Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bzw. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit vom 01.09.2011 bis zum 20.05.2012.
Der am 00.00.1976 geborene Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger. Nach Tätigkeiten als Kampfrichter im Ringkampf und Security-Mitarbeiter
in Bulgarien lebte und arbeitete er erstmals im September 2008 einen Monat in L, kehrte aber im Oktober 2008 nach Bulgarien
zurück. Ab dem 13.09.2009 war er wieder in L gemeldet und hielt sich seitdem bis jedenfalls zum Ende des streitigen Zeitraums
ununterbrochen dort auf. Er lebte in einer 16 qm großen Wohnung, für die nach dem Mietvertrag vom 10.04.2010 ein Mietzins
in Höhe von 167,15 Euro zzgl. einer Betriebskostenpauschale in Höhe von 63,85 Euro und Heizkosten in Höhe von 25,- Euro sowie
Stromkostenvorauszahlungen in Höhe von 15,- Euro, ab 01.01.2012 in Höhe von 29,- Euro zu entrichten waren.
Vom 03.11.2009 bis zum 02.05.2010 war der Kläger bei der Firma C GmbH beschäftigt. Für diese Beschäftigung wurde eine Arbeitsgenehmigung-EU
weder beantragt noch erteilt. Nach eigenen Angaben war er ab dem 13.04.2010 arbeitsunfähig. Mit Versäumnisurteilen des Arbeitsgerichts
L vom 07.07.2010 und 01.09.2010 wurden dem Kläger noch rückständiges Arbeitsentgelt nebst Zinsen zugesprochen, eine Zahlung
der Firma C GmbH in Höhe von 2.139,90 Euro wurde am 26.09.2012 auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben.
Vom 30.04. bis 05.05.2010 war der Kläger wegen einer Knieverletzung in stationärer Behandlung. Am 02.03.2011 wurde er an dem
Knie operiert. Er bezog vom 01.06.2010 bis 23.11.2010 sowie vom 17.01.2011 bis 03.05.2011 Krankengeld, dies aufgrund von Arbeitsunfähigkeit
wegen Meniskusschädigung, Zerrung und Verstauchung, Binnenschädigung und Arthrose des Knies. Wegen der Knieverletzung machte
der Kläger das Vorliegen eines Arbeitsunfalls geltend, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls wurde jedoch durch die Berufsgenossenschaft
abgelehnt, ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Köln (SG, Az. S 16 U 320/11) blieb erfolglos. In der Zeit vom 24.11.2010 bis 16.01.2011 sowie vom 04.05.2011 bis 09.09.2011 bezog der Kläger Arbeitslosengeld
I in Höhe von 18,51 Euro kalendertäglich. Der ausgezahlte Anspruch für September 2011 belief sich auf 166,59 Euro. Vom 30.08.2011
bis zum 02.03.2012 nahm der Kläger an einem Kurs "Berufsbezogene Sprachförderung", welcher 730 Stunden in Vollzeit (Fehlzeiten
davon: 140 Stunden) umfasste, teil. Die Teilnahme wurde durch den Europäischen Sozialfonds gefördert (sog. "ESF BAMF Projekt")
und war für den Kläger kostenfrei, weitere Leistungen wurden nicht gezahlt.
Der Kläger beantragte am 10.10.2011 und 23.12.2011 bei der Agentur für Arbeit (Fachstelle Zentrale Auslands- und Fachvermittlung)
jeweils eine Arbeitserlaubnis-EU für Tätigkeiten als gewerblicher Mitarbeiter bzw. Kurierdienstfahrer, welche jedoch wegen
bevorrechtigter Arbeitnehmer abgelehnt wurden, ein Eilverfahren vor dem SG (Az. S 15 AL 65/12 ER) gegen die Ablehnung der Tätigkeit als Kurierdienstfahrer blieb erfolglos.
Einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 08.09.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2011 ab, da die Leistungsvoraussetzungen nicht vorlägen, weil der
Kläger lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche in der BRD habe. Der Kläger legte am 31.10.2011 Widerspruch
ein und wandte sich zugleich mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das SG (Az. S 31 AS 4170/11 ER). Dieser wurde abgelehnt, im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht NRW (Az. L 19 AS 2279/11 B ER) schlossen Kläger und Beklagter Anfang März 2012 einen Vergleich, wonach dem Kläger vorläufig vom 31.10.2011 bis zum
15.03.2012 Leistungen gewährt wurden. Zwecks Umsetzung dieses Vergleichs erließ der Beklagte am 12.03.2012 einen Ausführungsbescheid,
mit dem vorläufig Leistungen bewilligt wurden. Am 15.03.2012 wurden Nachzahlungen in Höhe von 2.059,14 Euro und 774,53 Euro
auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben.
Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.05.2012 mit der Begründung zurück, dass der Kläger aufgrund
des Vorbehalts zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) von Leistungen ausgeschlossen sei. Ein Leistungsanspruch könne sich
nur im Falle eines Daueraufenthaltsrechts als Arbeitnehmer ergeben, das nicht vorliege.
Am 21.05.2012 stellte der Kläger einen erneuten Leistungsantrag, über den noch nicht durch Bescheid entschieden wurde. Diesbezüglich
ist noch ein Klageverfahren vor dem SG anhängig (Az. S 20 AS 3632/12).
Mit seiner am 31.05.2012 vor dem SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er hat ergänzend vorgetragen, Vater eines in L lebenden Kindes
deutscher Staatsangehörigkeit zu sein, zu dem er regelmäßig Kontakt habe. Das Kind (M E E1) sei während der Ehezeit der Mutter,
der Zeugin N W-E1, mit einem deutschen Staatsangehörigen geboren und gelte als dessen Kind. Dieser Ehemann sei zwischenzeitlich
verstorben, die Kindesmutter verweigere einen Vaterschaftstest. Sein Aufenthalt in Deutschland habe nicht allein dem Zwecke
der Arbeitsuche gedient, sondern auch der Wahrnehmung des Umgangs mit seinem Sohn. Seine Knieerkrankung, wegen der er seine
Beschäftigung im Mai 2010 verloren und Krankengeld bezogen habe, rühre von einem Arbeitsunfall im April 2010 her.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.05.2012 aufzuheben und den Beklagten
zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab dem 01.09.2011 bis 20.05.2012 Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat an seiner Auffassung festgehalten, dass ein Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greife.
Mit Bescheid vom 23.01.2013 sind dem Kläger aufgrund einer Arbeitsaufnahme (geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei der
Fa. X in L) ab dem 01.10.2012 bis zum 31.01.2013 antragsgemäß ergänzend vorläufig Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden. Anschließend ist der Kläger vollzeitbeschäftigt gewesen und hat seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln
gedeckt.
Durch Urteil vom 13.03.2014 hat das SG den Beklagten dem Antrag entsprechend verurteilt. In der Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stehe - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - einem Leistungsanspruch nicht entgegen. Die Norm sei europarechtskonform
auszulegen. Hier habe bereits eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt bestanden durch Ausübung der ersten Tätigkeit, Krankengeldbezug
und Erlangung eines ALG I-Anspruchs. Der Kläger bleibe als arbeitsuchender EU-Bürger so lange freizügigkeitsberechtigt und habe ein Aufenthaltsrecht
zum Zwecke der Arbeitsuche, als er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit suche. Die Arbeitsuche des Klägers sei auch
erfolgreich gewesen, denn er habe ab dem 01.10.2012 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen, die zwischenzeitlich in ein
versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis eingemündet sei.
Gegen das ihm am 08.04.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25.04.2014 Berufung eingelegt. Er trägt vor, der Kläger
sei gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BSG sei der Leistungsausschluss europarechtskonform. Auf Art.
6 Abs.
1 GG könne der Kläger sich nicht berufen, weil seine Vaterschaft nicht festgestellt worden sei und das während der Ehe der Kindsmutter
mit einem Deutschen geborene Kind als eheliches Kind gelte. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Dezember 2015 ergangenen
Urteile des BSG (Urteil vom 03.12.2015, Az. B 4 AS 44/15 R u.a.) hat der Beklagte ausgeführt, die frühere Arbeitnehmereigenschaft des Klägers habe im strittigen Zeitraum keine Fortwirkung
gehabt. Der Anspruch auf ALG I sei lediglich aus der früheren Beschäftigung von weniger als einem Jahr sowie aus dem Krankengeldbezug entstanden. Für
die Tätigkeit bei der Firma C GmbH habe es im Übrigen an einer Arbeitserlaubnis gefehlt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.03.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.03.2014 zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist erneut darauf, dass er bereits eine tatsächliche Verbindung zum Arbeitsmarkt der BRD hergestellt
habe und außerdem Kindsvater eines Sohnes mit deutscher Staatsangehörigkeit sei. Er sei durchgehend als Arbeitsuchender und
Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt gewesen. Der Verlust des Freizügigkeitsrechts sei nicht festgestellt worden. Der Status
als Beschäftigter bleibe ihm bei einer vorübergehenden Unterbrechung einer tatsächlichen Beschäftigung wegen Krankheit, Arbeitsunfalls,
Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit so lange erhalten, wie Arbeitslosengeld oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang
mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen seien. Während des Sprachkurses sei er außerdem in der gesetzlichen Unfallversicherung
versichert gewesen, so dass auch für diese Zeiträume weiterhin von einem Status als Beschäftigter auszugehen sei. Jedenfalls
ergebe sich ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII gegen die Beigeladene. Er sei auch hilfebedürftig gewesen. Er habe am 15.09.2011 einen Kontostand von - 13,26 Euro gehabt
und bis zur Nachzahlung des Jobcenters aufgrund des Vergleichs im Eilverfahren am 15.03.2012 seien weitere 847,95 Euro abgebucht
worden. Zudem habe er im Oktober 2011 ein zinsloses Darlehen i.H.v. 1.000,- Euro von der Zeugin B G erhalten. Hierzu hat er
eine entsprechende Bescheinigung der Zeugin G, datierend auf den 02.10.2011, vorgelegt. Die entstandenen Mietrückstände habe
er später ausgeglichen. Auch das gewährte Darlehen der Zeugin G habe er zurückgezahlt, nachdem er die Nachzahlung des Beklagten
erhalten habe.
Der Senat hat mit Beschluss vom 28.07.2016 die Stadt L als Trägerin der Leistungen nach dem SGB XII notwendig zum Verfahren beigeladen. Diese meint, der Kläger habe durch den Bezug von Krankengeld ein Freizügigkeitsrecht
gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 sowie § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 FreizügG/EU erworben. Außerdem habe er ein materielles Freizügigkeitsrecht dadurch erworben, dass er ab dem 01.12.2012 einer Erwerbstätigkeit
nachgegangen sei.
Am 20.03.2018 hat der Senat eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Kläger befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2018, Bl. 381 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen. Die mündliche Verhandlung
ist vertagt worden.
Der Kläger hat im Nachgang zu dem Termin vorgetragen, sein Nachbar, der Zeuge I, habe ihm nach seiner Erinnerung im streitbefangenen
Zeitraum Geld gegeben, ebenso die Mutter seines Sohnes, die Zeugin W-E1, sie wisse aber nicht mehr genau wann und wieviel
dies gewesen sei. Die Zeugin G habe die auf Oktober 2011 datierte Bescheinigung nachträglich, d.h. nicht im Oktober 2011 ausgestellt.
Sie könne nicht mehr genau sagen, wann genau und in welchen Teilbeträgen sie dem Kläger das Geld jeweils geliehen habe. Sie
erinnere sich jedoch, dass es anfangs nur kleinere Beträge gewesen seien, sodann aber auch größere Beträge zum Ausgleich der
ausstehenden Mieten. Er habe die fälligen Mieten für seine Wohnung wie folgt bezahlt:
Oktober 2011 i.H.v. 271,- Euro per Überweisung am 04.10.2011, November 2011 i.H.v. 271,- Euro in bar am 17.12.2011, Dezember
2011 i.H.v. 271,- Euro in bar am 31.12.2011, Januar 2012 i.H.v. 285,- Euro zzgl. Nebenkostenabrechnung (Strom) i.H.v. 111,44
Euro in bar am 30.01.2012, Februar 2012 i.H.v. 285,- Euro in bar am 29.02.2012, März 2012 i.H.v. 285,- Euro in bar am 19.03.2012.
Ab April 2012 habe er per Überweisung gezahlt. Das Geld habe er größtenteils von der Zeugin G erhalten.
Der Kläger hat Kontoauszüge seines Girokontos Nr. xxx bei der Sparkasse L, betreffend den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum
04.01.2016, zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Beiakten zu Bl. 178 der Gerichtsakte).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.09.2020 hat der Senat erneut den Kläger befragt sowie die Zeugen G und I gehört.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll, Bl. 492 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt
der Prozess- sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere gemäß §§
143,
144 SGG form- und fristgerecht eingelegt.
Die Berufung ist auch begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 24.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.05.2012. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte die am 08.09.2011 beantragten Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II vollständig abgelehnt. Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II wirkte auf den 01.09.2011 zurück, § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG - vom 24.3.2011, BGBl I 453). Der Streitgegenstand wird durch die erneute Antragstellung am 21.05.2012
nicht begrenzt auf den Zeitraum bis zum 30.04.2012, da das Verwaltungsverfahren insoweit noch nicht durch Bescheiderlass abgeschlossen
ist und die Wirkungsdauer der Leistungsablehnung durch eine andere, die ursprüngliche Entscheidung erledigende und überholende
Regelung i.S.v. § 31 SGB X nicht begrenzt wird (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstandes BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 9/09 R, juris Rn. 10; Urteil vom 31.10.2007, B 14/11b AS 59/06 R, juris Rn. 13; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl. 2014, Vorbemerkung § 94 Rn. 5, Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 37 (Stand: 15.04.2020), Rn. 34) ). Der Kläger hat den Streitgegenstand jedoch durch die entsprechende Antragstellung im Verfahren
auf den Zeitraum bis zum 20.05.2011 begrenzt, entsprechend hat auch das SG in seinem Grundurteil iSv §
130 SGG Leistungen nur bis zu diesem Zeitpunkt zugesprochen.
Das Urteil des SG ist abzuändern, weil der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2011 bis 20.05.2012 hat (dazu unter 1.). Auch ein Anspruch gegen die Beigeladene auf Leistungen nach
dem SGB XII besteht nicht (dazu unter 2.).
1. Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II besteht nicht, denn der Kläger war nicht hilfebedürftig (dazu unter a.). Zudem greift zu Ungunsten des Kläger der Leistungsausschluss
des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ein (dazu unter b).
a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben bzw. die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind
und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nummern 1, 2 und 4 des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Insbesondere war er im fraglichen Zeitraum erwerbsfähig iSv § 8 Abs. 2 SGB II, da zumindest die Möglichkeit bestand, dass ihm eine Erwerbstätigkeit hätte erlaubt werden können. Insoweit ist ausreichend,
dass dem Kläger als bulgarischem Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des §
284 Abs.
3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der bis zum 31.07.2012 geltenden Fassung im streitigen Zeitraum hätte erlaubt werden können (vgl. zu der Rechtsfrage
auch BSG, Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, juris Rn. 14 f.).
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch nicht hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II. Zur Überzeugung des Senats ist nicht feststellbar, dass der sich aus den Regelungen des SGB II ergebende Bedarf des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch den Zufluss von Einkommen gedeckt war.
Der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Klägers i.S.v. §§ 19 Abs. 1 Satz 3, 20 ff. SGB II lag von September bis Dezember 2011 bei monatlich 616,- Euro (Regelleistung i.H. von 364,- Euro, Kosten der Unterkunft in
Höhe der Bruttokaltmiete in Höhe von 227,- Euro und Heizkostenvorauszahlung einschließlich Kosten der Warmwasserbereitung
in Höhe von 25,- Euro). Aufgrund der Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2012 auf 374,- Euro stieg dieser Bedarf ab Januar
2012 auf 626,- Euro. In dieser Höhe bestand der Bedarf auch in den Monaten Februar bis Mai 2012. Weitere Mehrbedarfe gem.
§ 21 SGB II sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger diesen Bedarf aus seinem
Einkommen decken konnte. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
kann im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung jedoch nicht
als Einkommen qualifiziert werden (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2011, B 4 AS 46/11 R, juris Rn. 14). Im Hinblick auf die Qualifizierung von Zuwendungen Dritter als Einkommen ist nach der Rechtsprechung des
BSG zu unterscheiden zwischen a) Geldzahlungen oder Sachleistungen, die einem SGB II-Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden, b) einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung
im Sinne des §
488 Abs.
1 Satz 2
Bürgerliches Gesetzbuch(
BGB) gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist und c) Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Grundsicherungsträger abgelehnte
Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren sollen. Letztere stellen kein
Einkommen im Sinne der eingangs dargelegten Definition des Einkommensbegriffs dar und entbinden den Grundsicherungsträger
nicht von seiner Leistungsverpflichtung (BSG, aaO, Rn. 16).
In der Gesamtwürdigung aller Umstände geht der Senat davon aus, dass der Kläger neben Zufluss von Arbeitslosengeld I im September
2011 im streitigen Zeitraum jedenfalls von den Zeugen G und I bedarfsdeckende Zuwendungen zum endgültigen Verbleib erhalten
hat.
aa) Nach § 11 Abs. 1, 2 SGB II sind als Einkommen des Klägers im September 2011 die Einnahmen aus dem ALG I in Höhe von 166,59 Euro zu berücksichtigen. Von den Einnahmen ist gemäß § 11b Abs. 1, Abs. 2 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) ein Betrag in Höhe von 30,00 Euro abzusetzen, weitere Beträge sind nicht abzuziehen
(vgl. zu den Absetzbeträgen bei ALG I auch LSG NRW, Beschluss vom 13.01.2015, L 2 AS 1849/14 B, juris Rn. 6).
bb) Darüber hinaus geht der Senat nach dem Vortrag des Klägers und unter Würdigung des Ergebnisses der Zeugenbefragung davon
aus, dass der Kläger die zur Deckung seines Bedarfs erforderlichen Mittel von den Zeugen erlangt hat, welche als weiteres
Einkommen gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind, bzw. über nicht offenbarte Ressourcen verfügt hat, welche es ihm ermöglicht haben, seinen Bedarf
zu decken.
Entgegen der Behauptung des Klägers vermochte der Senat sich nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei den Zuwendungen der
Zeugen G und I um - inzwischen getilgte - Darlehen gehandelt hat.
Zwar stellen Darlehen, die an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sind, als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung
grundsätzlich kein Einkommen dar, auch wenn sie als "bereite Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden
können (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R, juris Rn. 16). An den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrags sind jedoch strenge Anforderungen
zu stellen, um eine Darlehensgewährung eindeutig z.B. von einer Schenkung oder einer Unterhaltsleistung abgrenzen zu können
(für Darlehensverträge zwischen Verwandten BSG, a.a.O., juris Rn. 21). Entscheidend ist, ob die Darlehensverträge entsprechend §
488 BGB zivilrechtlich wirksam geschlossen worden sind und sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung
klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen
lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen
nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten;
die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag
geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden
Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen
Modalitäten (wie der Vereinbarung der in §
488 Abs.
1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann dabei als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich
geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der
Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert
dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Es ist aber
nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (zB Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die
Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen
hat (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 12/19, § 11 SGB II, Rn. 220 m.w.N.).
Gegen den Abschluss von Darlehensverträgen und für das Vorliegen einer Schenkung im Sinne von §
516 Abs.
1 (
BGB) spricht, dass vorliegend die Überlassung der Darlehenssummen nur rudimentär und hierauf geleistete Tilgungsraten überhaupt
nicht dokumentiert wurden, die Rückzahlungsverpflichtungen jeweils nicht schriftlich fixiert worden sind und für die angeblichen
Darlehensgeber aufgrund der Arbeitslosigkeit des Klägers ein erhebliches Risiko des Kreditausfalls bestand. Die Zahlung von
Zinsen, welche zwar nicht zu den essentialia negotii eines Darlehensvertrages gehört (arg. ex §
488 Abs.
3 Satz 3
BGB), aber als Indiz für den Abschluss einer Darlehensvereinbarung herangezogen werden kann, ist nicht vereinbart worden. Es
ist schon nicht im Einzelnen aufzuklären, wann, in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen der Kläger die finanziellen
Mittel von den Zeugen erhalten haben soll. Weder der Kläger selbst noch die gehörten Zeugen konnten hierzu genauere Angaben
machen. Während der Kläger schriftsätzlich vorgetragen hat, sowohl von dem Zeugen I als auch von den Zeuginnen W-E1 und G
Geld erhalten zu haben, hat er in der mündlichen Verhandlung am 22.09.2020 zunächst erklärt, nur von der Zeugin G Geld bekommen
zu haben. Ob er auch von dem Zeugen I und der Zeugin W-E1 Geld erhalten habe, wisse er nicht mehr. Zur genauen Höhe der Zuwendungen
konnten ebenfalls keine Angaben gemacht werden. Auch Einzelheiten zu Rückzahlungen bzw. Rückzahlungsmodalitäten konnte der
Kläger nicht darlegen. Der Zeuge I hat ausgesagt, dem Kläger "mal 50,- Euro und mal 100,- Euro" gegeben zu haben, ohne dies
genauer zeitlich oder der Höhe nach eingrenzen zu können. Gegen den Abschluss eines Darlehensvertrages und für eine Schenkung
durch den Zeugen I spricht dessen Aussage, jedenfalls nicht in dem Bewusstsein gehandelt zu haben, das Geld zurück zu bekommen,
was er an Unterstützung gegeben habe. Tatsächlich konnte der Kläger selber auch nicht substantiiert darlegen, etwaig zugeflossene
Mittel an den Zeugen I oder die Zeugin W-E1 zurückgezahlt zu haben. Allein die Angabe, jedenfalls immer alles zurück zu geben,
beweist die Rückzahlung im Einzelfall nicht. Hinsichtlich der Zahlungen der Zeugin G konnten weder der Kläger noch die Zeugin
den genauen Betrag der dem Kläger zur Verfügung gestellten Mittel angeben. Die Darlehenssumme der auf den 02.10.2011 datierende
Bescheinigung über die Gewährung von 1.000,- Euro als zinsloses Privatdarlehen stimmt nach Angaben der Zeugin jedenfalls nicht
mit den tatsächlich insgesamt gezahlten Summen überein, ohne dass diese den genauen Betrag der gewährten Mittel erinnern konnte.
Einen nachvollziehbaren Grund für den Abschluss eines Darlehensvertrages konnte die Zeugin nicht angeben. Nach ihren Angaben
betreute sie im damaligen Zeitpunkt parallel ca. sechs Kurse mit ca. 17-20 Teilnehmern, also mehr als 100 Teilnehmer und in
der Folgezeit hunderte Kurse mit jeweils ca. 20 Teilnehmern, stellte aber nur dem Kläger aufgrund seiner "besonders misslichen
Lage" Geld zur Verfügung. Des Weiteren ist der Zeitpunkt des Abschlusses des angeblichen Darlehensvertrages für den Senat
nicht plausibel. Zum einen ist bereits unklar, ob die Bescheinigung vom 02.10.2011 - wie die Zeugin G angegeben hat - tatsächlich
am 02.10.2011 ausgestellt wurde oder - wie der Kläger angegeben hat - zu einem späteren Zeitpunkt. Zudem ist nicht ersichtlich,
warum die Zeugin dem Kläger bereits am 02.10.2011 wegen nicht gezahlter Mieten und Rückständen bezüglich der Lebenshaltungskosten
1.000,- Euro geliehen haben will, obgleich die Miete per Überweisung am 04.10.2011 beglichen worden ist und Mietrückstände
zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden. Bareinzahlungen auf das Konto des Klägers in Höhe der angeblich gewährten 1.000,- Euro
sind nicht ersichtlich. Die ausweislich der vorgelegten Quittungen der Vermieterin vorgenommenen Barzahlungen der Miete erfolgten
im Zeitraum von Dezember 2011 (einschließlich einer Nachzahlung für November 2011) bis Februar 2012. Zudem hat der Kläger
vorgetragen, das Geld für den geschuldeten Mietzins (einschließlich der Nebenkosten), der im Zeitraum von Oktober 2011 bis
März 2012 bei 1.779,44 Euro lag, überwiegend von der Zeugin erhalten zu haben. Dies spricht dafür, dass der Kläger jedenfalls
auch nach dem 02.10.2011 in nicht unerheblichem Umfang von der Zeugin G finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen
hat, ohne dass die o.g., für eine Darlehensgewährung typischen Abreden getroffen worden wären. Auch die Behauptungen des Klägers
und der Zeugin, der Kläger habe das Darlehen nach Erhalt der Nachzahlung des Jobcenters an die Zeugin G zurückgezahlt, lässt
sich anhand der Kontobewegungen nicht nachvollziehen. Nach Gutschrift der Nachzahlung des Beklagten am 15.03.2012 hat der
Kläger am 15.03, 17.03. und 18.03.2012 je 500,00 Euro von seinem Konto abgehoben, allerdings am 19.03.2012 die rückständige
Miete für März 2012 in Höhe von 285,00 Euro in bar an die Vermieterin gezahlt sowie am 31.03.2012 wieder 500,00 Euro auf sein
Konto eingezahlt. Obgleich der Kläger in der Folgezeit bis Oktober 2012 weiterhin keine Leistungen erhielt, hat er weitere
Bareinzahlungen auf sein Konto getätigt, so am 04.05.2012 in Höhe von 500,00 Euro, am 08.06.2012 in Höhe von 300,00 Euro und
am 14.09.2012 in Höhe von 50,00 Euro. Woher der Kläger im streitbefangenen Zeitraum die Ressourcen für die Bareinzahlung von
500,00 Euro auf sein Konto hatte, ist darüber hinaus weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Auch nach Erhalt der
Nachzahlung der Firma C über 2.139,90 Euro am 26.09.2012 und den regelmäßigen Gehaltseingängen ab Oktober 2012 - die Kontoauszüge
liegen bis zum 04.01.2016 vor - sind keine Überweisungen oder größeren Barabhebungen auf dem Konto zu verzeichnen, die auf
Rückzahlungen zuvor gewährter Darlehen schließen lassen.
cc) Schließlich liegen nach Auffassung des Senats auch keine Zuwendungen im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BSG vor, die eine rechtswidrig vom Grundsicherungsträger abgelehnte Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des
rechtmäßigen Zustandes substituieren sollen. Für die positive Feststellung der Substituierungsabsicht ist entscheidend, dass
die Zuwendung subjektiv tatsächlich im Vorgriff auf einen angenommenen, noch nicht erfüllten Leistungsanspruchs erfolgt ist
und einer Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Herstellung des vermeintlich rechtmäßigen Zustands durch das Jobcenter
unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 6.10.2011, B 14 AS 66/11 R, juris Rn. 18, Urteil vom 20.12. 2011, B 4 AS 46/11 R, juris Rn. 17 ff.). Ungeachtet des Umstandes, dass eine ausdrückliche Absicht der Zeugen G und I, Zuwendungen zwecks Substituierung
der Leistungen des Beklagten vorzunehmen, weder vorgetragen noch positiv belegt ist, spricht allein der Umstand, dass eine
Auskehr der geleisteten Beträge nach der Nachzahlung des Beklagten im März 2012 nicht nachgewiesen ist (s.o.), gegen eine
entsprechende Substituierungsvereinbarung.
b) Unabhängig von der fehlenden Hilfebedürftigkeit greift zu Ungunsten des Klägers außerdem der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ein.
Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab dem 01.04.2011 und bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung (a.F.) ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland
Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1) und Ausländer,
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr. 2). Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II greift nicht mehr ein, da der Kläger sich bereits seit 2009 dauerhaft und damit seit mehr als drei Monaten in Deutschland
aufhielt. Allerdings ergab sich das Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum allein aus dem Zweck der Arbeitsuche.
Er konnte sich weder auf ein Fortwirken der Arbeitnehmereigenschaft berufen noch vermochte ihm die Teilnahme an dem Sprachkurs
ein Aufenthaltsrecht vermitteln.
Die Voraussetzungen der Aufenthaltsrechte aus §§ 2, 3, 4, 4a FreizügG/EU (in der hier anwendbaren Fassung vom 19.08.2007, a.F.) lagen nicht vor. Im streitbefangenen Zeitraum war der Kläger weder
Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU a.F.) noch selbständig Erwerbstätiger (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU a.F.) und hielt sich nicht zu dem Zwecke auf, Dienstleistungen zu erbringen oder in Anspruch zu nehmen (§ 2 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 FreizügG/EU a.F.). Er verfügte nicht über ausreichende Existenzmittel, um seinen Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst
zu decken (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU) und ist auch nicht einem freizügigkeitsberechtigten Familienmitglied nachgezogen (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m § 3 FreizügG/EU a.F.). Die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht lagen ebenfalls nicht vor (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU a.F.). Insbesondere war der Kläger im fraglichen Zeitraum nicht Arbeitnehmer. Eine Rückausnahme nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU scheidet aus. Danach bleibt das Recht nach Absatz 1 für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei
1. vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, 2. unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit
bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige
keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit, 3. Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung
und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger
seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat.
Gemäß Satz 2 bleibt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als
einem Jahr Beschäftigung das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.
Unabhängig von der Frage, ob eine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft bei der Firma C1 schon deshalb ausgeschlossen ist,
weil der Kläger diese Tätigkeit ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis ausgeübt hat, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich,
dass der Kläger erwerbsgemindert war, außerdem war er weniger als ein Jahr in Deutschland beschäftigt und die Zeiten der unfreiwilligen
Arbeitslosigkeit überschritten den Zeitraum von sechs Monaten.
Ferner vermochte die Teilnahme an dem staatlich geförderten Besuch des Sprachkurses dem Kläger kein Aufenthaltsrecht zu vermitteln.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Sprachkurs überhaupt als marktrelevante, wirtschaftlich geprägte "Dienstleistung"
in diesem Sinne anzusehen ist (verneinend SG Duisburg, Beschluss vom 15.06.2016, S 49 AS 1653/16 ER, juris Rn. 13). Jedenfalls setzt dieses Freizügigkeitsrecht voraus, dass der Dienstleistungsempfänger über die erforderlichen
Existenzmittel und eine Krankenversicherung verfügt (so Hessisches LSG, Beschluss vom 03.04.2008, L 9 AS 59/08 B ER, juris, Rn. 13 m.w.N.).
Dem Kläger stand ferner kein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU a.F. i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 AEUV zu. Nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU a.F. findet das AufenthG vorrangig vor dem FreizügG/EU Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG sieht vor, dass einem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge - auch
ohne Existenzsicherung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG - eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Hier konnte
der Kläger nicht nachweisen, dass er (rechtlich) Vater des Sohnes der Zeugin W-E1 ist, welcher die deutsche Staatsangehörigkeit
hat.
Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn der Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger und Bulgarien ist kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens
(vgl. auch BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 14 AS 18/14 R , juris Rn. 31).
2. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beigeladene auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 S 3 SGB XII in der vom 02.12.2006 bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung (a.F., vgl. BGBl. I S. 2670) zu.
Der Senat hat über diesen Anspruch zu entscheiden, auch wenn der Kläger mit seinem in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten
Antrag nicht mehr ausdrücklich den Hilfsantrag auf Verurteilung der Beigeladenen zur Leistungserbringung gestellt hat. Solange
ein Kläger diese Verurteilung oder Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII nicht ausdrücklich ablehnt, ist im Falle der notwendigen Beiladung nach §
75 Abs.
2 2. Alt.
SGG zumindest davon auszugehen, dass die Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beigeladenen begehrt (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, juris Rn. 13).
Für den von dem Kläger für September 2011 bis Mai 2012 geltend gemachten Anspruch ist das in diesem Zeitraum geltende Recht
anzuwenden, weil es an einer hiervon abweichenden Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip). Insbesondere lässt sich dem Gesetz
zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl I 3155) nicht entnehmen, dass es bereits für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29.12.2016 gilt (vgl.
BSG, Urteil vom 23.2.2017, Az. B 4 AS 7/16 R, juris Rn 33).
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII kann Ausländern Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Materiell nicht freizügigkeitsberechtigte
Unionsbürger können nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage dieser Norm Sozialhilfe als Ermessensleistung beanspruchen; das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist danach
im Regelfall bei einem verfestigten Aufenthalt nach mindestens sechs Monaten auf Null reduziert (so BSG, Urteil vom 30.08.2017, Az. B 14 AS 31/16 juris Rn. 44 R; BSG, Urteil vom 09.08.2018, Az. B 14 AS 32/17 R , juris Rn. 36). Ein verfestigter Aufenthalt des seit September 2009 in L lebenden Klägers im streitigen Zeitraum liegt
vor, jedoch sind die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII nicht erfüllt, denn es ist nicht erwiesen, dass der Kläger hilfebedürftig i.S.v. § 19 Abs. 1 SGB XII war. Danach ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
Es steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht in der Lage
gewesen ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die
obigen Ausführungen zur (fehlenden) Hilfebedürftigkeit i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision hat nicht bestanden, §
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG.