Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die hinreichenden Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits über die Unzulässigkeit des Widerspruchs in einem
Verwaltungsverfahren über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II
Anforderungen an die Verwaltungsaktseigenschaft des Schreibens einer Behörde
Der Regelungscharakter eines Verwaltungsaktes liegt vor, wenn die Behörde eine potenziell verbindliche Rechtsfolge gesetzt
hat, d.h. durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt
oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt hat – hier verneint für ein
auf eine Beratung zielendes und im Konjunktiv formuliertes Schreiben des Leistungsträgers.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe (PKH) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
PKH wird nach §
73a Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) - bei Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Übrigen - nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des PKH-Antragstellers
auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in
tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG 13. Aufl. 2020, §
73a Rn. 7a).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat den Antrag auf Bewilligung von PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten zu Recht abgelehnt.
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hat keine Aussicht auf Erfolg, denn der Beklagte hat den Widerspruch
der Kläger vom 16.06.2020 gegen das Schreiben des Beklagten vom 10.06.2020 zu Recht als unzulässig verworfen und eine Kostenerstattung
für das Widerspruchsverfahren abgelehnt. Das angefochtene Schreiben stellt keinen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar, gegen den zulässig Widerspruch i.S.v. §
83 SGG erhoben werden könnte. Ein Verwaltungsakt ist gem. § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet
des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dem Schreiben vom 10.06.2020
mangelt es jedenfalls am Regelungscharakter. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge
gesetzt hat, d.h., durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich
festgestellt oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt hat ( vgl. Schütze/Engelmann,
9. Aufl. 2020, SGB X § 31 Rn. 40 m.w.N.). Ob ein auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichteter Regelungswille anzunehmen ist, ist in Anwendung der
für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§
133,
157 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -) zu ermitteln. Maßgebend ist insoweit der objektive Sinngehalt der Erklärung, dh wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger
Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen
Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann. Hier ist auch
die äußere Form der Maßnahme mit zu berücksichtigen (zB Bezeichnung eines Schreibens als "Bescheid", Anfügen einer Rechtsbehelfsbelehrung;
vgl. Schütze/Engelmann, a.a.O. § 31 Rn. 43 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem Schreiben vom 10.06.2020 - ebenso wenig wie den weiteren von den Klägern angegriffenen
Schreiben vom 26.05.2020 und 08.06.2020 - nicht der Wille des Beklagten zu entnehmen, mit diesem bereits verbindlich die Gewährung
von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) abzulehnen. Bereits das Schreiben vom 26.05.2020 ist im Konjunktiv formuliert ("hätten Sie bei momentaner Rechtslage keinen
Anspruch auf SGB II-Leistungen) und zielte auf eine Beratung der Kläger ab. Auch mit Schreiben vom 08.06.2020 wurden Leistungen nicht abschließend
abgelehnt, sondern er wurde erneut über die Voraussetzungen einer Leistungsbewilligung in Abhängigkeit von der Art der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses aufgeklärt und dazu geraten, sich nochmals mit dem früheren Arbeitgeber des Klägers zu 1) in Verbindung
zu setzen. Auf dieser Korrespondenz fußt auch das Schreiben des Beklagten vom 10.06.2020. Auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen
weist bereits die Einleitung des Schreibens "bezüglich Ihres Anrufs jetzt noch mal zur Erläuterung" hin. Sodann werden erneut
aus Sicht des Beklagten die Rechtslage und die erforderlichen Voraussetzungen einer Leistungsbewilligung in Bezug auf die
Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erläutert. Auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält das Schreiben, ebenso wie
die Schreiben vom 26.05.2020 und 08.06.2020, nicht. Eine verbindliche Leistungsablehnung konnten die Kläger dem Schreiben
bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Sachzusammenhänge nicht entnehmen.
Mangels Erfolgs des Widerspruchs hat der Beklagte zudem zu Recht eine Kostenerstattung gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X abgelehnt.
Mit Bescheid vom 29.07.2020 sind den Klägern nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen schließlich Leistungen ab März 2020
bewilligt worden, so dass die entsprechende Verpflichtungsklage ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat. Selbst wenn dieser
Bescheid mangels Bekanntgabe zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 31.07.2020 noch nicht wirksam gewesen ist und nicht bereits
aus diesem Grund ein Rechtsschutzbedürfnis fehlte, so war die Klage jedenfalls mangels Abschlusses des Verwaltungsverfahrens
unzulässig, arg. ex. §
78 SGG.
Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind gem. §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO nicht erstattungsfähig.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).