Tatbestand
Streitig ist ein Betrag in Höhe von 29,09 EUR als doppelter Festzuschuss zu Zahnersatzkosten.
Die 1922 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie verfügte im Kalenderjahr 2012 über Renteneinkünfte
der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Höhe von zunächst 289,84 EUR brutto (ab 01.07.2012: 296,24 EUR brutto) und
der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von zunächst 486,37 EUR brutto (ab 01.07.2012: 496,94 EUR brutto) monatlich. Die
Klägerin wohnt im Seniorenheim R P in D und erhält Pflegesachleistungen; bis April 2012 war sie in die Pflegestufe I und seither
ist sie in die Pflegestufe II eingestuft. Bis April 2012 verblieb zu den Kosten des Heimplatzes nach Abzug der Pflegesachleistungen
und der monatlichen Nettorenten eine Differenz in Höhe von zumindest monatlich 1.039,87 EUR, seither in Höhe von monatlich
1.306,37 EUR (vgl. Aufstellung Bl. 61 f Verwaltungsakte der Beklagten). In Höhe der ungedeckten Heimkosten erhält die Klägerin
Zuwendungen ihrer Kinder.
Die Zahnärztin D stellte der Klägerin für Zahnersatzkosten am 25.09.2012 61,27 EUR in Rechnung, abzüglich des Festzuschusses
der Beklagten in Höhe von 29,09 EUR betrug der Eigenanteil der Klägerin 32,18 EUR. Die Gewährung eines doppelten Festzuschusses
lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2013 ab, weil die Voraussetzungen
hierfür nach §
55 Abs.
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) nicht erfüllt seien, da neben den Renteneinkünften der Klägerin auch die Unterhaltsleistungen ihrer Angehörigen zur Deckung
der ungedeckten Kosten der Heimunterbringung als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen seien. Der Widerspruchsbescheid
wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 16.02.2013 zugestellt.
Am 01.03.2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Trier (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte rechne zu Unrecht Heimunterbringungskosten als Einnahmen zum Lebensunterhalt
an. Wäre sie, die Klägerin, nicht durch einen Unfall und Krankheit pflegebedürftig geworden, hätte sie in ihrer Wohnung (Wohnrecht)
verbleiben können und von ihren Renteneinkünften gut leben könne. In diesem Fall hätte sie den beantragten doppelten Festzuschuss
erhalten, weil ihre Bruttoeinnahmen unterhalb des Grenzbetrages von 1.050,00 EUR gelegen hätten. Nun aber werde sie dafür
bestraft, dass sie gebrechlich und krank sei und dadurch Kosten entstünden, die von ihren Angehörigen getragen würden.
Durch Urteil vom 27.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung eines doppelten Festzuschusses
nach §
55 Abs.
2 SGB V abgelehnt, weil bei der Klägerin keine dies rechtfertigende unzumutbare Belastung im Sinne des Gesetzes vorliege. Eine unzumutbare
Belastung liege nach §
55 Abs.
2 Satz 2
SGB V vor, wenn (1.) die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 % der monatlichen Bezugsgröße nach
§
18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) nicht überschreiten, (2.) der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz, Leistungen nach dem Recht der bedarfsorientierten Grundsicherung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) erhält oder (3.) die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe
oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden. Bei der Klägerin sei keiner dieser Tatbestände erfüllt. Die Aufzählung in §
55 Abs.
2 Satz 2
SGB V sei abschließend, die Tragung der Kosten der Unterbringung im Heim durch andere als den Sozialhilfeträger werde deshalb von
§
55 Abs.
2 Satz 2 Nr.
3 SGB V nicht erfasst. Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten
Heimkosten durch den Sozialhilfeträger haben könnte, maßgeblich sei allein der tatsächliche Bezug der Leistung vom Sozialhilfeträger
(Hinweis auf Altmiks, in: [...] PK
SGB V, 2. Auflage 2012, §
55 Rn. 127). Insbesondere verfüge die Klägerin auch über monatliche Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, die 40 % der monatlichen
Bezugsgröße, im maßgeblichen Zeitraum 1.050,00 EUR, überstiegen. Unter dem Begriff "Einnahmen zum Lebensunterhalt" fielen
alle nicht für andere Zwecke gebundenen persönlichen, geldwerten oder geldlichen Zuflüsse an den Versicherten (Hinweis auf
Altmiks a.a.O., § 55 Rn. 102). Neben den Renten habe die Klägerin Einnahmen zum Lebensunterhalt in Form der durch ihre Kinder
gezahlten Heimunterbringungskosten. Durch diese Zahlungen werde der Lebensunterhalt gestaltet, nämlich der im Heim. Hierdurch
werde ihr Lebensunterhalt im Rahmen des Heimaufenthaltes gedeckt. Dass es sich bei den Zahlungen zur Deckung der Heimunterbringungskosten
nach der grundlegenden Vorstellung des Gesetzgebers um Einnahmen zum Lebensunterhalt handele, ergebe sich aus dem Zusammenspiel
der Regelungen des §
55 Abs.
2 Satz 2 Nummern 1 und 3
SGB V. Handelte es sich bei den Heimunterbringungskosten, unabhängig davon wer diese trägt, nicht um Einnahmen zum Lebensunterhalt,
hätte es der Regelung in §
55 Abs.
2 Satz 3 Nr.
3 SGB V nicht bedurft. Soweit bei der Klägerin erst durch ihre Pflegebedürftigkeit so hohe Einnahmen vorhanden seien, dass im Vergleich
zur Zeit vor dem Heimaufenthalt eine höhere Belastungsgrenze konstatiert werden müsse, begründe dies keinen Verfassungsverstoß.
Das Bundessozialgericht (BSG) habe bezogen auf die im
SGB V normierte Regelung über Zuzahlungen (§
62 SGB V), die hinsichtlich der Formulierung der Einnahmen zum Lebensunterhalt der hier im Streit stehenden Regelung des § 55 SGB entspreche, bereits entschieden, dass kein Verstoß gegen Artikel
3 GG vorliege. Vielmehr sei der Gesetzgeber berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen
der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (Hinweis auf BSG 22.04.2008 - B 1 KR 20/07 R).
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 17.09.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.10.2013 die im angefochtenen
Urteil ausdrücklich zugelassene Berufung eingelegt. Sie macht geltend, von der Beklagten werde fälschlich der Begriff "Heimunterbringungskosten"
pauschal für alle Kosten des Heims abzüglich der Leistungen durch die Pflegeversicherung benutzt und als sogenannte "Hotelkosten"
dem allgemeinen Lebensunterhalt zugerechnet. Tatsächlich entsprächen aber lediglich die in der Rechnung des Seniorenhauses
R P vom 01.08.2012 (Bl. 61 Prozessakte) aufgeführten Kosten für Unterkunft und Verpflegung (770,97 EUR), Einzelzimmerzuschlag
(31.62 EUR), Grundgebühr Telefon (7,70 EUR) sowie Verwaltungsgebühr Telefon (1,50 EUR), mithin insgesamt 811,79 EUR Kosten
der normalen Lebensführung und könnten somit als "Hotelkosten" gewertet werden. Alle anderen Rechnungsposten insgesamt 2.528,36
EUR abzüglich der Leistungen der Pflegekasse in Höhe von monatlich 1.279,00 EUR , mithin insgesamt 1.249,36 EUR, seien Kosten,
die durch Krankheitsfolgen, Behinderung und Hilfsbedürftigkeit bedingt seien und nicht Kosten einer üblichen Lebensführung.
Es sei daher nicht zulässig, dass die zur Deckung dieser Kosten von ihren Kindern erbrachten Zuwendungen bei den Bruttoeinnahmen
zum Lebensunterhalt hinzugerechnet würden. Schließlich erleide sie dadurch einen Nachteil, dass ihre Kinder die ungedeckten
Heimkosten zahlten und sie, die Klägerin, nicht zunächst auf die Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers verwiesen hätten,
der dann seinerseits ihren Kindern gegenüber Unterhaltsansprüche erst hätte geltend machen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 27.08.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 31.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 29,09 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Bei der Ermittlung, ob eine unzumutbare Belastung im Sinne des §
55 Abs.
2 Satz 2 Nr.
1 SGB V vorliegt, ist die Höhe der "monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" festzustellen. Hierunter fallen die persönlichen
Einnahmen des Versicherten, die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen; nicht dazu gehören zweckgebundenen Zuwendungen (z.B.
zur Abdeckung eines Mehrbedarfs, wie etwa Pflegegeld, Blindenzulage oder Kindergeld). Der Begriff erfasst nicht (nur) die
Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts, sondern alle Einnahmen, die dem Versicherten bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Hierzu zählen, wie das BSG zur entsprechenden Regelung des §
62 SGB V in der bereits vom SG zitierten Entscheidung vom 19.09.2007 (B 1 KR 1/07 R, [...] Rn. 19) ausdrücklich hervorgehoben hat, auch freigiebige Leistungen dritter, nicht mit dem Versicherten im gemeinsamen
Haushalt lebender Angehöriger des Versicherten, selbst wenn die Zuwendungen für einen bestimmten Zweck gewährt werden. Auch
die der Klägerin von ihren Kindern zugewendeten Beträge zur Deckung ihrer ungedeckten Heimunterbringungskosten dienen der
Sicherung ihres Lebensunterhalts im Altenpflegeheim und flossen ihr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu, weil sie sie
von ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Altenpflegeheim befreiten. Sie sind daher den "Einnahmen zum Lebensunterhalt" zuzurechnen
(so bereits Senatsurteil vom 15.05.2008 L 5 KR 158/07, rechtskräftig, zur Regelung des §
62 SGB V).
Die Höhe der Belastungsgrenze für 2012 ist nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten und kann daher
nicht zulässig zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden.