Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 1) und deren leibliche Kinder, die Antragsteller zu 2) - 4) sind bulgarische Staatsangehörige. Die
Antragsteller zu 1) - 3) reisten im Juni 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein, die Antragstellerin zu 4) ist dort am
00.00.2012 geboren. Am 05.03.2012 beantragten sie die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuches (SGB II), der mit Bescheid vom 03.05.2012 abgelehnt wurde. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2012 als unzulässig
zurückgewiesen. Der Antragsgegner wertete den Widerspruch jedoch als Antrag auf Überprüfung nach Maßgabe des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); dieser Antrag ist noch nicht beschieden.
Die Antragstellerin zu 1) ist im Besitz einer unbefristeten Freizügigkeitsbescheinigung und einer Arbeitserlaubnis EU mit
Blick auf die E Dienstleistungen GmbH, für die sie vom 27.08.2011 - 17.11.2011 als Reinigungskraft arbeitete. Die Kündigung
(durch den Arbeitgeber) erfolgte - so die Antragstellerin zu 1) -, weil sie aus familiären Gründen ihren gewöhnlichen Aufenthalt
am Arbeitsort in C wieder nach L zurück verlegte und deshalb in C nicht mehr eingesetzt werden konnte. Die Wiederaufnahme
der Beziehung zu ihrem Ehemann in L sei fehlgeschlagen, der Mann sei ausgezogen, sein jetziger Aufenthalt sei unbekannt. Eine
neue Arbeitsstelle habe sie auch wegen der komplikationsreichen Schwangerschaft nicht finden können.
Zur Begründung ihres am 10.07.2012 gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller vorgetragen,
sie bestritten ihren Lebensunterhalt durch das für den Antragsteller zu 3) gezahlte Kindergeld und, so die Antragstellerin
zu 1) in einer eidesstaatlichen Versicherung vom 10.07.2012, dadurch, dass sie Geld von Freunden bekomme, Flaschen sammele
und Pfandgeld sowie Unterstützung von F e.V. erhalte. Das Mietverhältnis sei wegen erheblicher Mietrückstände gekündigt worden.
Lebensmittel erhalte sie von der "N", die Antragstellerin zu 4) könne aber nicht ausreichend mit Windeln versorgt werden.
Von Freunden des Antragstellers zu 2) hätten sie zuletzt dreißig Euro bekommen.
Durch Beschluss vom 24.07.2012, der Bevollmächtigten der Antragsteller am selben Tage zugestellt, hat das Sozialgericht den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht.
Im Wesentlichen hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II könne nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) abgeleitet werden, da Bulgarien nicht zu den Unterzeichnerstaaten
dieses Abkommens gehöre. Bei glaubhaft gemachten Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 9 Abs. 1 und 8 Abs. 2 SGB II greife hier der Leistungsausschuss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem europäischen Diskriminierungsverbot sei umstritten. Diese Bedenken teile das Gericht
bezogen auf die vollumfänglich freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger, nicht jedoch, wenn es sich - wie hier - um eingeschränkt
freizügigkeitsberechtigte Personen handele. Bulgarien sei zum 01.01.2007 der Europäischen Union beigetreten. Nach den Beitrittsbedingungen
seien sogenannte Neu-Unionsbürger wie Bulgaren und Rumänen nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen freizügigkeitsberechtigt.
Von der Übergangsbestimmung habe die Bundesregierung Gebrauch gemacht (vgl. Bekanntmachung vom 07.12.2011, Bundesanzeiger-Nr.
197, vom 30.12.2011, 4654). Habe danach die Antragstellerin zu 1) aufgrund der Gesetzeslage nicht den gleichen Zugang zum
inländischen Arbeitsmarkt wie deutsche Arbeitsuchende oder uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, bestehe
unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes ein objektiver Grund, diese vom Leistungsbezug auszuschließen.
Mit ihrer hiergegen am 27.07.2012 eingelegten Beschwerde haben die Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen sind sie der Auffassung, dass eine einstweilige Anordnung zumindest im
Rahmen einer Folgenabwägung hätte erfolgen müssen. Die Antragstellerin zu 1) versichert eidesstaatlich, dass am 26.07.2012
die Stromversorgung der Wohnung eingestellt worden sei, und legt eine Sperrbenachrichtigung vor, wonach zur Wiederherstellung
der Versorgung der Rückstand sowie die Sperr- und Wiederanschlusskosten bei dem Energielieferanten zu zahlen seien.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 24.07.2012 aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
aufzugeben, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Für die Antragsteller gelte der Leistungsausschluss nach
§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Aber selbst im Falle der von ihnen reklamierten Folgenabwägung ginge diese zu ihren Lasten. Es drohten keine existenziellen
Nachteile. Die Antragstellerin zu 1) erhalte Kindergeld für den Antragsteller zu 3), ebenso dürfte ein solcher Anspruch für
die Antragsteller zu 2) und 4) sowie ein Anspruch der Antragstellerin zu 1) auf Elterngeld bestehen. Hinzuzurechnen sei der
Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater und Ehemann. Gegenteiliges hätten die Antragsteller nicht vorgetragen.
Zudem bestehe möglicherweise ein Anspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Folgen der Stromsperrung könnten die Antragsteller im Rahmen der Selbsthilfe mit der S abmildern. Sie könnten mit ihnen
eine Ratenzahlung zum Abbau der Schulden für die Stromkosten vereinbaren. Falls die S hierzu nicht bereit sei, seien sie auf
den Zivilrechtsweg zu verweisen. Dass hier zumindest eine Korrespondenz zwischen den Antragstellern und dem Energieversorger
stattgefunden habe, sei nicht dargelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen
auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten.
II.
Die Anordnung über die vorläufige und auf zwei Monate befristete Gewährung von Leistungen hat der Senat im Sinne einer sogenannten
Zwischenregelung getroffen (s §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG, §
938 ZPO, Art.
19 Abs
4 GG).
Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine auch nur summarische Überprüfung des erhobenen Anspruches durch das Gericht nicht möglich.
Dies gilt auch für die vom Beklagten im Beschwerdeverfahren erstmals geltend gemachten Bedenken gegen die Hilfebedürftigkeit
der Antragsteller, die direkt Anordnungsanspruch und -grund betreffen. Sie beinhalten Mutmaßungen über weitere Zahlungen von
Kinder-/Elterngeld und über Unterhaltsansprüche gegen den Ehemann und Kindesvater. Über mögliche Ansprüche gegen ihn, dessen
Aufenthaltsort unbekannt ist, und gegen andere Sozialleistungsträger enthält auch die erst zur Beratung vorgelegte Verwaltungsakte
keine Hinweise. Im Rahmen einer hier vornehmlich zu treffenden Folgenabwägung hält es der Senat für geboten, den Antragstellern,
die glaubhaft gemacht haben, nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können, die beantragten Leistungen unter Anrechnung
des aktenkundig für den Antragsteller zu 3) gezahlten Kindergeldes vorläufig für 2 Monate zuzusprechen. Dies erscheint im
Sinne eines effektiven Rechtsschutzes notwendig, um den Antragstellern rechtliches Gehör zu den Anspruchsvoraussetzungen zu
gewähren und das Gericht in die Lage zu versetzen, den erhobenen Anspruch für die anstehende Entscheidung im Eilverfahren
ausreichend zuverlässig zu beurteilen und über die angeregte Beiladung des zuständigen Sozialhilfeträgers zu entscheiden (vgl
auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer
SGG 10. Aufl. §
86b Rn 14). Dabei hat der Senat die besondere konkrete Lebenssituation und Notlage der Antragsteller berücksichtigt, die durch
die notwendige Versorgung der nur wenige Wochen alten Antragstellerin zu 4) und die Stromsperre verschärft wird. Dem Interesse
des Antragsgegners wird Rechnung getragen, indem die bekannten Kindergeldleistungen anzurechnen sind, zumal bei der vom Antragsgegner
für naheliegend gehaltenen Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ein Ausgleich nach §§ 104 ff SGB X in Betracht käme.
Das Gericht hält einen Erfolg der Antragsteller im Beschwerdeverfahren mit Blick auf eine ggfs erforderliche (weitere) Folgenabwägung
nicht für ausgeschlossen.
Dem Antrag entsprechend war den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu gewähren, da wie ausgeführt eine hinreichende Erfolgsaussicht
im Sinne der §
73a SGG, §
114 ZPO für das Beschwerdeverfahren besteht.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).