LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.2017 - 3 U 6/17
Vorinstanzen: SG Koblenz 23.11.2016 S 2 U 161/16
Tenor 1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 23.11.2016 wird zurückgewiesen.
2.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Parkinson\222schen Erkrankung als Berufskrankheit (BK) der Nr. 1105 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung ( BKV), hilfsweise als Quasi-BK gemäß § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VII).
Der am 1940 geborene Kläger war von 1954 bis 2000 als Landwirt tätig. Bis 1962 arbeitete er im elterlichen Gemischtbetrieb
(Weinbau, Kartoffeln, Rüben, Getreide und Viehhaltung, Gesamtgröße ca. 9 ha). Nach eigener Aufstellung wurden zahlreiche verschiedene
Spritzmittel verwendet, u.a. im Kartoffelanbau die Präparate Dithane ultra (Wirkstoff Mancozeb) und Mangansulfat/Mancozeb.
Ab 1962 übernahm der Kläger den Betrieb seines Schwiegervaters in M , der zunächst ca. 30 ha groß war. In diesem wurden Kartoffeln,
Raps, Rüben und Feldfutter angebaut und im Verlauf der Jahre unterschiedliche Tiere gehalten (Kühe, später Schweine und Pferde).
Der Betrieb wurde 1985 auf ca. 88 ha vergrößert, Anfang der neunziger Jahre erfolgten weitere Vergrößerungen bis auf zuletzt
120 ha. Auch in diesem Betrieb führte der Kläger zahlreiche Pflanzenschutzmaßnahmen durch. In den Jahren 1966-1969 wurde ua.
Brestan, ein Maneb enthaltendes Mittel verwendet, im Jahr 1985 ist eine Behandlung mit Gramoxone, einem paraquathaltigen Mittel,
erfolgt. Nach Angaben des Klägers nahm sein Sohn ab Frühjahr 1991 die Pflanzenschutzmaßnahmen meist allein vor, wobei der
Kläger aber beim Ansetzen der Mittel half. Ferner desinfizierte der Kläger häufig die Stallungen und führte zahlreiche Schweißarbeiten
in Eigenleistung aus. Persönliche Schutzmaßnahmen wurden auch nach Einschätzung des TAD der Beklagten kaum getroffen. Im Rahmen
einer stationären Behandlung vom 04. bis 21.03.2003 wurde im D S M beim Kläger ein Morbus Parkinson diagnostiziert. Zum Befund
heißt es, beim Kläger bestehe ein idiopathisches Parkinsonsyndrom mit überwiegender Akinese, mäßiggradigem Rigor und relativ
wenig Tremor. Der Hausarzt des Klägers, der Allgemeinmediziner B , gab in einem Bericht vom 29.01.2004 an, beim Kläger hätten
längerfristig Schmerzen im Nacken und Schultergürtel bestanden, die retrospektiv durch eine beginnende Parkinsonerkrankung
erklärbar seien. Diagnostiziert worden sei diese 2003. Als sonstige Diagnosen nannte er u.a. ein Wirbelsäulensyndrom. Im Juli
2003 beantragte der Kläger die Anerkennung der Erkrankung als BK. Die Beklagte ermittelte unter Einbeziehung des Klägers seine
berufliche Belastung, der TAD gab dazu mehrfach Stellungnahmen ab. Eine personenbezogene Arbeitsplatzanalyse erfolgte unter
Mitwirkung des Klägers am 12.05.2005, darin wurde u.a. der Verdacht auf Einwirkungen durch Mangan geäußert. Eine weitere Arbeitsplatzanalyse
wurde unter Auswertung der vom Kläger vorgelegten Tagebücher zu seinen Tätigkeiten am 15.03.2007 erstellt; eine Ergänzung
folgte am 25.03.2008 insbesondere im Hinblick auf die Exposition gegenüber Mangan durch Schweißarbeiten, wobei von einer nicht
unerheblichen Manganbelastung ausgegangen wurde. Im Hinblick auf Pflanzenschutzmaßnahmen ging man zunächst nicht von einer
starken Belastung aus.
Am 24.10.2008 erstattete Dr. V , Klinik für Neurologie der J M , ein Gutachten. Dieser stellte beim Kläger eine sensomotorische,
vorwiegend axonale, Polyneuropathie und ein linksbetontes Parkinsonsyndrom fest. Der Sachverständige führte aus, dass bestimmte
Neurotoxine ein Parkinsonsyndrom auslösen könnten, was auf eine amphetaminartige Grundstruktur zurückzuführen sei. Kennzeichen
eines solchen Parkinsonsyndroms sei ein relativ symmetrisches Bild. Im Übrigen könne nach Einzelberichten auch Trichlorethylen
Parkinsonsyndrom hervorrufen. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sei aber nicht davon auszugehen, dass beim Kläger eine
relevante Exposition gegenüber diesen Substanzen bestanden habe. Diskutiert werde die Möglichkeit eines manganinduzierten
Parkinsonsyndroms, das u.a. durch Schweißarbeiten hervorgerufen werden könne. Eine solche Erkrankung könne jedoch gut von
der idiopathischen Parkinsonerkrankung abgegrenzt werden. Bei manganinduzierten Parkinsonsyndromen fänden sich häufig begleitende
Dystonien und eine frühe Beteiligung in Form von Gangstörungen, posturaler Instabilität und einer Beeinträchtigung der Sprache;
im Übrigen sei dieses im Gegensatz zum idiopathischen Parkinsonsyndrom symmetrisch. Der wesentliche Punkt sei aber ein fehlendes
Ansprechen auf die Medikation durch Levodopa. Aufgrund fehlender ärztlicher Berichte ließen sich die ersten Symptommanifestationen
beim Kläger nicht sicher rekonstruieren. Bei ihm liege aber eine linksbetonte Symptomatik vor, zudem bestehe eine eindeutige
Response auf Levodopa: Nach vorliegenden ärztlichen Berichten sei die Symptomatik durch diese Medikation erheblich verbessert.
Dass die Einwirkung von Mangan einen Risikofaktor für die Entwicklung eines idiopathischen Parkinsonsyndroms darstelle, sei
nach derzeitigem Wissensstand nicht zu belegen. Bezüglich der Polyneuropathie sei eine haftungsbegründende Kausalität zu prüfen,
hier seien keine anderen Ursachen beim Kläger zu finden.
Am 12.01.2009 erstellte Prof. Dr. M ein Gutachten zur Frage des Vorliegens einer BK bzw. einer Quasi-BK. Der Sachverständige
ging u.a. auf der Grundlage der vorliegenden Beurteilungen des TAD von einer relevanten Manganbelastung aus. Hinsichtlich
der Pflanzenschutzmittel sei aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse und der persönlichen Befragung des Klägers von
einer unterdurchschnittlichen Exposition im Vergleich zu anderen Landwirten auszugehen, qualitativ handele es sich um eine
typische Mischexposition, ohne dass ein spezieller Wirkstoff herausrage. Die Diagnose eines Manganismus lasse sich nach den
Ausführungen des Dr. V , denen er sich anschließe, nicht sichern, eine BK der Nr. 1105 sei daher nicht anzuerkennen. In Bezug
auf die Einwirkung durch Pflanzenschutzmittel führte der Sachverständige unter detaillierter Darlegung verschiedener wissenschaftlicher
Erkenntnisse aus, in aktuellen internationalen Publikationen werde eine Assoziation zwischen einer beruflichen Pflanzenschutzmittelbelastung
und dem Parkinsonsyndrom als gegeben angesehen. Aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht sei darauf hinzuweisen, dass
bei den Studien in der Regel Mischexpositionen vorgelegen hätten und die verwendeten Produkte und Inhaltsstoffe im Laufe der
Jahre wechselten. In vielen Studien fehlten hinreichende Daten zur Höhe und Art der Exposition. Für einige Stoffe, u.a. Paraquat
und Maneb, sei nach einer toxikologischen Bewertung eine Verursachung plausibel. Bezüglich der Wirkungsweise weiterer Substanzen,
der Effekte von Mischexpositionen und der Zusammenwirkung genetischer und Umweltfaktoren, seien aber noch etliche Fragen offen.
Eine übermäßig hohe Exposition gegenüber den Stoffen sei beim Kläger nicht nachweisbar. Da der Kläger viele verschiedene Präparate
eingesetzt habe und die Ausbringungszeit insgesamt vergleichsweise gering gewesen sei, sei davon auszugehen, dass der zeitliche
Umfang einer Paraquatexposition eher niedrig gewesen sei. Es sei damit nicht wahrscheinlich, dass die persönliche Belastung
ausreichend gewesen sei, um ein Parkinsonsyndrom zu verursachen.
Eine Polyneuropathie habe sich beim Kläger offensichtlich erst nach 2003 entwickelt. Bestimmte organische Phosphorsäureester
könnten beim Menschen eine toxische Polyneuropathie verursachen, eine hohe Exposition sei beim Kläger aber nicht gesichert.
Nach eigenen Angaben habe er bis ca. 1997 Pflanzenschutzmittel gespritzt. Die mehrjährige Latenz zwischen Expositionsende
und Beginn der Polyneuropathie sei ein starkes Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Insoweit sei auch kein Zusammenhang
zwischen Exposition gegenüber Arbeitsstoffen und der Polyneuropathie festzustellen.
Durch Bescheid vom 19.05.2009 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger Entschädigungsleistungen zu gewähren, weil eine BK nach
Anlage 1 zur BKV bzw. eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VI nicht vorliege. Es sei geprüft worden, ob es sich beim diagnostizierten Parkinsonsyndrom und der Polyneuropathie um eine
BK handele. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die BK der Nr. 1105 bezeichne Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Manganeinwirkung lasse sich jedoch nach den Ergebnissen der
Sachverständigengutachten nicht belegen. Auch die Voraussetzungen für eine Wie-BK lägen nicht vor. Weder bei qualitativer
noch bei quantitativer Betrachtung der Pflanzenschutzmittelexposition sei es wahrscheinlich, dass diese geeignet sei, ein
Parkinsonsyndrom oder eine Polyneuropathie zu verursachen. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und legte eine Übersicht über
den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in seinem Betrieb vor, in der detailliert bezüglich einzelner Jahre der Einsatz der
einzelnen Mittel aufgeführt ist (insoweit wird auf Blatt 476 bis 510 der Verwaltungsakte verwiesen). Der TAD gab daraufhin
unter dem 15.04.2011 nochmals eine Stellungnahme zur Arbeitsexposition ab. In der Folge wurde erneut Prof. Dr. M mit einem
Gutachten beauftragt. Aufgrund dessen Bitte nahm der TAD ergänzend zu den verwendeten Wirkstoffen des Klägers und deren Formulierung
(Pulver, Flüssigkonzentrat) Stellung.
Prof. Dr. M erstellte sein Gutachten am 27.12.2012 und wies darauf hin, dass die aktuellen Ermittlungsergebnisse des TAD die
Grundlage für eine andere gutachterliche Beurteilung der Exposition bildeten als zuvor. Die Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln
sei insgesamt langjährig erfolgt und vor allem in den ersten Jahren, insbesondere bis 1961, sehr hoch gewesen. Eine solche
könne nicht nur beim Ausbringen auf das Feld, sondern auch beim Ansetzen und Reinigen der Spritzen vorgelegen haben, wobei
eine Einwirkung auf den Körper über Einatmen oder auch über die Haut in Betracht komme. In qualitativer Hinsicht sei festzuhalten,
dass der Wirkstoff Mancozeb enthalten gewesen und auch der Wirkstoff Paraquat ausgebracht worden sei. Es handele sich um Pulver
bzw. Granulate. Da der Kläger in den ersten Jahren ohne jeden Schutz gearbeitet habe, sei davon auszugehen, dass beim Ansetzen
der Stoffe Staub auf die ungeschützte Haut gelangt und u.a. von Schweiß gelöst worden sei. Somit sei für diesen Vorgang von
einer relevanten Exposition auszugehen. Auch bei den übrigen Mitteln sei insbesondere in den Anfangsjahren eine hohe Belastung
anzunehmen. Im Hinblick auf die berufliche Manganexposition und das Krankheitsbild ergäben sich aber keine neuen Aspekte,
so dass nach wie vor nicht zu empfehlen sei, eine BK der Nr. 1105 anzuerkennen.
Zur Frage der Verursachung eines idiopathischen Parkinsonsyndroms durch Pflanzenschutzmittel seien seit Abfassung des letzten
Gutachtens 2009 zahlreiche Publikationen erschienen. Der Sachverständige hat im Einzelnen auf verschiedene Studien hingewiesen
und ist zum Ergebnis gekommen, dass aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht bei synoptischer Betrachtung die wissenschaftlichen
Voraussetzungen für die Anwendung des § 9 Abs. 2 SGB VII erfüllt seien. Die Beurteilung stütze sich auf diejenigen Studien, die von finanziell unabhängigen Wissenschaftlern ohne
erkennbare Interessenkonflikte publiziert worden seien. Nach den ergänzenden Ermittlungen sei beim Kläger von einer sehr hohen
Belastung gegenüber Pflanzenschutzmitteln auszugehen. Dies sei ein Argument für einen zumindest mitursächlichen Zusammenhang
zwischen Exposition und Parkinsonsyndrom. Ein weiteres sei die Exposition gegenüber Paraquat und Mancozeb, deren Wirkungsmechanismen
relativ gut erforscht seien. Die mehrjährige Latenz zwischen dem Ende der Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln und der
Diagnose der Polyneuropathie sei aber weiterhin ein starkes Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang, so dass diese
nicht als BK anzuerkennen sei.
Der Diplom-Chemiker und Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. P hat in einer Stellungnahme vom 15.02.2013 ausgeführt, bezüglich
der Polyneuropathie schließe er sich den Ausführungen des Prof. Dr. M an. Dies gelte auch für die Bejahung einer BK nach §
9 Abs. 2 SGB VII. Es sei schwierig, die stattgehabte Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln retrospektiv zu beurteilen, da äußere Faktoren
eine bedeutende Rolle spielten. Wenn man davon ausgehe, dass eine ausreichend hohe Exposition gegenüber Paraquat bzw. Mancozeb
bestanden habe, könne eine Wie-BK aber nicht verneint werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21.11.2013 zurück. Ein Zusammenhang zwischen der Exposition
gegenüber Pflanzenschutzmitteln oder Mangan mit der Polyneuropathie sei nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Dies gelte
auch für die Exposition gegenüber Mangan und die Parkinsonerkrankung. Der Empfehlung des Prof. Dr. M in seinem Gutachten vom
27.12.2012, eine Wie-BK anzuerkennen, sei nicht zu folgen. Nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen medizinischen Stand sei
die berufliche Verursachungskausalität aus epidemiologischer Sicht weiterhin nicht belegt. Es möge zwar nicht ausgeschlossen
sein, dass der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln zur Entstehung der Erkrankung beigetragen habe, dieses reiche jedoch nicht,
um eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.
Am 04.12.2013 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht Koblenz erhoben mit dem Ziel, eine BK der Nr. 1105, hilfsweise
eine Quasi-BK, anzuerkennen. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom
26.01.2015 eingeholt. Darin heißt es, dass der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" in den Jahren 2010 und
2011 die wissenschaftliche Erkenntnislage zu Parkinson eingehend geprüft habe, auch im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang
mit der Exposition gegenüber Pestiziden. Nachdem die geprüften nationalen und internationalen Studien im Hinblick auf die
Aussagen sehr heterogen gewesen seien, sei im Frühjahr 2012 vom Sachverständigenbeirat beschlossen worden, die Thematik bis
zum Vorliegen wesentlich neuer Erkenntnisse auszusetzen. Im September 2014 habe er beschlossen, nach Veröffentlichung weiterer
Studien die wissenschaftliche Erkenntnislage neu zu prüfen. Diese Prüfung dauere noch an.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ist ein Gutachten nach Aktenlage durch Prof. Dr. M vom 25.06.2016 eingeholt worden. Dieser hat zunächst ausgeführt, dass
mit der Vorsitzenden Richterin der 2. Kammer des Sozialgerichts die Vorgehensweise bei der Begutachtung besprochen worden
sei. Er habe dabei dargelegt, dass es im Rahmen eines einzelnen Gutachtens wegen der Vielzahl der zu bewertenden Publikationen
unmöglich sei, die Frage abschließend zu beantworten, ob eine Pflanzenschutzmittelexposition generell geeignet sei, im Sinne
von § 9 Abs. 2 SGB VII ein Parkinsonsyndrom zu verursachen. Es sei bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die Wirkstoffe, denen der Kläger
ausgesetzt gewesen sei, im Laufe der Jahre geändert habe. Die in zahlreichen internationalen Studien beschriebenen Expositionen
seien noch erheblich heterogener, was u.a. an unterschiedlichen Bedingungen für die Zulassung in einzelnen Ländern, unterschiedlichen
zu schützenden Kulturen und Arbeitsschutzmaßnahmen liege. Dementsprechend habe er darauf hingewiesen, dass eine umfassende
Bewertung nur vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat, Sektion Berufskrankheiten, geleistet werden könne. Nach seiner Einschätzung
sei hierfür ein Forschungsprojekt einschließlich dadurch finanzierter Stellen für Wissenschaftler erforderlich. Er sei daraufhin
vom Sozialgericht gebeten worden, bei der Beantwortung der Beweisfragen auf die wesentlichen Wirkstoffe abzuheben, denen der
Kläger gegenüber exponiert gewesen sei. Aus seiner Sicht seien die wissenschaftlichen Voraussetzungen für die Anwendung des
§ 9 Abs. 2 SGB VII weiterhin erfüllt. Seine Beurteilung fokussiere sich auf die toxikologisch besonders relevanten Pflanzenschutzmittel, gegenüber
denen der Kläger exponiert gewesen sei. Die Ergebnisse der entsprechenden Studien ergäben mittlerweile ein klares Bild. Seine
Beurteilung differiere deutlich von den Bewertungen der beiden Übersichtsarbeiten, auf die sich der Ärztliche Sachverständigenbeirat
offenbar seinerzeit gestützt habe. Bzgl. der einen Übersichtsarbeit (Wirdefeldt et. al., 2011) hat er darauf hingewiesen,
dass diese an gravierenden wissenschaftlichen Mängeln leide und von einem Pflanzenschutzmittelhersteller gesponsert worden
sei. Die zweite Übersichtsarbeit von Freire und Koifman aus 2012 sei ebenfalls mit Mängeln behaftet. Bei zutreffender Auswertung
der darin bewerteten Studien hätte diese zu einer anderen Bewertung eines Zusammenhangs zwischen einer Exposition gegenüber
dem Mittel Paraquat und dem Parkinsonsyndrom kommen müssen. Prof. Dr. M hat weitere, zeitlich nach diesen Übersichtsarbeiten
erstellte, Studien angeführt und sich zu diesen im Einzelnen geäußert. Diese sprächen sehr für eine Dosiswirkungsbeziehung
zwischen Pflanzenschutzmitteln und Parkinson und stellten damit ein starkes Argument für einen Kausalzusammenhang dar. Bezüglich
der Stoffe Paraquat und Mancozeb liege auch eine biologische Plausibilität für die Verursachung eines Parkinsonsyndroms beim
Menschen vor. Es sei tierexperimentell als auch durch epidemiologische Studien bestätigt, dass Mancozeb Schäden an bestimmten
Nervenzellen hervorrufen könne. Er hat auf Studien hingewiesen, wonach in bestimmten genetischen Konstellationen die Unterschiede
in der Empfindlichkeit sehr ausgeprägt sein könnten. Insbesondere im Hinblick auf eine im Jahr 2016 publizierte Studie (Ritz
et. al.) werde bei synoptischer Betrachtung klar, dass verschiedene genetische Varianten auf unterschiedliche Art und Weise
dazu beitragen könnten, dass Pflanzenschutzmittel ein Parkinsonsyndrom bei empfindlichen Personen verursachten. Die Wechselwirkungen
seien erst ansatzweise erforscht. Relevant sei aber, dass bestimmte genetische Varianten mit einem deutlichen Risiko von Parkinsonsyndromen
bei Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln assoziiert seien.
Auf die Frage des Sozialgerichts, ob es sich um Erkenntnisse handele, die sich erst nach der letzten Änderung der BK-Liste
zur Allgemeingültigkeit (Berufskrankheitenreife) verdichtet haben, hat der Sachverständige ausgeführt, er könne die Frage,
wie deutsche Experten den Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzmittelexposition und Parkinsonsyndrom bewerteten, nicht abschließend
beantworten. Dr. V , der Experte auf dem Gebiet des Parkinsonsyndroms sei, habe ihm gegenüber bereits vor einiger Zeit in
einem persönlichen Gespräch geäußert, dass er im Falle einer hohen beruflichen Belastung gegenüber Pflanzenschutzmitteln die
Voraussetzungen für eine berufliche Verursachung eines Parkinsonsyndroms für gegeben ansehe. Die Mehrzahl seiner Gesprächspartner
habe sich nicht intensiv in die äußerst komplexe Materie eingearbeitet, so dass ihnen kein eigenes, umfassendes Urteil möglich
gewesen sei. Vielmehr sei die Hoffnung geäußert worden, dass der Ärztliche Sachverständigenbeirat möglichst bald Stellung
beziehe. Dr. P habe in seinem Gutachten seine Beurteilung im Ergebnis bestätigt. Möglicherweise sei auch relevant, dass in
Frankreich seit einiger Zeit ein Parkinsonsyndrom als BK anerkannt werden könne, wenn die Dauer der Pflanzenschutzmittelexposition
mindestens zehn Jahre betragen und die Erkrankung nicht später als ein Jahr nach Ende der Exposition begonnen habe. Dies spiegele
offensichtlich die in Frankreich herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung wider.
Die Beklagte hat ein Schreiben des BMAS vom 10.06.2016 vorgelegt, wonach kein neuer Sachstand hinsichtlich der aufgeworfenen
Frage bestehe. Die Vorprüfung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" dauere noch an, sie gestalte sich
außerordentlich aufwändig. Bei Sichtung des vorhandenen Studienmaterials habe sich gezeigt, dass vor einer wissenschaftlichen
Befassung noch weiterer erheblicher Aufklärungsbedarf hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland insbesondere
in Bezug auf verwendete Mittel, Zusammensetzungen, Einsatzzeiten, Intensität und Dauer der Exposition, spezifische Berufsverhältnisse
etc., bestehe. Dieser Aufklärungsprozess, an dem unterschiedliche Fachinstitutionen aus dem wissenschaftlichen und sozialversicherungsrechtlichen
Bereich beteiligt seien, habe inzwischen begonnen. Die wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse müsse sich daran anschließen,
so dass derzeit von einem längeren, mehrjährigen Prüfzeitraum auszugehen sei. Eine entsprechende Auskunft ist vom BMAS unter
dem 09.09.2016 abgegeben worden.
Das Sozialgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 23.11.2016 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung
der Parkinsonerkrankung als BK der Nr. 1105 oder als Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII. Dies gelte auch für die festgestellte Polyneuropathie. Ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Parkinson\222schen Erkrankung
und einer Einwirkung durch Mangan im Sinne der BK Nr. 1105 sei nicht im unfallversicherungsrechtlichen Sinne wahrscheinlich,
was sich insbesondere aus den arbeitsmedizinischen Gutachten des Prof. Dr. M vom 12.01.2009 und vom 27.12.2012 ergebe. Die
Voraussetzungen für die Anerkennung einer Quasi-BK lägen ebenfalls nicht vor. Es fehle an gesicherten medizinischen Erkenntnissen
über einen generellen Ursachenzusammenhang zwischen der Erkrankung und Einwirkung von Pflanzenschutzmitteln, denen der Kläger
aufgrund seiner versicherten Tätigkeit ausgesetzt gewesen sei. Die Voraussetzungen lägen vor, wenn bestimmte Personengruppen
infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt
sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(etwa BSG, B 2 U 6/12 R, Urteil vom 18.06.2013, in juris) erfordere dies in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen
und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder, mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen müsse zu
begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besäßen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Diese
Erkenntnisse setzten regelmäßig voraus, dass die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht
kommenden Fachgebiet über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügten, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung
gelangt seien. Solche Erkenntnisse lägen nicht vor. Insoweit sei auf die Zusammenfassung des Sachstandes durch das BMAS in
den Stellungnahmen vom 26.01.2015 und vom 09.09.2016 zu verweisen. Danach bestehe noch erheblicher Aufklärungsbedarf hinsichtlich
der tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland. Im Übrigen habe das BSG in seinem Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 33/11 R, in juris, dargelegt, dass die generellen Voraussetzungen für die Bezeichnung einer Erkrankung als BK erst mit der Anerkennungsempfehlung
des Ärztlichen Sachverständigenbeirates vorlägen. Soweit der Kläger eine Überprüfung der BK der Nrn. 1302 und 1317 begehre,
sei dem entgegenzuhalten, dass diesbezüglich noch kein Feststellungsverfahren seitens der Beklagten durchgeführt worden sei.
Das Urteil ist dem Kläger am 15.12.2016 zugestellt worden, er hat dagegen am 05.01.2017 Berufung eingelegt. Er verweist auf
sein bisheriges Vorbringen und insbesondere darauf, dass in der Vergangenheit in diversen Fällen eine Parkinson\222sche Erkrankung
nach Einwirkung von Pestiziden als Quasi-BK anerkannt worden sei. Er hat eine Stellungnahme des BMAS vom 23.03.2017 vorgelegt.
Darin wird ausgeführt, dass der Aufklärungsprozess hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland trotz intensiver
Recherche bisher nicht zu verwertbaren Ergebnissen geführt habe. Ende letzten Jahres sei ein weiterer Fragenkatalog dazu erarbeitet
worden, der sich an verschiedene Fachinstitutionen aus dem wissenschaftlichen und sozialversicherungsrechtlichen Bereich richte.
Die wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse könne sich erst daran anschließen, so dass von einem längeren Prüfzeitraum
auszugehen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 23.11.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Parkinson\222sche Erkrankung als BK der Nr. 1105 der Anlage 1 zur BKV, hilfsweise als Quasi-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII, anzuerkennen,
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der vorliegenden Prozessakte verwiesen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143ff SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Kläger
keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Parkinson-Erkrankung als BK hat. Zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen wird auf das
Urteil des Sozialgeri8chts verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Eine BK der Nr. 1105 der Anlage 1 zur BKV (Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen) ist beim Kläger nicht festzustellen. Dies ergibt sich insbesondere aus
dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. Vogt vom 24.10.2008. Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend
ausgeführt, dass eine durch Mangan hervorgerufene Parkinson-Erkrankung den Körper symmetrisch befällt und nicht auf die Medikation
durch Levodopa anspricht. Beim Kläger liegt dagegen eine linksbetonte Symptomatik vor und es hat eine eindeutige Response
der Erkrankung auf Levodopa bestanden. Damit lassen die klinischen Symptome darauf schließen, dass die Erkrankung nicht durch
eine Manganexposition induziert ist. Diese Auffassung hat Prof. Dr. M in allen Gutachten bestätigt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Krankheit als Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII. Der Senat folgt der Auffassung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil, dass nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft ein hinreichend gesicherter Zusammenhang zwischen Parkinson-Syndrom und der Einwirkung von Stoffen, denen der
Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Landwirt ausgesetzt war, nämlich verschiedenen Pestiziden, nicht festzustellen ist.
Dies ergibt sich aus den während des gerichtlichen Verfahrens eingeholten bzw. vorgelegten Stellungnahmen des BMAS vom 26.01.2015,
09.09.2016 und vom 23.03.2017. Danach ist die wissenschaftliche Erkenntnislage vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten"
in den Jahren 2010 und 2011 und erneut ab 2014 geprüft worden, es hat sich jedoch gezeigt, dass noch erheblicher Aufklärungsbedarf
hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland besteht. Ende letzten Jahres daher ist ein Fragenkatalog an verschiedene
Fachinstitutionen erarbeitet worden, dessen Ergebnisse abgewartet und in der Folge wissenschaftlich ausgewertet werden müssen.
Eine Anerkennungsempfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirat, mit der nach den Ausführungen des BSG im Urteil vom 02.12.2008, B 2 KN 1/08 U R, in juris, eine BK-Reife und damit die Voraussetzungen einer Wie-BK zu bejahen
sind, liegt hier somit eindeutig nicht vor, vielmehr befindet sich das Verfahren noch im Stadium der Vorprüfung. Ob ggf. auch
zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen vorliegen können, hat das BSG in dem vom Sozialgericht zitierten Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 33/11 R, in juris, offen gelassen. In dem dort zu entscheidenden Fall hatte das Berufungsgericht auf das Ergebnis einer Beratung
des Ärztlichen Sachverständigenbeirats abgestellt. Das BSG hat allerdings -nach eigenen Worten beiläufig- darauf hingewiesen, dass der jeweilige Zeitpunkt der förmlichen Empfehlung
des Sachverständigenbeirats zweifelsohne den Vorteil einer rechtssicheren Handhabung in sich trage und das Vorgehen des LSG
den Nachteil habe, dass ohne eine dokumentierte förmliche Beschlussfassung in dem Gremium jeweils im Einzelfall (ggf unter
Heranziehung der beteiligten Sachverständigen als Zeugen) zu ermitteln sei, wann ein (an welchen Kriterien auch immer festzumachender)
Konsens in dem Sachverständigenbeirat festgestellt werden könne.
Ob allein die Anerkennungsempfehlung maßgebend ist oder auch eine frühere Entscheidung bzw. Beratung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats
eine BK-Reife begründen kann, braucht vorliegend aber ebenfalls nicht entschieden zu werden. Wenn man eine Anerkennungsempfehlung
fordert, fehlt es unzweifelhaft an den Voraussetzungen für eine Anerkennung als Wie-BK. Es ist aber auch nicht festzustellen,
dass der Sachverständigenbeirat sich bereits eine entsprechende Meinung gebildet hätte, die einer solchen Empfehlung vorausgehen
würde, vielmehr dauert noch die den eigentlichen Beratungen vorgehende Vorprüfung an. Wie der Fall zu beurteilen wäre, dass
der Ärztliche Sachverständigenbeirat die wissenschaftliche Erkenntnislage offensichtlich missachtet oder falsch beurteilt,
ist hier nicht zu entscheiden, da es dafür im vorliegend Fall, auch im Hinblick auf die beiden letzten Gutachten des Prof.
Dr. M , keinen Anhalt gibt. Im seinem für das Sozialgericht erstellten Gutachten vom 25.06.2016 hat der Sachverständige selbst
darauf hingewiesen, dass er die Frage, ob eine Pflanzenschutzmittelexposition generell geeignet sei, ein Parkinsonsyndrom
zu verursachen, im Rahmen des Gutachtenauftrags nicht beantworten könne, sondern eine umfassende Bewertung nur vom Ärztlichen
Sachverständigenbeirat zu leisten sei. Allerdings geht Prof. Dr. M in der Folge davon aus, dass jedenfalls eine Exposition
gegenüber den Wirkstoffen Paraquat und Maneb, das mit dem vom Kläger teilweise verwendeten Manozeb chemisch eng verwandt ist,
mit einer Parkinsonerkrankung in Zusammenhang zu bringen sei. Er begründet dies mit epidemiologischen und toxikologischen
Studien älteren, aber auch neueren Datums, und stellt heraus, warum den vom BMAS zitierten Übersichtsarbeiten Wirdefeldt et.
al., 2011, und Freire und Koifmann, 2012, seiner Auffassung nach nicht zu folgen sei. Prof. Dr. M gibt aber selbst auf die
Frage nach der Allgemeingültigkeit der Erkenntnisse im Beweisbeschluss des Sozialgerichts an, dass er nicht abschließend beurteilen
könne, wie deutsche Experten den Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzmittelexposition und Parkinson bewerteten. Auch wenn
die Frage nach der Allgemeingültigkeit möglicherweise zu eng sein gefasst ist (nach der auch vom Sozialgericht zitierten Entscheidung
des BSG vom 18.06.2013, B 2 U 6/12 R, in juris, kommt es nicht auf das Vorliegen einer einhelligen, sondern einer herrschenden Lehrmeinung an), ergibt sich doch
aus den Darlegungen, dass eine solche aktuell noch nicht besteht.
Die von Prof. Dr. M erwähnte Tatsache, dass in Frankreich eine Parkinsonerkrankung durch Pestizide unter bestimmten Voraussetzungen
als BK anerkannt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dies gilt schon deshalb, weil es sich um unterschiedliche Systeme
handelt, und die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK grundsätzlich differieren können. Im Übrigen hat der Sachverständige
selbst in seinen Gutachten angeführt, dass die Kulturen, die Verwendung der Mittel und die Zulassungen in unterschiedlichen
Ländern verschieden sein können.
Im Übrigen wäre selbst dann, wenn ein Zusammenhang zwischen bestimmten Wirkstoffen und Parkinson aus wissenschaftlicher Sicht
zu bejahen wäre, noch nicht zwingend die Schlussfolgerung zu ziehen, dass BK-Reife im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII besteht. Die Möglichkeit der Anerkennung einer Wie-BK setzt nicht nur voraus, dass medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse
über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen, zudem muss eine bestimmte Personengruppe durch
die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen)
sein. Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell
nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein (BSG, Urteil vom 20.07.2010, B 2 U 19/09 R, in juris). Die Auskunft des BMAS, es bestehe noch Aufklärungsbedarf in Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland,
insbesondere in Bezug auf verwendete Mittel, Zusammensetzungen, Einsatzzeiten, Intensität und Dauer der Exposition, lässt
darauf schließen, dass u.a. hinsichtlich dieser sog. Gruppentypik noch Ermittlungen vorzunehmen sind. Diesbezüglich ist auch
darauf hinzuweisen, dass laut einer der von Prof. Dr. M erwähnten Studien bei bestimmten genetischen Dispositionen unterschiedliche
Folgen von Einwirkungen bestehen können und Pflanzenschutzmittel auch ubiqitär in der Umwelt vorkommen. Vor dem Hintergrund
dieser Darlegungen wäre noch die Frage zu klären, welche Faktoren als wesentlich im genannten Sinne anzusehen wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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