Gründe
I.
In dem anhängigen Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein auf die Zahlung einer höheren Verletztenrente als nach einer
MdE von 10 von 100 für die Folgen des Unfalls vom 12.08.1987 gerichtetes Begehren weiter.
Nachdem die Beklagte den entsprechenden Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 28.06.2007 nach Durchführung medizinischer
Ermittlungen mit Bescheid vom 24.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.11.2008 abgelehnt hatte, hat der
Kläger hiergegen am 11.12.2008 Klage erhoben.
In dem zu Az.: S 36 U 402/08 geführten Klageverfahren hat das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 18.01.2010 den Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie,
Sozialmedizin und Sportmedizin Dr. med. G. X zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Dieser hat mit Gutachten vom 30.04.2010
aufgrund ambulanter Untersuchung vom 28.04.2010 hat zwar den Nachweis eines höhergradigen Knorpelschadens für erbracht gehalten.
Dieser habe jedoch nicht zu einer Dekompensation des Arthroseleidens geführt, sodass die MdE aufgrund des Unfalls vom 12.08.1987
weiterhin auf 10 von 100 einzuschätzen sei.
Hierzu hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. med. H, Rechtsanwalt und Arzt, Fachanwalt für
Medizinrecht, mit Schriftsätzen vom 17.06.2010, 13.08.2010 und - im Berufungsverfahren - vom 28.02.2012 Stellung genommen.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2010 hat der Rechtsanwalt insbesondere bemängelt, dem chirurgischen Sachverständigen fehle für die
Beurteilung des Gesundheitsschadens die erforderliche röntgendiagnostische Expertise und die Einholung eines entsprechenden
Gutachtens beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 13.08.2010 hat Rechtsanwalt Dr. H sich intensiver und kritisch mit dem
Gutachten Dr. X's auseinander gesetzt und unteranderem bemängelt, Dr. X verfüge nicht über die Qualifikation der manualmedizinischen
Diagnostik, welche die banale Untersuchung/Bewertung entsprechend der Neutral-Null-Methode in ihre diagnostische Aussagekraft
um ein vielfaches überrage. Er hat überdies qualitative Mängel in der Untersuchungstechnik des Sachverständigen gerügt und
hierzu im Einzelnen ausgeführt. Ferner hat Rechtsanwalt Dr. H den Sachverständigen als "Kollegen" bezeichnet. Mit Berufungsbegründungsschriftsatz
vom 28.02.2012 hat Dr. H die Auffassung Dr. X's, wonach sich das Ausmaß einer Knorpelschädigung lediglich durch Öffnen des
Gelenks verifizieren lasse, als "medizinisch schlicht falsch" bezeichnet und hierzu eine Anlage überreicht. Auf sein weitere
Herleitungen? Dr. X's fachlich nicht nachvollziehbar, wozu der Prozessbevollmächtigte des Klägers ebenfalls weiter ausgeführt
hat. Weitere medizinische Schlussfolgerungen Dr. X's hat der Prozessbevollmächtigte als medizinisch ausgeschlossen bezeichnet
und unter anderem gemeint, es hätte sich einen medizinische Laien und erst recht dem Sachverständigen die Frage geradezu aufdrängen
müssen, ob nicht der Operationsbericht vom 08.07.2004 das Ausmaß der Knorpelschädigung falsch wiedergebe. Auch gehöre es zum
gutachtlichen Elementarwissen, dass die Prüfung der Beweglichkeit in der Begutachtungssituation nur eine Momentaufnahme darstelle.
Hierzu hat der Senat den Sachverständigen mit Schreiben vom 02.03.2012 unter Übersendung sämtlicher Akten um ergänzende Stellungnahme
gebeten.
Mit seiner am 12.03.2012 daraufhin gefertigten ergänzenden Stellungnahme hat Dr. X unter anderem ausgeführt:
"Wenn Dr. med. H, Rechtsanwalt, Arzt, Fachanwalt für Medizin mich in seiner Stellungnahme vom 13.08.2010 als Kollegen bezeichnet,
sich dabei offensichtlich selbst meint, so kann er damit eine auch nur annähernd gleiche medizinische Qualifikation nicht
im Entferntesten meinen." ( ) "Herr Dr. H wischt die von mir erhobenen Befunde in seiner Stellungnahme nach dem Motto, es
kann nicht sein, was nicht sein darf, vom Tisch und ersetzt die von mir erhobene Befunde durch seine Behauptungen." ( ) "Die
Ausführung von Herrn Dr. H sind ausschließlich dazu angelegt, mein Gutachten in Misskredit zu bringen."
Hierzu wiederum vom Senat um Stellungnahme gebeten, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gemeint, die Ausführungen des
Sachverständigen im Sinne seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.03.2012 begründeten die Besorgnis der Befangenheit. Der
Sachverständige befasse sich über nahezu eine Seite samt Ergänzungsgutachtens mit der vorhandenen aus seiner Sicht fehlenden
Qualifikation des Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit Formulierungen, wie z. B. der Bevollmächtigte könne mit dem Terminus
"Kollege" eine auch nur annähernde gleiche medizinische Qualifikation nicht im Entferntesten meinen, dessen Ausführungen seien
"ausschließlich dazu angelegt, das Gutachten in Misskredit zu bringen", der Bevollmächtigte "Wischer" die vom Sachverständigen
erhobenen Befunde " vom Tisch nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf, er "versteige sich" schließlich zu
der Feststellung, der Sachverständige benutze Textbausteine, lasse Dr. X jedwede Professionalität im Umgang mit Kritik vermissen
und bringe so mehr als nur erkennbar seine Verärgerung zum Ausdruck. Im Übrigen erscheint es befremdlich, dass Herr Dr. X
bei seinen Betrachtungen auf eine Pressemitteilung der Universität zurück greifen müsse. Auch Stelle der Kläger, auch Stelle
der Sachverständiger im weiteren Verlauf seiner ergänzenden Stellungnahme Mutmaßungen zu Lasten des Klägers an die den Eindruck
weiter verstärkten, der Sachverständige wolle dem Kläger für die seiner Auffassung nach unbotmäßige Kritik seines Bevollmächtigten
an den gutachtlichen Feststellungen gewisser Maßnahmen "bestrafen".
II.
Das sich auf die ergänzende Stellungnahme Dr. Xs vom 12.03.2012 gründende Ablehnungsgesuch ist zulässig, insbesondere fristgerecht
gestellt worden.
Nach §
118 Abs.
1 SGG sind dem sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der
Zivilprozessordnung (
ZPO) anzuwenden. §§
406 Abs.
2 S. 1, 411 Abs.
1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, 2 Wochen nach Verkündung
der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach §
406 Abs.
2 S. 2
ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne samt Verschulden es zu einem späteren
Zeitpunkt geltend machen konnte. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten
der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die
das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat (so auch Bayrisches Landessozialgericht, Beschluss
vom 24.01.2012, Az.: L 2 SF 385/11 B, Rn. 10). Das am 16.04.2012 eingegangene Ablehnungsgesuch, welches sich auf die ergänzende Stellungnahme vom 12.03.2012
stützt, ist daher fristgemäß und somit zulässig. Denn es ist innerhalb der mit Verfügung vom 20.03.2012 für die ergänzende
Stellungnahme gesetzten Frist eingegangen. Das Ablehnungsgesuch ist auch begründet.
Nach §§
406 Abs.
1 S. 1, 42 Abs.
1 u. 2
ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen
die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver
und vernünftiger Würdigung zum Standpunkt der Partei ausvorliegen. (vgl. nur Bayerisches LSG, a. a. O., Rn. 11).
Dies ist der Fall. Denn die Äußerungen des Sachverständigen gerade zu Beginn seiner ergänzenden Stellungnahme bringen nicht
bloß - was in der Regel noch keine Befangenheit zu begründen vermag (vgl. Keller in Meyer/Ladewig u. a.,
SGG, 10. Auflage Rn. 12 k, letzter Spiegelstrich zu §
118 SGG m. w. N.) - mit scharfen Ausdrücken erkennbar dessen Verärgerung zum Ausdruck, sondern lassen beim Kläger den Eindruck entstehen,
dass Dr. X die vorgebrachte Kritik in der Tat als "unbotmäßig" empfindet und nicht gewillt ist, sich mit dieser vollumfänglich
und unvoreingenommen allein sachlich auseinander zu setzen. Hierfür spricht schon, dass Dr. X nahezu eine Seite seiner ergänzenden
Stellungnahme - allein aufgrund dessen, dass Rechtsanwalt Dr. H einmalig (Seite 3 seines Schriftsatzes vom 13.08.2010; Blatt
86 aus Band 1 der Prozessakte) auf seine (Zusatz-)Qualifikation als Arzt hingewiesen und Dr. X als "Kollegen" bezeichnet hat
- darauf verwendet, den medizinischen Qualifikationshintergrund des Prozessbevollmächtigten des Klägers auszuleuchten, um
seine Zweifel daran zu begründen, ob sich dieser überhaupt als sein Kollege bezeichnen könne. Auch stellen die weiteren Darlegungen
Dr. Xs, der Prozessbevollmächtigte des Klägers wische die von ihm erhobenen Befunde in seiner Stellungnahme nach dem Motte,
" es kann nicht sein, was nicht sein darf", vom Tisch und ersetze die von ihm erhobenen Befunde durch seine Behauptungen,
keine sachliche Auseinandersetzung mit den medizinisch vom Prozessbevollmächtigten des Klägers durchaus näher dargelegten
Zweifeln an den Befunden und Schlussfolgerungen Dr. Xs dar.
Der Eindruck, dass Dr. X hierzu jedenfalls nicht unvoreingenommen gewillt ist, ergänzend Stellung zu nehmen, verstärkt sich
letztlich durch seine weitere Aussage: "Die Ausführungen von Herrn Dr. H sind ausschließlich dazu angelegt, mein Gutachten
in Misskredit zu bringen.
Aus diesen Ausführungen des Sachverständigen durfte der Kläger bei deren objektiver und vernünftiger Würdigung durchaus den
Schluss ziehen, dass Dr. X nicht bereit ist, sich voll umfänglich, unvoreingenommen und allein sachlich mit der vom Kläger
gegen sein Gutachten vorgebrachten Kritik auseinander zu setzen. Das aber rechtfertigt das Misstrauen des Klägers gegen die
Unparteilichkeit des Sachverständigen, sodass ein Antrag auf dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründet ist.
Insbesondere liegt auch keine Konstellation vor, in der der Kläger durch eigene die Sachebene verlassende Ausführungen die
teilweise unsachliche Reaktion des Sachverständigen provoziert hätte. Vielmehr hat sich der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten
- wenn auch in teilweise scharfer Form - allein sachlich mit dem Gutachten des Sachverständigen auseinander gesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).