Anerkennung einer Gesundheitsstörung Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung
Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer unfallbedingten Gesundheitsstörung und einer hinzutretenden weiteren Gesundheitsstörung
Komplexes regionales Schmerzsyndroms einer Kinderärztin nach einer Nadelstichverletzung mit auftretender Dystonie der Hand
Tatbestand
Im Streit stehen die Anerkennung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) über den 31.12.2011 hinaus als Unfallfolge
sowie die Gewährung einer Verletztenrente wegen Folgen eines Arbeitsunfalles vom 07.02.2011.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin war als Kinderärztin in der W Kinderklinik E beschäftigt. Ausweislich der ärztlichen Unfallmeldung
des Arbeitgebers vom 09.02.2011 stach sie sich am 07.02.2011 selbst beim Legen eines Zugangs bei einem Kind mit einer Nadel
in den rechten Daumen.
Im Durchgangsarztbericht von PD Dr. H, N, vom 01.03.2011 betreffend eine Vorstellung der Klägerin am 08.02.2011 wurde ausgeführt,
die Klägerin habe sich am 07.02.2011 an einer benutzten Kanüle gestochen. Er diagnostizierte einen schnellenden Daumen rechts
sowie den Verdacht auf Phlegmone bei Panaritium (Nagelgeschwür) der rechten Hand. Am 09.02.2011 wurde die Klägerin in der
Q-Klinik N durch PD Dr. H operiert. Es erfolgte eine operative Revision der Beugesehnenscheide mit Ringbandspaltung, es habe
sich nur klare Flüssigkeit entleert, ein Bakteriennachweis konnte nicht erbracht werden. Weitere Revisionsoperationen erfolgten
am 15.02.2011 und 21.02.2011. Es fanden sich jeweils kein Eiter sowie kein laborchemisches und bakteriologisches Korrelat.
Die Klägerin wurde am 25.02.2011 aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 10.03.2011 diagnostizierte der Neurologe und Psychiater Dr. L aus S bei der Klägerin ein CRPS. Die Klägerin stellte sich
am 15.03.2011 in der Abteilung für Schmerztherapie des C C, Prof. Dr. N, vor. Dieser diagnostizierte den Verdacht auf ein
CRPS Typ 1. Vom 16.03.2011 bis 21.04.2011 sowie vom 27.04.2011 bis 17.05.2011 befand sich die Klägerin dort in stationärer
Behandlung unter den Diagnosen CRPS Typ 1 nach Stichverletzung im Bereich der rechten Hohlhand, Aufrechterhaltung bzw. Aggravation
körperlicher Symptome aus psychischen Gründen auf dem Boden einer emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur (vom Borderline-Typ).
In dem stationären Entlassungsbericht vom 23.05.2011 wurde u.a. ausgeführt, angesichts einer von der Klägerin berichteten
Anamnese mit sechsjähriger fortlaufender psychoanalytischer Behandlung ergäben sich Hinweise auf unfallunabhängige psycho-soziale
Belastungsfaktoren sowie deutliche Hinweise auf eine emotional instabile Persönlichkeit. Die prognostische Relevanz dieser
unfallunabhängigen Risikofaktoren bzw. Komorbiditäten habe im Rahmen des stationären Aufenthalts nicht ausreichend geklärt
werden können. Bei sich abzeichnender Verkomplizierung des Heilverfahrens empfehle sich eine zeitnahe und ausführliche psychologisch-psychiatrische
Untersuchung.
Eine erneute stationäre Behandlung erfolgte vom 03.06. bis 08.06.2011 im C C, Klinik für Plastische Chirurgie, Prof. Dr. T.
Dieser diagnostizierte ein Panaritium (Nagelgeschwür) D III rechte Hand mit ausgeprägter Begleitphlegmone des Fingers und
der dorsalen Hand. Die Klägerin habe über einen Insektenstich in den Mittelfinger vor 2 1/2 Tagen berichtet. Es erfolgten
ein Debridement und eine Nagelkeilexzision.
Die Beklagte zog eine Auskunft der Krankenkasse (TKK) sowie weitere Arztberichte betreffend die Klägerin - auch bezogen auf
den Zeitraum vor dem streitigen Unfallereignis - bei. Der Orthopäde Dr. Q, N, berichtete am 28.01.2011: "Hat den Daumen entzündet",
am 03.02.2011: "weiterhin heftige Schmerzen, Unfall negativ" und am 08.02.2011: "Schmerzen weiterhin vorhanden". Ausweislich
eines verkehrsmedizinischen Gutachtens des Orthopäden Dr. U vom 02.02.2012, erstattet nach ambulanter Untersuchung der Klägerin
am 23.12.2011 zu der Frage, ob die Klägerin trotz einer Gesundheitsstörung oder Krankheit in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher
zu führen, zeigte der erhobene Befund bis auf eine mittelgradige Bewegungseinschränkung der rechten Hand keine pathologischen
Auffälligkeiten. Die Funktionsprüfungen lagen im normwertigen Bereich. In einem Bericht vom 09.01.2012 diagnostizierte Dr.
L noch deutliche Paresen der rechten Hand nach CRPS. Im Neurostatus konnte er ein Ödem der rechten Hand, Temperaturdifferenz
und/oder Verfärbung nicht feststellen. Der Handchirurg Dr. H1, H, stellte in einem Befundbericht vom 12.03.2012 eine mäßige
Schwellung des rechten Handrückens fest. Es werde ein erheblicher Bewegungsschmerz in allen Fingern angegeben, im Bereich
der Langfinger bestehe ein deutliches Streckdefizit, der Faustschluss sei nur unvollständig möglich. Vom 02.04. bis 23.04.2012,
vom 13.08. bis 15.08.2012 und 08.10. bis 10.10.2012 befand sich die Klägerin unter den Diagnosen CRPS Typ I rechts nach Stichverletzung
und Entwicklung einer Handphlegmone sowie Dystonie der rechten Hand bei CRPS Typ I in schmerztherapeutischer stationärer Behandlung
bei Prof. Dr. N, C C. Prof. Dr. N berichtete unter dem 23.04.2012 u.a. von einer Narkoseuntersuchung, bei der eine gute Beweglichkeit
der Finger festgestellt worden sei.
Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage nach Aktenlage von Dr. F, L Klinik F Nord vom 31.08.2011
ein. Dieser führte aus, das CRPS Typ 1 sei aus rechtlicher Sicht auf die Nadelstichverletzung zurückzuführen, da die Operation
vom 09.02.2011 zwar zum einen wegen der unfallunabhängigen Ringbandspaltung, aber auch wegen der Schwellung und Rötung nach
Stichverletzung mit verunreinigter Kanüle notwendig gewesen sei.
Ferner ließ die Beklagte die Klägerin handchirurgisch zur Zusammenhangsfrage erneut begutachten von Prof. Dr. M, C C. In seinem
Gutachten vom 05.06.2013 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25.09.2013 gelangte dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin
zu der Beurteilung, dass ein Zusammenhang zwischen dem Beschwerdebild und dem Unfall vom 07.02.2011 nicht plausibel sei. Grundsätzlich
sei das angeschuldigte Ereignis einer Nadelstichverletzung geeignet, ein CRPS auszulösen. Allerdings seien auch die anderen
damals diagnostizierten Erkrankungen, das Panaritium des rechten Daumens und die Ausbildung einer Phlegmone sowie eine Sehnenscheidenentzündung
an der rechten Hand geeignet, zu einem CRPS zu führen. Letztlich sei die auslösende Ursache des CRPS nicht sicher zu rekonstruieren.
Die Klägerin erhielt bis zum 14.12.2012 Verletztengeld.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 18.11.2013 den Unfall vom 07.02.2011 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung
einer Rente bezugnehmend auf das Gutachten von Prof. Dr. M ab.
Mit Widerspruch vom 20.11.2013 wandte die Klägerin ein, Prof. Dr. N und Dr. F seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nadelstichverletzung
Ursache für die CRPS-Erkrankung gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2014 zurück. Die Aussage von Dr. F, der zunächst die
unfallunabhängige Operation der Ringbandenge als auslösendes Moment der CRPS gesehen habe und dann abschließend eine andere
Bewertung getätigt habe, sei nicht verständlich und werde auch nicht begründet.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.03.2014 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben. Sie hat sich zur Begründung auf die Befundberichte von Prof. Dr. N und das Gutachten von Dr. F bezogen. Es sei
medizinisch anerkannt und ganz typisch, dass durch geringe Verletzungen wie eine Nadelstichverletzung ein CRPS-Syndrom ausgelöst
werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 07.02.2011 Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
zu gewähren sowie die Gesundheitsstörung eines CRPS als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines handchirurgischen Gutachtens von Dr. T1 aus F vom 14.05.2014. Dr. T1 ist nach ambulanter
und röntgenologischer Untersuchung der Klägerin zu der Beurteilung gelangt, dass die Veränderungen vor der Kanülenstichverletzung
am 07.02.2011 mit Entzündung des Daumens am 28.01.2011 und heftigen Schmerzen am 03.02.2011 wesentlich ursächlich für das
sich später entwickelnde CRPS gewesen seien. In den ersten Monaten habe ein solches bestanden. Im späteren Verlauf habe sich
zusätzlich eine erhebliche Dystonie entwickelt, die zur weitgehenden Funktionslosigkeit der rechten Hand geführt habe. Zum
Zeitpunkt seiner Untersuchung hätten sich typische Symptome einer Dystrophie (eines CRPS) nur noch partiell feststellen lassen.
Die bei einem so lange bestehenden CRPS zu erwartende fleckförmige Entkalkung des Handskeletts habe sich nicht nachweisen
lassen, zudem fehle eine gravierende Minderung der Ober- und Unterarmmuskulatur. Dies lasse sich mit der weitgehenden Gebrauchslosigkeit
der rechten Hand nicht in Einklang bringen. Die MdE wegen Unfallfolgen betrage unter 10 v.H.
Auf Antrag der Klägerin gemäß §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) hat das SG ein Gutachten des Anästhesiologen und Allgemeinmediziners Dr. G, M, vom 07.12.2014 nebst ergänzender Stellungnahme vom 21.12.2014
eingeholt. Dieser ist zu der Beurteilung gelangt, bei der Klägerin liege weiterhin ein CRPS vor, welches die ganze Extremität
betreffe, also die rechte Hand, das Handgelenk, den Ellenbogen, die Schulter, die Armmuskulatur. Der gesamte Arm sei schmerzhaft,
geschwächt und funktionsbeeinträchtigt. Die Nadelstichverletzung sei ursächlich für das CRPS. Bereits bei der Operation vom
09.02.2011 sei in ein beginnendes CRPS hinein operiert worden. Nach den Angaben der Klägerin seien drei bis vier Stunden nach
der Nadelstichverletzung erstmals Dauerschmerzen an der rechten Hand aufgetreten, die vorher nicht da gewesen seien und bei
denen die Kriterien für ein CRPS erfüllt seien. Die MdE wegen Unfallfolgen betrage 70 v. H., wobei der Verlust der Funktionen
des rechten Schultergelenks, des rechten Ellenbogengelenks und der rechten Hand mit einer Einzel-MdE von 40 vH, die chronische
Schmerzkrankheit mit psycho-sozialen Folgen mit einer Einzel-MdE von 30 vH und ein besonderes berufliches Betroffensein mit
einer Einzel-MdE von 20 vH zu bewerten seien. Dem Gutachten des Dr. T1 stimme er nicht zu, u.a. da die Dystonie eine komplexe
CRPS-Folge oder -Anteil sei, eine Entkalkung nicht notwendig vorhanden sein müsse und eine Minderung von Muskelumfängen bei
CRPS keine Rolle spiele.
Zu dem Gutachten des Dr. G hat die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. F1 vom 18.02.2015 beigebracht.
Dem Gutachten könne nicht gefolgt werden. Der Nadelstich habe zu keiner Infektion und zu keinerlei Krankheitserscheinungen
geführt.
Das SG hat die Akten S 15 SB 1625/11 (Rechtsstreit der Klägerin gegen den Kreis S) sowie die Vorprozessakten S 37 U 348/11 SG Gelsenkirchen (Gewährung von Haushaltshilfe) beigezogen.
Mit Urteil vom 26.08.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. In der Begründung hat das SG gestützt auf das Gutachten des Dr. T1 ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin bei dem von der Beklagten
als Arbeitsunfall anerkannten Ereignis vom 07.02.2011 bleibende Gesundheitsstörungen davon getragen habe. Das CRPS sei nicht
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Nadelstichverletzung zurückzuführen.
Gegen das ihr am 15.09.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.10.2015 Berufung eingelegt. Sie trägt unter Verweis
auf die Ausführungen von Dr. G vor, es bestehe weiterhin ein kausal auf der Nadelstichverletzung beruhendes CRPS mit erheblichen
Funktionsbeeinträchtigungen der rechten oberen Extremität. Dr. T1 sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Insbesondere
sei das CRPS nie ausgeheilt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens der Dr. L1 vom
12.04.2016. Diese hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 16.03.2016 folgende Diagnosen gestellt: dystone Fehlstellung
der gesamten rechten Hand und Fehlwahrnehmungen an der rechten oberen Extremität infolge einer dissoziativen Störung der Bewegung
und der Sinnesempfindung, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Fehl- bzw. schädlicher Gebrauch von Opioiden. Die dissoziative
Störung und der daraus resultierende schädliche Gebrauch seien wesentlich im Sinne der Entstehung auf die Folgen des Unfalls
zurückzuführen, die MdE betrage 30 vH. Ein Unfallzusammenhang sei aus formalen Gründen anzunehmen, da das Heilverfahren und
die Operation am 09.02.2011 jedenfalls wegen angenommener Unfallfolgen erfolgt seien. Das CRPS sei erst infolge der Operation
entstanden, Hinweise, dass bereits im Zeitpunkt der Operation ein CRPS vorgelegen habe, bestünden nicht. Das CRPS habe bis
Ende 2011 abklingend vorgelegen. Bei dem vorliegenden Befund an der rechten oberen Extremität handele es sich um eine aus
psychischen Gründen entstandene Fehlstellung, nicht um organisch begründete Folgen des durchgemachten CRPS. Die psychogene
Körperstörung sei ab Anfang 2012 dokumentiert. Ohne das CRPS hätte die Klägerin nicht den Befund an der rechten Hand, sondern
eher wahrscheinlich andere, nicht so schwerwiegende psychogene oder psychogen verstärkte Beschwerden. Ein CRPS könne bei einem
zuvor psychisch erheblich minderbelasteten oder gar gestörten Betroffenen, wie hier, auch eine dauerhafte Verschlechterung
herbeiführen. Bei dem psychischen Vorschaden der Klägerin hätte eine deutliche neurologisch-psychiatrisch-rehabilitative Variation
des üblichen Behandlungsschemas für ein CRPS unter ständiger psychiatrischer Beteiligung erfolgen müssen. Es sei durchaus
möglich, dass auch dies nicht geholfen hätte, dann wäre der ursächliche Zusammenhang der dissoziativen Körperstörung an der
rechten Hand der Klägerin mit dem CRPS auch zu verneinen gewesen. Tatsächlich sei eine solche Behandlung aber nicht erfolgt.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. C vom 04.06.2016 vorgelegt, welcher
meinte, der von Dr. L1 vorausgesetzten Kausalitätskette 1. Nadelstichverletzung, 2. CRPS, 3. Dystonie wäre zu folgen, wenn
das CRPS als Folge der Nadelstichverletzung angesehen werden könne, nicht, wenn dies auf den Vorschaden (Sehnenscheidenentzündung
am rechten Daumen) zurückzuführen sei. Dies sei auf chirurgischem Fachgebiet zu klären.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. T1 vom 15.08.2016 eingeholt, welcher ausgeführt hat, er habe ähnliche
Befunde wie Dr. L1 erhoben. Die demonstrierten Bewegungsstörungen der rechten Hand seien ähnlich beschrieben worden, des Weiteren
hätten sich keine Besonderheiten der Haut an den Händen gefunden. Die Fingernägel der Klägerin seien geschnitten und ohne
Störung des Nagelwachstums gewesen, eine wesentliche Minderbemuskelung sei nicht festgestellt worden. Er teile die Auffassung
von Dr. L1, dass bei der operativen Behandlung 2011 kein organisches Korrelat als Ursache für die Beschwerde gefunden worden
sei. Wie Dr. L1 dargelegt habe, seien die Operationen aufgrund der nervenärztlichen Störung der Klägerin (aus psychischen
Gründen berichtete Symptome) von dieser erzwungen worden. Eine äußerlich sichtbare Verletzung infolge der Nadelstichverletzung
sei trotz zeitnaher Untersuchung durch zwei Ärzte nicht gesehen worden. Aus handchirurgischer Sicht sei die Indikationsstellung
zur Operation am 09.02.2011 jedoch alternativlos gewesen. Das jetzige Krankheitsbild sei nicht einem CRPS zuzuordnen, typische
Symptome - z.B. Hautveränderungen, Veränderungen der Behaarung, der Schweißsekretion und im Röntgenbild sowie Muskelminderungen
infolge des geringen Gebrauchs der Hand - fehlten. Die auch von Dr. L1 festgestellte dystrophe Fehlstellung der Hand sei wesentlich
später, nach Abheilung des CRPS, entstanden und lasse sich organisch nicht begründen.
In einem Verhandlungstermin am 06.12.2017 sind Dr. T1 und Dr. L1 als Sachverständige zur Erläuterung ihrer Gutachten geladen
und gehört worden. Dr. T1 hat im Wesentlichen erklärt, das CRPS sei mit der größten Wahrscheinlichkeit auf die drei Operationen
durch Dr. H zurückzuführen. Dieser habe Unfallfolgen behandeln wollen. Im dem verkehrstechnischen Gutachten des Dr. U vom
23.12.2011 würden keine größeren Auffälligkeiten der betroffenen Hand mehr beschrieben. Danach fehle es an Begleitbefunden
eines CRPS. Dr. H1 beschreibe im März 2012 bereits Befunde im Zusammenhang mit der später aufgetretenen Dystonie. Angesprochen
auf Untersuchungen des Prof. Dr. N im Jahr 2012 hat Dr. T1 ausgeführt, ein Szintigramm sei etwa sechs Monate nach Entstehung
eines CRPS aussagekräftig hierfür. Prof. Dr. N habe festgestellt, dass die Klägerin in Allgemeinnarkose in den betroffenen
Gelenken normal beweglich gewesen sei. Dies spreche dafür, dass der Beweglichkeitsmangel nicht an einem CRPS gelegen habe,
denn bei einem solchen könne sie sich nicht unter Narkose frei bewegen. Dr. L1 hat u.a. ausgeführt, auch sie mache die Besserung
des CRPS an dem verkehrstechnischen Gutachten des Dr. U fest. Dr. L beschreibe im Januar 2012 keinerlei Hautveränderungen
mehr. Die von Dr. L festgestellten Paresen wiesen in Richtung der späteren Dystonie. Im Januar 2012 habe keine MdE bestanden.
Die nunmehr von der Klägerin eingenommene Fehlhaltung sei nicht dauernd vorhanden, denn bei den Untersuchungen habe sie feststellen
können, dass die Muskeln des Arms und der Hand sämtlich da und auch nicht verschmächtigt seien. Die frühere neurotische Persönlichkeitsstörung
der Klägerin sei für sie gut dokumentiert. Die vorbestehende Persönlichkeit der Klägerin sei conditio sine qua non für die
bestehende Dystonie. In der Zeit von Ende Mai 2011 bis Ende 2011 hätte eine geeignete und koordinierte psychiatrische Behandlung
die schweren körperlichen Auswirkungen, wie sie sich jetzt durch die Fehlstellung zeigten, verhindern können. Einen Grad der
Wahrscheinlichkeit hierfür könne sie nur sehr schwer einschätzen, sie gehe aber davon aus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
die schweren Folgen bezogen auf die Hand hätten vermieden werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift, Bl. 406 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.
Die Klägerin hat in einer Stellungnahme u.a. darauf hingewiesen, dass die Diagnose einer "festgestellten vorbestehenden schweren
neurotischen Persönlichkeitsstörung" nicht gerechtfertigt sei. Von den behandelnden Psychotherapeuten, mit denen die Klägerin
seit Jahren regelmäßig in Kontakt stehe, habe keiner eine solche Diagnose gestellt. Fokus des Verkehrsgutachtens des Dr. U
sei nicht das CRPS, sondern die Verkehrstüchtigkeit gewesen. Starke Schmerzmittel (Morphine) hätten die Symptomatik gelindert,
daher sei die Funktion der Hand ausreichend zum Autofahren gewesen. Das CRPS bestehe noch, und zwar im Stadium III, gekennzeichnet
durch Dystrophie, Atrophie und Kontraktur.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 19.09.2018 hat die Beklagte in Abänderung des Bescheides
vom 18.11.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 als weitere Folge des Unfalls vom 07.02.2011 ein am
31.12.2011 ausgeheiltes CRPS als weitere Unfallfolge anerkannt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.08.2015 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 18.11.2013 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014 und des Teilanerkenntnisses vom 19.09.2018 abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, die Gesundheitsstörung eines CRPS über den 31.12.2011 hinaus als Unfallfolge anzuerkennen und ihr wegen der Folgen
des Arbeitsunfalles vom 07.02.2011 Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG auf der Grundlage des Beweisergebnisses hinsichtlich des ihr Teilanerkenntnis übersteigenden Klageanspruchs für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist, soweit sie sich nicht im Umfang des angenommenen Teilanerkenntnisses der Beklagten im Verhandlungstermin
am 19.09.2018 erledigt hat, nicht begründet.
Der Bescheid vom 18.11.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2014, soweit er nicht durch das angenommene
Teilanerkenntnis vom 19.09.2018 abgeändert worden ist, erweist sich nicht als rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht
in ihren Rechten gemäß §
54 Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines CRPS über den 31.12.2011 hinaus als Unfallfolge und auf Gewährung
von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.2011.
Anspruch auf Rente, §
56 Abs.1 S.1 und 2 des
Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VII) - Gesetzliche Unfallversicherung -, haben Versicherte, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier:
des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls (§
8 Abs.
1 SGB VII) - über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. oder bei Vorliegen eines Stützrententatbestandes um 10 v.H. gemindert
ist. Für die Gewährung einer Rente ist erforderlich, dass länger andauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens
entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und hierdurch der rentenberechtigende Grad der MdE bedingt wird. Dabei müssen
Art und Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten länger andauernden Unfallfolgen
im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen,
so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zulasten des Versicherten.
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre
von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings
die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang
spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste
Zweifel ausscheiden (vgl. z. B. BSG Urt. v. 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris Rn. 12; Urt. v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - juris Rn. 28; Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris Rn. 34; Urt. v. 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17 mwN; vgl. auch BSG Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rn. 20 mwN.)
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegt als auf den Unfall zurückzuführende Gesundheitsstörung ein am 31.12.2011 abgeheiltes
CRPS vor. Dies hat die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem erkennenden Senat am 19.09.2018 anerkannt. Ein Anspruch auf
Verletztenrente besteht jedoch in dem Zeitraum bis zum 31.12.2011 nicht, da die Klägerin in diesem Zeitraum bereits Verletztengeld
bezogen hat und eine Verletztenrente erst am Tag nach Erlöschen des der Klägerin bewilligten Verletztengeldes beginnen kann
(§
72 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII).
Über den 31.12.2011 hinaus liegen keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen mehr vor. Insbesondere ist das CRPS entgegen
der Ansicht der Klägerin nach diesem Zeitpunkt ausgeheilt. Bei dieser Einschätzung stützt der Senat sich auf die Gutachten
und Aussagen des Handchirurgen Dr. T1 sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. L1. Die Sachverständigen haben die erhobenen
Befunde und gestellten Diagnosen schlüssig dargelegt und die darauf beruhende Beurteilung überzeugend begründet. Insbesondere
haben Sie für den Senat überzeugend dargelegt, dass bereits dem verkehrsmedizinischen Gutachten des Dr. U keine Anhaltspunkte
für das Fortbestehen eines CRPS entnommen werden konnten. So schildert Dr. U, dass das Auskleiden mühelos gelingt. In Schulter-
und Ellenbogengelenken zeige sich eine altersentsprechende Beweglichkeit, im Seitenvergleich sah Dr. U eine mittelgradige
Bewegungseinschränkung der rechten Hand bei Dorsalextension und eine geringgradige Einschränkung des Fingerspitzen-Hohlhandabstandes
rechts. Er beschreibt die an der Hand verlaufenden Narben und schildert, dass die grobe Kraft rechts diskret reduziert ist.
Im rechten Handgelenk wird eine Bewegungsminderung hohlhandwärts im Seitenvergleich von 30 Grad dokumentiert. Dementsprechend
kommt er zu dem Schluss, dass bis auf eine mittelgradige Bewegungseinschränkung der rechten Hand keine pathologischen Auffälligkeiten
bestünden und die Funktionsprüfungen im normwertigen Bereich lägen. Für die Behauptung der Klägerin, anlässlich der Begutachtung
durch Dr. U starke Schmerzmittel eingenommen zu haben, finden sich in dem Gutachten keine Anhaltspunkte. Auch der Neurologe
und Psychiater Dr. L hat in seinem Befundbericht vom 09.01.2012 einen Zustand nach CRPS, also ein abgelaufenes CRPS beschrieben.
Überzeugend hat Dr. T1 überdies dargelegt, dass anlässlich einer Narkoseuntersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. N im April
2012 eine Beweglichkeitseinschränkung der betroffenen Extremitäten nicht festgestellt werden konnte, was bei einem fortbestehenden
CRPS jedoch zu erwarten gewesen wäre. Auch konnten die Sachverständigen anlässlich ihrer eigenen Untersuchungen keine typischen
CRPS-Symptome mehr feststellen. Den Ausführungen des Dr. G vermochte der Senat nicht zu folgen. Dieser hat sich mit den oben
stehenden objektiven Befunden nicht auseinandergesetzt, sondern im Wesentlichen aufgrund der (Schmerz-)Angaben der Klägerin
ein fortbestehendes CRPS angenommen.
Soweit die Klägerin nach den auch insoweit für den Senat überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. L1 seit 2012
unter einer "dystonen Fehlstellung der gesamten rechten Hand und Fehlwahrnehmungen an der rechten oberen Extremität infolge
einer dissoziativen Störung der Bewegung und der Sinnesempfindung, gemischt" leidet, ist diese Gesundheitsstörung zur Überzeugung
des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Bei dem Arbeitsunfall hat die
Klägerin keinen Gesundheitserstschaden erlitten, auf welchen diese Erkrankung als mittelbare Unfallfolge hinreichend wahrscheinlich
zurückgeführt werden könnte. Insbesondere beruht diese zur Überzeugung des Senats nicht im Sinne des Rechts der gesetzlichen
Unfallversicherung kausal auf dem anerkannten, Ende 2011 abgeheilten CRPS.
Die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer unfallbedingten Gesundheitsstörung und einer hinzutretenden weiteren
Gesundheitsstörung erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen,
ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der weiteren Gesundheitsstörung
ist. Dabei ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall eine (von möglicherweise vielen) Bedingungen
für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen
iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich
wie zB Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15). Wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens
feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten
Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich "Wesentliche" ist (vgl. BSG, Urteile vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, juris Rn. 18 und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris Rn. 27).
Letztlich offen zu lassende Zweifel hat der Senat bereitsauf der ersten Prüfungsstufe dahingehend, dass unklar bleibt, ob
überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen-philosophischen Sinne zwischen dem als mittelbare Unfallfolge
anerkannten, bis zum 31.12.2011 abgeklungenen CRPS und der Dystonie besteht. Dafür spricht, dass Dr. L1 ausführt ein CRPS
könne auch die Ressourcen eines psychisch stabilen Menschen vorübergehend überfordern, es könne bei monatelanger Dauer auch
bei einem psychisch gesunden Menschen psychoreaktive Störungen hervorrufen und es könne bei einem zuvor psychisch gestörten
Betroffenen auch eine dauerhafte Verschlechterung herbeiführen (Gutachten S. 45). Bereits die Formulierung dieser These unter
dreimaliger Verwendung des Wortes "kann" zeigt allerdings, dass es sich hier lediglich um Möglichkeiten handelt. Gegen den
Verursachungsbeitrag des CRPS spricht, dass die Sachverständige alternativ auch die Möglichkeit erwägt, dass das CRPS der
aus unfallunabhängigen, z.B. biographischen Gründen entstandenen dissoziativen Körperstörung nur als "Muster" diente, dann
also nicht einmal als Auslöser der dissoziativen Störung angesehen werden könnte. Letztlich mag die Schlussfolgerung der Sachverständigen
Dr. L1, ohne das CRPS hätte die Klägerin nicht genau diesen individuell-konkreten Befund an der rechten Hand entwickelt, für
die Bewertung des abgelaufenen CRPS als conditio sine qua non der dystonen Fehlstellung der rechten Hand genügen.
Konkurrierende Bedingung für die von Dr. L1 diagnostizierte Gesundheitsstörung "dystone Fehlstellung der gesamten rechten
Hand und Fehlwahrnehmungen an der rechten oberen Extremität infolge einer dissoziativen Störung der Bewegung und der Sinnesempfindung,
gemischt (ICD 10 F.44.7)" im Sinne einer conditio sine qua non ist zur Überzeugung des Senats die nicht unfallbedingte psychische
Erkrankung der Klägerin, die die Sachverständige Dr. L1 als eine schon vor dem Ereignis bestehende kombinierte Persönlichkeitsstörung,
ICD-10 F 61.0, identifiziert hat. Die Erkrankung hält der Senat in Übereinstimmung mit Dr. L1, die dies anhand der Vorgeschichte
und den von ihr erhobenen Befunden nachvollziehbar begründet, und deren Auffassung durch Dr. N im Entlassungsbericht vom 23.05.2011
gestützt wird, für ausreichend belegt. Dr. L1 hat in ihrem Gutachten sowie anlässlich der Befragung durch den Senat im Verhandlungstermin
vom 06.12.2017 darunter eine gravierende neurotische Fehlentwicklung bei der Klägerin gefasst sowie eine Neigung zu somatoformen
Beschwerden und dazu, Fachärzte und Kliniken zwar aufzusuchen, oft auch notfallmäßig, sich dann aber nicht an die Behandlungsempfehlungen
zu halten, auch wenn die eingenommenen Medikamente ihren Körper unnötig schädigen, und in diesen Zusammenhang auch eine chronisch
obstruktive Lungenerkrankung unklaren Schweregrades und ein medikamentös bedingtes Cushing-Syndrom als Folge eines mehrjährigen
Fehlgebrauchs von cortisonhaltigen Medikamenten gestellt.
Unabhängig vom Ergebnis der Prüfung auf der ersten Stufe ist jedenfalls aber auf der zweiten Prüfungsstufe für den Senat nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausreichend wahrscheinlich, dass das CRPS - seine Mitursächlichkeit i.S.d. conditio
sine qua non unterstellt - eine rechtlich wesentliche Ursache der Gesundheitsstörung ist. Insoweit weist bereits die durch
die Sachverständige Dr. L1 gestellte Diagnose nach ICD 10 F.44.7 auf die maßgebliche Bedeutung des psychischen Vorschadens
hin. Ausweislich der Erläuterung der ICD 10 F.44 entwickeln sich im Rahmen einer dissoziativen Störung "eher chronische Störungen,
besonders Lähmungen und Gefühlsstörungen, [ ...] wenn der Beginn mit unlösbaren Problemen oder interpersonalen Schwierigkeiten
verbunden ist. Diese Störungen [ ...] werden als ursächlich psychogen angesehen, in enger zeitlicher Verbindung mit traumatisierenden
Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen" (Hervorhebung hinzugefügt). Die Abwägung
der für und gegen eine wesentliche Ursächlichkeit sprechenden Faktoren, welche Dr. L1 vorgenommen hat, lässt zur Überzeugung
des Senats nicht erkennen, warum das CRPS nicht allenfalls Auslöser oder - wie Dr. L1 formuliert - "Muster", sondern rechtlich
wesentliche Wirkursache der Erkrankung sein soll. Anlässlich der Befragung durch den Senat hat die Sachverständige Dr. L1
ihre Auffassung bekräftigt, dass die körperlichen Auswirkungen bezogen auf die Hand durch eine geeignete psychiatrische Behandlung
der zugrundeliegenden psychischen Erkrankung hätten vermieden werden können, ohne dass sie insofern einen Grad der Wahrscheinlichkeit
angeben könne. Diese Erläuterungen der Sachverständigen zeigen nach Auffassung des Senats die vornehmliche Bedeutung der psychischen
Vorerkrankung der Klägerin für den ab 2012 vorliegenden Gesundheitszustand und vermögen nicht positiv zu begründen, dass das
CRPS die wesentliche Ursache für die diagnostizierte Gesundheitsstörung ist. Überdies will die Sachverständige den ursächlichen
Zusammenhang der dissoziativen Körperstörung an der rechten Hand der Klägerin mit dem CRPS auch für den Fall eher verneinen,
dass die Klägerin parallel zu der CRPS-Behandlung psychiatrisch mitbehandelt worden wäre, dies jedoch nicht geholfen hätte.
Diese Koppelung des Wahrscheinlichkeitsurteils an den fiktiven Ausgang einer nicht stattgefundenen Heilbehandlung, bei gleichzeitiger
Feststellung einer Neigung der Klägerin dazu, ärztlichen Empfehlungen nicht zu folgen, überzeugt den Senat nicht. Die Ausführungen
der Sachverständigen Dr. L1 erscheinen dem Senat insoweit spekulativ und geben keine plausible Erklärung für eine wesentliche
Mitursächlichkeit des zur Überzeugung des Senats und nach Darstellung von Dres. T1 und L1 bei der Ausbildung der dissoziativen
Störung der rechten Hand ja bereits ausgeheilten CRPS.
Die "dystone Fehlstellung der gesamten rechten Hand und Fehlwahrnehmungen an der rechten oberen Extremität infolge einer dissoziativen
Störung der Bewegung und der Sinnesempfindung, gemischt" kann auch nicht wegen einer unterbliebenen psychiatrischen Mitbehandlung
gemäß §
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 07.02.2011 angesehen werden. Nach dieser Vorschrift sind Folgen eines Versicherungsfalls
u.a. auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung. Zum einen unterstellt die Sachverständige offenbar,
die Klägerin hätte an einer solchen, von Dr. N empfohlenen Heilbehandlung mitgewirkt, wovon aber mit Blick auf das Krankheitsbild,
zu dem es nach dem Ergebnis ihrer Begutachtung gehört, ärztlichem Rat nicht zu folgen, nicht ohne weiteres ausgegangen werden
kann. Zum anderen erfüllt die Unterlassung einer möglicherweise gebotenen Heilbehandlung, den Tatbestand der Norm nicht, die
auf die Durchführung der Heilbehandlung abstellt. Die Sachverständige übersieht zudem, dass Dr. N seine am 23.05.2011 unterbreiteten
Behandlungsempfehlungen auf unfallunabhängige, in der Person der Klägerin gründende Komorbiditäten gestützt hat, so dass insoweit
die Behandlung nicht zu Lasten der Beklagten zu erfolgen hatte.
Weitere Unfallfolgen sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen der Klägerin aufgrund des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 SGG) sind nicht gegeben.