Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz
Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines sexuellen Missbrauchs in der Kindheit im Rahmen der Beweiserleichterung des §
15 KOVVfG – hier im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung nach Aussonderung der Akten des Strafprozesses und der Auswertung von
Tagebucheinträgen
Tatbestand
Die im Jahr 1961 geborene Klägerin macht geltend, dass ihr damaliger Patenonkel, der Zeuge L, sie in den Jahren 1973 bis 1975
sexuell missbraucht habe. Als Beleg hierfür bezieht sie sich auf ein Tagebuch, datiert aus dem Jahr 1977, in dem sie schilderte,
dass der Zeuge L wegen sexuellen Missbrauchs in 20 Fällen verurteilt worden sei. Ein abgesetztes Urteil existiert nicht mehr,
nachdem die Verfahrensakte (augenscheinlich) ausgesondert und vernichtet wurde.
Die Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Friseurin, war in diesem Beruf tätig und erlangte auf dem zweiten Bildungsweg
die Fachoberschulreife. In der Zeit von ca. 1986 bis 1993 konsumierte die Klägerin Drogen (u.a. Cannabis und LSD). Im Zusammenhang
mit der Beendigung ihres Drogenkonsums orientierte sich die Klägerin beruflich um und war als Teamleiterin sowie in der Personalplanung
in verschiedenen Unternehmen tätig. Seit 2002 bezieht die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und übte nach
Zuerkennung der Erwerbsminderungsrente zeitweilig Nebentätigkeiten in geringfügigem Umfang aus (z.B. Hundeschule, Aushilfe
an einer Tankstelle).
Im Jahr 2003 stellte die Klägerin bei dem damals zuständigen Versorgungsamt E einen Opferentschädigungsantrag. Nach Beiziehung
medizinischer Unterlagen und Einholung eines psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. C, die der Auffassung war, es lägen bei der Klägerin sowohl schädigungsunabhängige als auch schädigungsabhängige Erkrankungen
vor, die durch den Missbrauch verursachten Schädigungsfolgen seien jedoch lediglich mit einem GdS von 10 zu bewerten, lehnte
das Versorgungsamt den Antrag mit Bescheid vom 20.11.2003 ab. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung N zurück.
Auf die hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg erhobene Klage hat das SG zunächst ein Gutachten des Psychiaters Dr. D vom 20.02.2006 nebst ergänzender Stellungnahmen eingeholt. Dieser hat die Auffassung
vertreten, die Klägerin erfülle die Kriterien einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die dem Schweregrad
nach als leichtes Trauma zu bewerten sei. Darüber hinaus bestehe ein Anhalt für eine schwache Depression. Aktuell könne nicht
von dissoziativen Symptomen ausgegangen werden. Darüber hinaus erfülle die Klägerin die Kriterien im Bereich der selbstunsicheren
und dependenten Persönlichkeitsstörung. Unter Berücksichtigung der biographischen Anamnese sei am ehesten davon auszugehen,
dass es sich um eine kombinierte strukturelle Störung handele, die zur Selbstunsicherheit und Abhängigkeit neige, wobei auch
emotional instabile Züge vorlägen. Insgesamt liege eine Schädigungsfolge mit einem GdS von 20 vor.
Auf die seitens der Klägerin geübte Kritik hat das SG ein weiteres Sachverständigengutachten der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. A1 veranlasst. In ihrem nach
ambulanter Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachten vom 15.11.2008/06.11.2009 hat die Sachverständige zusammenfassend
ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine schwere Störung (Chronische PTBS, Angststörung, weitreichende Persönlichkeitsstörung)
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Die schädigungsbedingte MdE betrage für die chronische PTBS 70, für die Angststörung
mit depressiven Zügen 50, für die andauernde Persönlichkeitsänderung mit selbstunsicheren, negativistischen, paranoiden und
Borderline-Persönlichkeitszügen 70. Die Gesamtheit aller Schädigungsfolgen (Gesamt-MdE) seit Dezember 2003 im allgemeinen
Erwerbsleben belaufe sich unter Berücksichtigung aller seelischen Begleiterscheinungen auf 80.
Gestützt auf ein nach Aktenlage erstattetes Gutachten des Psychiaters Dr. M vom 03.12.2012 hat der Beklagte gegen das Gutachten
der Sachverständigen Dr. A1 u.a. eingewandt, dass es an der Aufklärung der erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Dr.
M hat in seiner für den Beklagten erstatteten Stellungnahme vom 03.02.2012 weiterhin ausgeführt, dass sich nach seiner Einschätzung
das von Dr. D erstattete Gutachten als schlüssig darstelle, aktuell eine abschließende Beurteilung bei fehlenden Anknüpfungstatsachen
und dem widersprüchlichen Aussageverhalten der Klägerin kaum zu leisten sei.
Das SG hat sodann die Eltern der Klägerin als Zeugen vernommen. Diese haben im Wesentlichen bekundet, dass der Zeuge L etwa 1975
wegen sexueller Handlungen zum Nachteil der Klägerin durch das AG E zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden
sei, deren Vollstreckung das Gericht zur Bewährung ausgesetzt habe.
Nachdem der Beklagte den Abschluss eines vom SG angeregten Vergleichs auf Grundlage eines GdS von 50 abgelehnt hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 07.05.2012 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen
Dr. D gestützt. Der in der vorliegenden Konstellation nach §
10a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 OEG im Hinblick auf die Schädigungsfolgen erforderliche GdS von 50 werde nicht erreicht. Den Ausführungen der Sachverständigen
Dr. A1 könne hingegen nicht gefolgt werden.
Gegen das ihr am 31.08.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.09.2012 Berufung erhoben.
Sie hält daran fest, dass die bei ihr vorhandenen Erkrankungen wesentlich ursächlich auf den durch den Patenonkel verübten
sexuellen Missbrauch zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 07.05.2012 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.11.2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2004 zu verurteilen, ihr auf ihren Antrag vom 28.01.2003 dem Grunde nach
Grundrentenleistungen nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG nach einem GdS von mindestens 50 nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist nach wie vor der Auffassung, dass die von der Klägerin geschilderten Taten ihres
Patenonkels nicht hinreichend sicher festgestellt worden seien und somit andere biographische Faktoren aus dem Leben der Klägerin
für ihre psychischen Erkrankungen verantwortlich seien.
Der Senat hat zunächst die Klägerin sowie den Sachverständigen Dr. D angehört. Der sodann als Zeuge vernommene A. L hat eingeräumt,
zu einer Freiheitsstrafe unter Festsetzung einer Bewährungszeit von fünf Jahren verurteilt worden zu sein, jedoch die ihm
zur Last gelegte Tat bestritten (Nichtöffentliche Sitzung des Senats vom 14.05.2014).
Daraufhin hat der Senat von Amts wegen ein Glaubhaftigkeitsgutachten von der Dipl.-Psych. G sowie ein psychiatrisches Sachverständigengutachten
von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie/Forensische Psychiatrie Dr. L1 eingeholt.
Die Sachverständige Dr. L1 hat in ihrem nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstatteten schriftlichen Gutachten vom
15.12.2015 zunächst ausgeführt, dass die Feststellung einer PTBS bei der Klägerin davon abhänge, ob die von der Klägerin geschilderten
Taten tatsächlich geschehen seien.
Die Sachverständige G hat in ihrem nach persönlicher Befragung der Klägerin erstatteten Glaubhaftigkeitsgutachten vom 11.01.2017
sowie in der nichtöffentlichen Sitzung vom 04.07.2017 zusammenfassend ausgeführt, dass die Angaben der Klägerin aus ihrem
Tagebuch mit Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert seien, darüber hinausgehende Angaben - z.B. über einen sexuellen Missbrauch
in der Kindheit durch eine Nachbartochter - demgegenüber nicht als erlebnisfundiert zu qualifizieren seien.
Als weitere Zeugen hat der Senat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 08.06.2018 sodann Jugendfreunde und den Lebensgefährten
der Klägerin vernommen. Hierauf gestützt hat der Senat der Sachverständigen Dr. L1 vorgegeben, als Anknüpfungstatsache von
der Wahrheit der Angaben, wie sie im Tagebuch der Klägerin aufgeführt seien, auszugehen. Hierauf hat die Sachverständige Dr.
L1 (ebenfalls in der nichtöffentlichen Sitzung vom 08.06.2018) zusammenfassend dargelegt, dass bei der Klägerin von einer
PTBS und einem GdS von 50 auszugehen sei, wobei die Folgen der beruflichen Betroffenheit bereits berücksichtigt seien. Bei
der Klägerin handele es sich um eine schwer erkrankte Patientin mit Angstzuständen, häufigen Klinikaufenthalten, ausgeprägtem
Vermeidungsverhalten und einem stark eingeschränkten Alltag. Die von der Klägerin in ihrem Tagebuch geschilderten Übergriffe
ihres Patenonkels stellten einen sexuellen Missbrauch im Sinne des sog. Eingangskriteriums der PTBS dar.
Der Beklagte hat sich der Einschätzung der Sachverständigen Dr. L1 unter Vorlage einer von dem Facharzt für Psychiatrie Dr.
C1 verfassten Stellungnahme vom 12.07.2018 nicht angeschlossen. Die Sachverständige Dr. L1 habe die von anderen Sachverständigen
diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung bzw. depressiven Episoden nicht hinreichend berücksichtigt. Ein im Vollbeweis
gegebener Primärschaden lasse sich der Aktenlage nicht entnehmen. Zweifel bestünden insbesondere dahingehend, ob bei der Klägerin
das Vollbild einer PTBS tatsächlich vorliege. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass eine siebenjährige Suchterkrankung
der Klägerin eine mögliche Ursache für die Symptome einer PTBS darstellen könne.
In einer vom Senat veranlassten Stellungnahme vom 10.12.2018 hat die Sachverständige Dr. L1 im Wesentlichen entgegnet: Die
Ausführungen des Dr. C1 seien widersprüchlich. Dr. C1 habe einerseits darauf verwiesen, dass der erstinstanzlich gehörte Sachverständige
Dr. D die Diagnose einer PTBS nicht eindeutig gestellt habe, andererseits jedoch der Einschätzung des Dr. D folge und einen
GdS von 20 aufgrund einer PTBS in Ansatz bringe. Im Hinblick auf die unstreitige Suchterfahrung der Klägerin sei zu berücksichtigen,
dass eine hohe Komorbidität zwischen der PTBS und Suchterkrankungen bestehe, so dass sich die Suchterkrankung als Brückensymptom
der sich später manifestierenden PTBS darstelle. Eine Persönlichkeitsstörung liege demgegenüber nicht vor, weil die Klägerin
ihre Symptomatik keineswegs als ich-synton, also als zu ihr gehörig, erlebe.
Der Beklagte hat nunmehr eingewandt, dass die Echtheit des Tagebuchs bzw. der dort vorgenommenen Eintragungen nicht sicher
sei. Der Senat hat auf diesen Einwand die Echtheit durch Gutachten des Landeskriminalamtes NRW und einen Schriftsachverständigen
überprüfen lassen, nachdem die Klägerin weitere Schriftproben aus ihrer Schulzeit in Gestalt von Poesiealben, die sie bei
Schulfreunden angefordert hatte, vorgelegt hat. Weder das Gutachten des Landeskriminalamtes NRW noch das Schriftgutachten
haben zu einer eindeutigen Feststellung der Echtheit oder auch Unechtheit des vorgelegten Tagebuchs geführt. Dies im Wesentlichen
deswegen, weil aus der fraglichen Zeit kein hinreichendes Material an Papier- bzw. Schriftproben vorliege.
In einem weiteren Termin vom 09.12.2019, in dem der Senat sowohl den Schriftsachverständigen N1 als auch die Tochter der Klägerin
vernommen hat, hat sich keine vom erkennenden Gericht vorgeschlagene Vergleichsregelung auf Grundlage eines GdS von 50 erzielen
lassen.
Wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften, die eingeholten
Gutachten nebst ergänzenden Stellungnahmen und die Gerichts- sowie die beigezogenen Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in voller Besetzung verhandelt und entschieden, obwohl sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung und der Übertragung auf den Berichterstatter einverstanden erklärt haben (§
155 Abs.
3 und
4 SGG). Die Entscheidung darüber, ob der konsentierte Berichterstatter entscheidet oder er die Sachentscheidung dem Senat überlässt,
steht, auch nachdem die Beteiligten sich mit der Übertragung auf den Vorsitzenden/Berichterstatter einverstanden erklärt haben,
in dessen Ermessen (BSG, Beschl. v. 23.06.2016 - B 11 AL 7/16 BH, juris Rn. 9). Angesichts der Komplexität des Sachverhaltes sowie des Umstandes,
dass das angefochtene Urteil zu ändern und der Beklagte zu verurteilen war, erschien eine Entscheidung durch den Senat in
voller Besetzung - und nicht nur durch den Berichterstatter - tunlich.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat der Beklagte ihr den geltend gemachten Anspruch versagt
und damit die sozialen Rechte der Klägerin im Sinne des §
54 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) verletzt. Denn der Klägerin steht gemäß §
10a OEG i.V.m. §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG ein Anspruch auf Opferentschädigung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu. Es ist zumindest glaubhaft gemacht, dass
ein sexueller Missbrauch zu Lasten der Klägerin durch ihren Patenonkel stattgefunden hat (hierzu unter 1.).
Durch diese Taten ist es zu einer primär- und letztlich auch bis heute mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 bestehenden
gesundheitlichen Schädigung der Klägerin gekommen (hierzu unter 2.). Der Klägerin, die auch bedürftig i.S.d. §
10a Abs. Abs.
2 OEG ist, ist daher nach Maßgabe der gesetzlichen Berechnungsvorschriften Opferentschädigung zu gewähren (hierzu unter 3.).
1. a) Gemäß §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG erhält auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften
des Bundesversorgungsgesetzes, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen
rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Unter einem tätlichen Angriff ist eine in feindlicher Willensrichtung
unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung zu verstehen, die in aller Regel den Tatbestand einer
jedenfalls versuchten vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (BSG, Urteil v. 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R; Senat, Urteil v. 09.03.2011 - L 13 VG 11/09). Der Anspruch ist ausgeschlossen, sofern Versagungsgründe vorliegen (§
2 OEG). Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff, die (Primär-)Schädigung und die behaupteten Schädigungsfolgen müssen
nachgewiesen sein. Das bedeutet, dass die den Anspruch begründenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts mit einer an Gewissheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit oder einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, dass daran kein vernünftiger
Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil v. 05.05.1993 - Az.: 9/9a RV 1/92, SozR 3-3100 § 38 Nr. 2).
Es deutet - insbesondere weil die Verfahrensakte einschließlich des Strafurteils zwischenzeitlich ausgesondert wurde und unmittelbare
Tatzeugen nicht vorhanden sind - vieles darauf hin, dass der Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs
im Sinne des Vollbeweises nicht erbracht ist.
b) Nach §
6 Abs.
3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des
OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ § 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen,
wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen
verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (§
15 Satz 1 KOVVfG).
aa) Glaubhaftmachung i.S.d § 15 Satz 1 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat,
wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es
muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache
sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese
Möglichkeit spricht. Die bloße Möglichkeit der Existenz einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen.
Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt jedoch voraus, dass der Antragsteller Angaben
zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (zum Ganzen vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urteil v. 21.04.2015 - L 6 VG 2096/13, juris Rn. 37 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.).
bb) Die Beweiserleichterung ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang - also für den vorsätzlichen, rechtswidrigen
tätlichen Angriff - keine Zeugen vorhanden sind, wobei Personen, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch
machen, nicht als Zeugen anzusehen sind. Gleiches gilt für als Täter in Betracht kommende Personen, die die ihnen zu Last
gelegten Taten bestreiten. Denn die Beweisnot des Geschädigten, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn der Täter nicht ermittelt werden kann (vgl. BSG, Urteile v. 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R und B 9 V 3/12 R).
cc) Angesichts des Umstandes, dass die Eltern der Klägerin unmittelbar nach Kenntnisnahme des sexuellen Missbrauchs Strafanzeige
erstattet haben, kann der Senat offen lassen, ob der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts zu folgen ist, wonach
eine schuldlose Beweislosigkeit nicht anzunehmen ist, wenn Beweisnot dadurch entsteht, dass ohne nachvollziehbaren Grund erst
viele Jahrzehnte nach Erreichen der Volljährigkeitsgrenze Antrag auf Opferentschädigung sowie Strafanzeige gestellt wird (BayLSG,
Urteil v. 03.07.2018 - L 15 VG 26/16 zur Heimunterbringung). Die Klägerin befindet sich mithin in schuldloser Beweisnot, weil die Akten des gegen den Zeugen L
geführten Strafprozesses mittlerweile ausgesondert wurden und der Zeuge L seine Täterschaft im Rahmen der Zeugenvernehmung
bestritten hat (vgl. Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Senats v. 14.04.2014).
dd) Dass die Klägerin in der Zeit von 1973 bis 1975 in ca. 20 Fällen Opfer des sexuellen Missbrauchs durch ihren Patenonkel
wurde, ist zur Überzeugung des Senats nicht nur aufgrund der Angaben der Klägerin und den Ausführungen in ihrem Tagebuch,
sondern auch aufgrund der Aussagen der gehörten Zeuginnen und Zeugen sowie nicht zuletzt der Einschätzung der Sachverständigen
G glaubhaft gemacht.
(1) Nach den glaubhaften Bekundungen der als Zeugen gehörten Eltern der Klägerin, die insoweit auch vom Zeugen L bestätigt
wurden, ist zumindest eine strafrechtliche Verurteilung des Zeugen L wegen sexueller Übergriffe zum Nachteil der Klägerin
erfolgt. Übereinstimmung besteht insbesondere dahingehend, dass der Zeuge L wegen der angeklagten Taten zu einer Freiheitsstrafe
verurteilt wurde, deren Vollstreckung das Gericht unter Anordnung einer Bewährungsauflage (Zahlung eines Betrages von 1.000,00
bis 2.000,00 DM, die der Zeuge L in Raten gezahlt hat) zur Bewährung ausgesetzt hat, wenngleich sich der Zeuge nicht mehr
an der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe erinnern wollte. Dass der Zeuge L meint, er sei zu Unrecht verurteilt worden, steht
der Glaubhaftmachung des sexuellen Missbrauchs nicht entgegen, denn die sonst für jedermann streitende Unschuldsvermutung
ist durch das Strafurteil widerlegt.
(2) Die Zeuginnen E1, T und E2 haben übereinstimmend bekundet, die Klägerin habe ihnen in der Jugend/Kindheit darüber berichtet,
dass ihr Patenonkel sie (unsittlich) angefasst habe. Es handelt sich hierbei zwar lediglich um ein Zeugnis vom Hörensagen,
dessen Beweiswert besonders kritisch zu hinterfragen ist (BVerfG, Kammerbeschluss v. 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93, NJW 1996, 448). In Zusammenschau mit den weiteren in diesem Rechtsstreit erhobenen Beweisen sprechen die Aussagen gleichwohl für eine Glaubhaftmachung
i.S.d. § 15 Satz 1 KOVVfG.
(3) Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch die Sachverständige G in ihrem Gutachten vom 11.01.2017 sowie (deutlicher) in
der nichtöffentlichen Sitzung des Senats vom 04.07.2017 ausgeführt hat, sie könne (nur) die Angaben der Klägerin aus ihrem
Tagebuch mit Wahrscheinlichkeit als erlebnisfundiert ansehen. Darüber hinausgehende Angaben - spätere Erweiterungen der Anschuldigungen
im Hinblick auf den Zeugen L sowie Angaben über einen vermeintlichen sexuellen Missbrauch durch eine Nachbarin - demgegenüber
nicht als erlebnisfundiert zu qualifizieren seien. Auch wenn somit die skizzierten Weiterungen der Anschuldigungen nicht mit
Wahrscheinlichkeit als erlebnisfundiert angesehen werden können, bleibt festzuhalten, dass der Tatsachenvortrag der Klägerin
zum "Kerngeschehen" mit der den Voraussetzungen des § 15 Satz 1 KOVVfG entsprechenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht ist.
(4) Schließlich hat sich auch die Erwartung des Beklagten, die schriftkundliche und kriminalistische Überprüfung des von der
Klägerin vorgelegten Tagebuchs könnte dieses als Fälschung entlarven, nicht bestätigt. Sowohl das LKA (Gutachten vom 06.08.2019)
als auch der Schriftsachverständige N1 (Gutachten vom 11.11.2019) gehen grundsätzlich davon aus, dass keine Anhaltspunkte
erkennbar sind, die dagegen sprechen könnten, dass im Hinblick auf die Tagebucheintragungen Schrifturheberidentität der Klägerin
besteht, wenngleich die sog. "Datumsechtheit" nicht abschließend geklärt werden konnte. Dass die Klägerin selbst eine objektive
Überprüfung der Echtheit des Tagebuchs durch Vorlage weiterer Schriftproben aus Poesiealben ermöglicht hat, spricht im Übrigen
auch gegen diese Annahme des Beklagten. Ohne dass es im vorliegenden Zusammenhang darauf ankommt, bleibt im Übrigen festzuhalten,
dass sowohl die Eltern der Klägerin als auch der Zeuge L selber eine strafrechtliche Verurteilung eingeräumt haben.
dd) Im Hinblick auf den von der Klägerin geltend gemachten weiteren sexuellen Missbrauch durch eine Nachbarin ist zu berücksichtigen,
dass sie diesen im Rahmen der Befragung durch die Sachverständige G selber relativiert und in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt
hat:
"(...) Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Erinnerung wirklich mit der...zu tun hat, ob diese Frau das wirklich getan
hat, oder ob ich da irgendwelche Erinnerungen durcheinander schmeiße, ob ich ihm das reinschubse, ehm, oder Erinnerungen,
die ich mit ihm habe, irgendwie der ... zuordne. (...) ... und deswegen weiß ich nicht, ob mein Kopf da nicht irgendwas durcheinander
wirft. Das ist schlimm. Das ist schlimm, es nicht zu wissen. Das belastet mich sehr. (...)."
Der Umstand, dass die Klägerin (unaufgefordert) in der Lage war, die Erlebnisfundiertheit dieser (vermeintlichen) Erinnerung
aus eigenem Antrieb kritisch zu reflektieren, spricht zur Überzeugung des Senats für ihre Glaubwürdigkeit. Zweifel an der
Erlebnisbasiertheit des sexuellen Missbrauchs durch eine Nachbarin hatte die Klägerin zudem bereits im Rahmen ihrer stationären
Behandlung im W-Hospital E3 (11.09.1995 bis 13.03.1996) gegenüber den dortigen Behandlern geäußert.
2. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Missbrauch der Klägerin durch den Zeugen L in ca. 20 Fällen ausweislich
des von der Klägerin in ihrem Tagebuch zitierten Text aus dem Strafverfahren bei ihr zu erheblichen seelischen Verletzungen
im Sinne eines Erstschadens geführt hat. Dieser Erstschaden hat als Folge auch eine dauerhafte Gesundheitsstörung in Form
einer PTBS mit einem GdS von 50 verursacht.
a) Das folgt aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. L1 in ihrem Gutachten vom 18.12.2015 sowie in der nichtöffentlichen
Sitzung vom 08.06.2018 und vor allem aus ihrer schriftlichen ergänzenden Stellungnahme vom 10.12.2018. Die Sachverständige
hat nach ausführlicher Sichtung und Referierung des bisherigen Sach- und Streitstandes sowie nach umfangreicher, im Gutachten
protokollierter Befragung der Klägerin ausgeführt, dass nach dem von ihr erhobenen Befund bei der Klägerin dissoziative Zustände
vorlägen bzw. vorgelegen hätten. Bei der Klägerin handele es sich um eine schwer erkrankte Patientin mit Angstzuständen, häufigen
Klinikaufenthalten, ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und einem stark eingeschränkten Alltag. Dies sei sowohl in der Begutachtungssituation
als auch im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Klägerin im Zusammenhang mit der Anreise nach Hannover deutlich geworden.
Hinzu komme die seit vielen Jahren bestehende Unfähigkeit zu arbeiten und das im Alltag eingeschränkte Leben. Vor diesem Hintergrund
würde sie - vorausgesetzt die von der Klägerin angegebenen massiven Schlafstörungen, Albträume, Angstzustände und das ausgeprägte
Flashbackerleben mit Vermeidungsverhalten ließen sich weiter durch die Befragung durch (die geladenen) Zeugen oder sonstige
Beweismittel belegen - von einem GdS von 50 aufgrund einer PTBS ausgehen. Sie sei auch der Auffassung, dass die von der Klägerin
in ihrem Tagebuch geschilderten Übergriffe ihres Patenonkels einen sexuellen Missbrauch im Sinne des sogenannten Eingangskriteriums
der PTBS darstellten. Sie beziehe sich hierzu u.a. auch auf aktuelle Literatur.
Nachdem zumindest von einer Glaubhaftmachung i.S.d. § 15 Satz 1 KOVVfG auszugehen ist, hat die Sachverständige Dr. L1 dargelegt, dass die Klägerin sämtliche Kriterien einer PTBS aufweise, die
Merkmale einer Persönlichkeitsstörung demgegenüber nicht zu objektivieren seien, weil die Klägerin ihre Symptomatik nicht
als ich-synton, sondern als krankheitswertig erlebe. Aufgrund der erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten erscheine
ein GdS von 50 als gerechtfertigt.
b) Den Ausführungen des vom Beklagten eingeschalteten Gutachters Dr. C1 vermag der Senat nicht zu folgen. Dieser hat im Wesentlichen
beanstandet, dass die Sachverständige Dr. L1 die von anderen Sachverständigen in der Vergangenheit diagnostizierte kombinierte
Persönlichkeitsstörung bzw. depressiven Episoden nicht hinreichend berücksichtigt habe. Es könne nicht außer Acht gelassen
werden, dass die durchgemachte siebenjährige Suchterkrankung der Klägerin eine mögliche Ursache für die Symptome einer PTBS
darstellen könnten. In diesem Zusammenhang hat sich Dr. C1 auf die von Dr. C und Dr. D erstatteten Gutachten gestützt.
Dem hat die Sachverständige Dr. L1 überzeugend entgegnet, dass das Gutachten der im Verwaltungsverfahren gehörten Dr. C von
Missverständnissen geprägt sei. Die Klägerin solle vorgetragen haben, sie habe Erinnerungen an einen sexuellen Missbrauch
durch ihren Patenonkel, der sich im Alter von fünf oder sechs Jahren zugetragen haben solle. Hierbei handele es sich allerdings
um eine Aussage, die die Klägerin in keiner der anderen Begutachtungen getätigt habe. Darüber hinaus habe Dr. C zwar die diagnostischen
Kriterien einer PTBS als nicht voll inhaltlich erfüllt angesehen, jedoch auf der anderen Seite dennoch einen schädigungsbedingten
GdS von 10 angenommen, was sich als nicht konsequent darstelle. Im Hinblick auf die unstreitige Suchterfahrung der Klägerin
sei zu berücksichtigen, dass eine hohe Komorbidität zwischen der PTBS und Suchterkrankungen bestehe, so dass sich die Suchterkrankung
als Brückensymptom der sich später manifestierenden PTBS darstelle. Im Übrigen seien die für eine PTBS typischen Symptome
wie Flashback-Erleben mit Vermeidungsverhalten bereits im Jahr 1999 beschrieben worden.
c) Gegen die Annahme einer schädigungsbedingten PTBS spricht nicht der Umstand, dass typische Verläufe einer PTBS frühzeitig
nach dem schädigenden Ereignis auftreten und regelhaft nach drei bis fünf Jahren wieder abklingen. Dr. L1 hat hierzu ausgeführt,
bei der Klägerin liege offensichtlich ein atypischer Verlauf vor. Es existierten schlichtweg Fälle, in denen sich die Symptome
nicht zurückbildeten, sondern ein Eigenleben entwickelten. In welchem Fall bzw. bei welchen Patienten dies dann so sei, sei
nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nicht vorhersehbar. Was die Frage der späteren Aufdeckung der Krankheit
angehe, sei darauf zu verweisen, dass selbst bei der Kriegsgeneration zum Teil Verläufe beschrieben seien, bei denen im Rahmen
des Alterungsprozesses Erlebnisse aus der Jugend wieder aufstiegen. Auch bei der Klägerin könnte ein solcher Verlauf der Erkrankung
vorliegen. Eine wissenschaftlich begründete Vorhersehbarkeit sei im Einzelfall nicht festzustellen.
Der Senat hatte keine Bedenken, den Ausführungen der Sachverständigen Dr. L1 zu folgen. Frau Dr. L1 ist als Fachärztin für
Psychiatrie und Psychotherapie mit der Schwerpunktbezeichnung Forensische Psychiatrie nicht nur eine besonders qualifizierte
und erfahrene forensische Sachverständige, sondern auch die Einzige, die von den gerichtlich festgestellten Anknüpfungstatsachen
ausgegangen ist und die Klägerin umfassend sowie in Kenntnis aller relevanten Vorbefunde untersucht hat. Alle anderen über
die Klägerin erstatteten Gutachten beruhen demgegenüber hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen auf falschen bzw. unzureichenden
Voraussetzungen oder ermangeln eines persönlich erhobenen Befundes. Dabei verkennt der Senat nicht, dass neben dem Missbrauch
auch andere belastende Umstände eine Rolle gespielt haben könnten. Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen
Frau Dr. L1 sind diese jedoch nicht wesentlich ursächlich für die bei der Klägerin heute vorliegenden Erkrankungsbefunde im
Sinne der PTBS mit einem GdS von 50.
3. Die Klägerin ist auch bedürftig im Sinne des §
10a Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 OEG. Bedürftig ist ein Anspruchsteller nach §
10a Abs.
2 OEG, wenn sein Einkommen i.S.d. § 33 BVG den Betrag, von dem an die nach der Anrechnungsverordnung (§ 33 Abs. 6 Bundesversorgungsgesetz - AnrV) zu berechnenden Leistungen nicht mehr zustehen, zuzüglich des Betrages der jeweiligen Grundrente, der Schwerstbeschädigtenzulage
sowie der Pflegezulage nicht übersteigt. Hierbei ist zunächst festzustellen, welcher Betrag die nach §
2 Satz 1 AnrV i.V.m. der beigegebenen Tabelle zu berechnenden Leistungen ausschließt (Gelhausen/Weiner,
OEG, 6. Aufl. 2015, §
10a Rn. 5; Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, §
10a OEG Rn. 7). In einem nächsten Schritt sind die tatsächlichen (Brutto-)Einkünfte des Antragstellers in Ansatz zu bringen und den
in der Tabelle aufgelisteten Stufen zuzuordnen, wobei zwischen Erwerbseinkünften und übrigen Einkünften (z.B. Renten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung) zu unterscheiden ist. Sofern das tatsächliche Einkommen diejenige Stufe überschreitet, ab
der die Ausgleichrente nicht mehr zusteht, ist dennoch diese Stufe in Ansatz zu bringen und die jeweilige Grundrente hinzuzuaddieren
(Berechnungsbeispiele bei Gelhausen/Weiner,
OEG, 6. Aufl. 2015, §
10a Rn. 5 ff.).
Daraus ergeben sich für die Klägerin die folgenden - hier nur exemplarisch bezogen auf die einzelnen Verfahrensstadien dargestellten
- Einkommensgrenzen:
Zeitpunkt
|
Einkünfte
|
Stufe nach Tabelle zur AnrV
|
Grundrente
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Einkommensgrenze
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11.10.2004 (Klageerhebung)
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770,96 EUR (Rentenbescheid v. 08.03.2004)
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109 (Bruttoeinkommen erreicht bereits nicht die Stufe, aber der die Ausgleichsrente nicht mehr zu leisten ist) - 38. AnrV
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218,00 EUR
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988,96 EUR
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19.09.2012 (Berufung)
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917,50 EUR (Rentenanpassungsbescheid der DRV zum 01.07.2012)
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123 (Bruttoeinkommen erreicht bereits nicht die Stufe, aber der die Ausgleichsrente nicht mehr zu leisten ist) - 44. AnrV
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233,00 EUR
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1.150,50 EUR
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Ratenfreie PKH (Beschluss v. 26.04.2016)
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983,97 EUR (Rentenanpassungsbescheid der DRV zum 01.07.2015)
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122 (Bruttoeinkommen erreicht bereits nicht die Stufe, aber der die Ausgleichsrente nicht mehr zu leisten ist) - 47. AnrV
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243,00 EUR
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1.296,97 EUR
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01.07.2019
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1.129,85 EUR (Rentenanpassungsbescheid der DRV zum 01.07.2019)
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126 (123+3) - 51. AnrV
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274,00 EUR
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1.403,85 EUR
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Unter Berücksichtigung der hier skizzierten Einkommenssituation trägt der Senat keinerlei Zweifel, dass die Klägerin dem Grunde
nach bedürftig ist. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich wieder aufgegebene Hundeschule ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin
nach den unwidersprochenen Bekundungen des Zeugen Q in der nichtöffentlichen Sitzung des Senats vom 08.06.2018 (nur) ein oder
zwei Hunde pro Woche geschult hat, wobei eine solche Schulung lediglich eine halbe Stunde oder vielleicht eine Stunde in Anspruch
genommen hat. Sofern sich diesbezüglich Anrechnungsbeträge ergeben sollten, wird die Beklagte diese in Ausführung dieses Grundurteils
ermitteln (§
130 Abs.
1 Satz 1
SGG) und die jeweilige Rentenhöhe abschnittsweise entsprechend festsetzen.
4. Beweisanträge hat der Beklagte zuletzt nicht mehr gestellt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
6. Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich (§
160 Abs.
1 und
2 SGG).