Grundsicherung für Arbeitsuchende
Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein erledigtes Klageverfahren
Klage auf Auszahlung einer Kaution an den Vermieter
Zulässigkeit und Begründetheit der Leistungsklage
Zustimmungsbescheid nach § 22 Abs. 6 SGB II als Bewilligungsbescheid
Auslegung des Bescheides über die Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein erledigtes Klageverfahren,
mit dem sie die Auszahlung einer Kaution an ihren Vermieter begehrt haben.
Die Kläger stehen bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Am 01.08.2014 bezogen sie eine neue Wohnung. Am 17.07.2014 legten sie
eine Bescheinigung des Vermieters über die Höhe der Miete (Grundmiete 575 EUR monatlich) und die Nebenkosten vor. Mit Bescheid
vom 17.07.2014 erklärte der Beklagte die "Zustimmung zur Anmietung einer Wohnung". In dem Bescheid ist ua ausgeführt: "Für
die angebotene Wohnung können folgende Kosten als angemessen anerkannt werden: ... Kaution max. 3 Grundmieten: 1725 EUR ...Die
geforderte Kaution wird bei Vorliegen eines vom Mieter unterzeichneten Abtretungsvertrages als Darlehen gewährt und nach Bestätigung
der Kenntnisnahme durch den Vermieter an diesen überwiesen." Am selben Tag schlossen die Beteiligten einen Abtretungsvertrag
hinsichtlich des Anspruchs auf Rückzahlung der Mietkaution.
Am 24.07.2014 legten die Kläger den Mietvertrag vor. Seiten 5 bis 7 des Vertrages fehlen in dem Aktenexemplar. Auf Seite 8
des Mietvertrages wird unter § 27 Nr. 1 ausgeführt: "1. Die Kaution ist bei Vertragsabschluss in bar fällig.".
Mit Bescheid vom 03.09.2014 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 01.08.2014. Hierin enthalten
waren Kosten für Unterkunft und Heizung iHv jeweils 246,66 bzw 246,67 EUR.
Am 08.05.2015 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Köln erhoben mit dem Antrag,
den Beklagten zu verpflichten, an den Vermieter die Kaution iHv 1725 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Am 02.07.2015 haben die Kläger im Rahmen des Klageverfahrens den vollständigen Mietvertrag (einschließlich Seiten 5- 7) vorgelegt.
Auf Seite 7 ist (unter § 24) die Pflicht des Mieters enthalten, eine Kaution iHv 1725 EUR zu entrichten. Die Kläger haben
eine "eidesstattliche Versicherung" des Klägers zu 2), wonach dieser seit September 2014 mehrfach beim Beklagten vorgesprochen
und angerufen habe, um zu erfahren, wann die Kaution ausgezahlt wird und die Mehrfertigung eines Schreibens ihres Bevollmächtigten
vom 04.09.2014 vorgelegt, in dem dieser den Beklagten auffordert, Miete, Umzugskosten und eine Erstausstattung zu zahlen.
Mit Bescheid vom 10.07.2015 hat der Beklagte den Klägern ein Kautionsdarlehen iHv 1725 EUR bewilligt. Anschließend hat der
Beklagte den Betrag an den Vermieter entrichtet. Mit Schriftsatz vom 21.09.2015 haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt
erklärt. Den damit verbundenen Kostenantrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22.09.2015 abgelehnt.
Mit Beschluss vom 09.09.2015 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt.
Die Klage sei von Anfang an unzulässig gewesen, weil das gemäß §
78 SGG erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 09.09.2015 erhobene Beschwerde der Kläger.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
Die Kläger haben für das abgeschlossene Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S.
Sie erfüllen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Rechtsverfolgung hatte hinreichende Aussicht auf
Erfolg iSd §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114
ZPO. Ein Rechtsschutzbegehren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung
einer schwierigen Rechtsfrage abhängt (BVerfG, Beschlüsse vom 04.05.2015 - 1 BvR 2096/13 und vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.08.2015 - L 19 AS 1284/15 B; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 15.02.2016 - L 7 AS 1681/15 B). Prozesskostenhilfe ist auch zu bewilligen, wenn in der Hauptsache eine Beweisaufnahme erforderlich ist und keine konkreten
und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers
ausgehen wird (Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl., §
73a Rn. 9 mwN).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen. Die Klage war ausdrücklich als Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) erhoben worden. Für die Leistungsklage ist ein Vorverfahren nicht erforderlich. §
78 SGG gilt nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Leistungsklage war zulässig, weil die Kläger der Auffassung waren,
aufgrund des Zustimmungsbescheides vom 17.07.2014 einen Anspruch auf Auszahlung von 1725 EUR zu haben, ohne dass es der Erteilung
eines weiteren Bescheides bedurfte.
Ob die Leistungsklage begründet war, hing von der Entscheidung einer schwierigen Rechtsfrage und evtl. weiterer Beweisaufnahme
ab. Eine Leistungsklage ist begründet, wenn ein Zahlungsanspruch besteht und Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (§
54 Abs.
5 SGG). Dies ist ua der Fall, wenn die Leistung bereits durch Bescheid bewilligt worden ist.
Ob mit dem Zustimmungsbescheid vom 17.07.2014 bereits ein Kautionsauszahlungsanspruch begründet worden war, hing von der Auslegung
des Bescheides vom 17.07.2014 unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes - §
133 BGB in entsprechender Anwendung - (hierzu nur BSG, Urteil vom 28.06.1990 - 4 RA 57/89) ab. Dagegen spricht, dass ein Zustimmungsbescheid nach § 22 Abs. 6 SGB II nach der gesetzlichen Konzeption in der Regel nur den Ausspruch enthält, welche Kosten in welcher Höhe als angemessen und
erstattungsfähig anerkannt werden können, ohne selbst bereits einen Bewilligungsbescheid darzustellen (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R). Dies gilt namentlich für die Mietkaution, die als Darlehen erbracht werden soll (§ 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II), weshalb es der Regelung der Darlehensbedingungen in einem Bewilligungsbescheid bedarf.
Im vorliegenden Fall kommen jedoch Besonderheiten hinzu, die eine Auslegung des Bescheides bereits als Bewilligungsbescheid
vertretbar erscheinen lassen, ohne dass diese Frage abschließend im Verfahren über die Prozesskostenhilfe beantwortet werden
muss.
So wird die "Gewährung" der Kaution (lediglich) an das "Vorliegen eines vom Mieter unterzeichneten Abtretungsvertrages" geknüpft.
Die Abtretungserklärung der Kläger lag aber am 17.07.2014 bereits vor, so dass die Kläger der Meinung sein durften, nunmehr
alles Erforderliche getan zu haben, um einen Auszahlungsanspruch auszulösen. Zuzugestehen ist dem Beklagten, dass zur Begründung
eines Anspruchs auf Übernahme der Kaution erforderlich ist, dass eine Pflicht zur Entrichtung der Kaution in einer bestimmten
Höhe besteht. Jedoch war dem Beklagten aufgrund der Vorlage von Seite 8 (dort § 27) des Mietvertrages die generelle Verpflichtung
der Kläger zur Erbringung einer Kaution bekannt und es spricht viel dafür, dass die Kläger vorgetragen haben, die Kaution
in einer bestimmten Höhe entrichten zu müssen. Ansonsten wäre es wenig plausibel, dass die Zustimmungserklärung auch die Angemessenheit
der Kautionshöhe umfasst.
Bei Fortführung des Rechtsstreits wäre außerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens zudem zu prüfen gewesen, ob ein Auszahlungsanspruch
aus der berechtigten Sicht der Kläger zumindest unter der aufschiebenden Bedingung der Vorlage des Mietvertrags mit der Pflicht
zur Entrichtung der Kaution stand. Ob der Mietvertrag am 24.07.2014 vollständig vorgelegt worden ist und die Unvollständigkeit
des Aktenexemplars auf einem Versäumnis des Beklagten beruht, oder ob die Kläger den Vertrag nicht vollständig vorgelegt hatten,
und deshalb auch keine Auszahlung der Kaution erwarten durften, hätte einer weiteren Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren
bedurft.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).