Einstweiliger Rechtsschutz gerichtet auf die Verpflichtung des überörtlichen Sozialhilfeträgers auf Abschluss einer vorläufigen,
ergänzenden Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gem. §§ 75 ff. SGB XII
Anerkennung einer zusätzlichen Personalausstattung im Kinder- und Jugendbereich für ein Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum
Rechtsschutz gegen Entscheidungen von Schiedsstellen nach § 80 SGB XII
Prüfung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes:
Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung
Irreversible Vereitelung des Teilhabeanspruchs der in der Einrichtung betreuten Kinder und Jugendlichen
Vorliegen einer akuten wirtschaftlichen Notlage einer Therapieeinrichtung
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihr eine vorläufige,
ergänzende Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß den §§ 75 ff. des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) abzuschließen.
Die Antragstellerin ist Trägerin der Einrichtung Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum (HPZ) St. M. Es handelt sich
hierbei um eine stationäre Einrichtung, in der Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderungen
untergebracht und betreut werden. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner als überörtlicher Sozialhilfeträger besteht
eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Zeit ab dem 01.09.2013. Ferner bestand im Zeitraum vom 01.09.2013 bis 28.02.2014
zwischen den Beteiligten eine Vergütungsvereinbarung, in der die Vergütung (Grund- und Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag)
für die einzelnen Leistungstypen (LT) und Bedarfshilfegruppen festgelegt war.
Mit Schreiben vom 14.02.2014 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner u.a. zu Sonderverhandlungen im Kinder- und Jugendbereich
auf. Sie begehrte bzw. begehrt von dem Antragsgegner die Anerkennung einer zusätzlichen Personalausstattung im Kinder- und
Jugendbereich um insgesamt 51,2 Vollzeitkräfte, die ausweislich der eigenen Berechnung der Antragstellerin zu Mehrkosten in
Höhe von jährlich 2.838.175,00 EUR führen würden. Im Einzelnen macht die Antragstellerin zusätzliche Personalaufwendungen
für 48,20 Vollkraftstellen in der Betreuung zuzüglich weiterer 3 Vollkraftstellen für weitergehende pädagogische Bedarfe geltend.
Zwischen den Beteiligten kam es im weiteren Verlauf zu Verhandlungen über eine ergänzende Leistungsvereinbarung, die jedoch
scheiterten. Daraufhin rief die Antragstellerin die bei der Bezirksregierung Münster eingerichtete Schiedsstelle nach § 80 SGB XII an, um die Verpflichtung des Antragsgegners zum Abschluss einer vorläufigen Zusatzvergütungsvereinbarung für die Kinder und
Jugendliche betreffenden LT 5 und 7 mit dem einzelnen aufgeführten Zusatz-Maßnahmepauschalen zu erwirken. Mit Beschluss vom
17.09.2014 wies die Schiedsstelle den Antrag als unzulässig zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der
von der Antragstellerin geltend gemachte Personalmehrbedarf nur Inhalt der Leistungsvereinbarung als notwendiger Vorstufe
einer Vergütungsvereinbarung sein könne. Ein Streit über einzelne Gegenstände, die - wie hier - der Leistungsvereinbarung
zuzuordnen seien, sei jedoch nicht schiedsstellenfähig. Damit fehle es an der Zuständigkeit der Schiedsstelle. Hiergegen hat
die Antragstellerin Klage bei dem erkennenden Senat (Az.: L 9 SO 404/14 KL) erhoben.
Bereits am 26.06.2014 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Detmold einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel einer
vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners auf Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung mit dem von ihr gewünschten
Inhalt begehrt (Az.: S 2 SO 151/14 ER). Mit Beschluss vom 24.07.2014 hat sich das Sozialgericht für sachlich unzuständig erklärt
und den Rechtsstreit an das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen als erstinstanzliches Gericht der Hauptsache gemäß
§
29 Abs.
2 Nr.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes - (
SGG) verwiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf Bl. 202 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Antragstellerin macht geltend, dass die Erhöhung des Personalschlüssels in der von ihr ermittelten Anzahl an Vollzeitkräften
für die LT 5 und 7 im Kinder- und Jugendbereich erforderlich sei, um die bedarfsgerechte Betreuung der ihr anvertrauten Leistungsberechtigten
sicherzustellen. Dies sei mit dem bisherigen Personal nicht mehr zu gewährleisten. Die personelle Unterbesetzung, wie sie
von ihr anhand der im Einzelnen durch eingereichte Unterlagen nachgewiesenen, erforderlichen Leistungsstunden für die jeweiligen
Wohngruppen ermittelt worden sei, führe bereits zu einer Kindeswohlgefährdung, jedenfalls aber zu einer irreversiblen Vereitelung
des Teilhabeanspruchs der von ihr betreuten Kinder und Jugendlichen. Außerdem führe die angespannte Personalsituation absehbar
zu einer Reduktion der tatsächlichen Betreuung von Kindern und Jugendlichen, die wiederum geringere Einnahmen und aufgrund
bestehender Fixkosten, insbesondere beim Personal, auch spürbare Verluste zur Folge hätten. Dies gelte auch vor dem Hintergrund,
dass ein Defizit bei einer Vorfinanzierung aufgrund des Rückwirkungsverbots des § 77 SGB XII nicht mehr ausgeglichen werden könne. So sei ein absehbarer Aufnahmestopp bis Dezember 2015 mit einem voraussichtlichen Defizit
von mehr als 700.000 EUR verbunden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, mit der Antragstellerin für deren Einrichtung Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum
St. M, T-weg 00, X, für die Zeit ab Eingang des Antrages bis vorläufig zum 30.09.2014, längstens bis zum Abschluss einer Leistungs-
und Prüfungsvereinbarung eine vorläufige, die Leistungs- und Prüfungsvereinbarung mit Wirkung vom 01.09.2013 ergänzende Leistung-
und Prüfungsvereinbarung nach §§ 75 ff. SGB XII wie folgt abzuschließen:
"Zusätzlich zur bestehenden Personalausstattung von insgesamt 109,78 Vollkraftstellen für die Leistungstypen 5 und 7 nach
der Anlage 1 zum Landesrahmenvertrag NRW nach § 79 Abs. 1 SGB XII vereinbaren die Parteien für die Leistungstypen 5 und 7 eine zusätzliche Personalausstattung von 48,20 Vollkraftstellen in
der Betreuung und Nachtwache sowie 1,0 Vollkraftstelle Erlebnispädagogik, 1,0 Vollkraftstelle psychologischer Dienst und 1,0
Vollkraftstelle pädagogische Teamberatung mit Wirksamkeit ab Eingang des Antrages bei dem Sozialgericht bis längstens zum
Abschluss einer neuen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung. Die zusätzliche Personalausstattung ist sukzessive unter Berücksichtigung
der Einstellungsmöglichkeiten und arbeitsrechtlichen Bedingungen vorzunehmen".
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin mitzuteilen, wie viele zusätzliche Personalstellen nach Ansicht des
Antragsgegners für die Einrichtung Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum St. M, T-weg 00, X, über die vorhandenen
109,78 Vollkraftstellen hinaus für die Leistungstypen 5 und 7 erforderlich sind, um die Leistungs- und Prüfungsvereinbarung
vom 01.09.2013 zu erfüllen.
wiederum hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin das Ergebnis einschließlich der Grundlagen des von dem Antragsgegner
durchgeführten (unverbindlichen) Personalbemessungsverfahrens für die Leistungstypen 5 und 7 nach dem Landesrahmenvertrag
nach § 79 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung Heilpädagogisches Therapie- und Förderzentrum St. M, T-weg 00, X, bis zum 30.08.2014 mitzuteilen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch, noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. So sei eine auf die
vermeintliche personelle Minderausstattung zurückzuführende, akute Kindeswohlgefährdung nicht ersichtlich. Eine solche habe
sich bei einem durchgeführten Ortstermin im Mai 2014 nicht feststellen lassen. Die gegenteilige Behauptung der Antragstellerin
sei weitgehend unsubstantiiert. Auch habe die Heimaufsicht trotz der von der Antragstellerin auch dieser gegenüber dargestellten
vermeintlichen Missstände bislang keine Veranlassung gesehen, aufsichtsbehördlich einzuschreiten. Auch könne von einer Kindeswohlgefährdung
deshalb keine Rede sein, weil die Antragstellerin sogar noch weitere Kinder in ihre Einrichtung aufnehme, jedenfalls im Sinne
einer Neubelegung freiwerdender Plätze. Dass durch die vermeintlich unzureichende Personalausstattung Teilhabeansprüche der
betreuten Kinder und Jugendlichen irreversibel vereitelt würden, sei von der Antragstellerin ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
So sei durch die eingereichten Unterlagen nicht nachgewiesen, dass die rechnerisch ermittelten Personalstellen zur Deckung
des individuellen Hilfebedarfs der jeweiligen Bewohner auch notwendig seien, mithin ein auf Leistungsebene anzuerkennender
Bedarf an dem betreffenden Mehrstellen bestehe. Es fehle somit an jeder Anknüpfung des angenommenen personellen (Mehr-)Bedarfs
zu den konkret abzudeckenden Bedarfen. Ferner könne die Antragstellerin einen Anordnungsgrund auch nicht auf wirtschaftliche
Aspekte stützen, da eine akute wirtschaftliche Existenzgefährdung durch die angebliche personelle Unterbesetzung in keiner
Weise glaubhaft gemacht worden sei. Insbesondere reichten künftige wirtschaftliche Nachteile nicht aus, um bereits gegenwärtig
eine wirtschaftliche Notlage glaubhaft zu machen. Selbst wenn bereits gegenwärtig Defizite erwirtschaftet würden, was bestritten
werde, seien diese jedenfalls nicht auf die Nichtanerkennung des behaupteten personellen Mehrbedarfs zurückzuführen. Dies
könne positiv ausgeschlossen werden, da das gegenwärtig vorgehaltene Personal über die abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen
vollständig refinanziert werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge des
Antragsgegners sowie die eingereichten Unterlagen der Antragstellerin Bezug genommen. Diese haben der Entscheidungsfindung
des Senats zu Grunde gelegen.
II.
Die Haupt- und Hilfsanträge der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg. Der Hauptantrag
ist zulässig, aber unbegründet, die Hilfsanträge sind jedenfalls unbegründet, weil die Antragstellerin einen Anordnungsgrund
nicht glaubhaft gemacht hat.
1.) Der Senat ist für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG das zuständige "Gericht der Hauptsache". Dies ergibt sich aus §
29 Abs.
2 Nr.
1 SGG. Danach entscheiden die Landessozialgerichte im ersten Rechtszug u.a. über Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstellen
nach § 80 SGB XII. Da die von der Antragstellerin angerufene Schiedsstelle bei der Bezirksregierung Münster mit Beschluss vom 17.09.2014 entschieden
hat (wobei es hier nicht darauf ankommt, dass diese keine Entscheidung in der Sache getroffen hat), ist das LSG und damit
der Senat, bei welchem mittlerweile auch die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle anhängig ist (Az.: L 9 SO 404/14
KL), auch für die Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erstinstanzlich zuständig. Maßgeblich ist insoweit
auch in prozessualer Hinsicht die Sach- und Rechtslage in Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Es kommt daher nicht auf
die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Sozialgerichts Detmold vom 24.07.2014 an, auch nicht vor dem Hintergrund,
dass im Zeitpunkt dieses Beschlusses noch gar keine "Entscheidung" der Schiedsstelle vorlag.
2.) Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass
einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger
Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller
betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere
Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§
86 Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung -
ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund,
wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese
Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschl. v. 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, [...] Rn. 6).
a) Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Hauptantrages nicht vor, weil die Antragstellerin im für die Beurteilung
der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht
macht. Es ist auch und gerade unter Berücksichtigung ihres Vorbringens nicht ersichtlich, dass ihr durch ein Abwarten einer
Entscheidung im mittlerweile anhängigen Hauptsacheverfahren unzumutbare und daher nicht anders als durch ein vorzeitiges gerichtliches
Eingreifen abwendbare Nachteile entstehen könnten. Die Antragstellerin vermag das Vorliegen eines Eilfalls weder aus dem Gesichtspunkt
einer Kindeswohlgefährdung (aa), der irreversiblen Vereitelung des Teilhabeanspruchs der von ihr in der Einrichtung betreuten
Kinder und Jugendlichen (bb), noch einer akuten wirtschaftlichen Notlage (cc) herzuleiten.
aa) Die Antragstellerin kann das Vorliegen einer gegenwärtigen Notlage nicht auf den Gesichtspunkt einer durch eine unzureichende
Personalausstattung hervorgerufenen Kindeswohlgefährdung stützen. Der diesbezügliche Sachvortrag ist - auch unter Berücksichtigung
der im Eilverfahren eingereichten Unterlagen - unsubstantiiert. Eine Gefährdung des Kindeswohles liegt vor, wenn die körperliche,
seelische oder geistige Entwicklung des Kindes ernsthaft beeinträchtigt ist (vgl. jurisPK-BGB/Bauer, § 1666 Rn. 28 m.w.N.).
Für eine solche massive Beeinträchtigung, die sich bereits an der Schwelle der Zulässigkeit eines staatlichen Eingriffs in
die Personensorge für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bewegt, geben die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen,
namentlich die Dokumentation über verbale und körperliche Übergriffe gegenüber Mitarbeitern und Bewohnern im Kinder- und Jugendbereich
des HPZ sowie die Beurteilungsbögen zur Feststellung des Personalbedarfs, nichts näheres her. Zwar verdeutlichen diese Unterlagen,
dass es die Antragstellerin mit einem im Umgang mit Personal und Mitbewohnern außerordentlich schwierigen Personenkreis zu
tun hat, der sicherlich einer intensiven Betreuung und ggfs. auch Überwachung bedarf. Die von ihr dokumentierten Übergriffe
unterstreichen dieses schwierige Umfeld, in welchem sich das Personal der Antragstellerin täglich bewegt. Aus ihnen geht jedoch
nicht mit der für die Glaubhaftmachung einer gegenwärtigen Notlage erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass bereits die Schwelle
zu einer Kindeswohlgefährdung überschritten wurde. So sind die von der Antragstellerin zusammengetragenen Einzelfälle von
(im Übrigen nicht zu verharmlosenden) Übergriffen in Relation zu den mit Kindern und Jugendlichen z. Zt. belegten 120 Plätzen
im HPZ zu setzen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der von der Antragstellerin begehrten Personalaufstockung von immerhin
51,2 Vollzeitkräften. Es bleibt jedoch unklar, ob das vorhandene Personal insgesamt mit den von der Antragstellerin geschilderten
Übergriffssituationen derart überfordert ist, dass es praktisch die Kontrolle über den ihr anvertrauten Personenkreis verloren
hat oder zu verlieren droht. Denn nur hieraus kann eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von Verwahrlosung und Vernachlässigung
resultieren, die eine sofortige Personalaufstockung in dem von der Antragstellerin begehrten Umfang erforderlich macht. Hierfür
ist jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht näher dargelegt, dass die dokumentierten Übergriffe,
die für die von ihr stationär betreute Klientel leider nicht untypisch sind, auf die von ihr geltend gemachte unzureichende
Personalausstattung zurückzuführen sind. Ferner hat sie eingeräumt, dass sie auch gegenwärtig frei werdende Heimplätze wieder
belegt, was mit einer auch nur drohenden Kindeswohlgefährdung schwerlich zu vereinbaren sein dürfte. Sollte im Übrigen eine
Kindeswohlgefährdung in der Einrichtung eingetreten sein oder zumindest unmittelbar drohen, wäre die für das HPZ zuständige
Heimaufsicht (Landesjugendamt des LWL) aufgefordert, aufsichtsbehördliche Schritte gegen die Antragstellerin als Einrichtungsträgerin
einzuleiten. Hierfür hat sie bislang jedoch trotz Schilderung der Gesamtsituation durch die Antragstellerin auch ihr gegenüber
keine Veranlassung gesehen.
bb) Auch die von der Antragstellerin geltend gemachte "irreversible Vereitelung des Teilhabeanspruchs" der von ihr betreuten
Kinder und Jugendlichen ist nicht geeignet, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Denn auch dieser Vortrag ist zu wenig
konkret, weil er keinen individuellen Bedarfsbezug im Hinblick auf die jeweils im Einzelfall erforderlichen Leistungen der
Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. SGB XII) aufweist. Der Antragsgegner hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass aus den eingereichten Unterlagen,
insbesondere den für die Ermittlung der aus Sicht der Antragstellerin erforderlichen Stellenzahlen in den einzelnen Wohnbereichen
im HPZ erstellten Beurteilungsbögen, nicht hervorgeht, dass die dort rechnerisch ermittelten Personalstellen zur Deckung des
individuellen Hilfebedarfs der jeweiligen Bewohner auch notwendig sind, d.h. den Mehrstellen ein auf Leistungsebene anzuerkennender,
konkreter sozialhilferechtlicher Bedarf gegenübersteht. Es fehlt deshalb an der notwendigen Anknüpfung des angenommenen personellen
Mehrbedarfs an die konkret abzudeckenden, individuellen Bedarfe der Heimbewohner (vgl. zum individualisierten Förderverständnis
der Eingliederungshilfe nur BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R -, [...] Rn. 21). Daher ist eine Vereitelung des Teilhabeanspruchs der in der Einrichtung
der Antragstellerin betreuten Kinder und Jugendlichen gegenwärtig nicht mit der für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes
erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellbar.
cc) Schließlich scheidet das Vorliegen einer gegenwärtigen Notlage auch aus dem von der Antragstellerin geltend gemachten
Gesichtspunkt wirtschaftlicher Existenzgefährdung aus (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.05.2013 - L 8 SO 21/12
B ER -, [...] Rn. 25). Denn die Antragstellerin geht ausweislich ihres mit Zahlen unterlegten Vortrages selbst nicht davon
aus, dass sie aufgrund des von ihr geschilderten Personalengpasses, der Erforderlichkeit einer Vorfinanzierung und der wegen
der aufgrund des Rückwirkungsverbots des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII fehlenden Möglichkeit einer Refinanzierung bereits gegenwärtig solche Verluste erwirtschaftet, dass ihre wirtschaftliche
Existenz unmittelbar bedroht ist. Ob, wie die Antragstellerin geltend macht, aufgrund der unzureichenden Personalausstattung
ein Aufnahmestopp erforderlich ist, der bis Dezember 2015 mit einem jährlichen Defizit von mehr als 700.000,00 EUR verbunden
wäre, weil geringen Einnahmen konstant hohen Fixkosten gegenüberstünden, kann angesichts des offenkundigen Fehlens einer gegenwärtigen
Existenzgefährdung dahingestellt bleiben. Künftige wirtschaftliche Belastungen, die sich möglicherweise zu einer Existenzgefährdung
auswachsen, können einen Anordnungsgrund nicht begründen. Auch hat die Antragstellerin eingeräumt, frei werdende Plätze -
wenn auch in einem geringeren Umfang als vor 2014 - weiterhin neu zu belegen, so dass auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes
für eine akute finanzielle Notlage nichts ersichtlich ist.
b) Den Hilfsanträgen der Antragstellerin muss ebenfalls der Erfolg versagt bleiben, weil es auch insoweit nach Maßgabe der
vorstehenden Ausführungen an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt. Es kann deshalb offen bleiben, ob für die
mit den Hilfsanträgen gegenüber dem Antragsgegner verfolgten Mitteilungs- bzw. Auskunftsbegehren überhaupt eine Rechtsgrundlage
und somit ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
4.) Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - (GKG). Der Senat hält ausgehend von einer nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 GKG maximal zulässigen Streitwertfestsetzung von 2.500.000,00 EUR einen dem vorläufigen Charakter einer Entscheidung im einstweiligen
Rechtsschutz entsprechenden Abschlag von 40% für angemessen.
5.) Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, §
177 SGG.