Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die hinreichenden Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits über die Ermittlung von Kosten der Unterkunft und
Heizung beim Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf der Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren,
das auf die Aufhebung der Ablehnung eines Antrags nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und die teilweise Rücknahme früherer Bewilligungsbescheide unter Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung
gerichtet ist.
Der 1966 geborene Kläger bezog ab 2014 gemeinsam mit seiner Ehefrau I N vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Beklagte übernahm die Kosten der Unterkunft der vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung M-Allee 00 in Eschweiler
vollständig, wies jedoch mit Schreiben vom 26.01.2015 auf die von ihm für die Stadt Eschweiler ermittelten Angemessenheitswerte
hin. Der Kläger beantragte nach dem Ablauf des bis zum 31.12.2015 reichenden Bewilligungszeitraums keine Weiterbewilligung
seiner Leistungen. Während der Kläger sich im Februar/ März 2016 in einer Rehabilitationsmaßnahme befand, schloss seine Ehefrau
einen eigenständigen Mietvertrag über die Wohnung M-Allee 00 in Eschweiler ab und wies den Kläger anschließend schriftlich
darauf hin, dass er die Wohnung nicht mehr betreten dürfe.
Der Kläger schloss am 23.03.2016 einen Mietvertrag über die Wohnung L1-Str. 00 in Stolberg zu Gesamtkosten iHv 479,10 € (Kaltmiete
iHv 330 € zuzüglich Betriebskosten iHv 80 € zuzüglich Heizkosten iHv 69,10 €) ab. Mietbeginn war der 01.05.2016. Am 28.04.2016
beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Leistungen. Der Beklagte berücksichtigte die Kosten der Wohnung in der Folge nur
iHv 407,60 € (Kaltmiete iHv 258,50 € zuzüglich Nebenkosten iHv 80 € zuzüglich Heizkosten iHv 69,10 €). Die Höhe der übernommenen
Bruttokaltmiete iHv 338,50 € beruhte auf dem zum damaligen Zeitpunkt gültigen "schlüssigen Konzept" der Firma Analyse & Konzepte.
Diese hatte bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft die Gemeinden der Städteregion Aachen in drei Wohnungsmarkttypen
(Wohnungsmarkttyp 1: Aachen; Wohnungsmarkttyp 2: Alsdorf, Baesweiler, Eschweiler, Herzogenrath, Stolberg, Würselen; Wohnungsmarkttyp
3: Monschau, Simmerath) unterteilt und für jeden Wohnungsmarkttyp gesondert die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten ermittelt.
Der Beklagte legte den Angemessenheitswert von 407,60 € für die Kosten der Unterkunft und Heizung auch in den Bescheiden vom
02.08.2017 und 25.11.2017 für den Bewilligungszeitraum von September 2017 bis August 2018 zugrunde. In den Bescheiden vom
31.07.2018 und 24.11.2018 für den Bewilligungszeitraum von September 2018 bis August 2019 berücksichtigte der Beklagte nunmehr
Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 427,10 € (Grundmiete iHv 298,90 € zuzüglich Nebenkosten iHv 59,10 € zuzüglich Heizkosten
iHv 69,10 €). Die Erhöhung der angemessenen Bruttokaltmiete auf 358 € beruhte auf dem neuen "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe
für Kosten und Unterkunft 2018" der Firma Analyse & Konzepte, in der die Angemessenheitswerte wiederum unter Einbeziehung
einer Clusteranalyse und unter Bildung von Wohnungsmarkttypen ermittelt worden waren.
Im Rahmen einer Vorsprache beim Beklagten am 02.01.2019 beantragte der Kläger, "die vorgenommene Senkung der Unterkunftskosten
zurückzunehmen". Infolge einer Räumungsklage zog der Kläger zum 01.07.2019 von der Wohnung L1-Str. 00 in Stolberg in die Wohnung
H-Str. 00 in Stolberg um. Der Kläger erinnerte den Beklagten mit Schreiben vom 17.09.2019 an die Bearbeitung seines Antrags.
Ihm sei es von Januar 2018 bis Juli 2019 wegen einer psychischen Erkrankung nicht möglich gewesen, umzuziehen. Einen Antrag
auf Kostensenkung habe er schon am 02.01.2018 gestellt. Eine angekündigte Untersuchung durch den medizinischen Dienst des
Beklagten habe dann nicht stattgefunden. Auch eine Aufforderung zur Kostensenkung habe er niemals erhalten.
Im Anschluss an eine beim Sozialgericht Aachen erhobene Untätigkeitsklage (S 21 AS 1023/19) lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers, den er als Antrag gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezüglich der Bescheide vom 02.08.2017, 25.11.2017, 31.07.2018 und 24.11.2018 auslegte, mit Bescheid vom 29.01.2020 ab. Die
Wohnung L1-Str. 00 in Stolberg sei ohne vorherige Zustimmung angemietet worden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Kläger
nicht in der Lage gewesen sei, einen Umzug mit Hilfe eines Umzugsunternehmens zu bewältigen, so wie dies auch nunmehr beim
Umzug in die H-Str. 00 erfolgt sei. Der Beklagte erhob gegen den Bescheid vom 29.01.2020 Widerspruch, den der Kläger mit Widerspruchsbescheid
vom 02.04.2020 zurückwies. Die Wohnung des Klägers sei unangemessen teuer. Ob es dem Kläger möglich gewesen sei, einen früheren
Wohnungswechsel vorzunehmen, sei nicht erheblich, denn der Kläger sei ohne Zustimmung des Beklagten und trotz Kenntnis von
den Angemessenheitswerten in eine von Anfang an zu teure Wohnung eingezogen.
Bereits im Dezember 2019 hatte die Firma Analyse & Konzepte in Umsetzung der Urteile des BSG vom 30.01.2019 (B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R), gemäß denen eine Clusteranalyse keine zulässige Art der Vergleichsraumbildung darstellt, für den Beklagten einen Korrekturbericht
zum "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für die Unterkunft 2018" gefertigt, der für den Zeitraum ab dem 01.03.2018 Geltung
finden soll. Dieser nimmt nur noch eine Einteilung in zwei Vergleichsräume, nämlich "Stadt Aachen" und "Übriges Städteregionsgebiet
ohne Aachen", vor. Für die Stadt Stolberg bleibt es hiernach bei einer angemessenen Bruttokaltmiete iHv 358 €.
Am 04.05.2020 hat der Kläger beim Sozialgericht Aachen Klage gegen den Bescheid vom 29.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.04.2020 erhoben und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren zu bewilligen. Der Anmietung seiner Wohnung
im März 2015 sei eine mehrmonatige Obdachlosigkeit vorausgegangen. Zwischen Januar 2018 und Juli 2019 sei er aufgrund seiner
Erkrankung nicht zu einem Umzug in der Lage gewesen. Ihm seien von Januar 2018 bis Juli 2019 die vollen Kosten der Unterkunft
auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu zahlen, denn die Unmöglichkeit einer Kostensenkung könne auch nachträglich eintreten.
Mit Beschluss vom 04.09.2020 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Rechtsverfolgung
biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weil der Kläger ohne Zustimmung des Beklagten eine von vornherein unangemessene
Wohnung bezogen habe, sei § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht anzuwenden.
Der Kläger hat am 07.10.2020 Beschwerde gegen den ihn am 09.09.2020 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts erhoben. Er
hat konkretisiert, von Januar 2018 bis August 2018 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung iHv monatlich 71,50 € und von
September 2018 bis August 2019 iHv monatlich 52 € zu beanspruchen. Der Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls mit dem für
die Zeit ab März 2018 gültigen Korrekturbericht zum schlüssigen Konzept seien die Kosten der Unterkunft und Heizung zutreffend
ermittelt. Dieser sei auch rückwirkend anzuwenden.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende
Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114
ZPO).
Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung
einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll nicht
dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern
und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfragen dürfen nicht
im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt
werden können. Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und
keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil
des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13, vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 05.11.2020 - L 7 AS 743/20 B, vom 20.04.2016 - L 7 AS 1645/15 B und vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B).
Hier hängt die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen Rechtsfrage ab. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger
trotz des Abschlusses seines Mietvertrages kurz vor seinem erneuten Leistungsbezug und trotz einer Bezugsdauer von mehr als
18 Monaten vor der Verschlechterung seines Krankheitsbildes höhere Leistungen auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II beanspruchen kann, ist zu prüfen, ob ihm für den streitigen Zeitraum höhere Kosten der Unterkunft und Heizung auf der Grundlage
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zustehen. Hiernach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese
angemessen sind. Im vorliegenden Fall ist damit festzustellen, ob der Beklagte den angemessenen Umfang der dem Kläger zustehenden
Kosten der Unterkunft zutreffend bestimmt, insbesondere ob er die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard
angemessene Wohnung im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem "schlüssigen Konzept" bestimmt und die angemessenen
Betriebskosten zutreffend ermittelt hat (vgl. hierzu BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R mwN auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung). Wäre dies nicht der Fall, käme - allerdings nur bis zum Umzug
des Klägers am 01.07.2019 - ein Anspruch auf Übernahme einer Bruttokaltmiete in Höhe der Höchstbeträge nach § 12 WoGG zuzüglich eines 10 % - igen Sicherheitszuschlages in Betracht, der sich in Stolberg (Mietenstufe 3) auf 429 € (390 € zuzüglich
39 €) beliefe, im vorliegenden Fall allerdings durch die tatsächliche Bruttokaltmiete des Klägers iHv 410 € begrenzt wäre.
Die der Berechnung der Kosten der Unterkunft des Klägers zugrundeliegenden Ursprungskonzepte der Firma Analyse & Konzepte
sind nicht schlüssig, weil der maßgebliche örtliche Vergleichsraum falsch bestimmt worden ist. Der Vergleichsraum ist ein
ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher
Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich
bildet. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen,
wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche
Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht. Ein Konzept, das zu mehreren Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten
innerhalb eines Vergleichsraums aufgrund einer "Clusteranalyse" führt, erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen, denn
für eine solche weitere Aufteilung der Städte und Gemeinden eines Vergleichsraums gibt es keine rechtliche Begründung (BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R mwN, Senatsurteil vom 13.08.2020 - L 7 AS 285/18). Zu prüfen ist damit, ob der im Dezember 2019 erstellte Korrekturbericht der Firma Analyse & Konzepte eine gangbare Bestimmung
des maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums vornimmt und inwieweit der Korrekturbericht auf die hier streitigen Zeiträume anwendbar
ist. Im Hinblick auf die zutreffende Bestimmung des Vergleichsraums liegt es jedenfalls nicht ohne weitere Prüfung nahe, dass
das "übrige Städteregionsgebiet" der Städteregion Aachen mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von knapp 50 Kilometern sowie einer
recht unterschiedlichen Prägung der nördlich von Aachen liegenden Gemeinden und der Eifelgemeinden rund um Monschau einen
homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Überdies liegt es nahe, dass eine Anwendung des für die Zeit ab dem 01.03.2018 gültigen
Korrekturberichts auf die Monate Januar und Februar 2018 gegen das Verbot der Rückschreibung eines Konzepts in die Zeit vor
seiner Aufstellung (vgl. hierzu BSG Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R, Senatsurteil vom 13.08.2020 - L 7 AS 287/18) verstößt. Das Sozialgericht wird bei seiner weiteren Prüfung auch zu ermitteln haben, ob die von der Firma Analyse & Konzepte
vorgenommene Ermittlung der Unterkunftskosten im Übrigen die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen an ein schlüssiges
Konzept erfüllt. Abschließend ist festzustellen, dass der Beklagte auch nach den Maßgaben des Korrekturberichts vom 01.01.2018
bis zum 31.07.2018 mit dem Betrag von 338,50 € keine Bruttokaltmiete in hinreichender Höhe berücksichtigt hat, denn der Korrekturbericht
geht von einer angemessenen Bruttokaltmiete iHv 358 € aus.
Im Hinblick auf das anhängige Hauptsacheverfahren weist der Senat darauf hin, dass die Leistungsmonate Juli 2019 und August
2019 nicht Gegenstand des Verfahrens sein dürften, da nach dem Umzug des Klägers in die aktuelle (angemessene) Wohnung für
die Zeit ab Juli 2019 mit dem Änderungsbescheid vom 03.07.2019 eine neue Leistungsbewilligung erfolgte, die nicht Gegenstand
des Überprüfungsverfahrens geworden ist.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen vor.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).