Kosten der Unterkunft für ein selbst bewohntes Eigenheim
Tilgungsraten als Bedarf nach dem SGB II
Keine Vermögensbildung durch Sozialleistungen
Ausnahme bei weitgehend abgeschlossener Finanzierung
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft für
das vom Antragsteller bewohnte Eigenheim und dabei speziell um die Frage, ob die Tilgungsraten als Bedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) berücksichtigt werden müssen.
Der 1959 geborene Antragsteller bewohnt allein 50 m² eines ca. 300 m² großes Wohnhaus auf einem 524 m² großen Grundstück in
der Y ...straße in X ... Nachdem der Antragsteller in diesem Haus zunächst mit seiner Frau und drei Kindern zur Miete gewohnt
hatte, schloss er am 11.12.1996 mit der damaligen Eigentümerin einen notariellen Kaufvertrag, wonach er das Grundstück für
230.000,00 DM erwarb. Dabei wurde in Ziffer III. des Kaufvertrages u.a. geregelt: "Der Kaufpreis ist in monatlichen Raten
zu je 1.200,00 DM jeweils zum 03. des laufenden Monats zu zahlen. Der jeweilige Restkaufpreis wird zinslos gestundet. Vorfristige
Zahlungen sind zulässig. Der jeweilige Restkaufpreis ist in voller Höhe sofort zur Zahlung fällig und einziehbar, a) wenn
der Käufer trotz Mahnung des Verkäufers mit der Zahlung einer Monatsrate ganz oder teilweise länger als 14 Bankarbeitstage
in Verzug gerät b) wenn über das Vermögen des Käufers das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet oder ein solches Verfahren
mangels Masse abgelehnt wird oder wenn der Käufer seine Zahlungen einstellt c) wenn dem Verkäufer auf Verlangen nicht alsbald
nachgewiesen wird, dass die Gebäude ausreichend gegen Brandschaden versichert sind d) wenn dem Verkäufer auf Verlangen nicht
alsbald nachgewiesen wird, dass die das Grundstück betreffenden Steuern und Abgaben bis zum letzten Fälligkeitstermin gezahlt
sind. Der Verkäufer kann statt dessen auch von diesem Vertrag zurücktreten ... Im Falle des Rücktritts sind die vom Käufer
gezahlten Beträge nicht zu erstatten. Andererseits braucht der Käufer eine Entschädigung für bis dahin gezogene Nutzungen
nicht zu leisten. Der Käufer kann auch nicht die bis dahin für das Grundstück aufgebrachten Kosten (Steuern, Reparaturen,
Versicherung, usw.) erstattet verlangen. Sollte der Käufer bis zur Ausübung des Rücktrittsrechts den Wert des Grundbesitzes
durch Neu-, An-, Um- und Zubauten verbessert haben, so ist ihm der Betrag zu erstatten, um den der Grundbesitz dadurch bis
zur Rückübertragung wertvoller geworden ist. Die bis zum Beginn der Zahlung der Kaufpreisraten ab September 1996 durch den
Käufer gezahlte monatliche Miete von 1.200,00 DM wird auf den Kaufpreis angerechnet."
Das Wohnhaus besteht aus zwei Wohneinheiten. Zudem befindet sich angrenzend ein Nebengebäude, in welchem der Hauptanschluss
für die Stromversorgung des Hauses liegt. Eine anderweitige Vermietung der restlichen Wohnfläche war dem Antragsteller bislang
nicht möglich.
Für das von ihm bewohnte Grundstück entstehen dem Antragsteller Kosten für Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Abwasser, Trinkwasser,
Abfall und Schornsteinfeger.
Im Juni 2018 hatte der Antragsteller 109.596,26 EUR vom gesamten Kaufpreis in Höhe von 117.597,13 EUR (=230.000,00 DM) bezahlt.
Er überweist an die Verkäuferin des Grundstückskaufvertrages seit 01.09.2007 monatlich 250,00 EUR als Tilgung auf den Kaufpreis.
Die letzte Rate in Höhe von 250,87 EUR ist im Februar 2021 fällig.
Der Antragsteller steht bei dem Antragsgegner wohl seit 2013 im dauernden Leistungsbezug nach dem SGB II. Er ist seit 2012 behindert mit einem Grad der Behinderung von 30 wegen einer Sehbehinderung und fehlender Niere. Die Kaufpreisrate
in Höhe von 250,00 EUR wurde zunächst vom Antragsgegner bei der Bewilligung von SGB II-Leistungen nicht berücksichtigt. In der Folge eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Leipzig (...)
bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit von Juni 2017 bis Mai 2018 vorläufig die Kosten der Unterkunft
für die Bruttokaltkosten in Höhe der Richtlinie des Antragsgegners (243,46 EUR).
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 07.05.2018 Leistungen nach
dem SGB II in monatlich unterschiedlicher Höhe für die Zeit vom 01.06.2018 bis 31.05.2019. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner in
den einzelnen Monaten die bereits bekannten, in der Zukunft anfallenden Nebenkosten für das Hausgrundstück des Antragstellers
(Grundsteuer, Gebäudeversicherung in Höhe von 26,85 EUR monatlich, Trink- und Abwasser sowie Abfallgebühren), nicht jedoch
die tatsächlichen Tilgungsraten in Höhe von 250,00 EUR monatlich bzw. die Bruttokaltkosten aus der Richtlinie des Landkreises
Nordsachsen in Höhe von 243,46 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 04.06.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid
ein.
Am 19.06.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht
Leipzig gestellt und beantragt, vorläufig angemessene Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung der aktuellen Richtlinie
für den Landkreis in Höhe von 243,46 EUR monatlich für die Zeit vom 19.06.2018 bis 31.05.2019 zu gewähren. Die Kaufpreisraten
seien ebenso wie Tilgungsraten im Ausnahmefall zu berücksichtigen, wenn diese Wohnungsanwartschaft bereits vor dem Leistungsbezug
erworben wurde, die Finanzierung der selbstgenutzten Unterkunft bereits weitgehend abgeschlossen sei und konkret der Verlust
des Wohneigentums drohe. Der Antragsteller habe in den letzten 20 Jahren bereits 93% des Kaufpreises abbezahlt.
Der Antragsgegner geht davon aus, dass es sich bei dem am 11.12.1996 geschlossenen Kaufvertrag nicht um einen Mietkaufvertrag
handele, sondern um einen Grundstückskaufvertrag mit Kaufpreisstundung, da auch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen
sei. Tilgungsleistungen für den Erwerb von Wohneigentum seien aber grundsätzlich wegen des Verbots der Förderung privater
Vermögensbildung nicht zu übernehmen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, denn der Antragsteller sei im Gegensatz zu den vom
Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fällen noch nicht Eigentümer der Immobilie. Kosten, die über die tatsächlich angemessene Fläche für einen
Ein-Personen-Haushalt hinausgehen sowie die Gebäudeversicherung für das Nebengebäude seien ohnehin nicht berücksichtigungsfähig.
Mit Beschluss vom 06.07.2018 hat das Sozialgericht Leipzig den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig - längstens
bis zur Entscheidung in der Hauptsache - für den Zeitraum vom 19.06.2018 bis 31.05.2019 Leistungen der Unterkunft für kalte
Betriebskosten und die vom Antragsteller zu leistenden Tilgungsraten in Höhe des jeweiligen KdU-Richtwertes, derzeit monatlich
243,46 EUR, nach der Richtlinie zum schlüssigen Konzept des Landkreises Nordsachsen vom 01.01.2013 zu den Kosten der Unterkunft
und Heizung gemäß § 22 SGB II und § 35 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG könnten Tilgungsleistungen in Ausnahmefällen im Rahmen der Angemessenheitsgrenze gem. § 22 Abs. 1 SGB II als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist und der Aspekt der privaten
Vermögensbildung deshalb in den Hintergrund trete. Es spiele keine Rolle, ob es sich um einen Mietkauf handele, ob der Erwerber
des Grundstücks bereits Eigentümer wird oder das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung übergehe. Nach einer Interessenabwägung
habe der Antragsgegner hier die Bruttokaltkosten - bestehend aus den Nebenkosten und den Tilgungsleistungen - bis zur Höhe
des in der Richtlinie genannten Wertes, aktuell 243,46 EUR, zu übernehmen. Mit 93 % der Kaufpreissumme sei die Finanzierung
des Kaufpreises bereits weitgehend abgeschlossen und das Interesse des Antragstellers am Erhalt der von ihm seit Jahrzehnten
bewohnten Wohnung stehe im Vordergrund. Nach Abzahlung des Kaufpreises lägen die Kosten der Unterkunft trotz der Größe des
vorhandenen Wohnhauses deutlich unter der Angemessenheitsgrenze aus der Richtlinie des Landkreises.
Gegen den dem Antragsgegner am 11.07.2018 zugegangenen Beschluss hat dieser am 07.08.2018 Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht
eingelegt. Der Antragsgegner gehe von einem Kaufvertrag mit Kaufpreisstundung aus. Ein Ausnahmefall im Sine der BSG-Rechtsprechung liege zudem nicht vor, da das BSG nur über Sachverhalte entschieden habe, in denen die Kläger bereits Eigentümer der Immobilien waren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 06.07.2018 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Prozessakten beider Instanzen, die Verwaltungsakte
des Antragsgegners (1 Band und 2 Heftungen e-Akte) sowie die vom Sozialgericht Leipzig beigezogenen Gerichtsakten (S 15 AS 1823/17 ER, S 15 AS 2837/17) Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zwar statthaft, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Ergebnis
zu Recht verpflichtet, dem Antragstelle höhere Kosten der Unterkunft zu gewähren.
1. Die Beschwerde ist statthaft. Nach §
172 Abs.
1, Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte grundsätzlich zulässige Beschwerde nur dann ausgeschlossen, wenn in
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache der Zulassung der Berufung nach §
144 Abs.
1 SGG bedürfte. Danach bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-,
Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Antragsteller
begehrte die Zahlung höherer Kosten der Unterkunft in Höhe von 243,46 EUR monatlich für die Zeit vom 19.06.2018 bis 31.05.2019,
mithin für mehr als elf Monate (2.678,06 EUR), was ihm durch den Beschluss des Sozialgerichts zugesprochen wurde. Die Berufung
in der Hauptsache bedürfte daher keiner Zulassung nach §
144 Abs.
1 SGG, weshalb die Beschwerde nach §
172 Abs.
1,
3 SGG statthaft ist. Sie ist auch form- und fristgerecht nach §
151 SGG beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist jedoch unbegründet. Dem Antragsteller stehen über die bereits mit Bescheid vom 07.05.2018
bewilligten Leistungen hinaus höhere Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung der Tilgungsraten auf den Grundstückskaufpreis
zu, da diese im Zeitpunkt des weiteren Bezugs von Grundsicherungsleistungen weitgehend abgeschlossen ist.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 S. 2
SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden
Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund)
glaubhaft macht, §
86 b Abs.
2 S. 4
SGG, §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO).
In der Sache ist der Antrag des Antragstellers wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar wegen
der Beschwerde des Antragsgegners begrenzt auf die Höhe der vom Sozialgericht zugesprochenen 243,46 EUR monatlich - beschränkt,
denn die Kosten der Unterkunft und Heizung können verfahrenstechnisch einen abtrennbaren Streitgegenstand bilden (st. Rsprg.
des BSG, z.B. Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R).
Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II sind bei Vorliegen der weiteren Leistungsvoraussetzungen Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach
der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, d.h. die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist
für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 34/06 R). Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung
des BSG Tilgungsraten grundsätzlich nicht (vgl. Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R, Rn. 24; Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R, Rn. 18; Urteil vom 16.02.2012 - B 4 AS 14/11 R, Rn. 23; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R, Rn. 17). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen. Ausnahmen von diesem Grundsatz
sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von
Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen
ist.
Der Antragsteller ist leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat (Nr. 1), erwerbsfähig und hilfebedürftig ist (Nr. 2, 3) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland hat (Nr. 4).
Zwar stellt das Anwartschaftsrecht des Antragstellers bezogen auf das selbstbewohnte Grundstück, welches ihm aufgrund der
Vormerkung im Grundbuch zusteht, einen Vermögenswert dar, der grundsätzlich geeignet scheint, die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers
zu verringern bzw. aufzuheben (§ 9 Abs. 1 SGB II). Ob das Anwartschaftsrecht als solches aber der sofortigen Verwertung unterliegt bzw. ob damit die Hilfebedürftigkeit ganz
entfällt, kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht festgestellt werden und bleibt der Klärung in der Hauptsache vorbehalten.
Dass der Antragsteller zudem bereits Verwertungsbemühungen im Hinblick auf eine Vermietung der weiteren Wohneinheit unternommen
hat, ist durch ihn glaubhaft gemacht worden.
Neben den an die Voreigentümerin des Grundstücks zu überweisenden Tilgungsraten in Höhe von monatlich 250,00 EUR fallen beim
Antragsteller folgende bereits feststehende Nebenkosten an
Juni 2018:
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63,81 EUR (Gebäudeversicherung neuer Beitrag)
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Juli 2018:
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63,81 EUR
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August 2018:
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63,81 EUR
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98,00 EUR (Grundsteuer)
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72,00 EUR (Trink- und Abwasser)
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September 2018:
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63,81 EUR
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Oktober 2018:
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63,81 EUR
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20,77 EUR (Abfallgebühren)
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November 2018:
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63,81 EUR
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98,00 EUR
|
72,00 EUR
|
Diese Nebenkosten hat der Antragsgegner zum Teil bereits im Bescheid vom 07.05.2018 berücksichtigt. Unberücksichtigt geblieben
sind insoweit die erhöhten Prämienzahlungen für die Gebäudeversicherung seit 01.06.2018 wegen des Risikozuschlages aufgrund
Sturmschäden. Insbesondere auch die Prämienzahlungen für die Gebäudeversicherung des Nebengebäudes hat der Antragsgegner unberücksichtigt
gelassen, wobei eine Berücksichtigung der Prämienzahlungen in höherem Umfang dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss,
weil hier allein der Antragsgegner Beschwerde gegen den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingelegt hat.
Bei den vom Antragsteller monatlich zu zahlenden Kaufpreisraten in Höhe von 250,00 EUR handelt es sich um Tilgungsleistungen
im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wie der Antragsgegner meint - der Antragsteller bereits Eigentümer des von ihm bewohnten
Hauses geworden ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die an die vormalige Grundstückseigentümerin gerichteten Zahlungen wie die
Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder eine Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung
für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleich stehen. Dies beurteilt sich allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret
ausgestaltet ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R, Rn. 17; Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.09.2017 - L 7 BK 6/15, Rn. 34).
In dem Kaufvertrag vom 11.12.1996, welcher weit vor dem erstmaligen Leistungsbezug des Antragstellers nach dem SGB II geschlossen wurde, haben die Kaufvertragsparteien unter II. und III. geregelt, dass der Grundbesitz zum Preis von 230.000,00
DM verkauft wird und der Kaufpreis in monatlichen Raten zu je 1.200,00 DM monatlich zu zahlen ist. Zur Sicherung des Anspruchs
des Käufers auf Eigentumsübertragung wurde eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Es handelt sich damit eindeutig um die
Erfüllung der Zahlungsansprüche aus dem gegenseitigen Kaufvertrag der Grundstücksüberlassung und die Raten dienen dem Erwerb
des Grundstücks. Der Antragsteller bildet mit jeder Ratenzahlung ein Stück Vermögen in Form von Grundeigentum, da er nach
Zahlung aller Raten einen Anspruch auf Eintragungsbewilligung im Grundbuch hat. Maßgeblich ist daher nach der Rechtsprechung
des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs
von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen ist" (BSG - B 14 AS 42/13 R, Rn. 19 m.w.N.).
Zu der Frage, wann Tilgungsleistungen ausnahmsweise als Bedarf für die Kosten der Unterkunft vom Grundsicherungsträger zu
berücksichtigen sind, hat das BSG (Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 49/14 R, Rn. 20) entschieden:
Tenor:
"Ausnahmen von diesem Grundsatz sind aber nach der Rechtsprechung beider für das Recht der Grundsicherung zuständigen Senate
im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses Wohnen in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum
geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen (vgl nur
BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 17) und der Erwerb der Immobilie außerhalb des Leistungsbezugs erfolgt ist (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 20; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 25). Der Grund für diese Ausnahme liegt darin, dass bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von Schuldzinsen
Leistungsbezieher, die Wohneigentum gerade erst erworben haben und bei denen die Zinszahlungen die Tilgungsraten weit übersteigen,
ungerechtfertigt bevorzugt werden gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen, die aufgrund der Besonderheiten etwa eines Annuitätendarlehens
durch weitgehende Zahlung der Zinsen in Vorleistung treten mussten und bei denen schließlich die Abzahlungen fast nur noch
aus Tilgungsleistungen bestehen. Geht es nur um die Tilgung einer Restschuld ist die Vermögensbildung bereits weitgehend abgeschlossen
und der Aspekt des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung tritt gegenüber dem vom SGB II ebenfalls verfolgten Ziel, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, zurück (so BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 19). Die Feststellung eines solchen Ausnahmefalles unterliegt jedoch weitgehend der Beurteilung
des Tatrichters, dessen bestehender Entscheidungsspielraum von der Revisionsinstanz zu respektieren ist. Die Annahme, dass
eine Finanzierung weitgehend abgeschlossen ist, bedarf einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung einer
Prognose über eine mögliche Gefährdung des Wohneigentums. Solche Abwägungs- und Prognoseentscheidungen der Tatsacheninstanzen
sind einer rechtlichen Überprüfung im Revisionsverfahren wegen der enthaltenen Tatsachenelemente unter Berücksichtigung von
§
162 SGG nur begrenzt zugänglich (vgl zur Abgrenzung von Rechtsfragen und Tatsachenfragen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
162 RdNr 3 ff). Das Revisionsgericht ist in diesen Fällen darauf beschränkt zu prüfen, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen
abgewogen worden sind (so zur Prüfung der Angemessenheit des selbstgenutzten Wohngrundstückes BSG Urteil vom 24.3.2015 - B 8 SO 12/14 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 7 RdNr 15; zur Überprüfung eines schlüssigen Konzepts BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81, RdNr 21 und BSG Beschluss vom 5.6.2014 - B 4 AS 349/13 B - juris RdNr 14; zur Prüfung der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Vermögensverwertung BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23, RdNr 41 ff; zu vergleichbaren Fragen bei der Überprüfung der Angemessenheit der Dauer überlanger
Verfahren BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 9/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 6 RdNr 28 mwN). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist nicht
zu beanstanden, dass das LSG die Voraussetzungen bejaht hat, unter denen auch die Aufwendungen zur Tilgung von Baudarlehen
- ausnahmsweise - als Leistungen für Kosten der Unterkunft zuschussweise zu übernehmen sind. Auch die Annahme des LSG, die
Finanzierung der Immobilie sei weitgehend abgeschlossen und der Aspekt des Vermögensaufbaus durch Mittel der Existenzsicherung
müsse zurücktreten, begegnet entgegen der Auffassung des Beklagten keinen Bedenken. Nach den auch insoweit von dem Beklagten
nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG hatte der Kläger sein Grundeigentum bereits im Jahre 1984 erworben
und mittels eines Hypothekendarlehens und eines Bauspardarlehens finanziert. Während das Bauspardarlehen aufgrund der nur
noch geringen Restschuld (bei entsprechend geringen Zinsraten) im streitgegenständlichen Zeitraum vollständig abgelöst werden
konnte, bestand für das Hypothekendarlehen noch eine Restschuld von ca 25 000 Euro, deren Tilgung nach der von dem Kläger
während des Leistungsbezugs vorgenommenen Anschlussfinanzierung über einen Zeitraum von weiteren ca 25 Jahren (bis 2037) vorgesehen
war. Es widerspricht weder Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das LSG unter Berücksichtigung eines gegenüber
dem Kaufpreis eher gestiegenen Wertes der Immobilie die Vereinbarung niedrigerer Tilgungsraten im Rahmen der Anschlussfinanzierung
gerade während des SGB II-Leistungsbezugs zur Minimierung der aktuellen Kosten als nachvollziehbar und sogar geboten bewertet. Zwingende Folge einer
solchen Vereinbarung ist notwendigerweise wegen der verzögerten Tilgung eine längere Restlaufzeit verbunden mit einer höheren
Restschuld. Auch die besondere Würdigung des nach den Feststellungen des LSG bereits absehbaren Endes der Inanspruchnahme
von SGB II-Leistungen wegen der Nähe zum Altersrentenbezug (mit höheren Einkünften) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Dieser Umstand unterstreicht in besonderer Weise das klägerische Interesse an der Beibehaltung der Wohnung gegenüber dem Interesse
der Allgemeinheit, Vermögensaufbau durch öffentliche Mittel zu vermeiden. Der Vermögensaufbau findet nur in einer überschaubaren
Übergangszeit statt und dient der Vermeidung möglicherweise noch höherer Kosten für die Allgemeinheit, etwa in Form der Übernahme
von Umzugskosten oder höherer Mietkosten."
Hier hat der Antragsteller durch Glaubhaftmachung der bereits getilgten Kaufpreisraten in Höhe von 109.596,00 EUR zum 30.06.2018
zur Überzeugung des Senats den weitestgehenden Abschluss der Finanzierung des erworbenen Wohneigentums nachgewiesen. Bis zur
vollständigen Begleichung des Kaufpreises für das vom Antragsteller bewohnte Hausgrundstück sind noch 7.501,13 EUR (117.597,13
EUR - 109.596,00 EUR - 500,00 EUR für Juli und August 2018) zu zahlen. Damit sind im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung
93,62% des Kaufpreises getilgt und die Vermögensbildung beim Antragsteller ist damit weitestgehend abgeschlossen. Der Aspekt
des Vermögensaufbaus aus Mitteln der Existenzsicherung tritt daher gegenüber dem auch vom SGB II verfolgten Ziel, die Beibehaltung der Wohnung zu ermöglichen, zurück. Denn könnte der Antragsteller die Kaufpreistilgungsraten
nicht mehr zahlen, wäre die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, wodurch der Antragsteller gezwungen
wäre, seine Wohnung aufzugeben. Insbesondere im Rahmen einer im einstweiligen Rechtsschutz durchzuführenden Folgenabwägung
tritt in diesem Fall der Aspekt der Wohnraumsicherung in den Vordergrund.
Die Höhe der monatlich angemessen Kosten der Unterkunft richtet sich zwar grundsätzlich nach den monatlich zu leistenden Tilgungen
auf den Kaufpreis, wird aber durch die Angemessenheit der Kosten für einen Ein-Personen-Haushalt des Antragstellers begrenzt.
Diese bestimmen sich nach der Richtlinie des Landkreises Nordsachsen zur Regelung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß
§ 22 SGB II und § 35 SGB XII ab 01.04.2017. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Ein-Personen-Haushalt in Arzberg beträgt danach 243,46 EUR. Dies
entspricht der Verpflichtung, die das Sozialgericht dem Antragsgegner im angefochtenen Beschluss vom 06.07.2018 auferlegt
hat.
Dass das Sozialgericht die Dauer der vorläufigen Gewährung von Leistungen unter Berücksichtigung von Tilgungsleistungen bis
zum 31.05.2019 erstreckt und nicht zunächst auf sechs Monate begrenzt hat (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II) ist unter Beachtung des vom Antragsgegner festgelegten Bewilligungszeitraumes vom 01.06.2018 bis 31.05.2019 ohne Vorläufigkeitsvorbehalt
nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde des Antragsgegners konnte aus den genannten Gründen keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §
193 SGG.
Der Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.