SGB-II-Leistungen
Kosten der Unterkunft und Heizung
Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen
Rechtlicher Bindungswille
Beschränkt persönliche Dienstbarkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Höhe der zu gewährenden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Monat Mai
2014.
Die 1964 bzw. 1966 geborenen, miteinander verheirateten Kläger zu 1) und zu 2) erwarben im Jahr 2003 ein etwa 55 Jahre altes
Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen (Erdgeschoß 85,92 m2, Obergeschoß 107,67 m2, Anbau 49,66 m2) in der V-straße 00 in C zu einem Preis von 146.000,00 EUR. Sie waren Miteigentümer je zur Hälfte und bewohnten mit ihren
vier Kindern, u.a. mit den 1995 und 1996 geborenen Klägern zu 3) und zu 4), die Wohnung im 1. Obergeschoss. Die beiden anderen
Wohnungen waren vermietet.
Am 19.02.2014 schlossen die Kläger zu 1) und 2) mit ihrem 1989 geborenen Sohn, dem Zeugen G L, einen notariellen Kaufvertrag,
in dem sie ihm das Haus zu einem Kaufpreis von 144.000,00 EUR veräußerten. Der Kaufpreis entsprach der Summe der auf dem Grundstück
lastenden Grundschulden; die durch die Grundschulden gesicherten Darlehensforderungen (i.H.v. 132.629,81 EUR) waren geringer.
Der Kaufpreis wurde zur Tilgung der durch Grundschulden gesicherten Darlehensverbindlichkeiten der Kläger zu 1) und zu 2)
verwandt, eine teilweise Auszahlung des Kaufpreises an die beiden Kläger zu 1) und zu 2) erfolgte nicht. In § 5 des Kaufvertrages
wurde vereinbart, dass sich die Kläger zu 1) und 2) an den gesamten Wohnräumen des Obergeschosses ein lebenslanges, dinglich
gesichertes Wohnungsrecht vorbehalten. Ferner wurde vereinbart, dass die auf das Wohnungsrecht anfallenden verbrauchsabhängigen
Nebenkosten wie Wasser, Kanal, Müllabfuhr und Heizkosten von den Klägern zu 1) und 2) zu tragen sind. Die Überlassung des
Wohnungsrechts an Dritte wurde nicht gestattet. Das Wohnungsrecht wurde zugunsten der Kläger zu 1) und 2) in das Grundbuch
eingetragen. Zum 01.04.2014 zogen der Zeuge und sein Bruder N aus der elterlichen Wohnung aus und bezogen die im Anbau des
Hauses befindliche Wohnung.
Im April 2014 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II, nachdem der Kläger zu 1) bis zum 13.04.2014 Alg I bezogen hatte. Bei der Antragstellung legten die Kläger einen vom Kläger
zu 1) und dem Zeugen unterzeichneten Mietvertrag vom 15.04.2014 vor, wonach sie ab dem 01.04.2014 eine Grundmiete von 400,00
EUR, Nebenkosten i.H.v. 130,00 EUR und Heizkosten i.H.v. 174,00 EUR an den Zeugen zu zahlen haben. Die Beklagte bat um Darlegung,
aus welchen Gründen das Haus so kurz vor Beantragung der SGB II-Leistungen veräußert worden sei. Der Kläger zu 1) gab hierzu an, dass er sich die Hausfinanzierung nach Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses im Jahre 2012 nicht mehr habe leisten können. Er habe das Haus damals schon veräußern wollen. Sein Sohn
sei an einem Erwerb interessiert gewesen, da dieser jedoch nur einen befristeten Arbeitsvertrag gehabt habe, habe er keine
Finanzierung erhalten. Erst am 17.01.2014 habe dieser einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten, so dass er das Haus dann
habe finanzieren können.
Die Beklagte bewilligte den Klägern daraufhin mit Bescheid vom 28.06.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 1.268,00 EUR und berücksichtigte dabei - neben den jeweiligen Regelbedarfen - Kosten für Unterkunft und
Heizung i.H.v. insgesamt 304,00 EUR (Nebenkosten 130,00 EUR + Heizkosten 174,00 EUR). Die Grundmiete i.H.v. 400,00 EUR blieb
als Bedarf unberücksichtigt.
Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch und machten geltend, trotz des lebenslangen Wohnungsrechts seien sie zur Mietzahlung
verpflichtet. Auf Veranlassung der Kläger teilte der Notar X, der den Kaufvertrag beurkundet hatte, der Beklagten mit, dass
das dingliche Wohnungsrecht von Gesetzes wegen immer unentgeltlich sei, die Vertragsparteien daneben jedoch schuldrechtliche
Vereinbarungen wie z.B. einen Mietvertrag treffen könnten. Der Kaufvertrag sage hierzu nichts aus, da schuldrechtliche Vereinbarungen
nicht zum Inhalt der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gemacht werden könnten.
Der Hochsauerlandkreis wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2014 als unbegründet zurück. Voraussetzung
für die Übernahme der Miete sei, dass diese auch tatsächlich entstehe. Dies sei hier nicht der Fall, da die Unterkunft unentgeltlich
gewährt werden müsse. Lediglich die Neben- und Heizkosten müssten übernommen werden, da dies der Kaufvertrag vorsehe. Auch
sei eine Zahlung der Miete nicht nachgewiesen. Ferner sei auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Hausverkauf und Beantragung
der SGB II-Leistungen zu sehen.
Am 17.09.2014 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.07.2014 nach § 44 SGB X. Sie machten erneut geltend, dass die Kaltmiete in Höhe von 400,00 EUR zu übernehmen sei. Hätte es den Hausverkauf nicht
gegeben, hätten zumindest die Darlehenszinsen übernommen werden müssen.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 06.10.2014 ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 31.10.2014
blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.11.2014). Ergänzend wurde ausgeführt, auch wenn vorliegend ein Mietvertrag
bestehe, verstoße dieser nach §
138 BGB gegen die guten Sitten, da dieser in erster Linie darauf angelegt sei, die Vermögensverhältnisse zum Schaden des Trägers
der Leistungen nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln. Die Kläger könnten ihren Unterkunftsbedarf durch das eingeräumte Wohnungsrecht
decken, da der Zeuge die Ausübung dulden müsse, ohne hierfür eine gesonderte Entschädigung verlangen zu können.
Hiergegen haben die Kläger am 17.12.2014 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Sie haben die Auffassung vertreten, der Mietvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten, da dieser überhaupt Grundlage dafür
gewesen sei, dass der Zeuge bereit gewesen sei, das Haus zu erwerben. Da er Darlehensverbindlichkeiten habe eingehen müssen,
habe er diese in Form von Mieteinnahmen refinanzieren müssen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 abzuändern
und ihnen in der Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00
EUR zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sohnes G L als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.05.2016 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 30.05.2016 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid geändert und die Beklagte verpflichtet, den Klägern
für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 monatlich weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00 EUR
zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger verfügten über
einen wirksamen Mietvertrag, aufgrund dessen sie ab dem 01.04.2014 die Zahlung einer Grundmiete in Höhe von 400,00 EUR monatlich
schuldeten. Die Kläger seien aufgrund des Mietvertrages einer konkreten Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Der Mietvertrag
verstoße nicht gegen die guten Sitten und sei deshalb nicht nach §
138 BGB nichtig, denn der Mietvertrag sei nicht nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt, Vermögensverhältnisse
zum Schaden des SGB II-Trägers und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln. Die Kammer habe auch keine Veranlassung gesehen, von einem Scheingeschäft
i.S.d. §
117 Abs.
1 BGB auszugehen. Dementsprechend seien die mietvertraglich vereinbarten Kosten als tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II von der Beklagten bei der Leistungsbewilligung zu berücksichtigen.
Gegen das ihr am 07.07.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2016 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, die Miete stelle keine angemessene Aufwendung im Sinne des SGB II dar. Durch die vertraglich vereinbarte Zahlung einer monatlichen Kaltmiete i.H.v. 400,00 EUR würde der Steuerzahler de facto
dazu beitragen, dass der Zeuge seine monatlichen Verpflichtungen gegenüber der Bank bedienen könne, obgleich die Kläger aufgrund
des dinglich gesicherten Wohnungsrechts unentgeltlich wohnen könnten. Dieses dingliche Recht verleihe den Klägern nach §
1093 Abs.
1 BGB die Befugnis zum Wohnen in dem auf dem belasteten Grundstück befindlichen Gebäude unter Ausschluss des Eigentümers. Der Zeuge
habe als Eigentümer die Pflicht, die Ausübung des Wohnungsrechts zu dulden, ohne dass er hierfür eine gesonderte Entschädigung
verlangen könne, den Berechtigten träfen nur die Pflichten des Nießbrauchers. Vor diesem Hintergrund verstoße der Mietvertrag
gegen die guten Sitten und sei nach §
138 BGB nichtig. Denn Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt seien, Vermögensverhältnisse
zum Schaden des Sozialhilfeträgers bzw. des SGB II-Trägers und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, verstießen gegen die guten Sitten, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe
vorlägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und tragen ergänzend vor, die Beklagte unterstelle ihnen im Ergebnis ein
unredliches Verhalten. Wäre die Übertragung des Hausgrundstücks nicht erfolgt, hätte die Beklagte ihnen indes ebenfalls weitere
Unterkunftskosten gewähren müssen. Denn zum Zeitpunkt der Übertragung hätten Darlehensverbindlichkeiten bestanden, für die
sie Zinsen hätten zahlen müssen. Diese Darlehenszinsen hätte die Beklagte ihnen auch als Unterkunftskosten gewähren müssen.
Dies unterscheide den streitgegenständlichen Sachverhalt entscheidend von dem Verfahren, den das Landessozialgericht Baden-Württemberg
in dem von der Beklagten zitierten Urteil zu entscheiden gehabt habe, denn dort hätten die Beteiligten eine Zahlungsverpflichtung
konstruiert, die ansonsten gar nicht bestanden hätte. Vorliegend habe dagegen durchgehend eine Zahlungsverpflichtung bestanden.
Insbesondere hätten die Beteiligten auch kein unentgeltliches Wohnungsrecht vereinbaren und über die rechtliche Konstruktion
eines Mietvertrages eine Zahlungsverpflichtung zulasten der Beklagten schaffen wollen. Die Vereinbarung (auch) eines Wohnungsrechts
sei auf Vorschlag des Notars erfolgt, eine solche Konstruktion sei ihnen überhaupt nicht bekannt gewesen. Grundlegende Überlegung
sei gewesen, dass eine Übertragung gegen Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten nur dann erfolge, wenn die Kläger ihr "Recht
zum Wohnen" gegen Zahlung von Miete, Heiz- und Betriebskosten erhalten. Dieses Begehren sei ohne weiteres nachvollziehbar
und verstoße nicht gegen die guten Sitten im Sinne von §
138 BGB.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Blick auf die Monate April und Juni bis September 2014 einen
Unterwerfungsvergleich geschlossen und das Verfahren für diese Monate für erledigt erklärt. Der Senat hat ferner die Kläger
zu 1) und 2) persönlich angehört sowie deren Sohn G L als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 02.03.2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten
Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat der auf die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung gerichteten Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die beklagte Stadt C ist die richtige Beklagte, auch wenn sie nicht Träger der geltend gemachten Leistungen ist, sondern der
als Optionskommune zugelassene Kreis Hochsauerlandkreis, dem sie angehört, weil ihr die Aufgaben des Trägers zur Wahrnehmung
im eigenen Namen übertragen sind (Wahrnehmungszuständigkeit) und sie daher im Außenverhältnis verpflichtet ist.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 06.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014, mit welchem
die Beklagte den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2014 abgelehnt
hat. Mit diesem Bescheid waren den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2014 bis zum 30.09.2014 i.H.v. insgesamt 1.268,00 EUR monatlich bewilligt worden.
Zutreffende Klageart ist hier die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.10.2016 - B 4 AS 37/15 R, m.w.N.). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des negativen Zugunstenbescheides vom 06.10.2014 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014. Die Verpflichtungsklage ist auf die Änderung des bestandskräftigen
Ausgangsbescheides vom 28.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2014 gerichtet. Dieser Bescheid ist
auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 SGB X zu überprüfen. Der die laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligende Bescheid vom 28.06.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2014 ist nach dem klägerischen Begehren insoweit rechtswidrig im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X, als die Leistung von Beginn des Bewilligungsabschnitts an um die Kosten für die Grundmiete i.H.v. 400,00 EUR hätte höher
sein müssen. Soweit die Kläger ihr Begehren auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf die Gewährung von
(höheren) Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 400,00 EUR monatlich begrenzt haben, ist diese Beschränkung des Streitstoffes
zulässig, denn bei den Kosten für Unterkunft und Heizung handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. zur
Rechtslage ab dem 01.04.2011 BSG, Urteil vom 17.02.2016 - B 4 AS 12/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 88, m.w.N.). Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten geschlossenen Unterwerfungsvergleichs
ist Gegenstand des Verfahrens nur noch die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.07.2014 betreffend die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Monat Mai 2014.
Der Bescheid vom 28.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2014 ist nicht rechtswidrig im Sinne von §
44 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von
einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
worden sind. Dies ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht der der Fall. Denn die Kläger haben - neben den bereits
bewilligten Leistungen für die Kosten von Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 304,00 EUR (Nebenkosten 130,00 EUR + Heizkosten
174,00 EUR) - im Monat Mai 2014 keinen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 400,00 EUR.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Übernahmefähig sind die tatsächlichen Mietkosten einschließlich der zu zahlenden Nebenkosten. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut
ergibt sich eindeutig, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich
entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Dies sind in erster Linie Kosten, die durch Mietvertrag entstanden
sind, wie sie die Kläger vorliegend auch geltend machen. "Tatsächliche Aufwendungen" für eine Wohnung liegen allerdings nicht
nur dann vor, wenn der Leistungsberechtigte die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr
reicht es aus, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten
Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteile vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270, m.w.N. und vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 15). Denn bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung der Unterkunft. Zweck
der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und
den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Der Leistungsberechtigte wird - solange er im Leistungsbezug steht - zumeist
auf die Übernahme der Unterkunftskosten durch den Grundsicherungsträger angewiesen sein. Ob ein rechtlicher Bindungswille
der Beteiligten besteht, beurteilt sich auch bei einem Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen nach den Umständen des
jeweiligen Einzelfalls. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Leistungsberechtigten vorliegt,
ist dabei in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 07.05.2009 - B 14 AS 31/07 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 21 und vom 03.03.2009, a.a.O.).
Vorliegend lässt sich eine ernsthafte Verpflichtung der Kläger zur Zahlung eines monatlichen Mietzinses i.H.v. 400,00 EUR
zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Scheingeschäft
im Sinne von §
117 BGB handelt. Ein solches Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäftes
hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen. Dies ist hier zur Überzeugung
des Senats der Fall.
So ist zunächst auffallend, dass die Klägerin zu 2), die im Mietvertrag neben dem Kläger zu 1) als Mieterin aufgeführt ist,
den Mietvertrag nicht unterschrieben hat, und auch die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages am 15.04.2014 volljährigen
Kläger zu 3) und zu 4) nicht in den Mietvertrag mit einbezogen worden sind. Die Erklärung der Klägerin zu 2) im Termin, dass
sie als Vertragspartei keine Notwendigkeit gesehen habe den Vertrag zu unterschreiben, da ihr Ehemann die Unterschrift geleistet
habe, spricht eher gegen einen rechtlichen Bindungswillen der Klägerin zu 2). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass in einem
zeitlich kurzen Abstand vom Kläger zu 1) unterschiedliche Angaben zur Höhe der zu entrichtenden Miete gemacht worden sind.
Während in der am 11.04.2014 unterzeichneten "Anlage KdU" die Grundmiete mit 495,00 EUR, die Nebenkosten mit 160,00 EUR (40,00
EUR pro Person) und die Heizkosten mit 100,00 EUR angegeben worden sind, wurden in dem nur vier Tage später unterzeichneten
Mietvertrag vom 15.04.2014 die Netto-Kaltmiete mit 400,00 EUR, die kalten Betriebskosten mit 130,00 EUR und die Heizkostenvorauszahlung
mit 174,00 EUR beziffert. Auch der Einschätzung des Sozialgerichts, es halte die Aussage des Zeugen, für ihn seien die Mietzahlungen
unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb des Hauses gewesen, da er die für den Kauf eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten
aus seinem Einkommen nicht habe aufbringen können, für glaubhaft und nachvollziehbar, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar
hat der Zeuge aufgrund des Darlehens monatliche Verbindlichkeiten i.H.v. 650,00 EUR gegenüber der Bank, er hat sein monatliches
Nettoeinkommen aber mit immerhin 2.100,00 EUR bis 2.200,00 EUR angegeben, darüber hinaus hatte er Mieteinnahmen aufgrund der
im Erdgeschoss vermieteten Wohnung i.H.v. 430,00 EUR (bei einer ursprünglichen Kaltmiete von 300,00 EUR, die zwischenzeitlich
auf 400,00 EUR angehoben worden ist). Sofern (weitere) Mieteinnahmen unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb des Hauses
gewesen wären, hätte es auch nahe gelegen, eine Miete von dem Bruder N, der zum 01.04.2014 ebenfalls in den Anbau des Hauses
gezogen ist, zu verlangen. Dieser aber hat sich nach Aussage des Zeugen an den Kosten des Hauses, einschließlich der Nebenkosten,
nicht beteiligt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Kläger der vermeintlichen Mietzinsverpflichtung von Beginn an
nicht nachgekommen sind - ohne dass dies für sie negative Konsequenzen haben könnte (dazu sogleich) - und lediglich die von
der Beklagten erbrachten Leistungen für die Nebenkosten an ihren Sohn weitergeleitet haben. Eine Betriebs- und Nebenkostenabrechnung
ist nach der Aussage des Zeugen bislang zu keinem Zeitpunkt erstellt worden. In einer Gesamtschau sprechen diese Umstände
dafür, dass sich die Kläger zu 1) und 2) sowie ihr Sohn als Hauseigentümer letztlich darüber einig waren, dass (allein) die
Beklagte die Grundmiete übernehmen, mithin diese die eigentliche Schuldnerin für die vermeintlichen Mietzinsverpflichtung
sein sollte und nicht die Kläger.
Vermochte sich der Senat schon nicht davon zu überzeugen, dass die Kläger einer ernsthaften, mietvertraglich vereinbarten
Mietzinsverpflichtung ausgesetzt sind, kommt eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Miete auch aus einem weiteren
Grund nicht in Betracht. Das Bundessozialgericht hat unter Hinweis darauf, dass bei Nichtzahlung der Miete regelmäßig Kündigung
und Räumung der Unterkunft drohe, ausdrücklich klargestellt, dass es gerade Sinn und Zweck der Regelung über die Erstattung
der Kosten für die Unterkunft ist, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern
(BSG, Urteil vom 03.03.2009, a.a.O.). Vorliegend droht den Klägern aber selbst in dem Falle, dass der - auf die gesetzlichen Kündigungsfristen
verweisende - Mietvertrag ernst gemeint ist, bei Nichtzahlung der Miete bzw. Kündigung des Mietvertrages seitens des Zeugen
keine Wohnungslosigkeit. Vielmehr haben die Kläger zu 1) und 2) aufgrund des in dem notariellen Kaufvertrag vereinbarten und
im Grundbuch eingetragenen lebenslangen Wohnungsrechts eine Rechtsposition inne, die auch durch eine etwaige Kündigung des
Mietvertrages nicht zu einem Wohnungsverlust führen kann. Denn das Wohnungsrecht ist vorliegend nicht daran gebunden, dass
der Mietzins entrichtet wird.
Nach §
1093 Abs.
1 S. 1
BGB kann als beschränkte persönliche Dienstbarkeit das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter
Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. Das dingliche Wohnungsrecht ist grundsätzlich als abstrakt dingliches
Recht weder entgeltlich noch unentgeltlich. Daher kann als dinglicher Rechtsinhalt weder die Verpflichtung zur Zahlung eines
Entgelts im Grundbuch eingetragen werden noch eine Vereinbarung, wonach jemand ein unentgeltliches Wohnungsrecht erhält (vgl.
hierzu Reymann in Staudinger,
BGB, 2017, §
1093 Rn. 11). Rechtsgrund für ein dingliches Wohnungsrecht ist der schuldrechtliche Vertrag, in dem Verpflichteter und Berechtigter
die Bestellung vereinbart haben (BGH, Urteil vom 13.11.1998 - V ZR 29/98 - NJW-RR 1999, 376), wobei es den Vertragschließenden freisteht, neben der schuldrechtlichen Vereinbarung über die Bestellung eines (dinglichen)
Wohnungsrechts zusätzlich einen Mietvertrag über die von dem dinglichen Recht erfasste Wohnung abzuschließen (vgl. BGH, Urteil
vom 13.11.1998, a.a.O.; Alpmann in jurisPK-
BGB, 7. Aufl., §
1093 Rn. 9; Reymann in Staudinger, a.a.O., Rn. 9f.). Die beiden Rechtsverhältnisse - schuldrechtliche Vereinbarung über die Bestellung
des Wohnungsrechts und Mietvertrag - sind grundsätzlich abstrakt voneinander, sofern nicht besondere Vereinbarungen getroffen
werden. In der schuldrechtlichen Vereinbarung über die Bestellung eines dinglichen Wohnrechts kann eine periodisch wiederkehrende
mietzinsähnliche Entgeltzahlung an den Eigentümer vereinbart und die Entgeltzahlung zur (auflösenden) Bedingung des Wohnungsrechts
gemacht werden, so dass durch eine auflösende Bedingung das Wohnungsrecht mit einer Gegenleistung verknüpft werden kann (Joost
in Münchner Kommentar,
BGB, 6. Aufl., §
1093 Rn. 21). Die Kündigung eines dinglichen Wohnungsrechts kommt ebenso wie die Kündigung des seiner Bestellung zugrunde liegenden
schuldrechtlichen Vertrags nur dann in Betracht, wenn das als Inhalt des Rechts ausdrücklich vereinbart ist (vgl. BGH, Urteil
vom 11.03.2016 - V ZR 208/15 - NJW-RR 2017, 140, m.w.N.; Reymann in Staudinger, a.a.O., Rn. 11).
Vorliegend stellt der notarielle Kaufvertrag vom 19.02.2014 und nicht der - erst nachfolgend abgeschlossene - Mietvertrag
vom 15.04.2014 den schuldrechtlichen Rechtsgrund für die Einräumung des Wohnungsrechts dar. Der Kaufvertrag enthält weder
eine Vereinbarung über die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts noch eine Vereinbarung über eine auflösende Bedingung,
wonach die Dauer des Wohnungsrechts vom Fortbestand eines Mietverhältnisses abhängig gemacht wird. Es gibt im notariellen
Kaufvertrag vom 19.02.2014 keine Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Kündigung des Mietverhältnisses als auflösende Bedingung
für das Wohnungsrecht vereinbart worden ist. Zum einen war der Mietvertrag im Zeitpunkt der Vereinbarung des notariellen Kaufvertrages
noch gar nicht abgeschlossen, so dass schon von daher das Wohnungsrecht nicht an die Existenz des Mietvertrages gebunden werden
konnte, zum anderen haben sich die Kläger zu 1) und 2) in § 5 des Kaufvertrages an den gesamten Wohnräumen des Obergeschosses
ausdrücklich ein lebenslanges Wohnungsrecht vorbehalten. Auch der als Zeuge vernommene Sohn der Kläger hat in seiner Aussage
eingeräumt, er sei damit einverstanden gewesen, dass er seine Eltern bei Einräumung des Wohnrechts "nicht rausschmeißen" könne.
Insoweit haben die vom Zeugen bekundeten Vorstellungen, dass er auf die Mietzahlungen seiner Eltern finanziell angewiesen
sei, um die aus der Übernahme der Darlehensverpflichtungen seiner Eltern sich ergebenden finanziellen Lasten zu tragen, sich
nicht im Inhalt des Kaufvertrages, insbesondere im Hinblick auf Umfang und Bedingung des Wohnungsrechts seiner Eltern an der
Wohnung im 1. Obergeschoss, niedergeschlagen.
Da die Kündigung des Mietvertrages im vorliegenden Fall keine auflösende Bedingung für das Wohnungsrecht darstellt, würde
die Kündigung des Mietvertrages nicht zum Wegfall des Rechtsgrundes für das Wohnungsrecht führen. Vielmehr würde das Wohnungsrecht
als kein der Kündigung zugängliches Dauerschuldverhältnis von der Kündigung des zusätzlich abgeschlossenen Mietvertrages unberührt
bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1998, a.a.O.). Es gibt dementsprechend keinen Hinweis darauf, dass durch Kündigung des
Mietvertrages die Berechtigung der Kläger zu 1) und 2) bezüglich des Wohnungsrechtes erlöschen könnte. Weil es sich weder
bei dem dinglichen Recht selbst noch bei dem Bestellungsvertrag um Dauerschuldverhältnisse handelt, können im Übrigen auch
weder auf den Bestellungsvertrag noch auf das dingliche Recht die Vorschriften über die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
aus wichtigem Grund in §§
314 oder 543
BGB analog angewendet werden (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2016, a.a.O.).
Ist nach alledem das Wohnraumbedürfnis der Kläger zu 1) und 2) unabhängig davon, ob sie jemals einen Mietzins entrichten,
aufgrund des ihnen eingeräumten lebenslangen Wohnungsrechts auf Dauer befriedigt, liefe eine dennoch erfolgte Verpflichtung
der Beklagten zur Übernahme der Miete - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - faktisch darauf hinaus, dass der Steuerzahler
dazu beitragen würde, dass der - nicht hilfebedürftige - Sohn der Kläger seine monatlichen Verpflichtungen gegenüber der Bank
bedient.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.