Gründe
I.
Der am 00.00.1981 geborene Antragsteller absolviert seit dem 00.09.2011 eine Ausbildung zum Sozialhelfer an dem Katholischen
Berufskolleg, Fachschule für Sozialpädagogik, K-Akademie e.V. Die Gewährung von Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) wurde wegen Überschreitens der Altersgrenze nach §
10 Abs.
3 BAföG abgelehnt (Bescheid des Amts für Ausbildungsförderung der Stadt Essen vom 30.08.2011). Hiergegen ist ein Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht anhängig.
Der Antragsgegner hob mit Bescheid vom 25.05.2001 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den
Antragsteller mit Wirkung zum 01.09.2011 auf. Durch Bescheid vom 14.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
02.03.2011 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab.
Am 21.10.2011 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten,
ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Durch Beschluss vom 16.01.2012 hat das Sozialgericht Duisburg den Antrag abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen hat der Antragsteller am 10.02.2012 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs,
für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§
86 Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO -).
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller steht weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld
II nach § 19 SGB II (A) noch auf Leistungen für Auszubildende nach § 27 SGB II (B) zu.
A. Ein Anspruch des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II ist nicht gegeben. Nach § 7 Abs. 5 SGB II ist
der Antragsteller von der Leistungsberechtigung ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§
60 bis
62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach §
27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die vom Antragsteller am 07.09.2011 aufgenommene
Ausbildung zum Sozialhelfer ist nach §
2 Abs.
1 Nr.
2 BAföG (dem Grunde nach) förderbar. Der Antragsteller besucht eine Fachschule, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung
nicht voraussetzt, aber in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss - vorliegend den
des Sozialhelfers - vermittelt. Unerheblich ist, dass die Ausbildung des Antragstellers nach derzeitiger Aktenlage aus persönlichen
Gründen - Überschreiten der Höchstaltersgrenze von 30 Jahren - nach §
10 Abs.
3 Satz 1
BAföG nach den Vorschriften des
BAföG nicht förderungsfähig ist. Die Vorschrift des §
7 Abs.
5 Satz 1 SGB II knüpft nicht daran an, ob dem Auszubildenden wegen individueller, in seiner Person liegender Eigenschaften
eine Ausbildungsförderung nach dem
BAföG zusteht oder nicht, sondern allein daran, ob die von ihm besuchte Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist (vgl. zur
Maßgeblichkeit der abstrakten Förderungsfähigkeit im Rahmen des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II: Bundessozialgericht - BSG - Urteil
vom 27.09.2011 - B 4 AS 145/10 R = juris Rn 15f mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; zum Leistungsausschluss nach dem
BAföG bei Überschreiten der Höchstaltersgrenze: BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 97/09 R = juris Rn 17 m.w.N.).
Bei der vom Antragsteller angestrebten schulischen Ausbildung zum Sozialhelfer handelt es sich nach dem im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
möglichen Erkenntnisstand auch nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme i.S.v. §
77 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III; vgl. zum Nichteingreifen des Ausschlusstatbestandes des §
7 Abs. 5 SGB II bei Besuch einer Weiterbildungsmaßnahme: BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 97/09 R = juris Rn 18f), sondern um eine Erstausbildung. Die Qualifizierung einer Maßnahme als Ausbildung oder Weiterbildung i.S.v.
§
77 SGB III ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des Charakters der Maßnahme nach objektiven Abgrenzungskriterien vorzunehmen.
Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht die Bezeichnung als "Ausbildung"; die Abgrenzung ist ausschließlich unter Berücksichtigung
des Charakters der Maßnahme nach objektiven Kriterien vorzunehmen. Entscheidend für die Abgrenzung ist nicht das Ziel der
Maßnahme, sondern der Weg auf dem das Ziel erreicht werden soll. Weiterbildungsangebote sollen grundsätzlich auf dem bereits
vorhandenen beruflichen Wissen aufbauen. Es handelt sich insoweit um die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens
nach dem Abschluss der ersten Ausbildungsphase oder sonstiger beruflicher Betätigung ohne vorherigen Berufsabschluss, die
deswegen vielfach mit einer verkürzten Ausbildungsdauer einhergeht (BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 97/09 R = juris Rn 23 m.w.N.). Dabei ist zur Beurteilung, ob ein bestimmtes Lernziel im Wege der Ausbildung oder der Weiterbildung
erreicht wird, nicht allein auf die Vorschriften einer Ausbildungsverordnung abzustellen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung
der konkreten Maßnahme angezeigt, die sowohl die einschlägigen Ausbildungsvorschriften als auch die Ausbildungswirklichkeit
in den Blick nimmt, insbesondere, ob Vorkenntnisse eines Lernwilligen verwertbar sind und die Ausgestaltung der konkreten
Ausbildung mit beeinflusst haben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Bildungsmaßnahme des Leistungsberechtigten
im konkreten Fall etwa auf einen kürzeren Zeitraum als nach der Ausbildungsordnung vorgesehen angelegt war oder andere Veränderungen
des Lehrstoffs auf Grund von beruflicher Vorbildung erfolgt sind (BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 97/09 R = juris Rn 23 m.w.N.).
Bei der Ausbildung zum Sozialhelfer handelt es sich um eine landesrechtlich geregelte schulische Ausbildung an Berufsfachschulen
(vgl. Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit zum Sozialhelfer/in/-assistent in http://berufenet/arbeitsagentur.de/berufe).
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Ausbildung zum "Staatlich geprüften Sozialhelfer" (vgl. § 4 APO-BK Anlage B) für das Land Nordrhein-Westfalen ist die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung in den Bildungsgängen des
Berufskollegs vom 26.05.1999 in der Fassung der Verordnung vom 10.07.2011 (SGV. NRW 223 - APO-BK -). Danach handelt es sich um einen Bildungsgang von zwei Jahren in Vollzeitform (§ 2 APO-BK Anlage B), der nach den gesetzlichen Vorgaben nicht verkürzt werden kann. Soweit in §
85 Abs.
2 Satz 3
SGB III die Förderung eines Maßnahmeteils von bis zwei Dritteln einer Maßnahme als Weiterbildungsmaßnahme nicht ausgeschlossen ist,
wenn eine Verkürzung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen ausgeschlossen
ist und bereits bei Beginn der Maßnahme die Finanzierung für die gesamte Dauer der Maßnahme gesichert ist, ist eine Absicherung
der Kosten für letzte Ausbildungsdrittel durch den Antragsteller oder Dritte vor Aufnahme der Ausbildung nicht belegt.
Einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 6 SGB II, in dem Ausnahmen zum Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II geregelt
sind, erfüllt der Kläger nicht. Er ist nicht aufgrund der in §
7 Abs.
6 SGB II genannten Vorschriften des
BAföG von Leistungen ausgeschlossen, sondern weil er die persönlichen Anforderungen des §
10 Abs.
3 Satz 1
BAföG nicht erfüllt (vgl. hierzu BSG Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 28/06 R -).
B. Dem Antragsteller steht auch kein Anspruch auf Leistungen für Auszubildende nach § 27 SGB II zu.
Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 SGB II sind nicht gegeben. Es sind nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür erkennbar,
dass beim Antragsteller die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2, 3, 5, und 6 SGB II oder einen Sonderbedarf
i.S.v. § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II vorliegen. Dies wird vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht.
Ein Anspruch nach § 27 Abs. 3 SGB II ist auch nicht gegeben, da der Antragsteller keine Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld
nach dem
SGB III oder Leistungen nach dem
BAföG erhält.
Ebenfalls liegen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung
und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht vor. Nach § 27 Abs. 4 SGB II können diese Leistungen als
Darlehen gewährt werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Ein besonderer
Härtefall ist nur dann gegeben, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über dasjenige Maß hinausgehen, das regelmäßig mit
der Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalts für eine Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist.
Deshalb müssen im Einzelfall Umstände hinzutreten, die auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck, die Grundsicherung von den
finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten, den Ausschluss übermäßig hart, d.h. als unzumutbar oder in einem
hohen Maße unbillig, erscheinen lassen. Ein besonderer Härtefall muss über die mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5
Satz 1 SGB II verbundenen Folgen, im Regelfall die Ausbildung nicht oder nur eingeschränkt fortsetzen zu können, deutlich
hinausgehen. Es muss ein atypischer Lebenssachverhalt vorliegen, der es für einen Auszubildenden auch unter Berücksichtigung
des öffentlichen Interesses objektiv nicht zumutbar erscheinen lässt, seine Ausbildung zu unterbrechen; die Folgen des Anspruchsausschlusses
müssen deshalb über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung der Leistungen zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung
verbunden ist (zur Auslegung des Begriffs "besondere Härte" in der Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II: BSG Urteil
vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R = juris Rn 17f mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Der Antragsteller hat das Vorliegen eines solchen Härtefalls nicht glaubhaft gemacht. Zum Zeitpunkt der Antragstellung im
Oktober 2011 hatte er noch keinen wesentlichen Teil der erst am 00.09.2011 aufgenommenen und auf insgesamt zwei Jahre ausgelegten
Ausbildung zurückgelegt. Ein Abbruch der Ausbildung zwecks Erhalts von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist dem
Kläger zumutbar gewesen. Soweit das BSG einen Härtefall für möglich hält, wenn die finanzielle Grundlage der Ausbildung aus
der Sicht des Auszubildenden bei Aufnahme der Ausbildung gesichert schien (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 28/06 R - und vom 30.09.2008 - B 4 AS 28/07 R -), fehlen hier hinreichende objektive Anhaltspunkte für ein schutzwürdiges Vertrauen. Der Antragsgegner hat schon im Mai
2011 im Hinblick auf die vom Antragsteller beabsichtigte Aufnahme einer Ausbildung zum Sozialhelfer die Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II aufgehoben. Des Weiteren ist die Gewährung von
BAföG noch vor der Aufnahme der Ausbildung abgelehnt worden.
Ein besonderer Härtefall ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die konkrete Ausbildung bei objektiver Betrachtung
die einzige Chance darstellt, Zugang zum Erwerbsleben zu erhalten. Zwar können besondere soziale und/oder persönlichkeitsbedingte
Probleme dazu führen, dass eine Ausbildung für den Zugang zum Erwerbsleben eine so herausragende Bedeutung erlangt, dass es
unzumutbar wird, eine Ausbildung aus finanziellen Gründen abzubrechen (BSG Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R = juris Rn 21 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). In einem solchen Fall muss die Ausbildung aber objektiv belegbar
die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt für den Hilfebedürftigen darstellen und der Berufsabschluss nicht auf andere
Weise, insbesondere durch eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung (§
16 Abs.
1 Satz 2 SGB II i.V.m. §§ 77ff
SGB III) erreichbar sein. Zwar verfügt der Antragsteller nach derzeitiger Aktenlage über keinen Berufsabschluss oder sonstige qualifizierte
berufliche Kenntnisse. Dies allein genügt aber nicht zur Glaubhaftmachung, dass die Aufnahme einer schulischen Ausbildung
zum Sozialhelfer objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d. h. die gute Möglichkeit, dass die Ausbildung zum Sozialhelfer der einzige Zugang
zum Arbeitsmarkt ist, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht
zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände
besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -). Im Hinblick darauf, dass die Voraussetzung für die Gewährung von Weiterbildungsmaßnahmen nach §
77 SGB III bei Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss erleichtert sind (§
77 Abs.
2 SGB III) und sich weder aus der Akte noch aus den Bekundungen der Beteiligten im Verfahren ergibt, dass der Antragsgegner die Gewährung
von Weiterbildungsmaßnahmen nach §
16 Abs.
1 Satz 2 SGB II i.V.m. §§ 77ff
SGB III jedweder Art abgelehnt hat, ist nicht am wahrscheinlichsten, dass die Ausbildung zum Sozialhelfer die einzige Möglichkeit
für den Zugang des Antragstellers zum Arbeitsmarkt ist. Weder aus der Akte noch aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben
sich Anhaltspunkte, dass der Antragsteller sich beim Antragsgegner über die Gewährung von Weiterbildungsmaßnahmen zwecks Erwerbs
qualifizierter beruflicher Kenntnisse oder Abschlüsse hat beraten lassen. Ebenso wenig ist plausibel, aus welchen Gründen
die Teilnahme an anderen Weiterbildungsmaßnahmen als die Ausbildung zum Sozialhelfer nicht möglich gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.