Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragsteller gem. §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 8.1.2018 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin
vom 21.12.2017 über 1.267.028,36 Euro gestellt hat.
Am 29.5.2018 ist beim Sozialgericht (SG) Köln ein mit "Antrag(s-Entwurf) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (gem. §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG)" überschriebener Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 28.5.2018 eingegangen, der auszugsweise wie folgt
lautet:
" Namens und im Auftrag des Antragstellers beantrage ich, - auf der Grundlage der für den Antragsteller beantragten und vom
Sozialgericht bewilligten Prozesskostenhilfe - wie folgt zu erkennen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 08. Januar 2018 gegen den Beitragsnacherhebungsbescheid
vom 21. Dezember 2017 - xxx - in voller Höhe der von der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller geltend gemachten Nachforderungen
zur Sozialversicherung von insgesamt EUR 1.267.028,36 (darin enthalten Säumniszuschläge in Höhe von EUR 488.581,50) wird angeordnet
(86b Abs. 1 Nr. 2
SGG); zugleich wird die Aufhebung von aufgrund des Bescheids vom 21. Dezember bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen angeordnet.
Wegen der Vollmacht wird Bezug genommen auf die mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, der diesem Antrag vorgeschaltet
ist, vorgelegte Vollmacht, die die vorliegende Antragstellung mit umfasst. "
Ebenfalls am 29.5.2018 ist beim SG Köln der "Antrag auf Prozesskostenhilfe - §
73a SGG - für Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG" eingegangen, der auszugsweise wie folgt lautet:
" und beantrage namens und im Auftrag des Antragstellers,
1. dem Antragsteller für das Antragsverfahren nach §
86a Abs.
1 Nr.
2 SGG Prozesskostenhilfe zu bewilligen, 2. ihm den Unterzeichneten als Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat ausreichende Aussicht auf Erfolg und ist auch nicht mutwillig. Hierzu wird auf den
Inhalt des hier ebenfalls als Anlage beigefügten Entwurfs der Antragsschrift (gemäß §
86a Abs.
1 Nr.
2 SGG) und deren Begründung mit zugehörigen Anlagen Bezug genommen. "
Auf den weiteren Inhalt der vorgenannten Schriftsätze wird Bezug genommen.
Am 19.6.2018 hat das SG Köln durch Beschluss wie folgt entschieden:
Tenor:
"1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 08.01.2018 gegen den Bescheid vom 21.1.2017 wird
abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I aus K wird abgelehnt.
5. Der Streitwert wird auf 316.757,09 EUR festgesetzt."
Auf die Gründe des Beschlusses des SG wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20.6.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17.7.2018 Beschwerde eingelegt. Der Entwurf der
Antragsschrift habe zunächst nicht mehr als eine Anlage zum Prozesskostenhilfeantrag gebildet und der Antrag nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG sei daher nicht als unbedingt, d.h. als nicht ohne die - vorherige - Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe (PKH)
gestellt zu bewerten. Hinzu komme, dass der Eilantrag ausdrücklich "auf der Grundlage der beantragten und vom Sozialgericht
bewilligten Prozesskostenhilfe" gestellt worden sei, d.h. nur unter der Voraussetzung, dass das SG dem PKH-Antrag stattgebe. Mit seiner Entscheidung zu 1. des Beschlusses vom 19.6.2018 habe das SG deshalb über einen Antrag entschieden, der, da das SG die beantragte PKH nicht bewilligt habe, nicht gestellt worden sei. Entsprechendes gelte für die Entscheidung zu 2. des Beschlusses
vom 19.6.2018. Da nur über den PKH-Antrag zu entscheiden gewesen sei, habe es auch nicht der mit der Entscheidung zu 3. getroffenen
Kostenregelung und auch keiner Streitwertfestsetzung (Entscheidung zu 5. des Beschlusses vom 19.6.2018) bedurft.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss vom 19.6.2018 hinsichtlich der Entscheidungspunkte zu 1., zu 2., zu 3. und zu 5. ersatzlos aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Über das Vermögen des Antragstellers ist am 30.11.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (xxx, Amtsgericht [AG] K). Zur
Insolvenztabelle hat das Land Nordrhein-Westfalen durch die Zentrale Zahlstelle Justiz die aufgrund der Entscheidungen zu
Ziffer 3. und 5. des angefochtenen Beschlusses erhobenen Gerichtskosten i.H.v. 3.693,00 EUR angemeldet. Der Antragsteller
hat dieser Forderung im Insolvenzverfahren widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Eine Unterbrechung des Verfahrens gem. §
202 S. 1
SGG i.V.m. §
240 S. 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers nicht eingetreten, da das Verfahren
nicht - wie hiernach erforderlich - die Insolvenzmasse betrifft. Eine Unterbrechung tritt nur dann ein, wenn Verfahrensgegenstand
ein Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehört, d.h. das pfändbare Vermögen des Schuldners betrifft (vgl. Greger in:
Zöller,
Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, §
240 ZPO Rn. 8 m.w.N.). Eine derartige Betroffenheit der Insolvenzmasse ist nicht gegeben. Streitgegenstand ist nicht eine gegen die
Insolvenzmasse gerichtete Forderung oder deren Vollziehbarkeit, sondern vielmehr die Frage, ob ein Antrag nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG gestellt worden ist. Die Entscheidung über diesen Streitgegenstand ist für die Insolvenzmasse vermögensmäßig neutral.
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil aufgrund der angefochtenen Entscheidung zu Ziffer 3. das Land Nordrhein-Westfalen
Gerichtskosten erhoben und zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Selbst bei einer Unterbrechung gem. §
202 S. 1
SGG i.V.m. §
240 S. 1
ZPO sind dem Gericht nur Entscheidungen in der Hauptsache, jedoch nicht in Nebenpunkten wie z.B. zu Kosten und zum Streitwert
verwehrt (vgl. BGH Beschl. v. 2.2.2005 - XII ZR 233/02 - juris m.w.N.).
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Er hat keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs vom 8.1.2018 gegen den Beitragsbescheid vom 21.12.2017 gestellt. Das SG Köln hat daher zu Unrecht zu Ziffer 1.
des Tenors der angefochtenen Entscheidung über einen solchen Antrag entschieden. Entsprechendes gilt für die Entscheidung
zu Ziffer 2. des Beschlusstenors. Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert waren daher ebenfalls nicht zu treffen
(Ziffern 3. und 5. des Beschlusstenors). Der angefochtene Beschluss ist daher zu den Ziffern 1., 2., 3. und 5. seines Tenors
aufzuheben.
Der Antragsteller hat lediglich einen sog. isolierten PKH-Antrag, jedoch weder einen unbedingten noch einen - unzulässigen
- bedingten Antrag nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG gestellt (vgl. zu den Abgrenzungsfragen z.B. Gall in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl. 2017, §
73a SGG Rn. 69; Leopold in: Roos/Wahrendorf,
SGG §
73a Rn. 19 m.w.N.). Dies ergibt die Auslegung der Ausführungen in den Schriftsätzen des Antragstellers vom 28.5.2018. Bei der
Auslegung ist dabei nicht entscheidend der innere Wille des Beteiligten, sondern entsprechend §
133 Bürgerliches Gesetzbuch der in der Erklärung verkörperte Wille unter Berücksichtigung der äußeren Umstände des Falles (vgl. BSG Urt. v. 13.10.1992 - 4 RA 36/92 - juris Rn. 18).
Nach diesen Kriterien ist vorliegend hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der Antragsteller lediglich einen
PKH-Antrag unter Beifügung eines Entwurfs einer Antragsschrift gestellt hat. Dies gilt umso mehr, als eine Rechtsbehelfsfrist
nicht einzuhalten war und der Antragsteller daher die Entscheidung über seinen PKH-Antrag vor einer Antragstellung nach §
86b Abs. S. 1 Nr. 2
SGG zunächst abwarten konnte. Er hat in beiden Schriftsätzen vom 28.5.2018 ausdrücklich auf den Entwurfscharakter der Antragsschrift
gem. §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG hingewiesen. Damit ist ersichtlich, dass der Antragsteller das mit der Anhängigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
verbundene Kostenrisiko ausschließen wollte, zumal dies bei dem hohen Streitwert erheblich war und er aufgrund seiner Mittellosigkeit
die Kosten für ein solches Verfahren ohne Bewilligung von PKH nicht aufbringen konnte. Mit der von ihm vorgenommenen ausdrücklichen
Kennzeichnung des entsprechenden Schriftsatzes als "Entwurf" hat er eine Antragstellung - bedingt oder unbedingt - hinreichend
deutlich ausgeschlossen (vgl. BFH Beschl. v. 22.11.2017 - V S 18/17 (PKH) - juris Rn. 17 m.w.N.). Dies wird durch seine weiteren Ausführungen untermauert, nach denen der Antrag auf Gewährung
von PKH dem Antrag nach §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG "vorgeschaltet sein" sollte.
Die vorgenommene Auslegung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers wird auch dem durch Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Anspruch des Einzelnen auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf
ein faires Verfahren gerecht, weil sie seiner wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Bundesgerichtshof [BGH] Urteil
v. 27.8.2019 - VI ZB 32/18 - juris Rn. 9 u. 14 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung und § 21 Gerichtskostengesetz (vgl. auch VGH Baden-Württemberg Beschl. v. 2.10.2015 - 9 S 1048/15 - juris Rn. 26 f). Im Verfahren um den Antrag auf Bewilligung von PKH gem. §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
118 ZPO fallen zudem Gerichtsgebühren nicht an (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
73a Rn. 12a).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).