Ablehnung des vom Grundsicherungsträger gestellten Antrags auf vorgezogene Altersrente wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsempfängers
gegenüber dem Rentenversicherungsträger
Antrag auf Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Gewährung von Regelbedarf nach SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung
Beurteilung der Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers
Rente als "bereites Mittel" zur Bedarfsdeckung
Tatsächliche Zufluss der Rente
Anspruch auf Altersrente begründet allein keinen Leistungsausschluss nach SGB II
Leistungsversagung nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB II wegen fehlender Mitwirkung im Rentenverfahren
Handlungsmöglichkeiten der Grundsicherungsträger im Falle mangelnder Mitwirkung der Leistungsberechtigten im Rentenverfahren
Gründe
I.
Die am 00.00.1951 geborene Antragstellerin bezog laufend Leistungen nach dem SGB II.
Am 12.05.2015 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Rheinland
vom 24.04.2015. Die Regelaltersrente, die ab 01.05.2017 gezahlt werden könnte, würde 540,55 Euro betragen. Die Antragstellerin
könne eine Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, da die Wartezeit erfüllt sei. Frühester Rentenbeginn
wäre ab dem 01.12.2014 mit einem Rentenabschlag von 8,7 %.
Mit Schreiben vom 28.05.2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, bei der Deutschen Rentenversicherung einen
Antrag auf die geminderte Altersrente zu stellen. Den von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid am 15.06.2015 eingelegten
Widerspruch wies der Antragsgegner, nach einem erfolglos geführten Eilverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf (S 24 AS 2178/15 ER) mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 als unbegründet zurück.
Der Antragsgegner beantragte am 09.07.2015 bei dem Rentenversicherungsträger gemäß § 5 Abs. 3 SGB II die Rentenzahlung für die Antragstellerin, da diese einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hatte. Die Antragstellerin
wurde hierüber mit einem Schreiben des Antragsgegners vom 09.07.2015 und einem Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom
16.07.2015 informiert. Der Rentenversicherungsträger forderte die Antragstellerin unter Hinweis auf §§
60,
66 SGB I zu Angaben und Auskünften zum Versicherungsleben im Rahmen einer formellen Antragsaufnahme im Service Zentrum auf. Dieser
Aufforderung kam die Antragstellerin nicht nach, da sie die Antragstellung für unbillig hielt. Mit bestandskräftigen Bescheid
vom 28.09.2015 lehnte der Rentenversicherungsträger den Antrag auf Altersrente mangels Mitwirkung ab.
Mit Bescheid vom 07.10.2015 entzog der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II ab 01.11.2015 gemäß §
66 SGB I. Den von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2015 als unbegründet
zurück. Der Antragsgegner erkannte die aufschiebende Wirkung der gegen diesen Bescheid eingereichten Klage - S 21 AS 4256/15 - nach einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Beschwerdeverfahren L 19 AS 2221/15 B ER an. Den Bescheid hob der Antragsgegner mit Abhilfebescheid vom 23.12.2015 auf und zahlte der Antragstellerin Leistungen
nach dem SGB II bis zum 31.01.2016 in Höhe von monatlich 799,35 Euro bzw. 804,35 Euro (Januar 2016).
Den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin vom 22.12.2015 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18.01.2016 ab. Die
Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig, da sie einen Leistungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend machen
könne. Ein tatsächlicher Zufluss der Rente sei nicht erforderlich. Der Antragsgegner bezog sich auf einen Beschluss des LSG
Rheinland-Pfalz vom 17.08.2015 - L 3 AS 370/15 B ER.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 29.01.2016 Widerspruch ein. Sie erhalte keine Leistungen Dritter. Nach
überwiegender Meinung komme es auf den Zufluss der Rentenzahlung an.
Die Antragstellerin hat am 15.02.2016 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie hat im Wesentlichen
ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsschreiben wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass der Antragsgegner im Wege der
Prozessstandschaft gegen die Ablehnung der Gewährung der Altersrente hätte Widerspruch einlegen müssen.
Mit Beschluss vom 29.02.2016 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft hätte die
Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich des Regelbedarfs nach § 20 SGB II sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin sei nicht hilfebedürftig, da sie durch eine Antragstellung
bei der Deutschen Rentenversicherung Hilfebedürftigkeit verhindern könne. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente
sei nicht unbillig, zumutbar und in angemessener Zeit durchsetzbar. "Erhalten" i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II setze keinen tatsächlichen Zufluss voraus.
Gegen den am 29.02.2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 03.03.2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung
hat sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.02.2016 aufzuheben und ihr vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, ursächlich für die geltend gemachte Hilfebedürftigkeit sei die grundsätzliche Verweigerungshaltung der Antragstellerin
in Bezug auf ihre Mitwirkungspflichten gegenüber dem Rentenversicherungsträger. Obwohl der SGB II-Leistungsträger eine Ersatzantragstellung vornehmen könne, könne sich der Leistungsberechtigte diesem Verfahren durch mangelnde
Mitwirkung entziehen. Insoweit wäre auch ein Widerspruch des Antragsgegners gegen den ablehnenden Bescheid des Rentenversicherungsträgers
nicht erfolgreich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, die auf den Regelbedarf nach § 20 SGB II beschränkt ist, ist begründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs,
für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung
aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§
86 Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO).
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte sind
die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 SGB II durch die Antragstellerin ab Antragstellung bei Gericht, d.h. ab dem 15.02.2016, gegeben. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II für den Leistungsbezug sind erfüllt, da die Antragstellerin das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat und erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II ist.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Antragstellerin auch hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II. Ihren Bedarf kann die Antragstellerin nicht über Einkommen decken. Nach Aktenlage sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,
dass die Antragstellerin seit der Antragstellung bei Gericht am 15.02.2016 Einkommen erzielt hat.
Dahinstehen kann, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf vorgezogene Altersrente aus §§
236,
237,
237a SGB VI gegenüber dem Rentenversicherungsträger zusteht. Selbst wenn dies der Fall ist, lässt ein solcher Anspruch die Hilfebedürftigkeit
der Antragstellerin i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II nicht entfallen. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderlichen Hilfen nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält. Diese Regelung bringt zum Ausdruck, dass SGB II-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Nach
gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 43/14 R - m.w.N.) kommt es bei der Beurteilung des Erhalts von Hilfe i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II auf den tatsächlichen Zufluss "bereiter Mittel" an. Der Leistungsberechtigte muss die Hilfe also tatsächlich "erhalten".
Der Antragstellerin sind keine Hilfen seitens des Rentenversicherungsträgers zugeflossen, so dass ihr keine Leistungen aus
der gesetzlichen Rentenversicherung als "bereite Mittel" zur Deckung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden haben
bzw. zustehen (vgl. Beschluss des Senats vom 29.02.2012 - L 19 AS 544/12 B ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 3 AS 990/15 B ER; a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.08.2015 - L 3 AS 370/15 B ER). Unerheblich ist, ob der Antragstellerin bei entsprechender Antragstellung gegenüber dem Rentenversicherungsträger
ein Anspruch auf vorgezogene Altersrente zusteht. Entscheidend ist der tatsächliche Zufluss einer solchen Rente als bereites
Mittel zur Bedarfsdeckung. Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 19.08.2015 - B 14 AS 43/14 R - ausgeführt, dass ein Verweis auf ein fiktiv vorhandenes Einkommen unzulässig ist. Die Verweigerung existenzsichernder
Leistungen aufgrund der Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten (teilweise) abzuwenden
gewesen wäre, ist danach mit Art.
1 GG i.V.m. Art.
20 GG nicht vereinbar. Das Bundessozialgericht hält die Berücksichtigung eines bestehenden Rechtsanspruchs als Einkommen auch dann
für ausgeschlossen, wenn ein Leistungsberechtigter auf die Realisierung des Anspruches hinwirken kann. Insoweit hat der 14.
Senat ausdrücklich in dieser Entscheidung die frühere Rechtsprechung, wonach eine Berücksichtigung eines Wertzuwachses als
Einkommen vor dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses erwogen worden ist, wenn eine Freigabe der fraglichen Mittel "ohne
Weiteres" zu erreichen war (vgl. etwa BSG, Urteile vom 10.05.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 und vom 16.05.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200, § 22 Nr. 60) unter Bezugnahme auf die jüngere Rechtsprechung zum Begriff der "bereiten Mittel" aufgegeben.
Es hat den Nachrangigkeitsgrundsatz (§§ 2, 3 Abs. 3 Halbs. 1 SGB II) dadurch gewahrt gesehen, dass ein solches - einen Wertzuwachs nicht realisierendes - Verhalten einen Ersatzanspruch nach
§ 34 SGB II auslösen kann. Diese vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze zum Begriff des "bereiten Mittels" sind übertragbar
auf die Fallgestaltung, dass ein Leistungsberechtigter der Aufforderung nach § 12a SGB II zur Rentenantragstellung nicht nachkommt bzw. in einem vom Grundsicherungsträger eingeleiteten Rentenverfahren nicht mitwirkt
Der Antragsgegner dürfte insoweit auch auf die Handlungsoption des § 34 SGB II hinzuweisen sein (vgl. hierzu LSG Sachsen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 3 AS 990/15 B ER).
Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II greift zu Ungunsten der Antragstellerin nicht ein. Danach erhält derjenige Leistungen nach dem SGB II nicht, der eine Altersrente bezieht. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist der tatsächliche Bezug einer Altersrente
Voraussetzung für den Leistungsausschluss, die Innehabung eines Anspruchs auf Altersrente begründet allein keinen Leistungsausschluss.
Die Antragstellerin bezieht keine Altersrente.
Ebenfalls begründet die Bestimmung des § 12a SGB II keinen Leistungsausschluss. Danach sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu
nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung
der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Die Vorschrift hat deklaratorischen Charakter (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12a Rn. 9; Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 12a Rn. 1). Diese Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers klarstellen, dass ein Leistungsberechtigter unter dem Gesichtspunkt
der Subsidiarität staatlicher Fürsorgeleistungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 KG 1/10 R -, BSGE 108, 144 m.w.N.) zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Sozialleistung und diesbezüglichen Antragstellung verpflichtet ist, wenn dadurch
die Hilfebedürftigkeit beseitigt, vermieden, verkürzt oder vermindert werden kann (vgl. BT-Drs. 16/7460 S. 17). Abweichend
von dieser Verpflichtung muss nach § 12a Satz 2 SGB II eine (vorzeitige) Altersrente von einem Leistungsberechtigen frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen
werden. Damit wird einheitlich für alle Hilfebedürftigen das Alter festgelegt, ab dem sie eine vorzeitige Altersrente mit
Abschlägen in Anspruch zu nehmen haben, wobei dem Verordnungsgeber in § 13 Abs. 2 SGB II die Befugnis eingeräumt wird, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsberechtigte
nach Vollendung des 63. Lebensjahres ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine vorzeitige
Altersrente zu beantragen. § 12a SGB II gibt dagegen - anders als §
51 Abs.
3 SGB V im Bereich des Krankengeldes - keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II mit dem Verweis auf den Antrag auf vorrangige Leistungen abzulehnen (Geiger, a.a.O., § 12a Rn. 1). Dies gereicht dem Grundsicherungsträger
grundsätzlich auch nicht zum Nachteil. Zum einem kann er auch bei einem Erstantrag Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X gegenüber den vorrangigen Sozialleistungsträgern - vorliegend dem Rentenversicherungsträger und dem Träger der Sozialhilfe
- anmelden. Zum anderen räumt ihm das Gesetz nach vergeblicher Aufforderung des Leistungsberechtigten zur Antragstellung (vgl.
zur Verwaltungsaktqualität einer Aufforderung zur Antragstellung nach § 12a SGB II: BSG, Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B) - wie im vorliegenden Fall - in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Möglichkeit ein, den Antrag selbst zu stellen und als gesetzlicher Prozessstandschafter die Durchsetzung der Ansprüche
durch Einlegung von Rechtsbehelfen zu verfolgen (Hengelhaupt, a.a.O., K § 12a Rn. 20, K § 5 Rn. 114f m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner von der Möglichkeit der Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II noch vorheriger Aufforderung zur Antragstellung zwar Gebrauch gemacht. Er hat jedoch den ablehnenden Bescheid des Rentenversicherungsträgers,
der aufgrund mangelnder Mitwirkung der Antragstellerin ergangen war, bestandskräftig werden lassen.
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die Gesetzeslage für die Grundsicherungsträger nach dem SGB II nicht eindeutig ist und die mangelnde Mitwirkung der Leistungsberechtigten im Rentenverfahren trotz der Verpflichtung nach
§ 12a SGB II nicht ohne Rechtsfolgen bleiben darf. Der Antragsgegner hat aber vorliegend seine Stellung im Rentenverfahren als Prozessstandschafter,
die ihn zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt, nicht ausgenutzt, also die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
zur Durchsetzung der Aufforderung nach § 12a SGB II nicht ausgeschöpft. Die Leistungsträger haben im Rahmen ihrer Prozessstandschaft die Möglichkeit, den Rentenversicherungsträger
nach Antragstellung aufzufordern, ihnen mitzuteilen, welche Angaben für den Antrag auf vorzeitige Altersrente von dem Leistungsberechtigten
erforderlich sind. Die zur vorzeitigen Rentengewährung erforderlichen Daten der Leistungsberechtigten dürften den Leistungsträgern
im Wesentlichen bekannt sein. Sofern einem Leistungsträger bestimmte Angaben nicht vorliegen, kann er den Leistungsberechtigen
unter Hinweis auf die Vorschriften zur Mitwirkung nach §§
60 ff.
SGB I auffordern, ihm diese zu benennen. Unterlässt der Leistungsberechtigte dies, kommt eine Versagung oder Entziehung der Leistungen
nach Maßgabe des §
66 SGB I in Betracht, da es sich hierbei um eine mangelnde Mitwirkung gegenüber dem Grundsicherungsträger nach dem SGB II und nicht gegenüber dem vorrangig verpflichteten Rentenversicherungsträger handelt. Zwar ist die Frage, ob ein Leistungsträger
nach Maßgabe von §
66 Abs.
1 S. 1
SGB I die Gewährung von Alg II versagen oder bewilligtes Alg II entziehen kann, wenn ein Leistungsberechtigter entgegen § 12a SGB II keinen Rentenantrag stellt oder im Rentenverfahren nicht mitwirkt, bislang höchstrichterlich nicht entschieden. So kann eine
Entscheidung nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB II nach überwiegender Auffassung nicht getroffen werden, wenn der Leistungsberechtigte entgegen § 12a SGB II auch nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger keinen Rentenantrag stellt. Denn für diesen Fall stelle § 5 Abs. 3 SGB II eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen dar (vgl. Bieback in Gagel, SGB II/SGB III, § 5 Rn. 97 f.; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 12a Rn. 9; Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, § 5 Rn. 165; Radüge in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12a Rn. 22; vgl. auch Hengelhaupt, a.a.O., § 12a Rn. 321; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. April 2011 - L 5 AS 525/11 B ER -; a.A.: Stachnow-Meyerhoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl., 2015, § 5 Rn. 92). Eine Leistungsversagung oder - entziehung nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB II ist aber möglich, wenn der Leistungsberechtigte im Rentenverfahren seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (vgl. Armborst
in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 5 Rn. 47; Geiger, a.a.O., § 12a Rn 2; Luthe, a.a.O., § 5 Rn. 165 f.; Radüge, a.a.O.; LSG Sachsen, Beschluss vom 22.05.2015
- L 8 AS 125/15 B ER zur analogen Anwendung des § 66 SGBI; Knickrehm/Hahn, a.a.O., §
5 Rn. 37 die Anwendung der Vorschrift des §
66 SGB I als möglich erachtet wird). Die insoweit bestehenden Bedenken, weil der mitwirkungsberechtigte (antragsbearbeitende) und
der sanktionierende (leistungsgewährende) Träger nicht identisch sind (vgl. Hengelhaupt, a.a.O.; Bieback, a.a.O., Rn. 99),
greifen nicht, wenn der Grundsicherungsträger selbst eine Aufforderung gegenüber dem Leistungsberechtigten mit dem Inhalt
von Angaben für das Rentenverfahren erlässt. Denn in diesem Fall sind die Leistungsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen
nach dem SGB II betroffen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der §§ 2, 12a SGB II keine direkten Sanktionsmöglichkeiten eröffnen, sie aber bei der Bestimmung und Auslegung der Rechte und Pflichten eines
Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind (Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 5 Rn. 37)
Der Geltungszeitraum der Regelungsanordnung orientiert sich an § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leiherer,
SGG, 11. Aufl., §
86b Rn. 35b m.w.N.).
Der Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe nach §§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
ZPO zu bewilligen. Die Rechtsverfolgung bietet nach den obigen Ausführungen hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. §
114 ZPO. Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten für
die Rechtsverfolgung aufzubringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, §
177 SGG.