Krankengeld
Abgabe einer Wahlerklärung oder Auswahl eines Wahltarifes
Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Keine Hinweispflicht eines Sozialleistungsträgers auf Gesetzesänderungen
Formelle Publizität
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld.
Der Kläger ist hauptberuflich selbstständig tätig und bei der Beklagten freiwillig gesetzlich krankenversichert. Bis zum 31.12.2008
bestand diese Versicherung nach der Satzung der Beklagten (vgl. §
44 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) mit Anspruch auf Krankengeld. Vom 05.01.2007 bis zum 31.10.2007 hatte der Kläger
auch Krankengeld erhalten.
Durch Art. 2 Nr. 6a Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
- GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) wurde §
44 Abs.
2 SGB V mit Wirkung zum 01.01.2009 geändert. Nunmehr hatten hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige keinen Anspruch auf Krankengeld
mehr (§
44 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB V in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung). Zugleich wurde die Pflicht der Krankenkassen eingeführt, unter anderem für hauptberuflich
selbstständig Erwerbstätige gegen die Zahlung von Prämien Wahltarife anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entsprechend
§
46 Satz 1
SGB V oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen (§
53 Abs.
6 SGB V in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung).
Bereits Anfang Oktober 2008 versandte die Beklagten an hauptberuflich selbstständige Mitglieder Schreiben, in denen sie über
diese gesetzlichen Änderungen informierte und den Abschluss verschiedener Wahltarife, die sich nach dem jeweiligen Beginn
des Anspruchs auf Krankengeld in Abhängigkeit von dem Tag des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit unterschieden, anbot. Darüber
hinaus informierte die Beklagte in einem Artikel in ihrer Mitgliederzeitschrift von Januar 2009 unter der Überschrift "Ein
neuer Wahltarif sichert den Anspruch auf Krankengeld - Damit das Leben weitergeht " über die gesetzlichen Änderungen.
Anfang Januar 2009 teilte die Beklagten dem Kläger in einem Schreiben mit, dass ab dem 01.01.2009 ein einheitlicher Beitragssatz
gelte. Die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung betrügen insgesamt 619,24 Euro. Dieser Betrag lag knapp
8 Euro unter dem bis dahin gezahlten Beitrag.
Unter dem 16.02.2009 übersandte die Beklagte dem Kläger ferner eine "Bescheinigung über den Bezug von Entgeltersatzleistungen
(zur Vorlage beim Finanzamt)". Darin führte sie aus, der Kläger solle den im Zeitraum vom 05.01.2007 bis zum 31.10.2007 bezogenen
Krankengeldbetrag in seiner Einkommensteuererklärung angeben.
Mit Schreiben vom 25.06.2009 informierte die Beklagte den Kläger über die im Rahmen des so genannten "Konjunkturpaketes II"
beschlossene Beitragssenkung ab dem 01.07.2009, im Falle des Klägers auf 597,19 Euro. Darüber hinaus führte die Beklagte in
dem Schreiben folgendes aus:
"Künftig wird für hauptberuflich Selbstständige wieder wahlweise ein "gesetzliches" Krankengeld gegen Zahlung des allgemeinen
Beitragssatzes eingeführt. Daneben bietet die BARMER weiterhin erstklassige Wahltarife zur Absicherung des Einkommensausfalls
im Krankheitsfall an. Weitere Informationen hält jede BARMER Geschäftsstelle für sie bereit."
Durch Art. 14 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
vom 17.07.2009 (BGBl I 1990) wurde §
44 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB V mit Wirkung zum 01.08.2009 dann erneut geändert. Hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige haben seitdem die Möglichkeit,
gegenüber ihrer Krankenkasse zu erklären, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (sog. Wahlerklärung).
Darüber hinaus wurden die Wahltarife zum 01.08.2009 neu geregelt. Die bisherigen Wahltarife wurden zum 31.07.2009 geschlossen;
Übergangsregelungen zur Begründung neuer Wahltarife oder der Abgabe der Wahlerklärung mit Wirkung zum 01.08.2009 wurden geschaffen
(§
319 SGB V).
Der Kläger wählte keinen Wahltarif und gab zunächst auch keine Wahlerklärung ab.
Am 27.12.2012 erkrankte der Kläger und war durchgehend bis zum 30.08.2013 arbeitsunfähig. Für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit
beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Krankengeld
Die Beklagte führte mit Schreiben vom 18.03.2013 aus, der Kläger sei mit einem Schreiben vom 09.10.2008, in einem Telefonat
mit seiner Ehefrau am 29.10.2008 sowie auch in der Mitgliederzeitschrift über die damals anstehenden gesetzlichen Änderungen
informiert worden. Mit Bescheid vom 12.04.2013 lehnte sie den Antrag sodann mit der Begründung ab, der Kläger sei wegen der
Änderung der Rechtslage seit dem 01.01.2009 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, er habe ein Informationsschreiben aus Oktober 2008
nicht erhalten und sei deshalb auch nicht über die gesetzlichen Änderungen und die Möglichkeit neuer Tarife informiert worden.
An ein Telefonat vom 29.10.2008 könne sich seine Ehefrau nicht erinnern. Er selbst könne sich nicht daran erinnern, eine Mitgliederzeitschrift
erhalten zu haben.
Am 12.09.2013 beantragte der Kläger mit Wirkung zum 01.10.2013 die Umstellung seiner Mitgliedschaft auf einen Tarif mit Anspruch
auf gesetzliches Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Dem Antrag entsprach die Beklagte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung
führte sie aus, es werde als Zweckbehauptung gewertet, dass der Kläger das Informationsschreiben aus Oktober 2008 nicht erhalten
habe. Unabhängig davon habe er mehrfach Beitragsbescheide über die aktuelle Einstufung ohne Krankengeldanspruch erhalten,
denen das Merkblatt zur Einstufung einschließlich Hinweisen zur Wahl eines Krankengeldtarifes beigefügt gewesen sei. Im Übrigen
sei die Mitgliederzeitschrift als ausreichende Informationsquelle zu werten.
Der Kläger hat am 14.11.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Er hat behauptet, er habe ein Informationsschreiben der Beklagten nicht erhalten. Auch die Mitgliederzeitschrift
habe er nicht erhalten. Seine Ehefrau, die sich an ein Gespräch vom 29.10.2008 nicht erinnern könne, habe in jedem Fall keine
Entscheidungen hinsichtlich der Beitragspflicht für ihren Ehemann getroffen. Er habe darauf vertraut, dass er auch nach dem
31.12.2008 mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen sei. Wäre er über die Gesetzesänderung informiert worden, hätte
er sich für einen Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld entschieden oder eine Wahlerklärung früher abgegeben. Der Kläger
hat die Auffassung vertreten, er sei aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er für die
Zeit ab dem 01.01.2009 einen Tarif mit Anspruch auf Krankengeld gewählt. Die Beklagte habe ihre Hinweis-, Auskunfts- und Beratungspflichten
ihm gegenüber verletzt, weil sie ihn nicht auf die zum 01.01.2009 geänderte Gesetzeslage hingewiesen habe. Hierzu sei die
Beklagte insbesondere deshalb verpflichtet gewesen, weil ihr durch die Gewährung von Krankengeld im Jahre 2007 bekannt gewesen
sei, dass er auf Krankengeld im Krankheitsfalle angewiesen sei.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2013 zu verurteilen,
ihm Krankengeld für die Zeit vom 27.12.2012 bis zum 30.08.2013 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und der übrigen Korrespondenz mit dem Kläger Bezug genommen.
Mit ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil vom 21.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeld, weil der Anspruch
für hauptberuflich Selbstständige ab dem 01.01.2009 grundsätzlich ausgeschlossen sei. Von der Möglichkeit, Wahltarife abzuschließen,
habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf den sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
Gründen. Es fehle bereits an einer Beratungspflicht und an einem Nachweis einer Beratungspflichtverletzung. Es dürfte zunächst
- auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der formellen Publizität - keine Beratungspflicht hinsichtlich der Rechtsänderung
zum 01.01.2009 bestanden haben. Eine etwaige Pflicht zur Beratung über die Rechtsänderung zum 01.01.2009 wäre aber jedenfalls
damit als erfüllt anzusehen, dass die Beklagte die Gesetzesänderung in ihrer Monatszeitschrift publiziert habe und somit allen
Mitgliedern die Möglichkeit eröffnet habe, von der Gesetzesänderung Kenntnis zu nehmen.
Gegen dieses seiner Prozessbevollmächtigten am 27.10.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.11.2016 Berufung eingelegt.
Er räumt nunmehr ein, dass er die Mitgliederzeitschrift erhalten, sie jedoch nicht gelesen habe. Allein der Hinweis auf die
Gesetzesänderung in der Monatszeitschrift der Beklagten, so meint er, erfülle die Pflicht zur Beratung über die Rechtsänderung
zum 01.01.2009 jedoch nicht. Mitglieder seien nicht verpflichtet, die Monatszeitschrift, die werbewirksam aufgemacht sei,
von vorne bis hinten zu lesen. Im Übrigen ist er weiterhin der Auffassung, dass sein Begehren aufgrund des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs begründet sei. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, im Rahmen der allgemeinen Hinweispflicht gemäß
§
13 SGB I durch konkrete Schreiben an ihre Mitglieder die zum 01.01.2009 eingeführten Wahltarife unter Hinweis auf die Gesetzesänderung
anzubieten. Diese allgemeine Hinweispflicht ergebe sich nicht nur aus der Gesetzesänderung, sondern explizit aus der Verpflichtung
des Gesetzgebers, Wahltarife anzubieten. Insoweit greife der Grundsatz der Publizität hier nicht. Aus dem Schreiben vom 25.06.2009
ergebe sich auch nicht eindeutig, dass aufgrund einer Gesetzesänderung zum 01.01.2009 das ehemals für Selbstständige geltende
Krankengeld abgeschafft worden sei. Der Fall habe grundsätzliche Bedeutung.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 21.10.2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2013 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 27.12.2012 bis zum
30.08.2013 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter sowie ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogenen Verwaltungsakte der
Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung durch den Berichterstatter als Einzelrichter anstelle des Senats sowie ohne mündliche
Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht
im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld, weil er im streitgegenständlichen
Zeitraum mangels Abgabe einer Wahlerklärung oder Auswahl eines Wahltarifes nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert war
(§§
44 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2,
53 Abs.
6 SGB V in der ab dem 01.01.2009 und ab dem 01.08.2009 geltenden Fassung). Eine Wahlerklärung im Sinne von §
44 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V hat der Kläger erst mit Wirkung ab dem 01.10.2013 abgegeben.
Der Kläger ist auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er rechtzeitig vor
dem Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 27.12.2012 eine Wahlerklärung abgegeben oder einen Wahltarif gewählt. Die Voraussetzungen
eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (siehe hierzu z.B. BSG, Urt. v. 14.11.2002 - B 13 RJ 39/01 R -, [...] Rn. 30) liegen nicht vor, denn es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten.
Eine einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösende Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich zunächst nicht daraus,
dass die Beklagte ihre aus §
13 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) folgenden Aufklärungspflichten verletzt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, erwächst dem Einzelnen aus der allgemeinen Aufklärungspflicht der Verwaltung nach §
13 SGB I grundsätzlich kein im Klagewege verfolgbar Anspruch auf Erfüllung der Aufklärungspflicht und deshalb - im Falle einer unterbliebenen
oder ungenügenden Aufklärung - auch kein Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bei gehöriger Aufklärung bestanden hätte
(vgl. BSG, Urt. v. 21.06.1990 - 12 RK 27/88 -, [...] Rn. 19; Urt. v. 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R -, [...] Rn. 19 m.w.N., stRspr).
Darüber hinaus ergibt sich aus §
13 SGB I keine Pflicht eines Sozialleistungsträgers, auf Gesetzesänderungen hinzuweisen. Für formelle Gesetze gilt der Grundsatz der
formellen Publizität, d.h. ordnungsgemäß verkündete Gesetze gelten grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht
darauf, ob und wann sie tatsächlich davon Kenntnis erlangt haben (vgl. BSG, Urt. v 21. 4. 1993 - 5 RJ 58/91 -, [...] Rn. 18 m.w.N., stRspr).
Im Übrigen ist die Beklagte ihren aus §
13 SGB I folgenden Aufklärungspflichten dem Kläger gegenüber hinreichend dadurch nachgekommen, dass sie in ihrer Mitgliederzeitschrift
von Januar 2009 auf die seit dem 01.01.2009 geltende Rechtslage und die seitdem bestehende Möglichkeit, einen Wahltarif mit
Anspruch auf Krankengeld zu wählen, hingewiesen hat. Die Überschrift des betreffenden Artikels ("Ein neuer Wahltarif sichert
den Anspruch auf Krankengeld - Damit das Leben weitergeht ") weist hinreichend deutlich auf den Inhalt des Textes hin und
hätte einen interessierten Versicherten veranlassen müssen, den Artikel zu lesen. Bei Selbstständigen, wie dem Kläger, ist
auch davon auszugehen, dass sie mit Geschäfts- und Behördenangelegenheiten vertraut und dementsprechend schreib- und lesegewohnt
sind. Bei einem solchen Personenkreis kann deshalb erwartet werden, dass schriftliche Informationen in einer Mitgliederzeitschrift
gelesen werden. Eine individuelle Ansprache durch ein personalisiertes Schreiben ist bei diesem Personenkreis nicht notwendig
(so deutlich BSG, Urt. v. 19.06.1986 - 12 RK 10/86 -, [...] Rn. 19). Wie der Kläger nunmehr im Berufungsverfahren eingeräumt hat, hat er die Mitgliederzeitschrift erhalten,
sie jedoch nicht gelesen. Dies geht zu seinen Lasten und vermag einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von vornherein
nicht zu begründen. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob den Kläger ein konkretes Hinweisschreiben der Beklagten erreicht
hat und welchen Inhalt ein etwaiges Telefonat der Beklagten mit der Ehefrau des Klägers hatte.
Die Beklagte hat auch nicht ihre Auskunfts- und Beratungspflichten gemäß §§
14,
15 SGB I verletzt.
Eine Pflicht zur Auskunft und Beratung besteht zunächst nur bei einem konkreten Beratungsersuchen des Versicherten. Der Kläger
hat jedoch im Zusammenhang mit der Änderung des §
44 Abs.
2 SGB V zum 01.01.2009 und zum 01.08.2009 nicht bei der Beklagten um Beratung nachgesucht.
Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG zwar auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in
einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein
verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (vgl. statt vieler BSG, Urt. v. 24.04.2015 - B 4 AS 22/14 R -, [...] Rn. 27 m.w.N.). Hier fehlte es jedoch an einer konkreten Sachbearbeitung, die Anlass für eine spontane Beratung
hätte geben können. Zwar hat die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16.02.2009 eine "Bescheinigung über den Bezug von Entgeltersatzleistungen
(zur Vorlage beim Finanzamt)" übersandt. Dieses Schreiben betraf jedoch allein steuerrechtliche Fragen aufgrund des Krankengeldbezugs
im Jahre 2007 und stand mit dem Umfang des Versicherungsschutzes des Klägers ab dem 01.01.2009 in keinem Zusammenhang. Nach
der konkreten Situation des für die Erstellung des Schreibens vom 16.02.2009 zuständigen Sachbearbeiters bestand deshalb kein
Anlass, sich mit dem konkreten Versicherungsverhältnis des Klägers im Jahre 2009 zu befassen und den Kläger über die Möglichkeit
von Wahltarifen zur Begründung eines Anspruchs auf Krankengeld zu belehren (vgl. hierzu auch BSG Urt. v. 26.10.1994 - 11 RAr 5/94 -, [...] Rn. 31; Urt. v. 09.12.1997 - 8 RKn 1/97 -, [...] Rn. 17).
Eine Pflicht zur Spontanberatung ergab sich auch nicht daraus, dass die zum 01.01.2009 erfolgte Rechtsänderung für den Kläger
besonders gravierend war. Grundsätzlich ist ein Leistungsträger auch bei bedeutsamen und folgenschweren Rechtsänderungen nicht
verpflichtet, die bei ihm geführten Akten darauf hin zu überprüfen, ob sie Anlass für eine spontane Beratung geben (vgl. BSG, Urt. v. 28.04.2005 - B 9a/9 VG 3/04 R - [...] Rn. 43 m.w.N.). Andernfalls würde der Grundsatz der formellen Publizität unterlaufen.
Etwas anderes gilt nur bei konkreter Kontaktaufnahme mit dem Leistungsträger. Dann wird der Grundsatz der formellen Publizität
durch die Beratungs- und Hinweispflicht nach §§
14,
15 SGB I überlagert und bei einem Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers (falsche oder irreführende Auskunft oder sonstiges rechts-
oder treuwidriges Verhalten) aufgehoben (vgl. BSG, Urt. v. 08.02.2007 - B 7a AL 22/06 R -, [...] Rn. 22). An einer solchen konkreten Kontaktaufnahme des Klägers fehlt es hier
aber ebenso wie an einer falschen oder irreführenden Auskunft oder einem sonstigen rechts- oder treuwidrigen Verhalten der
Beklagten.
Darüber hinaus hat die Beklagte sämtliche ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Verpflichtungen dadurch erfüllt, dass sie im
Schreiben vom 25.06.2009 darauf hingewiesen hat, dass künftig für hauptberuflich Selbstständige wieder wahlweise ein "gesetzliches"
Krankengeld gegen Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes eingeführt werde, und dem Kläger eine entsprechende Beratung angeboten
hat. Auch wenn man unterstellt, dass der Kläger von der zum 01.01.2009 eingetretenen Rechtsänderung keine Kenntnis hatte und
davon ausging, weiterhin mit Anspruch auf Krankengeld versichert zu sein, hätte er diesen Hinweis der Beklagten zum Anlass
nehmen müssen, sich bei der Beklagten zu erkundigen, ob hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige nicht ohnehin einen Anspruch
auf Krankengeld haben oder ob dieser etwa entfallen ist und welche Möglichkeiten, einen solchen Anspruch ggf. wieder zu erlangen,
existieren. Die Beklagte hätte ihn dann umfassend und zutreffend über die geänderte Gesetzeslage aufklären müssen. Dass der
Kläger diesen Hinweis nicht gelesen oder nicht richtig zur Kenntnis genommen hat, geht zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor. Sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
geklärt.