann (BSG, Urteil vom 1.7.2009, Az B 4 AS 21/09 R = BSGE 104, 30-41 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2 mwN).
Die Bewertung der Schwierigkeit als durchschnittlich ergibt sich hier einerseits daraus, dass die Prozessbevollmächtigte der
Klägerin sich nur mit der Frage des Rentenbeginns zu beschäftigen hatte, die als tatsächlich und rechtlich schwer und komplex
einzustufende Problematik der Anerkennung von Ghettobeschäftigungszeiten nach dem ZRBG aber keine Rolle mehr spielte. Die
streitentscheidende Rechtsprechung des BSG war durch eine einfache juris-Recherche mit den Schlagworten "Rentenbeginn" und "ZRBG" selbst für Anwälte, die Streitigkeiten
aus dem Bereich des ZRBG noch nie bearbeitet hatten, binnen weniger Augenblicke auffindbar. Insoweit war die Schwierigkeit
sicher unterdurchschnittlich. Andererseits ist die entscheidende Rechtsfrage, ob für den Beginn der deutschen Rente eine frühere
Antragstellung (nur) in Israel maßgeblich sein kann, eine überdurchschnittlich schwierige Rechtsfrage. Indiz dafür ist auch
der Umstand, dass die Beklagte das Urteil des BSG vom 19.4.2011 (Az B 13 R 20/10 R) über einen längeren Zeitraum gemeinsam mit den anderen Rentenversicherungsträgern bewerten musste. Per Saldo ergibt sich
damit eine durchschnittliche Schwierigkeit.
Die Klägerin kann sich für ihre abweichende Einschätzung nicht auf die Entscheidung des LSG NRW vom 5.5.2009 (Az L 1 AL 55/08) berufen, nach der das nationale Sozialrecht als generell schwieriges Rechtsgebiet einzuordnen ist. Das BSG hat sich nämlich in seiner dazu ergangenen Revisionsentscheidung diesem Standpunkt ausdrücklich nicht angeschlossen und klargestellt,
dass es bei der Beurteilung der rechtlichen Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit nicht angebracht ist, nach Rechtsgebieten
bzw Teilrechtsgebieten zu differenzieren. Abzustellen ist - wie vorliegend geschehen - in jedem Rechtsgebiet auf den konkreten
Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (BSG, Urt v 5.5.2010, Az B 11 AL 14/09 R).
cc. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin ist überdurchschnittlich.
Für die Bedeutung einer Angelegenheit kommt es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche
oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber (nicht aber für die Allgemeinheit) an (vgl BSG, Urt v 1.7.2009, Az B 4 AS 21/09 R = BSGE 104, 30-41 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2; BSG, Urt v 21.12.2009, Az B 14 AS 83/08 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 11).
Hier ist zunächst von Belang, dass sich allein durch den früheren Rentenbeginn ein hoher, wirtschaftlich durchaus bedeutender
Nachzahlbetrag 16.509,03 EUR ergeben hat. Die Bedeutung der monatlichen Rente für den Lebensunterhalt ist entgegen der Auffassung
des SG ohne Belang, da es im Widerspruchsverfahren nur um den (erwartungsgemäß positiven) Saldo aus früherem Rentenbeginn einerseits
und Reduzierung der Höhe des Stammrechts auf Rente andererseits ging. Hinsichtlich der Vermögens- und Einkommensverhältnisse
der Klägerin sind Besonderheiten nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist weiter, dass eine Nachzahlung aus rentenrechtlichen
Zeiten nach dem ZRBG neben der wirtschaftlichen (materiellen) immer auch wesentlich eine ideelle (immaterielle) Bedeutung
hat. Diese folgt aus der generellen Zielsetzung des ZRBG, nämlich der Wiedergutmachung erlittenen nationalsozialistischen
Unrechts (vgl BSG, Urt v 7.2.2012, Az B 13 R 40/11 R = BSGE 110, 97-104 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2).
dd. Ein besonderes Haftungsrisiko, das die Höhe der Gebühr beeinflussen könnte, und sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet
wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, sind nicht ersichtlich.
ee. Ob nach Nr 2401 Absatz 2 VV RVG auch eine Geschäftsgebühr von 120 EUR ausgereicht hätte, weil die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war, ist vorliegend
nicht streitbefangen.
ff. Sollte tatsächlich in vergleichbaren Fällen durch andere Rentenversicherungsträger eine höhere Geschäftsgebühr nach Nr
2401 VV RVG anerkannt und erstattet worden sein, könnte die Klägerin hieraus für sich nichts herleiten. Denn es gibt keinen Anspruch
auf Gleichbehandlung im Unrecht.
c. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbescheid ist in Bezug auf die anerkannte Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen
(Nr 7002 VV RVG) zutreffend.
d. Eine höhere Entschädigung ergibt sich auch nicht durch die Berücksichtigung von Umsatzsteuer. Zu Recht hat die Prozessbevollmächtigte
der Klägerin keine Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) in Ansatz gebracht. Umsatzsteuer ist für ihre Tätigkeit nämlich nicht angefallen. Der deutschen Umsatzsteuer unterliegen
nur inländische Umsätze (§ 1 Abs 1 Nr 1 Umsatzsteuergesetz )UStG(). Solche stehen hier nicht in Streit. Ein Rechtsanwalt hat in der Bundesrepublik Deutschland für Leistungen, die er im Auftrag
eines ausländischen Mandanten erbringt, keine Umsatzsteuer zu entrichten, wenn der Mandant - wie hier - in einem Drittland
außerhalb der Europäischen Union wohnhaft ist (§ 3a Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 1, 2 Nr 3 UStG; Mayer in: Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Nr 7008 VV RVG Rn 6 mwN).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 Satz 1,
193 Abs
1 Satz 1
SGG.
D. Anlass, die Revision zuzulassen besteht nicht, §
160 Abs.
2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.