Streit um die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG an Stelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG im Jahre 2010
Vorbezugszeit von 48 Monaten mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung für eine Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG
Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F.v. 19.08.2007 mit der Ausdehnung der Vorbezugszeit auf 48 Monate
Voraussetzungen für die Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F. v. 19.08.2007
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach Abschluss eines Teilunterwerfungsvergleichs noch um die Gewährung von Leistungen nach §
2 AsylbLG an Stelle der gewährten Leistungen nach §
3 AsylbLG im Zeitraum vom 01.06. bis zum 30.06.2010.
Der 1953 geborene Kläger zu 1 und die 1952 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet. Sie sind bosnische Staatsangehörige. Die
Klägerin zu 2 reiste im September 2003 in das Bundesgebiet ein und erhielt ab dem 25.09.2003 bis zum 30.11.2006 sog. Grundleistungen
nach §
3 AsylbLG, ab dem 01.12.2006 sog. Analogleistungen nach §
2 AsylbLG. Der Kläger zu 1 reiste im Mai 2004 in das Bundesgebiet ein. Ihm wurden im Zeitraum vom 02.06.2004 bis zum 31.08.2007 Leistungen
nach §
3 AsylbLG und ab dem 01.09.2007 nach §
2 AsylbLG gewährt. Der Kläger zu 1 ist seit dem 31.07.2007, die Klägerin zu 2 seit dem 17.07.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG. Seit dem 01.08.2007 bewohnen sie eine Mietwohnung in L; bis zu diesem Zeitpunkt waren sie in einer Gemeinschaftsunterkunft
(ebenfalls in L) untergebracht.
Mit Schreiben vom 11.05.2010 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass sie die Vorbezugszeit von 48 Monaten mit Grundleistungen
nach §
3 AsylbLG als Voraussetzung für eine Gewährung von Analogleistungen nach §
2 AsylbLG nicht erfüllt hätten. Aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts folge, dass eine Gewährung von Analogleistungen einen
tatsächlichen 48-monatigen Grundleistungsbezug voraussetze; Zeiten ohne Grundleistungsbezug könnten nicht berücksichtigt werden.
Voraussichtlich ab dem 01.06.2010 werde deshalb bis zum Erfüllen der Vorbezugszeit nur der Bedarf nach §
3 AsylbLG berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 26.05.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Juni 2010 nur mehr Grundleistungen nach §
3 AsylbLG (Geldleistungen von 199,40 EUR an den Kläger zu 1 und von 224,97 EUR an die Klägerin zu 2, zuzüglich Unterkunftskosten in
tatsächlich angefallener Höhe). Die Kläger legten Widerspruch ein mit der Begründung, ihnen stünden auch weiterhin Analogleistungen
zu. Ihr Vorbezug von Leistungen nach §
2 AsylbLG sei bei der Vorbezugszeit i.S.d. §
2 Abs.
1 AsylbLG in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung (n.F.) mit zu berücksichtigen. Die anderslautende Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts
(Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) sei angesichts der Gesetzesbegründung fehlerhaft, weil letztere allein auf die
Aufenthaltsdauer abstelle. Eine "Rückstufung" von Analog- auf Grundleistungen erst drei Jahre nach Änderung der Vorbezugszeit
in §
2 AsylbLG von 36 auf 48 Monate verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger zu 1 habe lediglich
Vorbezugszeiten von 38 Monaten und 29 Tagen, die Klägerin zu 2 von 38 Monaten und 6 Tagen mit Leistungen nach §
3 AsylbLG zurückgelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §
2 AsylbLG (n.F.).
Mit weiteren Widersprüchen vom 12.09.2010 und 08.11.2010 wandten sich die Kläger auch gegen die Höhe der faktisch durch Auszahlung
erfolgten Bewilligungen von Grundleistungen für Juli bis September 2010 bzw. Oktober 2010. Diese Widersprüche wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 aus den Gründen des früheren Widerspruchsbescheides ebenfalls zurück.
Gegen beide Widerspruchsbescheide haben die Kläger am 17.09.2010 bzw. am 18.11.2010 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben
(S 21 AY 186/10, später S 21 AY 118/12 WA, bzw. S 21 AY 228/10, später S 21 AY 129/12 WA). Zur Begründung haben sie ihre Ausführungen
in den Widersprüchen vertieft und ergänzend ausgeführt, §
3 AsylbLG sei verfassungswidrig.
Seit April 2011 erhalten beide Kläger wieder Leistungen nach §
2 AsylbLG.
Das Sozialgericht hat mit Beschlüssen vom 31.05.2011 beide Klageverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
in den Verfahren 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 (Normenkontrollverfahren nach Art.
100 Abs.
1 GG betreffend §
3 AsylbLG) ausgesetzt. Nach Wiederaufnahme hat es beide Verfahren verbunden (Beschluss vom 14.01.2013; Aktenzeichen nunmehr S 21 AY
118/12 WA).
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid vom 26.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010 und die Leistungsbewilligungen für die Monate
Juli 2010 bis Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
ihnen Leistungen nach §
2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren,
hilfsweise,
die Frage der Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Regelung des §
2 Abs.
1 AsylbLG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen und dieses Verfahren auszusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Widerspruchsbescheide Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 10.01.2013 hat sie eine Berechnung vorgelegt, der
zufolge sich im Falle eines vollen Obsiegens der Kläger ein Nachzahlungsbetrag von 886,52 EUR ergeben würde. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.01.2013, zugestellt an den Bevollmächtigten der Kläger am 30.01.2013).
Zur Begründung hat es auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R verwiesen. Auch im Anschluss
an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 ergebe sich kein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen. Denn darin habe das Gericht §
3 AsylbLG für bis zum 31.12.2010 anwendbar erklärt. Es könne deshalb offen bleiben, ob auch §
2 AsylbLG verfassungswidrig sei.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 28.02.2013 eingelegten Berufung. Die Neuregelung des §
2 Abs.
1 AsylbLG (i.d.F. ab 28.08.2007) mit der Ausdehnung der Vorbezugszeit auf 48 Monate sei verfassungswidrig. Grund hierfür seien ausschließlich
finanzielle Erwägungen. Empirische Ermittlungen, denen zufolge der existenzsichernde Bedarf der Leistungsberechtigten nicht
nur in den ersten 36 Monaten, sondern in den ersten vier Jahren ihres Aufenthaltes in Deutschland geringer sei, seien nicht
ersichtlich. Das Bundessozialgericht habe insoweit nur für Fälle entschieden, in denen die Leistungsempfänger Inhaber einer
Duldung gewesen seien. Sie selbst - die Kläger - seien jedoch im Besitz eines Aufenthaltstitels (§ 25 Abs. 5 AufentG); in
einem solchen Fall könnten sich die Leistungsempfänger, die bereits im Anschluss an einen 36-monatigen Vorbezug von Grundleistungen
Analogleistungen bezogen hätten, auf einen "Bestandsschutz" berufen. Ausweislich der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber
bei der Ausdehnung der Vorbezugszeit auf 48 Monate ersichtlich an die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland anknüpfen wollen.
Es sei deshalb ein Redaktionsversehen, wenn der Gesetzestext den Bezug von Grundleistungen über vier Jahre zur Voraussetzung
von Analogleistungen mache. Ohnehin wären sie - die Kläger - im streitigen Zeitraum sogar nach dem SGB II leistungsberechtigt; Leistungen unterhalb des Niveaus von §
2 Abs.
1 AsylbLG seien daher nicht einsichtig.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten durch Teilunterwerfungsvergleich den streitbefangenen Zeitraum
auf den Monat Juni 2010 beschränkt.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010 zu verpflichten, ihnen Leistungen nach §
2 AsylbLG für den Zeitraum 01. bis 30.06.2010 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR. Bei der Ermittlung dieses Wertes sind die von beiden
Klägern geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 33/02 R Rn. 14; ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
144 Rn. 16 m.w.N.). Der Berechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 10.01.2013 sowie dem Bescheid vom 26.05.2010 ist zu entnehmen,
dass die Beklagte für die Zeit von Juni bis Oktober 2010 der Klägerin zu 2 monatliche Geldleistungen von 224,97 EUR, dem Kläger
zu 1 von 199,40 EUR als Grundleistungen gewährt hat (Summe für beide Kläger: 424,37 EUR). Die Kläger begehren demgegenüber
monatliche Analogleistungen von jeweils 323,00 EUR (Summe für beide Kläger: 626,00 EUR). Daraus errechnet sich ein Beschwerdewert
von (5 x 626,00 EUR./. 5 x 424,37 EUR =) 1.108,15 EUR.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
1.
Im Anschluss an den in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Teilunterwerfungsvergleich ist Streitgegenstand noch der Bescheid
vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010, soweit darin höhere als die gewährten Leistungen
für den Monat Juni 2010 abgelehnt wurden. Da Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten
bewilligt wurden, sind rechnerisch allein die durch die Beklagte erbrachten Geldleistungen nach §
3 Abs.
1 S. 4 und Abs.
2 S. 2
AsylbLG streitig; die Kläger begehren stattdessen Leistungen entsprechend den Regelsätzen des SGB XII (§
2 Abs.
1 AsylbLG). Gegen den genannten Bescheid richten sich die Kläger mit ihrer zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und Abs.
4, §
56 SGG).
2.
Die Beklagte war für die Gewährung der Leistungen nach dem
AsylbLG an die Kläger gemäß §
10 S. 1
AsylbLG i.V.m. §
1 Abs.
1 S. 1 AG
AsylbLG NRW sachlich zuständig. Ihre örtliche Zuständigkeit folgt aus §
10a Abs.
1 S. 2
AsylbLG. Denn die Kläger hielten sich im streitbefangenen Zeitraum (Juni 2010) tatsächlich in L und damit im Bereich der Beklagten
auf. Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob einmal eine Verteilungs- bzw. Zuweisungsentscheidung i.S.d. §
10a Abs.
1 S. 1
AsylbLG vorgelegen hat. Denn eine solche hätte sich jedenfalls spätestens mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG "auf andere Weise" erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG), weil mit Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein Aufenthalt ermöglicht wird, der nicht mehr mit dem Asylverfahren des
Ausländers in Zusammenhang steht. Vielmehr hält sich dann der Ausländer nach Beendigung seines Asylverfahrens rechtmäßig weiter
in Deutschland auf; insoweit ist es gerechtfertigt, die Zuweisungsentscheidung in ihren Wirkungen auf das Asylverfahren zu
beschränken (so bereits Beschluss des Senats vom 12.01.2006 - L 20 B 11/05 AY ER).
3.
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben im Juni 2010 keinen Anspruch auf höhere als die bereits bewilligten Leistungen.
a)
Nach §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG gehören die Kläger (als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG) zum nach dem
AsylbLG anspruchsberechtigten Personenkreis. Keineswegs waren sie, wie ihr Bevollmächtigter meint, nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II leistungsberechtigt. Denn der Wortlaut der genannten Vorschriften, die den nach dem jeweiligen Leistungsregime berechtigten
Personenkreis bestimmen, ist diesbezüglich eindeutig. Der Senat hat bereits entschieden, dass insofern weder Raum für eine
abweichende Auslegung noch für eine teleologische Reduktion oder für eine analoge Anwendung von § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII besteht; er hat sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen (vgl. Urteil des Senats
vom 27.02.2012 - L 20 AY 48/08 Rn. 60 ff. [Revision anhängig, BSG B 7 AY 4/12 R]). Danach begründet auch die Zuordnung zum Leistungsregime des
AsylbLG in §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II (grundlegend BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R; vgl. auch BSG, Urteile vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R sowie vom 07.05.2009 - B 14 AS 41/07 R. Der Gesetzgeber hat im Übrigen zahlreiche Gelegenheiten zur Änderung der Vorschrift ungenutzt gelassen, auch wenn diese
als integrationspolitisch fragwürdig bezeichnet worden ist [vgl. etwa Frerichs, in jurisPK-SGB XII, §
1 AsylbLG Rn. 104 f., Stand: 03.11.2014]; dies gilt auch noch in jüngerer Zeit etwa für das Festhalten an der Norm im Zuge der Einfügung
des § 25a AufenthG zum 01.07.2011, wonach gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden sowie ggf. deren Eltern unter erleichterten Bedingungen
ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden kann), und hat deshalb ersichtlich an dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II festhalten wollen.
Zu Recht geht das Bundessozialgericht im Übrigen (unter Verweis auf die Gesetzesbegründung; vgl. BT-Drucks. 12/4451 S. 7)
davon aus, dass § 25 Abs. 5 AufenthG gerade kein verfestigtes Aufenthaltsrecht begründet. Den Betroffenen wird ihr Aufenthalt in Deutschland vielmehr nur zeitlich
befristet erlaubt (§ 26 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Dass dies auch für andere Aufenthaltstitel gilt, deren Inhaber ggf. Anspruch auf günstigere existenzsichernde Leistungen
haben, steht der Ausübung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Sinne einer Zuordnung von nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigten zum Leistungsregime des
AsylbLG nicht entgegen. Dabei wird in sachlich gerechtfertigter Weise nach dem Grund für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis differenziert.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn gesetzlich zwischen den Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 4 S. 1, Abs. 4a, 4b und Abs. 5 AufenthG einerseits und etwa denjenigen (auf ein Abschiebungsverbot Rücksicht nehmenden) nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG unterschieden wird.
Umstände des Einzelfalls, welche aus verfassungsrechtlichen Gründen eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind
vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine Nichtanerkennung von Abschiebungsverboten
nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG aus allein allgemeinen Erwägungen (vgl. hierzu Frerichs, a.a.O.). Eine allgemeine Beurteilung der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit
der ausländerrechtlichen Gesamtkonzeption fällt von vornherein nicht in die Kompetenz der rechtsprechenden Gewalt.
Schließlich folgt auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 nichts anderes (so auch LSG Hessen, Urteil vom 23.11.2012 - L 7 AS 118/12 Rn. 45 [Revision anhängig, BSG B 14 AS 8/13 R]). Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich die Höhe der nach §
3 AsylbLG zu gewährenden Leistungen für verfassungswidrig befunden, nicht aber die Zuordnung der Leistungsberechtigten zum Leistungsregime
des
AsylbLG. Dementsprechend ist verfassungsrechtlich allein entscheidend, ob Leistungen in einer das Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums wahrenden Höhe zur Verfügung gestellt werden, nicht jedoch, nach welchem gesetzlichen Leistungsregime
dies erfolgt.
b)
Unterfielen die Kläger deshalb im Juni 2010 dem Leistungsregime des
AsylbLG, so lagen die Voraussetzungen für die Gewährung von Analogleistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG anstelle der ihnen bewilligten Grundleistungen nicht vor.
Nach §
2 Abs.
1 AsylbLG (in der hier maßgeblichen, seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung) ist abweichend von den §§
3 bis
7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach
§ 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
aa)
Für eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland im Sinne eines auf die Aufenthaltsverlängerung
zielenden vorsätzlichen, sozialwidrigen Verhaltens, welches bei typisierender Betrachtung für eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer
als kausal anzusehen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) liegen bei den Klägern keinerlei Anhaltspunkte vor. Hierüber besteht auch zwischen
den Beteiligten - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat - kein Streit.
bb)
Die Kläger hatten im Juni 2010 jedoch noch nicht über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach §
3 AsylbLG erhalten. Vielmehr hatte der Kläger zu 1 Grundleistungen erst für 38 Monate und 29 Tage, die Klägerin zu 2 für 38 Monate
und 6 Tage bezogen. Zwar hatten beide Kläger im Anschluss an diesen Vorbezug von Grundleistungen - entsprechend der bis zum
27.08.2007 geltenden Gesetzesfassung von §
2 Abs.
1 AsylbLG - Leistungen nach §
2 AsylbLG erhalten. Diese Analogleistungen können jedoch die nach §
2 Abs.
1 AsylbLG notwendige Vorbezugszeit nicht auffüllen (vgl. dazu ausführlich den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Senats nach Art.
100 Abs.
1 GG vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 Rn. 60 ff.).
(1)
Denn die Vorbezugszeit ist keine Wartefrist, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-) Leistungen der Ausländer
bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, §
2 AsylbLG Rn. 8, für Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders. in GK-
AsylbLG, §
2 Rn. 39, Stand der konkret kommentierten Stelle: März 2007; vgl. auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung
und Sozialhilfe, §
2 AsylbLG Rn. 12, Stand Mai 2009, zu sonstigen Sozialleistungen; a.A. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, §
2 AsylbLG Rn. 10, und Birk in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, §
2 AsylbLG Rn. 1, der ausdrücklich von einer Wartezeit spricht; vgl. zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, Änderungen des
Asylbewerberleistungsgesetzes durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher EU-Richtlinien, NVwZ 2008, S. 33, 35 m.w.N.). Der Wortlaut des §
2 Abs.
1 AsylbLG ist insoweit zwingend und einer erweiternden Auslegung etwa dahin, dass auch höhere Leistungen nach §
2 AsylbLG die Vorbezugszeit auffüllen können, nicht fähig (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R Rn. 19 - 23).
Zwar schreibt die Verfassung eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation nicht vor. Vielmehr gehört
eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut
sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997
- 1 BvL 11/96). Eine solche vom Wortlaut abweichende Auslegung kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik
zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste
Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte
Fall hätte einbezogen werden müssen (BSG, Urteil vom 24.10.1984 - 6 RKa 36/83). Allerdings darf dabei dem Gesetz kein entgegenstehender Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht
grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.
Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des §
2 Abs.
1 AsylbLG, nach der Bezugszeiten anderer Leistungen als derjenigen nach §
3 AsylbLG - auch solcher nach §
2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen jedoch Sinn und Zweck der Regelung und deren
Gesetzesentwicklung entgegen:
§
2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl. I S. 1074) normierte für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten
nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
AsylbLG vom 24.10.1995 (BT-Drucks. 13/2746) sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach §
3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung; er verzichtete zudem bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen,
deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich auf die Wartefrist (BT-Drucks. 13/2746
S. 5). Die im Vergleich zur Vorgängerregelung vorgesehene Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach §
2 AsylbLG stand dabei im engen Zusammenhang mit der Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises in §
1 Abs.
1 AsylbLG insbesondere um geduldete Ausländer sowie mit der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung,
die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks. 13/2746 S. 11). Vom Grundsatz her sollten
alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen
nach §§
3 ff.
AsylbLG erhalten (BT-Drucks. 13/2746 S. 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung
nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus
(die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs. 4 AuslG, der nach Ablauf dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von
Analogleistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch entsprechende Gewährung öffentlicher Mittel ermöglicht
werden (BT-Drucks. 13/2746 S. 15).
Allerdings verlor sich diese Integrationskomponente in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des
AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl. I S. 1130). Erstmals stellte das Gesetz jetzt auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach §
3 AsylbLG ab; es verlangte diesen Bezug für eine Dauer von 36 Monaten ab dem 01.06.1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung
(vgl. auch Ausschussbericht vom 07.02.1996, BT-Drucks. 13/3728 S. 3), der seinen Ausdruck darin fand, dass der Zeitraum von
36 Monaten am 01.06.1997 zu laufen begann und damit alle Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie zuvor bereits Analogleistungen erhalten hatten. Hierin wird deutlich, dass der Gesetzgeber
schon 1997 bewusst allein auf den tatsächlichen Bezug von Grundleistungen nach §
3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten - auch solche nach §
2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 01.06.1997) - sowie Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte. Er beabsichtigte vielmehr,
die höheren Leistungen nach §
2 AsylbLG davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum zuvor für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren
Niveau sichergestellt wurde.
Mit der ab dem 01.01.2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich, abweichend vom bis zum 31.12.2004 geltenden Recht, Leistungsberechtigte
von Analogleistungen ausgeschlossen werden, denen bezogen auf die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchliches
Verhalten (Tun oder Unterlassen) vorgeworfen werden kann. Neben der damit beabsichtigten Sanktion sollte durch die zusätzliche
Notwendigkeit des Vorbezugs von Grundleistungen für die Dauer von 36 Monaten aber zugleich für Ausländer der Anreiz für die
Einreise und ihren weiteren Verbleib in Deutschland genommen werden (Hohm, GK-
AsylbLG, §
2 Rn. 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde jedoch verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analogleistungen oder weiter
eingeschränkte Leistungen nach §
1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem
AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung,
die eine §
2 AsylbLG innewohnende Integrationskomponente betont (vgl. etwa Wahrendorf, a.a.O., §
2 AsylbLG Rn. 10; i.E. wohl auch Hachmann/Hohm, a.a.O., S. 36; vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 28.01.2008 - L 20 B 85/07 AY ER, der jedoch die vorgenannten Erwägungen noch außer Acht ließ), vernachlässigt diese Rechtsentwicklung und interpretiert
die Vorbezugszeit im Ergebnis zu Unrecht als reine Wartefrist, für die es auf einen Vorbezug gerade der in §
2 Abs.
1 AsylbLG genannten Grundleistungen nicht ankäme.
Diese für die Zeit ab dem 01.01.2005 vorgenommene Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien zur Änderung des §
2 AsylbLG mit Wirkung ab dem 28.08.2007 (Anhebung der Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monaten; Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 - BGBl. I S. 1970) gestützt. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate begründet mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Beschäftigungsverfahrensverordnung, deren § 10 Satz 3 nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt. Für den Zeitpunkt der Gewährung
von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik
Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von vier Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden
sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl. BT-Drucks.
16/5065 S. 232 zu Nummer 2 [§ 2]; vgl. auch Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, §
2 AsylbLG Rn. 12, Stand August 2013). Wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach §
3 AsylbLG gleichwohl beibehalten, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des
§
2 Abs.
1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analogleistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs
von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Nach der Gesetzesbegründung sollten mit der Verlängerung der Vorbezugszeit
Leistungsberechtigte nach dem
AsylbLG vielmehr (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems
zu sichern (BT-Drucks. 16/5065 S. 155). Niedrige Leistungen sollten also als Anreiz für die Aufnahme einer Beschäftigung dienen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw. geduldete Ausländer mit Zustimmung
der Bundesagentur für Arbeit sogar schon nach einem Jahr des gestatteten oder geduldeten Aufenthalts in Deutschland möglich
ist (§
61 Abs.
2 AsylVfG, § 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung).
Ist daher nach der historischen Entwicklung der Norm die Integrationskomponente zu Gunsten von fiskalischen Erwägungen und
der Intention, höhere Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu schaffen, in den Hintergrund getreten, so ändert auch der Umstand,
dass die Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind, nichts an der Erforderlichkeit, die Vorbezugszeit nach §
2 Abs.
1 AsylbLG zu erfüllen. Denn der Wortlaut des §
1 Abs.
1 Nr.
3 AsylbLG, der die Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auf Leistungen nach dem
AsylbLG verweist, ist insoweit eindeutig (vgl. dazu bereits die Ausführungen unter II.3.a). Dann ist aber auch kein Grund ersichtlich,
warum diesen Leistungsempfängern Analogleistungen unter Verzicht auf die Vorbezugszeit gewährt werden sollten (ablehnend bereits
Urteil des Senats vom 27.02.2012 - L 20 AY 48/08 Rn. 60 ff.).
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 hat an dieser Auslegung des §
2 AsylbLG keinen Anstoß genommen. Dabei war eine solche Auslegung Inhalt der beiden der Entscheidung vom 18.07.2012 zugrundeliegenden
Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des erkennenden Senats nach Art.
100 Abs.
1 GG (vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 Rn. 60 ff. sowie vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09 Rn. 47 ff.) Sie war damit hinsichtlich der
Anwendung des
AsylbLG Grundlage für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der Senat hatte insoweit darzulegen, dass den dortigen Klägern
nicht bereits eine "einfach-rechtliche" Auslegung zu einem verfassungsgemäßen Leistungsanspruch verhelfen könne; die Unmöglichkeit
einer solchen einfach-rechtlichen Auslegung bildete erst die Voraussetzung dafür, dass in jenen Verfahren überhaupt das Bundesverfassungsgericht
nach Art.
100 Abs.
1 GG in zulässiger Weise angerufen werden konnte. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in seinem Urteil vom 18.07.2012 diese
einfach-rechtliche Auslegung des Senats nicht in Frage gestellt, sondern die Vorlage zur Normenkontrolle als zulässig erachtet.
Damit aber hat es ersichtlich nicht die Möglichkeit gesehen, ein verfassungsgemäßes Ergebnis in jenem Verfahren bereits durch
verfassungskonforme Auslegung des §
2 AsylbLG erreichen zu können. Dementsprechend hat es verfassungsrechtliche Fragen zu den Leistungen nach dem
AsylbLG allein bei §
3 AsylbLG verortet, nicht aber - wie es die Kläger im vorliegenden Verfahren offenbar wünschen - bei §
2 AsylbLG.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu 1 BvL 2/11 zugrundeliegenden Fall die dortige Klägerin - ebenso wie die Kläger im vorliegenden Verfahren - eine Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 AufenthG besaß. Auch angesichts dessen hat das Bundesverfassungsgericht ersichtlich keine Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung
des
AsylbLG dahingehend gesehen, dass es Inhaber eines solchen Aufenthaltstitels unbeschadet einer nicht erfüllten Vorbezugszeit dem
nach § 2 AsylbG berechtigten Personenkreis (oder gar von vornherein einem anderen grundsicherungsrechtlichen Leistungsregime)
zugeordnet hätte. Hätte es ein solches Vorgehen für möglich gehalten, hätte es die Vorlage nach Art.
100 Abs.
1 GG nicht als zulässig behandeln können.
(2)
Für die Kläger folgt ebenfalls nichts aus dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18.07.2012 -
1 BvL 10/10 und 2/11 (Rn. 93) gegenüber der im
AsylbLG in der Festlegung des Kreises der Berechtigten in §
1 AsylbLG angelegten Vermutung, diese hielten sich samt und sonders lediglich kurzzeitig in Deutschland auf, erhebliche verfassungsrechtliche
Bedenken geäußert hat, und dass es jedenfalls bei der in §
2 Abs.
1 AsylbLG vorgesehenen Dauer von (mittlerweile) vier Jahren des Leistungsbezugs (und folglich einem eventuell auch längeren Aufenthalt)
es für nicht mehr gerechtfertigt gehalten hat, von einem nur kurzen Aufenthalt mit möglicherweise spezifisch niedrigem Bedarf
auszugehen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Erwägungen ausschließlich im Zusammenhang mit der gesetzgeberischen Annahme
eines geringeren Bedarfs bei kurzfristigen Aufenthalten angestellt. Es hat daraus jedoch keineswegs den Schluss gezogen, dass
Leistungsempfänger mit einem nicht (mehr) nur vorübergehenden Aufenthalt Leistungen nach §
2 AsylbLG erhalten müssten. Vielmehr hat es die allein entscheidende Frage, ob das individuelle menschenwürdige Existenzminimum gewährleistet
wird, ausschließlich an Hand der Höhe der gewährten Leistungen beantwortet. Entscheidend ist deshalb nicht, auf welcher konkreten
gesetzlichen Anspruchsgrundlage die Leistungsgewährung beruht, sondern ob die konkret anzuwendende gesetzliche Leistungsvorschrift
das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wahrt.
(3)
Die Kläger können sich im Übrigen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die ihnen seit dem 28.08.2007 (Klägerin zu 2) bzw.
dem 01.09.2007 (Kläger zu 1) bis zum 31.05.2010 gewährten Leistungen nach §
2 AsylbLG zu Unrecht - wenn auch mangels Aufhebung der zugrundeliegenden Verwaltungsakte nach §
77 SGG bindend - gewährt worden seien. Könnten diese (im Anschluss an die Änderung des §
2 AsylbLG zum 28.08.2007) rechtswidrig bewilligten höheren Leistungen die 48-monatige Vorbezugszeit auffüllen, würde dies eine doppelte
Begünstigung der Kläger bedeuten. Denn sie hätten dann zunächst zu Unrecht höhere Analogleistungen erhalten und könnten sich
deshalb später zugleich zur Abwehr niedrigerer Leistungen darauf berufen, nur einen Anspruch auf die geringeren Grundleistungen
gehabt zu haben (so bereits BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R Rn. 24). Die Bindungswirkung der Leistungsbewilligung beschränkt sich jedoch nicht
nur auf die im Bewilligungsbescheid geregelte Leistung selbst. Vielmehr hat die materielle Bindungswirkung eines Bescheides
zur Folge, dass die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unabhängig von seinen rechtlichen Voraussetzungen und einem
ihm anhaftenden Rechtsmangel grundsätzlich zwischen den Beteiligten zu beachten ist. Die fehlende Übereinstimmung eines Leistungsbezugs
mit dem materiellen Leistungsrecht kann mithin ohne eine (im Falle der Kläger wegen Vertrauensschutzes i.S.v. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X ohnehin von vornherein kaum möglich erscheinende) Aufhebung des zugrundeliegenden Bewilligungsbescheides nicht geltend gemacht
werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 05.12.1978 - 7 RAr 34/78). Für diese Lesart sprechen im Übrigen (ohne dass dies aus sich heraus die Auslegung des Gesetzes maßgebend beeinflussen
könnten) ergänzend auch Gründe der Praktikabilität; denn andernfalls müssten bei jedem Alternativbezug einer Leistung, aber
auch bei Nichtbezug irgendeiner Leistung, immer die Rechtmäßigkeit dieses Leistungsbezuges und/oder ein eigentlicher bzw.
fiktiver Anspruch auf Leistungen nach §
3 AsylbLG geprüft werden (so bereits Urteil des Senats vom 26.07. 2010 - L 20 AY 13/09 Rn. 68).
(4)
Für die Klägerin zu 2 ergibt sich schließlich nichts aus dem Umstand, dass sie vor Heraufsetzung der Vorbezugszeit auf 48
Monate bis zum 27.08.2007 wegen der bis dahin geltenden 36-monatigen Vorbezugszeit bereits rechtmäßig Leistungen nach §
2 Abs.
1 AsylbLG bezogen hatte (der Kläger zu 1 hatte demgegenüber erst nach der Heraufsetzung, nämlich ab dem 01.09.2007, und damit von Anfang
an bis zum Mai 2010 Analogleistungen nur rechtswidrig bewilligt erhalten).
Denn das Gesetz, das seit dem 28.08.2007 in seinem durch Auslegung nicht zu korrigierenden Wortlaut eine 48-monatige Vorbezugszeit
von Grundleistungen vorschreibt (s.o. 3.b.bb.[1]), sieht eine Übergangsregelung, welche "Altfälle" des Analogleistungsbezugs
wie den des Klägers etwa aus Gründen eines Vertrauensschutzes in den Bestand eines einmal erreichten Leistungsniveaus privilegieren
würde, nicht vor. Mit der Rechtsänderung zum 28.08.2007 entfiel deshalb - ähnlich wie bei der zum 01.06.1997 durch Rechtsänderung
eingetretenen Situation - ein zuvor bereits bestehender Anspruch auf Analogleistungen, wenn der Leistungsempfänger noch keine
48 Monate Leistungen nach §
3 AsylbLG bezogen hatte (i.E. ebenso BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R Rn. 27 f.; Adolph, a.a.O., §
2 AsylbLG Rn. 13; Herbst, a.a.O., §
2 AsylbLG Rn. 11a. Soweit das BSG sich allerdings auf Art.
3 Abs.
1 GG stützt und einen Gleichheitsverstoß sieht, wollte man in "Altfällen" einen 36-monatigen Vorbezug genügen lassen, folgt der
Senat diesem Begründungsansatz nicht. Denn es steht dem Gesetzgeber frei, einmal normierte Ansprüche auf Sozialleistungen
ab einem bestimmten Stichtag an strengere - ggf. gleichwohl verfassungsgemäße - Anforderungen zu knüpfen, welche für "Altfälle"
noch nicht Leistungsvoraussetzung waren; sachlicher Differenzierungsgrund ist in solchen Fällen der unterschiedliche Erfüllungszeitpunkt
der Leistungsvoraussetzungen vor oder am bzw. nach dem Stichtag). Da es sich bei Grundleistungen nach dem
AsylbLG nicht um rentenähnliche, auf Dauer bewilligte Leistungen handelt, kommt insoweit auch nicht etwa ein schutzwürdiges Vertrauen
in den Fortbestand einmal bewilligter höherer Leistungen in Betracht (vgl. nur Hachmann/Hohm, a.a.O., S. 35 und S. 36).
Letzteres gilt insbesondere auch dann, wenn die Behörde - wie vorliegend für nahezu drei Jahre - Leistungen über Jahre in
einer Höhe erbracht hat, die den gesetzlichen Anspruch überschreitet. Denn bei der im Leistungsregime des
AsylbLG in der Regel monatlich erfolgenden Neubewilligung sind jeweils alle Voraussetzungen des Leistungsanspruchs erneut zu überprüfen.
Eine rechtswidrige Bewilligung in der Vergangenheit vermag daher auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten einen höheren
Leistungsanspruch nicht zu begründen.
c)
Dass die den Klägern nach §
3 AsylbLG bewilligten Leistungen der Höhe nach unzutreffend gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat für die Klägerin
zu 2 den (vor Einsetzen der vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Übergangsregelung) bis zum 31.12.2010 geltenden, in §
3 Abs.
1,
2 AsylbLG gesetzlich fixierten Grundleistungsbetrag für einen Haushaltsvorstand (224,97 EUR), für den Kläger zu 1 den gesetzlichen
Betrag für einen Haushaltsangehörigen ab 14 Jahren (199,40 EUR) bewilligt.
Ein höherer Leistungsbetrag steht den Klägern für den streitbefangenen Zeitraum nicht zu. Insbesondere können sich die Kläger
insoweit nicht auf die Unvereinbarkeit des §
3 AsylbLG mit der Verfassung berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rückwirkung der von ihm angeordneten Übergangsregelung (Tenor
zu 3.) ausdrücklich auf die Zeit ab 01.01.2011 beschränkt (Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11, Tenor zu 3. sowie Rn. 112). Nach dem Tenor zu 1. (Satz 2) der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind die
für mit dem
Grundgesetz unvereinbar befundenen Vorschriften in §
3 AsylbLG für Leistungszeiträume gleichwohl bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar. An diese Entscheidung ist der Senat gemäß
§ 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden; ohnehin kommt ihr nach § 31 Abs. 2 S. 1 BVerfGG Gesetzeskraft zu.
d)
Anhaltspunkte, dass ein Anspruch auf höhere als die tatsächlich bewilligten Leistungen nach den §§
4 bis
6 AsylbLG bestanden haben könnte, bestehen nicht. Solche Leistungen werden nach ausdrücklicher Erklärung, die der Bevollmächtigte der
Kläger in der mündlichen Verhandlung abgegeben hat, auch nicht geltend gemacht.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
4.
Der Senat hat die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage der Anspruchsberechtigung nach §
2 AsylbLG bei Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AsylbLG wird in einer Vielzahl weiterer anhängiger Verfahren aufgeworfen.