Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II
Gewährung einer Prämie für das Bestehen einer fachtheoretischen Zwischenprüfung im Rahmen der beruflichen Weiterbildung –
hier einer Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Weiterbildungsprämie für das Bestehen einer fachtheoretischen Prüfung im
Rahmen der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher.
Der am 00.00.1977 geborene Kläger bezog laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (für den Zeit von Juli 2016 bis Juni 2017 mit Bescheiden vom 08.06.2016, 01.02.2017, 09.02.2017, 24.01.2017, für die Zeit
von Juni 2017 bis Mai 2018 mit Bescheid vom 04.05.2017, für die Zeit von Juli 2017 bis August 2018 mit Bescheid vom 27.04.2018
und 04.01.2019).
Der Kläger verfügt über die Allgemeine Hochschulreife und eine abgeschlossene Ausbildung als Einzelhandelskaufmann. Vom Beklagten
erhielt er im Mai 2016 einen Bildungsgutschein gemäß §§ 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II, 81 Abs.
4 SGB III zur Teilnahme an einer Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. Der Kläger begann am 24.08.2016 die Ausbildung an der
Fachschule für Sozialwesen - Sozialpädagogik am Berufskolleg Stadtmitte der Stadt N. Der Ausbildung lag die Ausbildungs- und
Prüfungsverordnung für Berufskollegs des Landes Nordrhein-Westfalen (APO-BK) vom 26.05.1999 i.d.F. vom 10.07.2016 (GV. NRW S. 630) für die Fachrichtung Sozialpädagogik zugrunde.
Der Kläger absolvierte am Ende des vorwiegend theoretischen Ausbildungsabschnitts den theoretischen Teil des Fachschulexamens
erfolgreich am 29.06.2018. Im Anschluss absolvierte er ein einjähriges Berufspraktikum und bestand den praktischen Prüfungsteil
des Fachschulexamens am 31.08.2019 erfolgreich. Der Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin eine Weiterbildungsprämie i.H.v.
1.500,00 Euro für das Bestehen einer Abschlussprüfung nach §
131a Abs.
3 Nr.
2 SGB III.
Am 02.07.2018 beantragte der Kläger für das Bestehen des theoretischen Teils des Fachschulexamens die Gewährung einer Weiterbildungsprämie
für die Zwischenprüfung nach
§
131a Abs.
3 SGB III. Mit Bescheid vom 10.07.2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Ausbildung sei noch nicht abgeschlossen. Erst nach Eingang
der staatlichen Anerkennung als Erzieher seien die Voraussetzungen für das Bestehen einer Abschlussprüfung erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2018 als unbegründet zurückwies.
Am 29.08.2018 hat der Kläger Klage erhoben.
Er hat vorgetragen, dass das Fachschulexamen aus einem theoretischen Prüfungsteil und einem praktischen Prüfungsteil am Ende
der Ausbildung bestehe. Zum zweiten Teil der Ausbildung werde man nur zugelassen, wenn der theoretische Teil des Fachschulexamens
erfolgreich abgelegt werde. Es werde der Ausbildungsstand eines Auszubildenden am Ende des zweiten Ausbildungsjahres abgefragt.
Per Definition sei eine Zwischenprüfung eine Prüfung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes eines Auszubildenden, in der Regel
abzulegen vor dem Ende des zweiten Ausbildungsjahres. In der APO-BK habe die Zwischenprüfung lediglich einen anderen Namen, nämlich "theoretischer Teil des Fachschulexamens".
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018 zu verurteilen,
ihm eine Weiterbildungsprämie von 1000,00 Euro für die bestandene Zwischenprüfung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass in der APO-BK für den Fachbereich Sozialpädagogik keine geregelte Zwischenprüfung vorgesehen sei. Aus diesem Grunde könne der Abschluss
des theoretischen Teils des Fachschulexamens auch nicht als geregelte Zwischenprüfung anerkannt und nicht entsprechend prämiert
werden. Bei den meisten Ausbildungsberufen sei es üblich, dass sich die Abschlussprüfung aus einem theoretischen und einem
praktischen Teil zusammensetze. Es handele sich demnach nur um eine geregelte Prüfung, sodass der erste Prüfungsteil gerade
keine Zwischenprüfung darstelle. Die beiden Prüfungsteile bildeten eine untrennbare Einheit in der Gesamtbewertung.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2020 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 10.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.08.2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger weitere 1000,00 € als Prämie für die fachtheoretische Prüfung
zu zahlen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 20.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 19.03.2020 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, dass kein Anspruch auf die Weiterbildungsprämie für die bestandene Zwischenprüfung bestehe. Die Tatbestandsvoraussetzung
des §§
131 Abs.
3 Nr.
1 SGB III seien bereits nach dem konkreten Wortlaut nicht erfüllt. Denn die Ausbildungsordnung sehe ausdrücklich keine Zwischenprüfung
vor. Er sehe weder eine Vergleichbarkeit noch die Möglichkeit einer analogen Anwendung. Dem stehe bereits der ausdrückliche
Wortlaut der gesetzlichen Regelung entgegen. Ein Teil einer Abschlussprüfung könne bereits vom Sinn her keine Zwischenprüfung
sein. Aus dem vom Kläger vorgelegten Abschlusszeugnis ergebe sich zweifelsfrei, dass eine einheitliche Prüfung bestehend aus
einem theoretischen und einem praktischen Teil absolviert worden sei. Die Ergebnisse des theoretischen Teils seien gemeinsam
mit den Ergebnissen des praktischen Teils im Abschlusszeugnis aufgeführt. Die Ergebnisse einer Zwischenprüfung fänden jedoch
niemals Eingang in ein Abschlusszeugnis, da die Zwischenprüfung lediglich eine Lernstandskontrolle und einen Zwischenstand
des in der Ausbildung erworbenen Wissens darstelle. Die Prämie für die Abschlussprüfung sei dem Kläger auch gezahlt worden.
Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift scheide aus. Die Ausbildung des Klägers sei auch nicht mit den in den Fachlichen
Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vorgenommenen Differenzierungen bei Ausbildungen mit gestreckter Abschlussprüfung vergleichbar
Die in den fachlichen Weisungen vorgenommene Differenzierung bei Berufen mit gestreckter Abschlussprüfung finde ihre Grundlage
in den Regelungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Dem Prüferportal könne eine abschließende Liste von Berufen
mit gestreckter Abschlussprüfung entnommen werden. Das Bundesinstitut für Berufsbildung führe den Beruf des Erziehers nicht
auf, da keine Gleichwertigkeit der Ausbildungen bestehe.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 17.02.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018, mit
dem der Beklagte die Gewährung einer Weiterbildungsprämie i.H.v. 1.000,00 Euro wegen des Bestehens des theoretischen Teils
des Fachschulexamens am 29.06.2018 nach §§ 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II, 131a Abs. Abs. 3 Nr. 1
SGB III abgelehnt hat.
Die vom Kläger erhobenen kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§
54 Abs.
2 und Abs.
4,
56 SGG ist zulässig.
Das Sozialgericht hat zu Recht den angefochtenen Bescheid vom 10.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018
aufgehoben und den Beklagten verurteilt, eine Weiterbildungsprämie i.H.v. 1000,00 Euro für das Bestehen des theoretischen
Teils des Fachschulexamens zu zahlen. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach Bestehen einer
Zwischenprüfung i.S.v. §
131a Abs.
3 Nr.
1 SGB III.
Nach § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 18.07.2016, BGBl I 1710, gültig ab dem 01.06.2018,) kann der zuständige Grundsicherungsträger Leistungen
nach §
131a SGB III (i.d.F.des Gesetzes vom 18.07.2016, BGBl I 1710, ab dem 01.08.2016) erbringen.
Im Juni 2018 erfüllte der Kläger für die Gewährung der von Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1. S. 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom. 22.12.2016, BGBl I 3155; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 7/13 R; Luik in Eicher/Luik, 4. Aufl. 2017, § 16 Rz 49; Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, Stand 26.02.2021, § 16 Rz 37). Er erfüllte die Anforderungen an das Lebensalter (Nr. 1: vollendetes 15. Lebensjahr bis zum Erreichen der Altersgrenze
nach § 7a SGB II), war erwerbsfähig (Nr. 2), hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4) und war hilfebedürftig
(Nr. 3). Er verfügte weder über anrechenbares Einkommen noch über zu berücksichtigendes Vermögen. Ausschlussgründe nach §
7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 SGB II lagen nicht vor. Unerheblich ist, dass der Kläger nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II als Auszubildender, dessen Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG), von den Leistungen ausgeschlossen war. Denn dieser Leistungsausschluss bezieht sich nur auf nur auf die Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts, er erstreckt sich nicht auf Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 10/20, § 16 SGB II, Rn. 53; Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, Stand 26.02.2021, § 16 Rz 3; Kothe in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2020 § 16 SGB II Rn. 2; Becker in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 7 Rn. 197).
Der Beklagte hat das ihm nach § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II eingeräumte Entschließungsermessen dahin gehend ausgeübt, dass er dem Kläger im Mai 2016 einen Bildungsgutschein nach §
81 SGB III zur Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher gewährt hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 117/10 R). Der Beklagte hat dem Kläger die Weiterbildungsmaßnahme dem Grunde nach bindend bewilligt und damit hat er die ihm maximal
eingeräumte Möglichkeit zur Ermessensbetätigung ausgeschöpft. Er ist nunmehr verpflichtet, die Leistung in dem in §
81 ff.
SGB III zwingend vorgesehen Umfang zu erbringen (BSG, a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). Dies umfasst nach § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II auch die Leistungen nach §
131a Abs.
3 SGB III, da diese an eine nach den Vorschriften des §
81 ff.
SGB III gewährte beruflichen Weiterbildung bzw. Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme anknüpfen.
Nach §
131a Abs.
3 SGB III erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach §
81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes-
oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, wenn die Maßnahme vor
Ablauf des 31. Dezember 2020 beginnt, eine Prämie von 1000,00 Euro nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung
( Nr. 1) und 1500,00 Euro nach Bestehen der Abschlussprüfung (Nr.
2). Gemäß §
444a Abs.
2 SGB III muss die Weiterbildung nach dem 31.07.2016 begonnen haben.
Bei der von dem Kläger absolvierten Umschulung zum Erzieher handelt es sich um eine Weiterbildungsmaßnahme nach §
81 SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 18.07.2016, BGBl I 1710). Dabei lässt der Senat offen, ob schon die bestandskräftige Bewilligung
des Beklagten durch die Ausgabe des Bildungsgutscheins im Rahmen des §
131a Abs.
3 SGB III Bindungswirkung erzeugt, oder ob die materiellen Voraussetzungen des §
81 Abs.
1 SGB III erfüllt sein müssen. Denn die Ausbildung zum Erzieher an einer Fachschule ist trotz fehlender Möglichkeit, die Ausbildungsdauer
zu verkürzen, nach §
180 Abs.
4 S. 2 , Abs.
5 SGB III (i.d.F. des Gesetzes vom 18.07.2016, BGBl I 1710) dem Grunde nach förderungsfähig (vgl. Schaumberg in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-
SGB III, 2. Aufl., §
180 SGB III (Stand: 15.01.2019), Rn. 56; Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der beruflichen Weiterbildung
nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§
81 ff.
SGB III, Stand 08.02.2021, Rdz. 81.56).
Der Kläger hat die durch den Bildungsgutschein gemäß §
81 Abs.
4 SGB III bewilligte Maßnahme auch durchlaufen. Sowohl die Maßnahme als auch der Träger sind zugelassen. Der Kläger ist auch als Arbeitnehmer
anzusehen, da er während der Zeit der Arbeitslosigkeit dem Kreis von Personen zuzurechnen ist, der andernfalls eine abhängige
Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würde. Der Abschluss im Ausbildungsberuf staatlich anerkannter Erzieher
dauert mindestens drei Jahre. Die Maßnahme begann nach dem 31.07.2016. Der Kläger hat auch das Fachschulexamen mit Ablegung
des praktischen Prüfungsteils bestanden, weshalb der Beklagte ihm die Prämie für das Bestehen der Abschlussprüfung nach §
131a Abs.
3 Nr.
2 SGB III bewilligt hat.
Der Kläger hat durch die erfolgreiche Ablegung des theoretischen Prüfungsteils des Fachschulexamens in der Fachrichtung Sozialpädagogik
am 29.06.2018 entsprechend § 30 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK eine Prüfung entsprechend einer Zwischenprüfung i.S.v. §
131a Abs.
3 Nr.
1r 1
SGB III bestanden, die in bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften geregelt ist.
Eine Zwischenprüfung ist eine Prüfung, die während der Berufsausbildung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes stattfindet
(vgl. § 48 Abs. 1 BBiG i.d.F des Gesetzes vom 23.03.2005, BGBl I 931). Nicht das Ergebnis, sondern allein die Teilnahme an der Zwischenprüfung sind
Voraussetzung für die Zulassung zur Abschlussprüfung (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Bei der Ausbildung des Klägers zum Erzieher handelte es sich nicht um eine betriebliche Berufsbildung, sondern um eine
schulische Berufsbildung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BBiG, auf die das BBiG keine Anwendung findet (§ 3 BBiG) und die für das Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§22 Absatz 7 SchulG)"zur APO-BK geregelt ist. Nach § 9 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK wird am Ende des Bildungsganges ein Fachschulexamen durchgeführt, mit dem die in dem Bildungsgang erworbene Gesamtqualifikation
festgestellt wird. Der erste Teil des Fachschulexamens für den der Kläger eine Prämie begehrt, fand zwar während seiner Weiterbildung
statt, diente aber nicht der Ermittlung des Ausbildungsstandes, sondern war Bestandteil des Fachschulexamens in der Fachrichtung
Sozialpädagogik. Nach § 27 Abs. 2 S. 1 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)"zur APO-BK findet die überwiegend fachtheoretische Ausbildung im Fach Sozialpädagogik in der konsekutiven Organisationsform, die
der Kläger absolvierte, in den ersten beiden Schuljahren statt, während im dritten Schuljahr die überwiegend fachpraktische
Ausbildung in Form eines einjährigen Berufspraktikums stattfindet. In der konsekutiven Organisationsform besteht in der Fachrichtung
Sozialpädagogik das Fachschulexamen aus einem theoretischen Prüfungsteil am Ende des vorwiegend theoretischen Ausbildungsabschnittes
und einem praktischen Prüfungsteil am Ende des Berufspraktikums.
Bei der Ablegung des theoretischen Prüfungsteils des Fachschulexamens handelt es sich auch nicht um eine Abschlussprüfung
i.S.v. §
131a Abs.
3 Nr.
2 SGB III (so Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§
81 ff.
SGB III, Stand 08.02.2021, Rdz. 81.69). Nach der Konzeption des BBiG ist durch die Abschlussprüfung festzustellen, ob der Prüfling die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat. In ihr soll
der Prüfling nachweisen, dass er die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen beruflichen Kenntnisse
und Fähigkeiten besitzt und mit dem im Berufsschulunterricht zu vermittelnden, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff
vertraut ist (§ 38 BBiG), wobei die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinanderfallende Teile durchgeführt werden kann, die sog. gestreckte Abschlussprüfung
(§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBiG).
Mit dem erfolgreichen Ablegung des theoretischen Prüfungsteils des Fachschulexamens in der Fachrichtung Sozialpädagogik endet
zwar die berufliche Weiterbildung i.S.v. §
81 SGB III, da die Zeit der fachpraktische Ausbildung in Form eines Berufspraktikums nach §
180 Abs.
5 SGB III keine berufliche Weiterbildung im Sinne des
SGB III ist. Jedoch ist die schulische Berufsbildung zum Erzieher nicht mit der Ablegung des fachtheoretischen Prüfungsteils abgeschlossen,
sondern erst mit der Ablegung des fachpraktischen Teils des Fachschulexamens. Das Fachschulexamen, mit dem die in dem Bildungsgang
erworbene Gesamtqualifikation festgestellt wird, entspricht der im BBiG geregelten Abschlussprüfung einer betrieblichen Berufsbildung und zwar in Form der gestreckten Abschlussprüfung.
Nach Auffassung des Senats ist §
131a Abs.
3 Nr.
1 SGB III aber analog auf die Ablegung des ersten Teils einer gestreckten Abschlussprüfung im Sinne des BBiG zumindest bei mehrjährigen Ausbildungen anzuwenden, also die Ablegung des ersten Teils einer gestreckten Abschlussprüfung
im Sinne des BBiG mit einer Zwischenprüfung gleichzusetzen (siehe auch Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der beruflichen
Weiterbildung nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§
81 ff.
SGB III, Stand 08.02.2021, Rdz. 81.69; zweifelnd LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.11.2019 - L 13 AL 142/19 ; LSG NRW, Urteil vom 23.11.2020 - L 20 AL 53/19, Revision anhängig unter B 11 AL 2/21 R; verneinend: SG Berlin, Urteil vom 25.08.2020 - S 120 AL 573/19). Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm
analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht
soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre bei einer
Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift,
zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist mithin die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestands
auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R m.w.N. und vom 25.08.2011 - B 11 AL 30/10 R m.w.N.).
Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, da zwar nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die Zwischenprüfung, nicht aber
der erste Teil einer gestreckten Abschlussprüfung als Anspruchsvoraussetzung genannt wird, der Gesetzgeber jedoch im Gesetzgebungsverfahren
ausgeführt hat, dass bei Ausbildungsberufen mit gestreckter Abschlussprüfung der erste Teil der Abschlussprüfung einer Zwischenprüfung
bei der Gewährung einer Weiterbildungsprämie gleichgestellt werden soll (so ausdrücklich BR-Drucks. 65/16 S. 24 f. und BT-Drucks.
18/8042 S. 27). Nach den Gesetzesmaterialien stellt die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung
für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen. Dies gelte für Arbeitslose,
aber insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten. Mit der
Einführung von Erfolgsprämien für das Bestehen einer durch Gesetz oder Verordnung geregelten Zwischenprüfung und der Abschlussprüfung
sollte die Motivation erhöht werden, eine von Agenturen für Arbeit geförderte abschlussbezogene berufliche Weiterbildung aufzunehmen,
durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Die Prämienzahlung bezweckt damit, Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen der
Teilnehmenden zu honorieren.
Nach § 48 Abs. 1. S. 1 BBiG ist während der Berufsausbildung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes eine Zwischenprüfung durchzuführen. Sofern die Ausbildungsordnung
vorsieht, dass die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinanderfallenden Teilen durchgeführt wird (§ 44 BBiG), findet nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 BBiG - Erfordernis einer Zwischenprüfung - keine Anwendung. Nach § 44 Abs. 1 BBiG ist, wenn die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinanderfallenden Teilen durchgeführt wird, über die Zulassung jeweils
gesondert zu entscheiden. Zum ersten Teil der Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebene,
erforderliche Ausbildungszeit zurückgelegt hat und die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BBiG erfüllt (Abs. 2). Zum zweiten Teil der Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer über die Voraussetzungen in § 43 Abs. 1 BBiG hinaus am ersten Teil der Abschlussprüfung teilgenommen hat (Abs. 3). Damit ist die Situation eines Auszubildenden in einer
mehrjährigen Berufsbildung mit einer gestreckten Abschlussprüfung vergleichbar mit der eines Auszubildenden, dessen Ausbildungsordnung
die Ablegung einer Zwischenprüfung und Abschlussprüfung vorsieht. Beide Formen der (mehrjährigen) betrieblichen Berufsbildung
erfordern die Ablegung von zwei Prüfungen in zeitlichen Abstand.
Die Regelung in § 30 Abs. 1 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK, wonach in der Fachrichtung Sozialpädagogik das Fachschulexamen aus einem theoretischen Prüfungsteil am Ende des vorwiegend
theoretischen Ausbildungsabschnitts und einem praktischen Prüfungsteil am Ende des Berufspraktikums besteht, entspricht den
Vorgaben des § 44 BBiG betreffend die Durchführung einer gestreckten Abschlussprüfung. Danach wird am Ende des vorwiegend theoretischen Ausbildungsabschnitts
der theoretische Prüfungsteil abgelegt, wobei in § 29 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK die Voraussetzungen zur Zulassung zu diesem Prüfungsteil geregelt sind. Der praktische Prüfungsteil schließt am Ende des
Berufspraktikums i.S.d. § 31 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK an und bedarf einer Zulassung nach § 32 der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule (§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK.
Wegen der Vergleichbarkeit der im BBiG geregelten gestreckten Abschlussprüfung bei betrieblicher Berufsbildung und des in der Anlage E "Bildungsgänge der Fachschule
(§ 22 Absatz 7 SchulG)" zur APO-BK geregelten Fachschulexamens in der Fachrichtung Sozialpädagogik ist die Vorschrift des §
131a Abs.
3 Nr.
1 SGB III analog auch auf die Ablegung des theoretischen Teils des Fachschulexamens anwendbar. Die Weiterbildungsprämien sollen das
Durchhaltevermögen bei mehrjährigen Ausbildungen stärken, weswegen grundsätzlich eine mehrjährige Ausbildung als Modell der
gesetzlichen Regelung gedient hat (vgl. BR-Drs. 65/16, S. 24; vgl. auch die Ausführungen der Parl. Staatssekretärin bei der
Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Anette Kramme, vor dem Deutschen Bundestag, Plenarprotokoll 18/164, S. 16106, und
Plenarprotokoll 18/173, S. 17066). Eine Beschränkung auf betriebliche Berufsbildungen findet sich in den Materialien jedoch
- soweit ersichtlich - nicht (vgl. auch BT-Drs. 18/8042, S. 2, 15 und 27; Beiträge des Abgeordneten Karl Schiewerling, Plenarprotokoll
18/164, S. 16108, und der Abgeordneten Katja Mast, a.a.O. S. 16114), so dass auch schulische Berufsbildungen umfasst sind.
Im Ergebnis ging es darum, einen erfolgreichen Abschluss zu fördern, wobei andere Voraussetzungen als die im gesetzlichen
Tatbestand enthaltenen nicht explizit verlangt wurden; entscheidend war das Bestehen einer Abschluss- und ggf. auch Zwischenprüfung
nach längerer Ausbildung (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales BT-Drs. 18/8647,
S. 15 f.).
Dass die Ausbildung des Klägers in der Übersicht der Berufe mit gestreckter Abschlussprüfung im Prüferportal des Bundesinstituts
für Berufsbildung (BIBB) nicht explizit aufgeführt ist, da es sich um eine schulische Berufsbildung handelt, hat aus den o.g.
Gründen keine rechtliche Relevanz. Anzumerken ist, dass sich dieses Portal mit Prüfungen nach dem BBiG befasst, das BBiG aber nicht auf schulische Berufsbildungen anwendbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.