Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die in Höhe der Deckungsrückstellung gezahlte Abfindung einer Anwartschaft auf Direktversicherungsleistungen
als Versorgungsbezug der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV)
unterliegt.
Der am 00.00.1957 geborene Kläger war von 1976 bis 2016 bei den britischen Stationierungskräften in der Bundesrepublik Deutschland
beschäftigt und während dieser Zeit im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung über seinen Arbeitgeber in einem Gruppenversicherungsvertrag
für die Arbeitnehmer bei den Stationierungskräften versichert. Vertragspartner war die Bundesrepublik Deutschland in Vertretung
der Entsendestaaten von Streitkräften und NATO-Einheiten, zu denen auch die britischen Streitkräfte zählten. Die Beiträge
zahlten die Streitkräfte. Spätestens bei Vollendung des 65. Lebensjahres war die Versicherungssumme fällig. Bei Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses bestand ein Anspruch auf den Zeitwert der Versicherung (Deckungsrückstellung), wenn mindestens
fünf Versicherungsjahre zurückgelegt waren. Der Kläger war während der gesamten Versicherungsdauer weder Versicherungsnehmer
noch Beitragszahler.
Anlässlich der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses beantragte der Kläger die Auszahlung der Deckungsrückstellung
aus dem Gruppenversicherungsvertrag, woraufhin die F Lebensversicherung AG dem Kläger im Januar 2017 eine Versicherungssumme
in Höhe von 52.520,90 € auszahlte. Die Beklagte, bei der der Kläger als versicherungspflichtig Beschäftigter gesetzlich krankenversichert
gewesen ist, setzte hieraufhin mit Bescheid vom 09.02.2017 unter Verteilung dieser Summe auf zehn Jahre in Höhe von einem
Einhundertzwanzigstel monatlich die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatlich insgesamt 79,87 € für die Zeit
ab dem 01.02.2017 fest und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2017 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2017 Klage beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass er vor Vollendung des 59. Lebensjahres aus seinem Beschäftigungsverhältnis
ausgeschieden ist und es sich deshalb bei der Versicherungsleistung nicht um eines solche zu Alterssicherungszwecken handele.
Aufgrund einer Änderung der Beitragshöhe setzte die Beklagte mit nicht näher datierten Bescheiden aus Januar 2018 und Januar
2019 die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die Versicherungsleistung auf monatlich 79,00 € ab dem
01.01.2018 und auf 81,19 € ab dem 01.01.2019 fest.
Das Sozialgericht Münster hat die Klage mit Urteil vom 20.11.2019 abgewiesen. Die dem Kläger ausgezahlte Deckungsrückstellung
seiner als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung sei vollständig als Versorgungsbezug anzusehen und der Bemessung
der Beiträge des Klägers zugrunde zu legen. Die streitgegenständliche Zahlung habe ihren Ursprung in einer Zusage von Direktversicherungsleistungen,
welche ebenso wie die eigentliche Versicherungsleistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart worden sei. Abfindungsleistung
und Versicherungsleistung unterschieden sich in dem hier interessierenden Zusammenhang lediglich dadurch, dass die Abfindungsleistung
vor Eintritt des vertraglich vereinbarten Versicherungsfalls, die Versicherungsleistung dagegen nach dessen Eintritt ausgezahlt
werde. Der durch die leistende Institution vorgeprägte Charakter als Versorgungsbezug sei jedoch durch die vorzeitige Auszahlung
nicht nachträglich verloren gegangen.
Gegen das ihm am 16.12.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und trägt vor, bei einer Auszahlung einer
Deckungsrückstellung handele es sich nicht um einen Versorgungsbezug, der der Beitragspflicht unterliege. Die Auszahlung an
ihn knüpfe nicht an einen Versorgungsfall an. Er habe bei Auszahlung der Deckungsrückstellung das 59. Lebensjahr noch nicht
vollendet gehabt und insoweit kein Alter erreicht, das als Beginn des Ruhestandes geltend könne. Bereits aus diesem Grund
liege kein Versorgungsbezug vor. Von einem Versorgungsbezug könne nur dann gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme
der Versicherungsleistung keine Einkünfte mehr erziele und aus der Versicherungsleistung seinen allgemeinen Lebensunterhalt
bestreite. In solchen Fällen läge eine Leistung mit Versorgungscharakter vor. Dies seien vornehmlich Fallgestaltungen, in
denen dem Arbeitnehmer die Versicherungsleistung bei Eintritt in das Rentenalter gewährt werde oder wenn dieser nach Ausscheiden
aus dem Arbeitsverhältnis bei Übertragung der Versicherung keine Beschäftigung mehr ausübe. Diese beiden Fallgestaltungen
hätten jedoch bei ihm nicht vorgelegen, da er weiterhin berufstätig gewesen sei und die Versicherungsleistung nicht für Versorgungszwecke
eingesetzt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 20.11.2019, den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017, geändert durch die Bescheide aus Januar 2018 und Januar 2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §
155 Abs
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
155 Abs
4 SGG durch seinen Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs
2 SGG entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.
Die zulässige Berufung (I) ist unbegründet (II), da die zulässige Klage unbegründet ist.
I.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist gemäß §
153 Abs
1 SGG i.V.m. §
95 SGG der Beitragsbescheid der Beklagten vom 09.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017. Gemäß §
153 Abs
1 SGG i.V.m. §
96 Abs
1 SGG sind die im Januar 2018 und Januar 2019 erlassenen Beitragsbescheide Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil sie eine
Änderung der Beitragshöhe für die Zukunft zum Regelungsgegenstand haben und damit den jeweils vorangegangenen Beitragsbescheid
abändern.
Die Nichteinbeziehung der nach §
96 Abs
1 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide durch das SG führt dazu, dass die Entscheidung über sie im Berufungsverfahren nachzuholen ist (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, §
96 Rn 12a; Klein in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
96 SGG (Stand: 06.07.2020) Rn 72; vgl. BSG, Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 57/04 R, juris Rn 21 und BSG, Urteil vom 26.11.1986, 7 RAr 55/85, juris Rn 16).
II.
Die demnach zum Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens gewordenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht auf die dem Kläger gezahlte Deckungsrückstellung aus dem Gruppenversicherungsvertrag
Beiträge zur GKV und (1) und sPV (2) für 120 Monate festgesetzt.
1.
Gemäß §
226 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V werden bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Zahlbetrag der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde
gelegt.
Als Versorgungsbezüge gelten die - vorliegend allein in Betracht kommenden - Renten der betrieblichen Altersversorgung nach
§
229 Abs
1 S 1 Nr
5 SGB V, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zu Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden,
außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des §
92 Einkommensteuergesetzes sowie Leistungen, die der Versicherte nach dem Endes des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht
durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträgen erworben hat. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig
wiederkehrende Leistung (Regelung 1) oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt
worden (Regelung 2), gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge,
längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
Die Auszahlung der Deckungsrückstellung in einem Einmalbetrag an den Kläger stellt eine vor Eintritt des Versicherungsfalls
vereinbarte oder zugesagte nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung der betrieblichen Altersversorgung im vorbeschriebenen
Sinne des §
229 Abs
1 S 3 Regelung 2
SGB V dar. Die Beklagte war deshalb berechtigt, den ausgezahlten Betrag bei der Beitragsbemessung in der GKV zu berücksichtigen.
Gegen die Berechnung der Beitragshöhe für die Zeit ab dem 01.02.2017, ab dem 01.01.2018 und ab dem 01.01.2019 in Anwendung
des §
229 Abs
1 S 3
SGB V (als solcher) hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben und bestehen auch sonst keine Bedenken. Er hält allein die Beitragspflicht
dieser Leistung als eine (Grund)Voraussetzung der Beitragserhebung für nicht gegeben.
Die Lebensversicherung des Klägers mit Kapitalzahlung war als Direktversicherung in einem Gruppenversicherungsvertrag geführt
worden, den die Bundesrepublik Deutschland als Versicherungsnehmerin zugunsten des bei den britischen Streitkräften als Arbeitnehmer
beschäftigten Klägers abgeschlossen hatte. Sie sollte im Hinblick auf den vereinbarten Versicherungsfall (Vollendung des 65.
Lebensjahres, Tod vor Vollendung des 65. Lebensjahres) zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung dienen. Vor Eintritt dieses
Versicherungsfalls zahlte das Versicherungsunternehmen wegen Erlöschens der Kapitallebensversicherung infolge Beendigung des
Arbeitsverhältnisses die Deckungsrückstellung aus. Betriebsrentenrechtlich handelt es sich bei der Auszahlung der Deckungsrückstellung
der als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung um die Abfindung einer im Falle der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses bestehenden unverfallbaren Anwartschaft auf Direktversicherungsleistungen in einem Einmalbetrag (vgl
§
3 des
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 <BGBl I 3610> -
BetrAVG). Sie stellt eine Entschädigung für die Aufgabe der Anwartschaft durch den Arbeitnehmer dar; in einem solchen Fall erlischt
das auf die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Versorgung gerichtete Schuldverhältnis und dessen Versorgungsverpflichtung
wird in eine Zahlungsverpflichtung auf Wertausgleich umgewandelt (vgl BSG, Urteil vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, juris Rn 15 mwN). Bei einer als Direktversicherung durchgeführten betrieblichen Altersversorgung entspricht der Abfindungsbetrag
seiner Höhe nach dem Wert der unverfallbaren Anwartschaft bei deren Übertragung, der seinerseits durch das gebildete Kapital
repräsentiert wird (vgl §
3 Abs
5, §
4 Abs
5 S 2
BetrAVG) und der wie bei der Ermittlung des Umfangs des Verfügungsverbots (vgl §
2 Abs
2 S 4
BetrAVG) berechnet wird; bei älteren Kapitallebensversicherungen wie der vorliegenden erfolgt die Berechnung nach dem Deckungskapital,
auch Deckungsrückstellung genannt (vgl BSG, aaO).
Die vorzeitige Auszahlung einer betrieblichen Altersversorgung wirkt sich auf ihre Eigenschaft als zur Altersversorgung iS
des §
229 Abs
1 S 1 und S 3
SGB V erzielte Einnahme für den vorliegenden Fall der betriebsrentenrechtlichen Abfindung einer unverfallbaren Anwartschaft auf
Leistungen aus einer Direktversicherung, die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des vertraglich
vereinbarten Versicherungsfalls geschuldet und gezahlt wird, entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus. Der Charakter
dieser (Kapital)Leistung als Versorgungsbezug geht dadurch nicht nachträglich verloren, wie das Bundessozialgericht in der
Entscheidung vom 25.04.2012 (vgl BSG aaO, Rn 18ff) ausführlich begründet hat und der sich der Berichterstatter nach eigener Prüfung anschließt.
Soweit der Kläger geltend macht, aufgrund seines Alters habe es sich bei der ausgezahlten Deckungsrückstellung nicht um einen
Versorgungsbezug gehandelt, ist dem nicht zu folgen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass eine
Altersgrenze von 55 Jahren nicht so früh gewählt ist, dass eine Betriebsrente nicht mehr der Altersversorgung zuzurechnen
wäre (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 2014 - L 1 KR 199/12 -, juris, Rn 29). Für den Fall der Auszahlung einer Deckungsrückstellung gilt jedenfalls ab Vollendung des 58 Lebensjahres
nichts anderes. Dass der Kläger nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einer anderen Beschäftigung nachgegangen ist,
ist bereits unter Berücksichtigung des persönlichen Anwendungsbereichs der Regelung in §
226 SGB V unerheblich, die für versicherungspflichtig Beschäftigte gilt.
2.
Die Beiträge zur sPV waren gemäß §
57 Abs
1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) i.V.m. §§
226 Abs
1 S 1 Nr
3,
229 Abs
3 SGB V zu erheben. Die Beitragsfestsetzung durfte gemäß §
46 Abs
2 S 4, S 5 SGV XI in einem gemeinsamen Beitragsbescheid ergehen und ein gemeinsamer Widerspruchsbescheid erlassen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, §
160 Abs
2 SGG.