Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 27.5.2020 ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 7.2.2020,
nunmehr in der Gestalt des Bescheides vom 17.8.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 1.10.2020 zu Recht abgelehnt. Gleichermaßen
ist auch eine aufschiebende Wirkung der vor dem SG erhobenen Klage (Az. S 28 BA 129/20) nicht anzuordnen.
Gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gemäß §
86b Abs.
1 S. 2
SGG eine schon vorgenommene Vollziehung aufheben. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die - wie hier erfolgte - Entscheidung
über Versicherungs- und Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen haben gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin
einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (Beschl. v. 21.10.2020 - L
8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 S. 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter
1.) oder ob die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen
lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen
zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen
die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 12.2.2020 - L 8 BA 157/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.; Beschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 4).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung der Klage nicht anzuordnen, da deren Erfolg nicht überwiegend
wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung derzeit
nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin nach § 28p Abs. 1 S. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) erlassene Prüfbescheid vom 7.2.2020, geändert durch Bescheid vom 17.8.2020, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.10.2020,
mit dem sie von der Antragstellerin Beiträge für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2018 in Höhe von nunmehr 11.200,50 Euro
nachfordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen streitigen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung
ist § 28p Abs. 1 S. 1, S. 5
SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und
Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide erlassen.
Nach diesen Maßstäben ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der im Hauptsacheverfahren beizuladende R (im Folgenden:
R; s. zur fehlenden Beiladungspflicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Senatsbeschl. v. 3.7.2015 - L 8 R 672/14 B ER - juris Rn. 29 f.) im streitigen Zeitraum bei der Antragstellerin gegen Arbeitsentgelt (§
14 SGB IV) abhängig beschäftigt war und Beiträge in der festgesetzten Höhe zu entrichten sind.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung
des SG Bezug, denen er sich vollinhaltlich anschließt (vgl. §
142 Abs.
2 S. 3
SGG).
Das mit der Beschwerde wiederholte Vorbringen, R sei nur im Rahmen einer organschaftlichen Vertretung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses
tätig geworden, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Zu Recht hat das SG bereits darauf hingewiesen, dass zwangsläufig allein schon mit der Vereinbarung einer pauschalen Vergütung für die Übernahme
der organschaftlichen Stellung als Geschäftsführer eine vertragliche Regelung getroffen worden ist. Die konkrete (zivil-)rechtliche
Natur des so begründeten Anstellungsverhältnisses ist für die sozialrechtliche Beurteilung ohne Belang (idR entgeltlicher
Geschäftsbesorgungsvertrag iSv §§
675 Abs.
1,
611 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB, vgl. z.B. Beurskens, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 6 Rn. 54, Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 6 Rn. 78). Der Vertrag kann ohne weiteres konkludent abgeschlossen werden (vgl. BGH Urt. vom 27.1.1997 - II ZR 213/95 - juris Rn. 17 m.w.N.; Altmeppen a.a.O. m.w.N.). Nur diese Sichtweise lässt sich im Übrigen auch mit dem Gesellschaftsvertrag
der Antragstellerin in Einklang bringen, wonach sich die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers aus dem Gesetz und dem
Anstellungsvertrag ergeben (Gesellschaftsvertrag vom 28.6.2005, Abschnitt V. 4). Auf dieser vertraglichen Grundlage war R
rechtlich gegenüber der Gesellschafterin weisungsgebunden (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 5, 6 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG), ohne das es dabei auf die tatsächliche Handhabung ankommt (vgl. zur sog. "Schönwetter-Selbständigkeit" z.B. BSG Urt. v. 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - juris Rn. 25). Nach eigenem Vortrag hat R die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG sowie die Erstellung und Vorlage der Jahresabschlüsse entsprechend § 42a GmbHG übernommen. Es ist davon auszugehen, dass er auch sämtliche sonstigen, vom GmbHG erfassten Aufgaben, u.a. auch die Einberufung der Gesellschafterversammlung gemäß § 49 Abs. 1 GmbHG und die Buchführung nach § 41 GmbHG, wahrgenommen hat. Dass er dabei als Geschäftsführer seine Arbeit selbst einteilen, d.h. Zeit, Ort und Art der Ausführung
selbst bestimmen konnte, steht der Beurteilung seiner Tätigkeit als abhängiger Beschäftigung nicht entgegen (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - juris Rn. 17).
Ohne Belang für die vorliegend streitige sozialrechtliche Bewertung ist der, von der Antragstellerin ebenfalls wiederholend
vorgetragene Hinweis auf die Zulassung des R als Rechtsanwalt (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 21.1.2020 - L 11 BA 1596/19). Gleiches gilt auch für seine Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, stand die Übernahme der Geschäftsführung bei der Antragstellerin in keinem Zusammenhang mit
der anwaltlichen Tätigkeit des R. Mithin sind die beiden Sachverhalte getrennt zu beurteilen, auch wenn dies zu Mehrfachversicherungen
führt (vgl. z.B. BSG Urt. v. 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R - juris Rn. 43 m.w.N.). Unabhängig davon hat eine zugleich ausgeübte "freiberufliche" Tätigkeit
keinen Einfluss auf die Bewertung als abhängige Beschäftigung, da die für GmbH-Geschäftsführer geltenden Maßstäbe nicht berufsrechtlich
überlagert werden (vgl. BSG Urt. v. 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - juris Rn. 29 ff.). Soweit R formal auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abgerechnet hat, fehlt es diesem Umstand damit schon an einer Bedeutung für die hier zu treffende Beurteilung. Mit dem SG geht der Senat zudem davon aus, dass die Abrechnung nicht von den Vorschriften des RVG gedeckt ist. Ein einschlägiger Gebührentatbestand ist weder angegeben worden noch ersichtlich. Im Übrigen vermag auch die
Behauptung der Antragstellerin, R habe kein Entgelt, sondern lediglich eine Aufwandspauschale wie eine ehrenamtlich tätige
Person erhalten, nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. So ist bereits nicht dargelegt worden, ob, in welcher Form und
in welcher Höhe R tatsächlich Aufwand entstanden ist. Gegen eine Aufwandsentschädigung spricht auch, dass monatlich der gleiche
Betrag abgerechnet worden ist und Ansatzpunkte für eine ehrenamtliche Tätigkeit, d.h. die Verfolgung eines ideellen Zwecks
durch R ohne Erwerbsabsicht weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Nach dem derzeitigen Sachstand ist daher von einer verdeckten
Entlohnung auszugehen (vgl. BSG Urt. v. 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - juris Rn. 34).
Unzutreffend ist schließlich, dass R - wie die Antragstellerin meint, dem "abhängigen Arbeitsmarkt" nicht zur Verfügung gestanden
habe und daher keine Beiträge nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu zahlen seien. Wie dargelegt können mehrere Tätigkeiten
nebeneinander ausgeübt werden und sind dann sozialversicherungsrechtlich jeweils getrennt voneinander zu beurteilen.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung begegnet die Höhe der Nachforderung auf der
Grundlage der Bruttoentgelte gemäß §
14 Abs.
1 SGB IV keinen Bedenken. Aufgrund des im Rahmen von §
14 SGB IV geltenden Entstehungsprinzips kommt es auf den tatsächlichen Zufluss der Gelder nicht an (vgl. z.B. BSG Urt. v. 4.9.2018 - B 12 R 4/17 R - juris Rn. 15). Dem Rentenbezug des R seit April 2017 hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 17.8.2020 Rechnung getragen
und ab diesem Zeitpunkt nur noch die Arbeitgeberbeiträge festgesetzt.
2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin durch die sofortige
Vollziehung des Beitragsbescheides ist nicht erkennbar.
Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer
solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B.
Beschl. v. 7.3.2019 - L 8 BA 75/18 B ER - juris Rn. 17). Konkreter Vortrag zu dieser Frage ist trotz der Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss auch nicht erfolgt.
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge (hier als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B.
Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).