Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger am 09.04.2013 einen Arbeitsunfall nach dem Siebten Buch des Sozialgesetzbuches (
SGB VII) erlitten hat.
Der 1949 geborene Kläger ist als Industriemechaniker bei der Firma I Maschinenfabrik GmbH beschäftigt. Am 09.04.2013 entfernte
er gegen 6.00 Uhr morgens nach morgendlichem Kaffeetrinken auf entsprechende Weisung seines Vorgesetzten, des Zeugen N, mit
einer Kaffeetasse in der Hand von einem Stehtisch auf, um diesen freizuräumen und Unterlagen aus einem Container zu holen.
Auf dem Weg stolperte er und fiel mit der linken Hand in die zersprungene Tasse. Ausweislich des Berichtes der Durchgangsärzte
I und X vom 09.04.2013 erlitt er hierbei eine Schnittverletzung der Hohlhand links mit Verletzungen mehrerer Nerven, der Beugesehnen
sowie mehrerer Blutgefäße jeweils in Handhöhe.
Auf Nachfrage der Beklagte trug der Kläger zum Unfallhergang vor, üblicher Arbeitsbeginn sei 6.00 Uhr morgens. Zum damaligen
Zeitpunkt habe sich die Arbeitgeberin in Umzugsarbeiten wegen einer Verlegung des Firmensitzes befunden. Dementsprechend hätten
sich diverse Gegenstände nicht an ihrem üblichen Platz befunden, sondern auch in den Gängen zum entsprechenden Transport bereit
gestanden. Regelmäßig fänden um 6.00 Uhr morgens Arbeitsbesprechungen statt, an der am 09.04.2013 der Kläger, sein Vorgesetzter,
der Zeuge N, sowie der Zeuge H teilgenommen hätten. Die Besprechungen hätten üblicherweise an einem Stehtisch in den damaligen
Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattgefunden. Der Kläger habe für die Besprechung - wie üblich - bereits zuvor für die Teilnehmer
Kaffee zubereitet. Im Rahmen der Besprechung sei er von seinem Vorgesetzten gebeten worden, Arbeitspapiere zu holen. Insoweit
habe er sich - mit der Kaffeetasse in der Hand - von dem Stehtisch entfernt, um die Papiere zu holen. Er sei dann gestolpert,
zu Fall gekommen und habe sich erheblich in seiner linken Handinnenfläche verletzt.
Mit Bescheid vom 01.07.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Nach dem Ergebnis der
Ermittlungen seien die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Arbeitsunfall nicht gegeben, da Essen und Trinken und das
damit in Zusammenhang stehende Verletzungsrisiko an Behältnissen dem persönlichen und daher unversicherten Lebensbereich zuzurechnen
sei.
Den hiergegen am 25.07.2013 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er nicht "nach einer Einsatzbesprechung",
sondern während einer entsprechenden Besprechung mit der Kaffeetasse in der Hand gestolpert und gestürzt sei. Er habe sich
auf Weisung seines unmittelbaren Vorgesetzten von den Kollegen entfernt, um Unterlagen zu holen. Es sei zutreffend, dass die
Besprechungsteilnehmer während der Besprechung einen Kaffee getrunken hätten. Dies sei bei morgendlichen Besprechungen üblich.
Gerade die Zubereitung und das Reichen des Kaffees falle in sein Aufgabengebiet.
Mit Bescheid vom 28.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls
seien nicht gegeben, weil Essen und Trinken und das damit in Zusammenhang stehende Verletzungsrisiko dem persönlichen und
damit unversicherten Lebensbereich zuzurechnen seien. Unerheblich sei, dass es auf betrieblichen Besprechungen üblich sei,
Kaffee zu trinken. Ausschließlich besondere betriebliche Umstände, die eine arbeitsbedingte Getränkeaufnahme zum kurzfristigen
Erhalt der Arbeitskraft notwendig gemacht hätten, könnten ausnahmsweise einen betrieblichen Bezug für die Getränkeaufnahme
herstellen. Hierfür lägen keinerlei Hinweise vor. Selbst wenn der Kläger auf Anordnung des Vorgesetzten für die Zubereitung
des Kaffees und die Beschaffung/Entsorgung des Geschirrs zuständig gewesen sein sollte, habe sich der Unfall nicht infolge
dieser Bewirtung ereignet. Der Kläger sei nämlich in die von ihm selbst benutzte Tasse gestürzt. Da sich der Sturz im Rahmen
einer Dienstbesprechung ereignet habe und der Kläger aufgefordert gewesen sei, Unterlagen zu beschaffen, habe er sich während
des Ereignisses durchaus bei einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit befunden. Das gleichzeitige Mitführen von selbst benutzten
Behältnissen zur Essen- oder Getränkeaufnahme, hier der Kaffeetasse des Klägers, sei dennoch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit.
Es handele sich um eine sog "gemischte Tätigkeit". Damit sei durch das Zerbrechen seiner eigenwirtschaftlich mitgeführten
Tasse das Unfallgeschehen derart geprägt worden, dass die letztendliche Wirkung, nämlich die Art und Schwere der Verletzung,
nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe.
Am 03.05.2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Dortmund (SG) Klage erhoben. Die Beklagte verkenne, dass sich der Arbeitsunfall nicht aufgrund des Kaffeetrinkens, sondern aufgrund des
zur Arbeit gehörenden weisungsgemäßen Abholens von Arbeitsmaterialen ereignet habe. Zudem habe er die Tasse seinerzeit weggeräumt,
damit Platz für die Unterlagen auf dem Stehtisch geschaffen werden konnte. Er habe die Tasse genommen, sei in Richtung Container
gegangen und habe die aus dem Container benötigten Unterlagen holen wollen. Er habe vorgehabt, die Tasse in Höhe einer Kaffeemaschine
abzustellen, die sich auf der rechten Seite innerhalb des Containers befunden habe. Die Unterlagen hätten sich weitere drei
bis vier Meter vom Eingang des Containers entfernt befunden. Die Tasse sei leer gewesen. Er habe den Kaffee etwa fünf bis
sechs Minuten zuvor abschließend zu sich genommen.
Das SG hat die Zeugen H und N zum Unfallhergang vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
vom 05.05.2017 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 05.05.2017 hat das SG die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 09.04.2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Arbeitsunfälle seien nach §
8 Abs
1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit. Abzugrenzen sei, ob die Handlungstendenz, die zum Ereignis geführt habe, wesentlich mit der den Versicherungsschutz
begründenden Tätigkeit korrespondiere oder ob anderweitige Ursachen zu dem Ereignis geführt hätten. Der sachliche Zusammenhang
sei stets gegeben, wenn die Verrichtung, bei welcher der Unfall sich ereignet, Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung
des Beschäftigten ist. Soweit über den Arbeitsvertrag hinausgehende Leistungen erbracht werden, seien diese der Durchführung
der geschuldeten Verrichtung gleichgestellt, sofern sie betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt seien. Das Verbringen
der selbst genutzten Kaffeetasse von einem Betriebsraum in einen Container sei nicht Teil der durch den Kläger geschuldeten
Arbeitsleistung gewesen. Es habe sich um eine eigenwirtschaftliche Verrichtung gehandelt. Das vorherige Trinken von Kaffee
während der Arbeitszeit habe bereits keinen Bezug zu der Arbeitstätigkeit. Das geplante Verbringen der leeren Kaffeetasse
in den besagten Container sei aber vorliegend nicht wesentlich zu eigenwirtschaftlichen Zwecken, sondern aus betrieblichen
Gründen erfolgt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Wegbringen der Tasse
von dem Tisch, auf dem sie vorher gestanden hatte, im dringenden betrieblichen Interesse gelegen habe. Der betreffende Vortrag
des Klägers sei durch die Zeugenvernehmung bestätigt worden. Insbesondere habe der Zeuge N unmissverständlich ausgesagt, dass
er in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter des Klägers diesen am Unfalltag zum Freiräumen des Tisches aufgefordert habe, damit
dort anschließend eine Arbeitsbesprechung stattfinden konnte. Die Kammer habe keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser
Aussage Zweifel zu hegen. Die Erforderlichkeit des vollständigen Freiräumens habe der Zeuge mit der Beschreibung der Größe
des Tisches, auf welchem Zeichnungen im DIN-A-4-Format ausgebreitet werden sollten, anschaulich untermauert. Der Zeuge habe
nach seiner Aussage als auch der des Zeugen H kein spezielles Erinnerungsvermögen den Unfalltag betreffend benötigt, denn
der Ablauf des vorherigen Kaffeetrinkens und anschließenden Freiräumen des Tisches zum Zwecke der Durchführung einer Besprechung
entsprach der Üblichkeit. Unerheblich sei es, dass es sich bei der Tasse um einen Gegenstand gehandelt habe, der als solcher
allein einer eigenwirtschaftlich einzuordnenden Nutzung zugänglich gewesen sei. Maßgebend erscheine vielmehr der Umstand,
dass eben das Freiräumen des Tisches aus betrieblichen Gründen erfolgt ist. Es sei unerheblich, ob hierbei Arbeitsmittel oder
private Gegenstände vom Tisch hätten entfernt werden müssen. Der Unfallversicherungsschutz verliere sich nicht in dem Moment,
in dem ein eigenwirtschaftlichen Zwecken dienender Gegenstand in das Geschehen involviert ist, wenn das Geschehen als solches
- wie hier - bei einem allein betrieblichen Vorgang frei von jeder Eigenwirtschaftlichkeit eingetreten ist. Unerheblich sei,
dass die Kaffeetasse nicht nur eben vom Tisch, sondern gleich mehrere Meter weit zu der Kaffeemaschine gestellt werden sollte.
Zum einen sei von Bedeutung, dass der Kläger auf seinem Weg die noch ein wenig weiter sich befindenden Unterlagen holten sollte,
zum anderen sei nach der Beschreibung der Arbeitsräume nicht ersichtlich, wo die Tasse vernünftigerweise ohne zu stören hätte
hingestellt werden können.
Gegen das am 15.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklage am 16.06.2017 Berufung eingelegt. Sowohl das Kaffeetrinken als
auch das Verbringen einer selbst genutzten Tasse vom Betriebsraum zum Container seien dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen.
Soweit sich an das Kaffeetrinken dienstliche Aufgaben anschläßen, beginne die versicherte Tätigkeit nicht mit dem Abräumen
der Kaffeetasse, sondern es ende die eigenwirtschaftliche Tätigkeit nach dem Wegräumen der Tasse. Selbst wenn mit dem Wegräumen
der Tasse vorliegend auch ein dienstlicher Grund verbunden worden sei, verbleibe es bei der Frage, was Wirkursache für den
Gesundheitsschaden gewesen ist. Die sich in diesem Fall verwirklichende Gefahr (Verletzung der linken Hand ausschließlich
durch die Scherben der zerbrochenen Kaffeetasse) sei ausschließlich dem unversicherten Bereich zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.05.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig.
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten hat die Beklagte die Berufungsfrist gewahrt. Das angefochtene Urteil ist
der Beklagten am 15.05.2017 zugegangen. Gemäß §
64 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) begann der Lauf der Frist daher mit dem 16.05.2017 und endete mit dem 16.06.2017, da der 15.06.2017 ein Feiertag (Fronleichnam)
war (§
64 Abs
3 SGG).
Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 09.04.2013 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl BSG, Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R - in [...], Rn 9 mwN) und auch begründet.
Nach §
8 Abs
1 S 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs
1 S 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist
(innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem
Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten
objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG, Urteil vom 20.10.2016 - B 2 U 16/15 R - in [...], Rn 12 mwN).
Der Kläger erlitt bei dem Sturz am 09.04.2013 eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und
damit einen Unfall im Sinne des §
8 Abs
1 S 2
SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden in Form von Schnittverletzungen
der Hohlhand links mit Verletzungen mehrerer Nerven, der Beugesehne und mehrerer Blutgefäße in Handhöhe. Der Kläger war als
Beschäftigter der Firma I Maschinenfabrik GmbH gemäß §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Er hat auch eine "den Versicherungsschutz" begründende Tätigkeit (versicherte
Tätigkeit) "verrichtet". Der Unfall ist "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten.
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit,
den Versicherungsschutz und das Versichertensein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand
konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung
des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen
dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand
schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung
erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit
muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitsschaden und den Tod sowohl objektiv (1. Stufe)
als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (vgl BSG, Urteile vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - in [...], Rn 32, vom 24.02.2012 - B 2 U 23/11 R - in [...], Rn 25 ff; vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - in [...], Rn 30 ff und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - in [...], Rn 18 ff).
Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Tätigkeit objektiv (mit)verursacht
wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz
und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die
in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen.
Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder
beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfiele (conditio-sine-qua-non). Nach der im Strafrecht geltenden rechtlichen Zurechnungslehre der "Äquivalenztheorie" gelten
alle solchen notwendigen Bedingungen stets als gleichwertig (äquivalent) und deshalb schon rechtlich als Ursachen. Die auf
dieser Grundlage sehr weitgehende Zurechnung der Rechtsgutverletzung zum Täter wird nachgehend etwa durch die Institute der
objektiven Zurechnung, des Schutzzwecks der Norm, etc eingeschränkt.
In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die iS der "conditio-Formel" eine erforderliche
Bedingung des Erfolges (stets neben anderen Bedingungen ist), darüber hinaus in einer besonderen tatsächlichen (und rechtlichen)
Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und
darf nicht nur eine (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung gewesen sein (vgl BSG, Urteil vom 13.11.2012, aa0, Rn 33 ff mwN).
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter
Würdigung aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich
des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der Wesentlichkeit
der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln
ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung
dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war,
besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der
jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl BSG, aa0, Rn 37). Bei dieser Subsumtion sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten
Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks
des Versicherungstatbestandes zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Auffassung des praktischen Lebens ist abzuwägen, ob
der Schaden den versicherten oder den unversicherten Wirkursachen zuzurechnen ist (vgl BSG, aa0, Rn 43 mwN).
Nach diesen Maßstäben ist die Einwirkung auf den Körper des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich durch die versicherte
Tätigkeit verursacht worden. Aufgrund der Einlassung des Klägers, die im Wesentlichen durch den Zeugen N bestätigt worden
ist, steht für den Senat fest, dass der Kläger vor Schichtbeginn mit seinem Kollegen H einen Kaffee getrunken hat. Der Vorgesetzte,
der Zeuge N, hat den Kläger dann aufgefordert, die Tassen wegzuräumen, damit die Arbeitsunterlagen auf dem Tisch ausgebreitet
werden konnten. Bei dieser Gelegenheit sollte der Kläger die benötigten Unterlagen, die sich in dem Container befanden, in
dem auch die Kaffeetassen abgestellt werden sollten, mitbringen. Der Tisch, auf dem zuvor Kaffee getrunken werden musste,
musste aufgrund seiner geringen Größe freigeräumt werden, damit die Unterlagen dort Platz finden konnten. Der hierbei erlittene
Unfall (Sturz) und dessen Folgen sind den versicherten Wirkursachen zuzurechnen.
Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Nahrungsaufnahme nicht bereits deshalb der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen
sein kann, weil das Essen oder Trinken in einer Werkskantine oder sonstigen betrieblichen Räumen eingenommen wird (vgl BSG, Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 6/02 R - in [...], Rn 18). Dies ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt, sofern betriebliche Interessen bzw Umstände
die Nahrungsaufnahme wesentlich beeinflussen (BSG aa0). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, denn das Kaffeetrinken war zum Zeitpunkt des Unfalls bereits abgeschlossen.
Der Kläger befand sich vielmehr auf dem Weg, die benutzten Kaffeetassen wegzuräumen und die benötigten Unterlagen zu holen.
Das Wegbringen der Kaffeetassen und Holen der Unterlagen geschah auf Anweisung seines Vorgesetzten und war deshalb der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen. Die versicherte Verrichtung war damit Wirkursache für den Sturz.
Sie war auch unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, dh "wesentlich", obwohl der Kläger die zuvor von ihm privat bzw
eigenwirtschaftlich genutzte Tasse weggeräumt hat.
Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln,
indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz der
gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - in [...], Rn 13 mwN). Dass nicht jede private Verrichtung während der versicherten Tätigkeit automatisch zu einer Unterbrechung
des Versicherungsschutzes führt, ist in der Rechtsprechung des BSG seit langem anerkannt. Vor allem bei einer gemischten Tätigkeit oder einer unwesentlichen Unterbrechung der versicherten
Tätigkeit besteht der Versicherungsschutz fort (BSG, aa0, Rn 16 mwN). Eine gemischte Tätigkeit liegt vor, wenn eine Verrichtung nicht trennbar sowohl unversicherten privaten
als auch versicherten Zwecken dient. Lässt sich eine Verrichtung in zwei Teile zerlegen, von denen einer versicherten und
einer privaten Zwecken dient, liegt keine gemischte Tätigkeit vor. Versicherungsschutz bei einer gemischten Tätigkeit besteht,
wenn sie dem Unternehmen zwar nicht überwiegend, aber doch wesentlich zu dienen bestimmt ist. Entscheidendes Abgrenzungskriterium
hierfür ist, ob die Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG, aa0, Rn 17 mwN). Dies ist nach dem oben Gesagten der Fall. Zwar lag eine gemischte Tätigkeit vor, da der Kläger (auch) die
selbst genutzte Kaffeetasse wegbringen wollte. Es ist aber davon auszugehen, dass der Tisch auf Anweisung des Vorgesetzten
ohnehin abzuräumen war und hierbei die Unterlagen mitzubringen gewesen waren. Zwar mag das Wegbringen der Kaffeetasse (auch)
eigenwirtschaftlich gewesen sein. Es erfolgte aber in der konkreten Arbeitssituation des Räumens des Tisches und Holen der
Unterlagen und war mit dieser untrennbar verbunden.
Unerheblich ist es auch, dass der Kläger sich die Hand an der von ihm zuvor benutzten Kaffeetasse geschnitten hat. Der Begriff
der "selbst geschaffenen Gefahr" ist nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BSG eng auszulegen und nur mit größter Zurückhaltung anzuwenden. Der Begriff ist für die Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs
zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ohne Bedeutung. Ist die von dem Versicherten
selbst geschaffene Gefahr seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen, ist diese Gefahrerhöhung unbeachtlich (BSG, aa0, Rn 23). Eine Gefahrerhöhung durch Risiken, die nicht der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls, sondern privaten
Umständen zuzurechnen sind, betreffen nicht den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung
zur Zeit des Unfalls, sondern den Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis. Für diesen
Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung
(s.o.). Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen
ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG aa0, Rn 24). Typische Fallgestaltungen, in denen dieser Zusammenhang zwischen versicherter Verrichtung zur Zeit des Unfalls
und Unfallereignis von Bedeutung ist, sind die Fälle einer möglichen inneren Ursache, einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen
Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr, in denen neben die im sachlichen Zusammenhang der versicherten Tätigkeit stehende
Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende, Ursachenkette hinzutritt. In Fällen
einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr kann die Gefahrerhöhung durch
die privaten und damit unversicherten Zwecken zuzurechnende Ursachenkette in Abwägung mit der auf die versicherte Tätigkeit
zurückgehenden Ursachenkette bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Verrichtung und dem Unfallereignis
von Bedeutung sein. Die Gefahrerhöhung erhält ihre Bedeutung erst im Rahmen der Ursachenbeurteilung, die zur Verneinung des
wesentlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis führt, während der grundsätzliche Versicherungsschutz
bejaht wird. Die selbstgeschaffene Gefahr ist daher kein besonderes Rechtsprinzip oder eigenständiger Rechtssatz zur Zusammenhangsbeurteilung
beim Arbeitsunfall, sondern nur im Rahmen der Abwägung zwischen der versicherten und der nicht versicherten Ursache als Element
der letzteren bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis
zu berücksichtigen (BSG, aa0, Rn 25).
Nach diesen Maßstäben ist der Zusammenhang zwischen der versicherten Verrichtung, dem Abräumen des Tisches und Holen der Unterlagen
und dem Unfallereignis (Sturz) zu bejahen. Vorliegend war zwar das Mitführen der eigengenutzten Tasse Ursache für die Schnittverletzungen
des Klägers. Weitere Ursache war aber die konkrete Arbeitssituation bzw die Anweisung des Vorgesetzten, die Kaffeetassen abzuräumen
und die notwendigen Unterlagen zu holen. Die betriebsbedingten Umstände sind durch das Wegbringen der eigenwirtschaftlich
genutzten Tasse nicht soweit zurückgedrängt worden, dass sie keine wesentliche Bedingung für den Unfall mehr waren. Darüber
hinaus ist aufgrund der Aussagen nicht auszuschließen, dass die Schnittverletzungen von der durch den Zeugen H genutzten Tasse
hergerührt haben.
Die Kostentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG.