Sozialversicherungsbeitragsforderung
Zahlungsaufforderung
Unzumutbare Härte
1. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für einen Antragstellen verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen
führen nicht zu einer unzumutbaren Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind.
2. Im Hinblick auf die mit einer Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie
der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners
eine alsbaldige Beitreibung geboten sein.
3. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen,
dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte,
die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit.
Gründe
Die gemäß §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht am 26.9.2016 (§
173 Satz 1, §
64 Abs.
1, Abs.
2, §
63 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 13.9.2016 zugestellten Beschluss des SG Düsseldorf vom 9.9.2016
ist unbegründet.
Der Senat kann dabei offen lassen, ob dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die Rechtskraft
des Beschlusses vom 3.6.2016 entgegensteht (vgl. dazu LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014, L 19 AS 183/14 B ER, [...]; Bayrisches LSG, Beschluss v. 9.7.2012, L 11 AS 333/12 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
86b Rdnr. 19a m.w.N.; Senat, Beschluss v. 30.5.2016, L 8 LW 5/15 B ER, [...]), denn jedenfalls rechtfertigt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin auch unter Würdigung der nunmehr
im Beschwerdeverfahren beigebrachten neuerlichen Beweismittel keine andere Entscheidung.
1. Soweit die Antragstellerin die mangelnde Betreibung des Hauptsacheverfahrens moniert, ist sie diesbezüglich auf den Rechtsbehelf
der Untätigkeitsklage nach §
88 SGG zu verweisen und sich daran ggf. anschließende Vollstreckungsmaßnahmen auf Vollzug einer etwaigen Entscheidung zu ihren Gunsten.
Ein entsprechendes Verfahren wurde nach Rücknahme der ersten Untätigkeitsklage (Sozialgericht [SG] Düsseldorf, S 26 R 1070/14) nunmehr erneut unter dem 25.7.2016 (SG Düsseldorf, S 26 R 1215/16) eingeleitet.
2. Der vorgelegten Zahlungsaufforderung ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin die durch den Senat mit Beschluss vom 3.6.2016
angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Nachforderung für Frau B H beachtet. Die Vollstreckung
droht hinsichtlich der Nachforderung für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 15.4.2012 in Höhe von 56.031,97 Euro zzgl. Säumniszuschlägen
betreffend Herrn B1 H.
3. Die nunmehr vorgelegte Bescheinigung der Polizeidirektion von Thessaloniki v. 9.9.2016 bezieht sich zunächst lediglich
auf einen Teilzeitraum des Streitzeitraums, denn sie verhält sich nur für die Zeit vom 31.8.2005 bis zum 22.4.2009. Verstöße,
die auf eine Aktivität der Gaststätte hindeuten, werden nur im Zeitraum vom 6.9.2005 bis zum 28.12.2007 bescheinigt. Dabei
kann der Bescheinigung zudem zwar die Eigentümerstellung des Herrn B1 H entnommen werden, nicht allerdings, dass er vor Ort
auch die Gaststätte betrieben hat. Auf die durch den Senat im Beschluss v. 3.6.2016 aufgeworfenen Fragen geht die Antragstellerin
nicht ein.
4. Weiterhin besteht nach dem Vortrag der Antragstellerin keine unzumutbare Härte. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung
für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss
der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile
sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft
sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners
eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, [...]). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner
gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes
zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet
wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, [...]). Daran fehlt es hier jedoch, denn die Antragstellerin verweist darauf, bereits jetzt und damit unabhängig von
der Forderung der Antragsgegnerin zahlungsunfähig zu sein.
5. Soweit die Antragstellerin auf mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch eine Forderungsrealisierung verweist, ist diesem
Gesichtspunkt - auch mit Blick auf den Grundrechtsschutz der Antragstellerin aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
Grundgesetz - ggf. im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 6.7.2016, 2 BvR 5448/16, FamRZ 2016, 1645), unter Umständen über eine vorläufige Einstellung des Vollstreckungsverfahrens gemäß §
5 Abs.
1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz i.V.m. §
258 Abgabenordnung (
AO) - vgl. hierzu BFH, Beschluss v. 20.6.2005, VII S 15/05, [...] - oder durch die Ausgestaltung der Zwangsvollstreckung im Einzelfall. Einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs bedarf es dafür nicht (Senat, Beschluss v. 14.9.2016, L 8 R 221/14 B ER).
Das möglicherweise in diesem Sinne zu verstehende hilfsweise Begehren der Antragstellerin, die Zwangsvollstreckung gegen sie
einzustellen, kann sie im vorliegenden Verfahren nicht erreichen, weil es insoweit an einem Anordnungsanspruch fehlt, für
den die Antragsgegnerin passiv legitimiert wäre (Senat, Beschluss v. 23.9.2015, L 8 R 677/14 B ER, [...]). Rückständige Beitragsansprüche werden von der Einzugsstelle als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin
des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags eingezogen (§ 28h Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch
[SGB IV]). Die Vollstreckung richtet sich nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch. Zuständig sind bei der Vollstreckung
von Geldforderungen die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden (§
249 Abs.
1 Satz 3
AO).
Nichts anderes gilt, wenn die rückständigen Beitragsansprüche vom prüfenden Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung
festgestellt worden sind (§ 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV). Die Zuständigkeit der Einzugsstelle bei der Einziehung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wird nach dieser Vorschrift
nur für die Dauer der Betriebsprüfung und nur hinsichtlich der Feststellung von Versicherungspflicht sowie Beitragshöhe suspendiert.
Alle weiteren Zuständigkeiten, namentlich diejenigen im Rahmen des Forderungseinzugs, wie etwa für Stundung, Erlass oder Niederschlagung
der Beitragsforderung (§
76 Abs.
3 SGB IV) und die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. §
257 AO), verbleiben bei der Einzugsstelle. Dahingehende Ansprüche kann die Antragstellerin daher nur im gegen die Einzugsstelle
gerichteten Verfahren verfolgen (Senat, Beschluss v. 23.9.2015, a.a.O.). Bislang hat die Antragstellerin ein derartiges Verfahren
indes offenbar noch nicht eingeleitet sondern lediglich außergerichtlich mit der Einzugsstelle korrespondiert.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).