Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung
Nichtzulassungsbeschwerde
Keine Kostenprivilegierung für landwirtschaftliche Unternehmer
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der vormaligen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) Mittel- und Ostdeutschland (im Weiteren: LBG) als Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin erlassenen Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2010 und 2011 zur landwirtschaftlichen
Unfallversicherung.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 setzte die LBG den vom Beschwerdeführer für das Umlagejahr 2010 zu zahlenden Beitrag i. H. v. 687,73 Euro fest. Unter Berücksichtigung des
Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ergab sich ein Forderungsbetrag von 488,06 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob
der Beschwerdeführer Widerspruch. Mit Berichtigungsbescheid vom 20. Juli 2011 reduzierte die LBG diese Forderung um über die Beitragsforderung hinaus geltend gemachte Mahngebühren i.H.v. 6,05 Euro. Mit Widerspruchsbescheid
vom 09. August 2011 wies die Beschwerdegegnerin den Widerspruch zurück.
Am 10. September 2011 hat der Beschwerdeführer die Klage zum Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben.
Mit Bescheid vom 02. März 2012 setzte die LBG den Beitrag für das Unternehmen des Beschwerdeführers für das Umlagejahr 2011 i. H. v. 605,27 EUR fest, woraus sich unter
Berücksichtigung des Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ein Forderungsbetrag von 416,06 EUR ergab. Den hiergegen
gerichteten Widerspruch des Beschwerdeführers wies die Beschwerdegegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 zurück.
Im laufenden Klageverfahren hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Juli 2012, eingegangen bei Gericht am 03. August
2012, diesbezüglich Klageerweiterung erklärt.
Aufgrund eines rechtlichen Hinweises des SG reduzierte die Beschwerdegegnerin mit Berichtigungsbescheid vom 30. April 2013 die Beitragsforderung für das Jahr 2010 auf
202,67 EUR und für das Jahr 2011 auf 156,68 EUR.
Mit Urteil vom 29. Mai 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens aufgegeben
und die Berufung nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die Berufung gegen das Urteil nicht
gegeben sei, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteige und keine wiederkehrenden Leistungen für mehr
als ein Jahr betroffen seien. Sonstige Zulassungsgründe nach §
144 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) lägen nicht vor.
Nachdem ihm das Urteil am 15. Juli 2015 zugestellt worden war, hat der Beschwerdeführer am 08. August 2015 gegen die Nichtzulassung
der Berufung Beschwerde eingelegt. Das SG habe unzutreffend eine Kostenentscheidung nach §
197a SGG getroffen, obwohl er im Rahmen dieses Streitverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers zum privilegierten Personenkreis
nach §
183 SGG zähle. Das Gericht verkenne im Übrigen die Berechnungsgrundlage für die Beitragsberechnung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beschwerdegegnerin und die Gerichtsakte
Bezug genommen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen. Denn die Berufung gegen das Urteil
des SG vom 29. Mai 2015 ist bereits kraft Gesetzes statthaft und bedarf nicht der gesonderten Zulassung durch das Beschwerdegericht.
Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung
oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nach §
144 Abs.
2 Satz 2
SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Vorliegend betrifft der Rechtsstreit wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr, so dass die Berufung kraft Gesetzes
zulässig ist. Die Bescheide vom 19. Mai bzw. 20. Juli 2011 (Veranlagungsjahr 2010) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
09. August 2011 und der Bescheid vom 02. März 2012 (Veranlagungsjahr 2011) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli
2012 betreffen zwar jeweils nur ein Beitragsjahr. Dennoch betrifft der Streitgegenstand des Klageverfahrens beide Veranlagungsjahre.
Der einheitliche, beide Veranlagungsjahre umfassende Streitgegenstand resultiert zum einen aus der durch den Beschwerdeführer
mit Schriftsatz vom 19. Juli 2012 (Eingang bei Gerichte 03. August 2012) erklärten Klageerweiterung bezüglich der Veranlagungsjahres
2011, die auch von der Beschwerdegegnerin als sachdienlich angesehen wurde (Schriftsatz vom 10. August 2012; §
99 Abs.
1 1. Hs
SGG).
Unabhängig davon resultiert der einheitliche, beide Veranlagungsjahre umfassende Streitgegenstand auch aus dem Umstand, dass
die Beschwerdegegnerin zuletzt mit Berichtigungsbescheid vom 30. April 2013 für beide Veranlagungsjahre 2010 und 2011 eine
Berichtigung der Beitragsveranlagung in einem Bescheid vornahm, so dass dieser Bescheid letztmalig den Streitgegenstand modifiziert
hat (vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 31. August 2009 - L 18 U 248/09 NZB - und LSG Saarbrücken, Urteil vom 22. Juni 2005 - L 2 U 97/01 - hier abstellend auf eine Klage gegen einen mehrere Veranlagungsjahre umfassenden Widerspruchsbescheid, zitiert nach juris).
Zu berücksichtigen ist, dass das Beschwerdeverfahren nicht als Berufungsverfahren fortgeführt wird, da nach §
145 Abs.
5 Satz 1
SGG das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren nur bei gesonderter Zulassung der Berufung durch das Beschwerdegericht fortgesetzt
wird. Auch eine Umdeutung der vom Beschwerdeführer entsprechend der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung ist nicht möglich (vgl. insgesamt LSG Baden-Württemberg vom 09. Februar
2009 - L 10 U 5616/08; LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 08. November 2007 - L 15 B 174/07 SO NZB - und vom 12. Juni 2008 - L 9 KR 47/04 NZB - zitiert nach juris).
Die Berufung kann der Beschwerdeführer aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils gemäß
§
66 Abs.
2 Satz 1
SGG innerhalb eines Jahres seit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils einlegen.
Bei der Kostengrundentscheidung findet - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht §
193 SGG Anwendung, sondern §
197a SGG. Nach Abs. 1 Satz 1 1. Hs dieser Rechtsnorm werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen gehören. Nach §
183 Satz 1
SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich
Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft
als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die kostenprivilegierten Personen müssen in der jeweiligen Eigenschaft als Kläger
oder Beklagte am Verfahren teilnehmen, d.h. sie müssen Rechte oder Ansprüche geltend machen, die aus ihrer Eigenschaft als
Versicherte, Leistungsempfänger usw. resultieren. Streitgegenstand des Verfahrens muss ein Anspruch sein, der Bezug zu der
jeweiligen Eigenschaft im Sinne des §
183 Satz 1
SGG hat. Nimmt eine in dieser Vorschrift genannte Person in einer anderen Eigenschaft (z.B. als Unternehmer) am Verfahren teil,
unterliegt sie nicht der Gerichtskostenfreiheit.
Hierzu ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt, dass landwirtschaftlichen Unternehmern die Kostenprivilegierung im
SGG nicht zusteht, wenn sie sich in ihrer Eigenschaft als Unternehmer gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Berufsgenossenschaften
wenden (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 05. März 2008 - B 2 U 353/07 B - juris mwN). Hintergrund ist, dass diese Privilegierung nach dem eindeutigen und einer erweiterten Auslegung nicht zugänglichen
Gesetzeswortlaut in §
183 S. 1
SGG ("soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind") nur für Beteiligte gilt, die im konkreten
Rechtsstreit Ansprüche oder sonstige Rechte geltend machen, die gerade aus ihrer Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger
etc. resultieren. Hieraus folgt, dass Verfahrensbeteiligte sich dann nicht auf die (Gerichts-)Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen
Verfahren berufen können, wenn sie - wie hier - in einer anderen Eigenschaft am Verfahren beteiligt sind.
Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer als Eigentümer eines von der beklagten landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft als land- bzw. forstwirtschaftliches Unternehmen bewerteten Grundstücks, für welches er als Unternehmer
zur Beitragszahlung herangezogen wird. Zwar besitzt der Beschwerdeführer eine Doppelstellung als Versicherter nach §
2 Abs.
1 Nr.
5a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) und als Unternehmer gemäß §
136 Abs.
3 SGB VII. Bei einer Klage gegen einen Zuständigkeits- und / oder einen Beitragsbescheid - ist er jedoch nicht als Versicherter, sondern
ausschließlich als Unternehmer am Verfahren beteiligt (im Ergebnis ebenso: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschlüsse
vom 24. März 2006 - L 3 B 9/06 U und L 3 B 1099/05 U -, vom 23. Juli 2008 - L 3 B 219/07 U - und vom 05. November 2008 - L 3 B 1007/05 U -; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - L 3 U 78/04 -; Köhler in SdL 2003, 231, 233, 234; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Auflage, §
183 Rn. 5a unter Verweis auf Bundessozialgericht, Beschluss vom 05. März 2008 - B 2 U 353/07 B -; ebenso Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04. August 2010 - L 3 B 32/08 U - jeweils zitiert nach juris).
Schließlich ergibt sich aus dem sozialen Schutzzweck des
SGG ebenfalls keine Berechtigung dafür, den Beschwerdeführer als landwirtschaftlichen Unternehmer in den Genuss der Kostenprivilegierung
nach §
183 SGG kommen zu lassen. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber diese Privilegierung mit Einführung des 6.
SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) nur noch solchen Verfahrensbeteiligten zukommen lassen wollte, die auch
in ihrer Eigenschaft als (schutzbedürftige) Versicherte oder Leistungsempfänger klagen. Eine generelle Kostenprivilegierung,
wie sie ursprünglich im
SGG vorgesehen war, besteht nicht mehr.
§
197a Abs.
1 Satz 1 3. Hs
SGG verweist hinsichtlich der Kostengrundentscheidung auf §§
154 bis
162 VwGO. Nach §
154 Abs.
1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert war gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG entsprechend dem im Beitragsbescheid vom 30. April 2013 festgesetzten Beitrag für die Jahre 2010 und 2011 auf 359,35 EUR
festzusetzen.
Prozesskostenhilfe war aus den zuvor dargestellten Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussicht auch für das Beschwerdeverfahren
nicht zu gewähren, §§
73 a
SGG i. V. m. §
114 ZPO.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).