Kostenerstattung für eine radiochirurgische Strahlenbehandlung eines Prostatakarzinoms mittels CyberKnife
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
Vorliegen eines Systemversagens
Fehlende positive Empfehlung des GBA
Verpflichtung zur Leistungsbewertung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Kostenerstattung in Höhe von 10.083,53 EUR für eine radiochirurgische Strahlenbehandlung eines Prostatakarzinoms
mittels CyberKnife im Zeitraum vom 26.06. bis 29.06.2012.
Bei dem 1957 geborenen und seinerzeit bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Kläger ist am 30.03.2012 ein Prostatakarzinom
festgestellt worden. Der behandelnde Facharzt für Urologie Dr. X ... hat ihm mit Schreiben unter dem 04.05.2012 eine Bestrahlung
mittels Protonen als optimale Therapieoption empfohlen, weil Folgeerscheinungen der konventionellen Radiatio bzw. der operativen
Verfahren, wie z. B. Stressinkontinenz sowie erektile Dysfunktion signifikant seltener anzutreffen seien. Dies würde sich
auch positiv auf seine Tätigkeit als Gymnasiallehrer, Trainer und Aktiver im Leistungssport auswirken.
Am 18.05.2012 stellte sich der Kläger bei Prof. Dr. Y ... und PD Prof. Dr. Z ... des Europäischen CyberKnife Zentrums W ...
vor. Auf dem Informationsschreiben des Zentrums vom 18.05.2012 war angegeben: "Prostata Ca; Gleason Score 3 + 3 = 6; T2b,
PSH:6; CyberKnife als Alternative zu Standard OP und Radiatio". Ferner wurde darüber informiert, dass die Behandlungsmethode
wegen ihrer Neuheit und Einzigartigkeit in den ärztlichen Leistungsverzeichnissen nicht enthalten sei und die Kostenübernahme
vom Patienten bei seiner Krankenkasse beantragt werden müsse. Die Behandlungskosten würden sich auf 9.500,00 EUR belaufen.
Mit diesem beantragte der Kläger am 21.05.2012 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die CyberKnife-Strahlenbehandlung.
Die Beklagte bat den MDK um eine Einschätzung. Im sozialmedizinischen Gutachten des Facharztes für Strahlentherapie Dr. V
... vom 25.05.2012 teilte dieser mit, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht erfüllt seien.
Die Radiochirurgie als stereotaktische Einzeitbestrahlung sei wegen fehlender Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss
als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einzustufen. Es stünden mit der Photonentherapie, insbesondere der intensitäts-modulierten
Radiotherapie - IMRT, welche u. a. in der Universitätsklinik A ... und im Klinikum St. Georg A ... praktiziert werden würden,
vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Neben der nach urologischen Leitlinien indizierten Prostatektomie
sei als strahlentherapeutische Alternative zur kleinräumigen und schonenden Behandlung die fraktionierte Bestrahlung am Linearbeschleuniger
vorhanden, welche auch im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für vertragsärztliche Leistungen abgebildet sei. Möglich seien
(immer Stadien abhängig) ergänzende sog. Brachytherapie-Verfahren mit Jod-Seeds (St. Georg) oder in HDR-Brachytherapie-Technik
(Uni A ...). Die beantragte Maßnahme sei nicht als zwingend medizinisch notwendig zu erachten, zumal Überlegenheitsstudien
gegenüber den etablierten Verfahren fehlen würden.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.06.2012 den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die CyberKnife-Behandlung
ab.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 08.06.2012 Widerspruch ein. Die CyberKnife- und Protonentherapie habe Vorteile,
nämlich eine schonende minimalinvasive Behandlung ohne starke Nebenwirkungen wie Impotenz und Inkontinenz, keine Narkosebelastung
durch einen operativen Eingriff, keine Notwendigkeit für einen stationärer Aufenthalt und eine Reha-Maßnahme. Eine anschließend
sofortige Arbeitsaufnahme sei möglich. Es bestünden internationale Erfahrungswerte des seit 2002 in Europa für die Behandlung
von Tumoren im gesamten Körper zugelassenen CyberKnife-Systems. Andere gesetzliche Krankenkassen, wie z. B. die AOK Bayern,
würden die Kosten im Wege der Einzelfallentscheidung übernehmen.
Der Kläger ließ in der Zeit vom 26.06. bis 29.06.2012 die Bestrahlung mit dem CyberKnife in W ... durchführen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein Anspruch
auf Kostenerstattung für die CyberKnife-Behandlung bestehe nicht. Es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode,
die nur dann zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden könne, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine Empfehlung über
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens abgegeben habe. Dies sei vorliegend noch nicht geschehen. Außerdem
hätten dem Kläger dem MDK zufolge geeignete strahlentherapeutische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden.
Dagegen hat der Kläger am 18.02.2013 Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Die radiochirurgische
CyberKnife-Therapie würde seit langem erfolgreich bei der Behandlung von Prostatakarzinomen angewandt. Allein in Deutschland
seien seit 2005 über acht Anlagen in Betrieb, in denen die CyberKnife-Behandlung durchgeführt würde. Insbesondere in seinem
Fall sei sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Gesundheitszustandes, des Entwicklungsstandes des Prostatakarzinoms, der
Nebenwirkungen und seines Berufs die effektivste und optimalste Behandlungsform gewesen. Die CyberKnife-Bestrahlung erfolge
mit höherer Präzision als bei der herkömmlichen Strahlenbehandlung. Die Behandlungsdauer sei auch viel kürzer, wodurch sich
auch die Arbeitsunfähigkeit verkürze. Die Standardtherapie einer Operation mit anschließender Radiatio hätte erhebliche Nebenwirkungen
und verursache höhere Kosten.
Der Kläger hat die von den behandelnden Neurochirurgen Prof. Dr. Y ... und PD Prof. Dr. Z ... unter dem 16.07.2012 gestellte
privatärztliche Rechnung über einen chirurgischen Eingriff nach GOÄ A5860 (Faktor 2,3) in Höhe von 9.250,14 EUR vorgelegt, die Erstellung eines Bestrahlungsplanes nach GOÄ A5861 (Faktor 1,0) in Höhe von 157,37 EUR und den Zuschlag Prozessrechner nach GOÄ A5860 (Faktor 1,0) in Höhe von 116,57 EUR, insgesamt 9.524,08 EUR. Außerdem hat er Belege der ihm entstandenen Benzinkosten
für die Fahrt nach W ... und zurück in Höhe von 109,45 EUR und Kosten für 5 Übernachtungen in Höhe von 200 EUR beigefügt.
Darüber hinaus hat der Kläger auf eine Stellungnahme zur Vorlage bei der Krankenkasse von Prof. Dr. Y ... und PD Prof. Dr.
Z ... vom 03.07.2012 verwiesen, in dem diese die Diagnose stellten: Prostatakarzinom Gleason-Score 3+3=6, Tumorstadium T2b,
G2 und wie folgt ausführten: "Bei Herrn G ... ist ein sog. 'low-risk'-Prostatakarzinom diagnostiziert worden, für welches
mehrere Standardtherapien-Verfahren anwendbar gewesen wären. Herr G ... hat sich aufgrund der befürchteten bekannten Komplikationsmöglichkeiten
gegen eine Operation oder herkömmliche Radiatio sowie eine Brachytherapie ausgesprochen, so dass wir aufgrund der günstigen
Konstellation eine CyberKnife-Behandlung in dem typischen internationalen Regime mit vier Sitzungen anbieten konnten. Die
Behandlung hat insgesamt eine Woche veranschlagt und zeigte keine kurzfristigen Nebenwirkungen. Die bis jetzt erhobenen Fünf-Jahres-Daten
nach CyberKnife-Therapie zeigen sehr erfreuliche Tumorkontrollraten mit minimaler Morbidität, so dass auch im Falle von Herrn
G ... ein günstiger Verlauf erwartet wird ..."
Die Beklagte hat nochmals dargelegt, die Radiochirurgie sei dem MDK zufolge als stereotaktische Einzeitbestrahlung wegen fehlender
Bewertung durch den gemeinsamen Bundesausschuss als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einzustufen. Im Übrigen hätte
auch Prof. Dr. Y ... eingeräumt, dass im vorliegenden Fall mehrere Standardtherapien zur Verfügung gestanden hätten.
Das SG hat einen ärztlichen Befundbericht von Dr. X ... vom 26.03.2013 eingeholt, in welchem er u. a. eine Besserung nach Therapie
des Prostatakarzinoms mitgeteilt hat. Er hat einen an ihn gerichteten Arztbrief der Neurochirurgen Prof. Dr. Y ... und PD
Prof. Dr. Z ... vom 03.07.2012 beigelegt, in dem diese berichteten, sie hätten den Kläger ausführlich über die alternativen
Standardtherapien Operation und konventionelle Radiatio sowie Brachytherapie informiert und ihn darauf hingewiesen worden,
dass es sich bei der CyberKnife-Therapie um eine neueres Therapieverfahren handele, für das noch keine Langzeitdaten vorliegen
würden. Es habe ein "low-risk"-Prostatakarzinom vorgelegen.
Das SG hat den Kläger mit Schreiben vom 26.06.2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 10.07.2013, zum Erlass
eines Gerichtsbescheides mit Fristsetzung binnen 2 Monaten angehört. Darauf hat der Kläger mit Schreiben vom 04.09.2013 mitgeteilt,
dass mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid kein Einverständnis bestünde.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Oktober 2013 hat das Sozialgericht Leipzig die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung
bestehe nicht. Die CyberKnife-Therapie zur Behandlung eines Prostatakarzinoms sei eine neue Untersuchungsmethode, für die
keine entsprechende Empfehlung seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliege. Die Beklagte sei auch nicht zur Übernahme
der ärztlichen Behandlungskosten für die CyberKnife-Therapie aus den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
vom 06.12.2005 mit dem AZ: 1 BvR 347/98 verpflichtet gewesen, da ein Sachverhalt mit notstandsähnlichem Charakter hier nicht vorgelegen habe. Bei dem Kläger sei
die Photonentherapie, insbesondere die intensitäts-modulierte Radiotherapie IMRT und die fraktionierte Bestrahlung am Linearbeschleuniger
möglich gewesen. Diese Behandlungen hätten als Sachleistung durch die Beklagte erbracht werden können. Für die medizinisch
alleinige Notwendigkeit der CyberKnife-Therapie könne sich der Kläger weder auf das Schreiben von Herrn Dr. X ... noch auf
das Schreiben von Herrn Prof. Dr. Y ... berufen.
Gegen den dem Kläger am 18.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 15.11.2013 Berufung eingelegt. Er hat die Verletzung
rechtlichen Gehörs gerügt, weil das Gericht, ohne seine Stellungnahme abzuwarten und ohne eine mündliche Verhandlung anzuberaumen,
einen Gerichtsbescheid erlassen habe. Das Gericht habe insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte zumindest
bis zur Höhe der bei üblicher Behandlung anfallenden Behandlungskosten leistungspflichtig sei. Gerade die gewählte Behandlungsmethode
CyberKnife habe auf einer Empfehlung des behandelnden Arztes Dr. X ... beruht. Die CyberKnife-Therapie sei für den Kläger
die einzige Therapiemöglichkeit gewesen ausgerichtet an seiner Person und nach dem diagnostischen und therapeutischen Nutzen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 15.10.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 04.06.2012 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die CyberKnife-Behandlung
in Höhe von 10.083,53 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des SG für zutreffend und nimmt darauf und auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die
beigezogenen Akten des SG und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.10.2013 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 30.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte
ihm diese Behandlung als Sachleistung gewährt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer Leistungsgewährung nicht vorliegen.
Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs wegen der Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid gemäß §
105 Abs.
1 Satz 1
SGG rügt, war eine Zurückverweisung gemäß §
105 Abs.
1 Satz 3 i. V. m. §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG nicht veranlasst. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an
das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine
umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Eine Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art.
103 Abs.
1 GG, Art. 47 Abs. 2 Charta der Grundrechte der EU, Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK)) liegt vor, wenn die Entscheidung auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen die Beteiligten
sich nicht äußern konnten (sog. Überraschungsentscheidung, BVerfG, Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190, juris; vgl. BSG, Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr. 7 Rn. 26, juris), oder wenn das SG seine Pflicht verletzt hat, das Vorbringen der Beteiligten in seine Erwägungen miteinzubeziehen (BVerfG, Urteil vom 08. Juli
1997 - 1 BvR 1621/94 -, BVerfGE 96, 205-217, Rn. 43, juris). Daraus folgt jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage noch die
Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung oder einer sie ersetzenden Anhörung
die endgültige Beweiswürdigung oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe bereits darzulegen.
Geboten ist vielmehr lediglich dann ein Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter
und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen
Prozessverlauf - nicht zu rechnen brauchte (BSG, Urteil vom 16. März 2016 - B 9 V 6/15 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 7, Rn. 26, juris). Dies war vorliegend nicht der Fall, nachdem sich die Beklagte bereits im Widerspruchsbescheid
und in der Klageerwiderung mit den Einwänden des Klägers auseinandergesetzt und das SG die wechselseitigen Argumente der Beteiligten in den tragenden Gründen des Urteils abgewogen hat. Die vom SG eingeräumte Anhörungsfrist von zwei Monaten war angemessen. Für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist ein Zustimmungserfordernis
der Prozessbeteiligten gesetzlich nicht vorgesehen. Umstände, durch die sich das SG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, aufgrund der Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) weiteren Beweis zu erheben, sind nicht ersichtlich. Gegenstand der Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
(§
54 Abs.
1 Satz 1, 1. Alt., Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gerichtet auf die Kostenübernahme einer CyberKnife-Behandlung bei Prostatakarzinom. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten
Kostenerstattungsanspruch ist §
13 Abs.
3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Grundsätzlich erhalten Versicherte die Leistungen der Krankenkassen als Sach- und Dienstleistungen (§
2 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs.
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das
SGB V oder das Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) vorsieht (§
13 Abs.
1 SGB V). Nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse
in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach-
und Dienstleistungsanspruchs nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen
kann (BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, BSGE 105, 170-188, SozR 4-2500 § 36 Nr. 2, SozR 4-2500 § 33 Nr. 28, Rn. 10, juris). Jedoch besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich
nach beiden Tatbeständen des §
13 Abs.
3 S. 1
SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen, d. h., dass die selbst beschaffte Behandlung
zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der
Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 15, juris, m. w. N.). Daran fehlt es in dem zu entscheidenden Fall. Die streitgegenständliche CyberKnife-Bestrahlung
gehört nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg,
Urteil vom 18. Februar 2014 - L 11 KR 1499/13 -, juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2010 - L 4 KR 18/08 -, juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. November 2007 - L 5 KR 24/07 -, juris; BSG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - B 1 KR 92/16 B -, juris, zu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2016, Az: L 11 KR 2174/15 (nicht veröffentl.)).
Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom
Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen
arbeitsunfähig macht (st. Rspr., vgl. z. B. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14, Rn. 10). Unzweifelhaft hat der Kläger an einer Krankheit, einem Prostatakarzinom, gelitten.
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Hieran hat es im Falle des Klägers
gefehlt, denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach
Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet
haben (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, Rn. 15, juris). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V (ambulante Versorgung) vielmehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der
GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, Rn. 15). Durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 i. V. m. §
135 Abs.
1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer
neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch
diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich
festgelegt (st. Rspr.; BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, BSGE 97, 190-203, SozR 4-2500 § 27 Nr 12; juris). Mit anderen Worten: Solange der GBA zur radiochirurgischen Behandlung eines malignen
Prostatakarzinoms mit CyberKnife keine positive Richtlinienempfehlung abgegeben hat, kann nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalls
ein Anspruch darauf bestehen. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis
dahin noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführten Behandlungsmethoden und
ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GBA vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische
bzw. therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu
bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren. Insoweit erfasst die Sperrwirkung des durch
§
135 Abs.
1 S. 1
SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild
systematisch angewandten Methode (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 25, 29, m. w. N., juris). Der in §
92 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 und §
135 Abs.1
SGB V verwendete Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches
Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung
bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 31, juris).
"Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche
Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 15/08 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 16, Rn. 11, juris). Die Gerichte haben - solange das zuständige Beschlussgremium des GBA zu einer
Untersuchungs- oder Behandlungsmethode noch keine Bewertung abgegeben hat - zu prüfen, ob die Methode im Vergleich zu bereits
anerkannten Methoden oder zugelassenen vertragsärztlichen Leistungen so deutliche Unterschiede aufweist, dass eine selbstständige
Bewertung durch den GBA erforderlich ist; der GBA kann dann später dennoch aufgrund seines Sachverstandes dazu kommen, dass
die Unterschiede zu bereits anerkannten oder zugelassenen Verfahren letztlich im Hinblick auf Wirkprinzipien, Anwendungsgebiete,
Risiken, Nutzen und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich sind (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 41, juris). Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode
oder ihres technischen Ablaufs ergeben (BSG, Urteil vom 08. Juli 2015 - B 3 KR 6/14 R -, BSGE 119, 180-190, SozR 4-2500 § 139 Nr. 7, Rn. 22, juris). Die radiochirurgische Strahlenbehandlung des malignen Prostatakarzinoms mittels
der CyberKnife-Technologie ist im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung durch den Kläger (26.06. - 29.06.2012) eine eigenständig
zu bewertende neue Behandlungsmethode gewesen (und ist es heute noch), da sie als extrem hochdosierte kurzzeitige Strahlentherapie
im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) (noch) nicht enthalten ist und eine positive Empfehlung
durch den GBA (noch) fehlt. Durch die im Vergleich zu bereits anerkannten oder zugelassenen vertragsärztlichen Strahlentherapien
unterschiedliche Technologie ist eine selbstständige Bewertung durch den GBA erforderlich. So stellt eine abrechnungsfähige
ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) (z. B. Nrn. 25321, 25323) die
perkutane Strahlentherapie auf Basis der dreidimensionalen (3D-konformalen) Bestrahlungsplanung dar. Sie wird als eine primäre
Therapieoption beim lokal begrenzten Prostatakarzinom aller Risikogruppen unter Ziffer 5.3.2. (Perkutane Strahlentherapie)
Unterziffer 5.18 der Kurzversion der Interdisziplinären Leitlinie der Qualität S 3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie
der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Kurzversion 4.0, Dezember 2016, AWMF-Register-Nummer 043/022OL (http://www.awmf.org/uploads/tx
szleitlinien/043-022OLk S3 Prostatakarzinom 2016-12.pdf) empfohlen. Bei dieser konventionell fraktionierten Strahlentherapie
werden hohe Bestrahlungsdosen fraktioniert appliziert, um den Strahleneffekt auf den Tumor zu maximieren und auf das gesunde
Gewebe zu reduzieren. Die gesamte Strahlendosis wird in der Regel auf 10 bis 40 einzelne Sitzungen einmal täglich über mehrere
Wochen aufgeteilt (https://radioonkologie.charite.de/fuer patienten/fag zu CyberKnife/).
Laut gutachtlicher Stellungnahme von Dr. V ... (MDK) vom 25.05.2012 ist die Bestrahlung mit der intensitätsmodulierten Radiotherapie
(IMRT) vertragsärztlich zugelassen. Die intensitätsmodulierte Radiotherapie (=IMRT) ist eine Weiterentwicklung der dreidimensionalen
konformalen Radiotherapie (3-DCRT). Die IMRT erlaubt im Gegensatz zur 3-DCRT eine Anpassung sowohl der Form als auch der Dosisintensität
der Bestrahlungsfelder an irregulär konfigurierte Zielvolumina. Das Konzept IMRT beruht auf einer speziellen Dosisberechnung
mit Modifikation der Dosisintensität innerhalb des Bestrahlungsfeldes und der Dosisapplikation durch zahlreiche (häufig über
50) übereinander gelagerte Bestrahlungsfelder, die die individuell vorliegende Anatomie und die individuelle vorliegende Konfiguration
des zu bestrahlenden Tumorgebietes berücksichtigt. Bestrahlungs-Planungs-Systeme für die 3-DCRT können zwar Anpassungen der
Therapiefelder erreichen, eine optimale Dosisanpassung ist jedoch nicht möglich. Die IMRT ermöglicht dadurch die Aussparung
von Risikoorganen, die konkav vom Zielvolumen umgeben werden oder sogar innerhalb des Zielvolumens liegen. Durch eine Rückberechnung
der Daten zur Anatomie und des Zielgebietes kann eine Optimierung der Dosisverteilung im Zielgebiet unter optimaler Schonung
des normalen umgebenden Gewebes erreicht werden. Sie wird bei der fraktionierten Strahlenbehandlung eingesetzt, d. h. die
Gesamtbehandlung erfolgt in mehreren Einzelsitzungen (in der Regel 20 bis 40 Sitzungen in der kurativen Krebstherapie) (http://radioonkologie.uniklinikum-leipzig.de/radioonko.site,postext,besondere-therapiekonzepte,a
id,235.html). Im Unterschied zu diesen Strahlenbehandlungen handelt es sich bei dem CyberKnife-System um einen robotergeführtes
radiochirurgisches Verfahren mittels eines Linearbeschleunigers, mit dem hochenergetische Röntgenstrahlen (Photonen) aus unterschiedlichen
Richtungen gebündelt und punktgenau auf einen Tumor gelenkt werden, um das Tumorgewebe zu zerstören. In dem CyberKnife ist
neben der Präzessionsrobotik ein Bildortungssystem und eine Atmungskompensationsautomatik integriert, durch deren Zusammenspiel
die Tumorbewegung vorausberechnet und während der Bestrahlung nachgefahren werden kann, so dass umliegendes gesundes Gewebe
bestmöglich geschont wird (https://radioonkologie.charite.de/leistungen/CyberKnife/technologie/). Dabei handelt es sich um
eine extrem hypofraktionierte stereotaktische Strahlenchirurgie. Es wird mit besonderer Präzision bestrahlt und die Gesamtzahl
der Einzelbestrahlungen auf fünf Sitzungen innerhalb ein bis zwei Wochen reduziert (https://www.uksh.de/171211 pi hypostat
studie update.html). Mit dem Einsatz dieser Bestrahlungsmethode gegen Prostatakarzinome sind im Vergleich zu den herkömmlichen
Methoden andere Risiken denkbar. Unter Ziffer 5.3.2. (Perkutane Strahlentherapie) und Unterziffer 5.22. f. der Interdisziplinären
Leitlinie der Qualität S 3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms (Kurzversion
4.0, Dezember 2016, AWMF-Register-Nummer 043/022OL) wird für die extreme Hypofraktionierung eine unbedingte positive Empfehlung
nicht gegeben. Sie soll nur innerhalb kontrollierter klinischer Studien durchgeführt werden (http://www.awmf.org/uploads/tx
szleitlinien/043-022OLk S3 Prostatakarzinom 2016-12.pdf).
Auch die dem Kläger von seinem Urologen Dr. X ... zumindest schriftlich empfohlene Protonenbestrahlung des Prostatakarzinoms
stellt eine neue nicht abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä dar. Der wesentliche Unterschied zwischen Röntgen- und
Protonenstrahlen besteht darin, dass bei Protonen - anders als bei Röntgen - nicht nur die Richtung, sondern auch die Reichweite
wegen der grundsätzlich verschiedenen physikalischen Eigenschaften von elektromagnetischen Wellen (Röntgen) und beschleunigten
Kernteilchen (Protonen) präzise kontrollierbar ist (https://www.rptc.de/de/protonentherapie/bestrahlung-mit-protonen.html).
Protonen oder andere schwere Ionen geben ihre Strahlenenergie erst dann frei, wenn sie beim Durchdringen des Gewebes abgebremst
werden und eine geringere Geschwindigkeit erreichen. Durch Variierung der Strahlenenergie kann die Tiefe der Dosisverteilung
gesteuert werden (https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/therapieformen/strahlentherapie-bei-krebs.html).
Mit Beschluss vom 20.07.2017 hat der GBA nach §
91 SGB V im Rahmen der Methodenbewertung zur Protonentherapie des Prostatakarzinoms die Beschlussfassung ausgesetzt.
Es liegt schließlich auch kein Ausnahmefall vor, in dem die CyberKnife-Methode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des
GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist. Eine solche Ausnahme regelt mit Wirkung vom 01.01.2012 §
2 Abs.
1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig
vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur
Verfügung steht, auch eine von §
2 Abs.
1 S. 3
SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung
des BVerfG im "Nikolaus"-Beschluss vom 06.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5, juris) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl. zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 16 Rn. 12 ff m. w. N., juris). Ferner ist eine Ausnahme für sog. Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen
Erforschung entziehen (vgl. etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 m. w. N.; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 9, Rn. 30; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 22, Rn. 19 f m. w. N., juris). Gleiches gilt schließlich für den Fall des sog. Systemversagens, d.
h. dann, wenn der GBA dem in §
135 Abs.
1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl.
BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, Rn. 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 47 Rn. 44; vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 53, juris)
Bei dem Prostatakarzinom des Klägers handelte es sich um ein Karzinom im Frühstadium (UICC-Stadium IIA; vgl. https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/09zentren/cccf/pdf/cccf
kkr kodierhilfe prostatakrebs.pdf).
Dabei ist regelmäßig weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare
Erkrankung im Sinne des §
2 Abs.
1a SGB V gegeben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, Rn. 36, juris: Interstitielle Brachytherapie bei einem Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne
Hinweise auf metastatische Absiedlungen). Ein längerer Zeitablauf bei Weiterwachstum des Tumors hätte zwar lebensbedrohlich
werden können. Dem hätte aber mit einer Behandlung aus dem Leistungskatalog der GKV, die dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Wissenschaft entspricht, entgegengewirkt werden können. Die Standardtherapien sind die Prostatektomie, die perkutane
Strahlentherapie oder LDR-/HDR-Brachytherapie bzw. HDR-Brachytherapie (vgl. unter 5.3.1. Nr. 5.12., Seite 24; unter 5.3.2.
Nr. 5.18, Seite 35; unter 5.3.3. Nrn. 5.26, 5.29, Seite 37 der Kurzversion der Interdisziplinären Leitlinie der Qualität S
3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms Kurzversion 4.0, Dezember 2016,
AWMF-Register-Nummer 043/022OL (http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/043-022OLk S3 Prostatakarzinom 2016-12.pdf). Diesbezüglich
ist die Stellungnahme des MDK vom 25.05.2012 für den Senat überzeugend und plausibel, zumal diese - wie oben ausgeführt -
leitlinienkonform ist. Diese Behandlungen hätten als Sachleistung durch die Beklagte erbracht werden können. Behandlungen
mit konventionellen Linearbeschleunigern, die für Hochpräzisionsbestrahlungen eingerichtet sind, werden in vielen Strahlenkliniken
(auch in A ...) angeboten. Auch wenn durch diese Behandlungsform eine mehrmalige Bestrahlung erforderlich gewesen wäre, wäre
dies dem Kläger zumutbar gewesen (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2014 - L 11 KR 1499/13 -, Rn. 34, juris). Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung (vgl. BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) sind daher nicht ersichtlich.
Für die Annahme eines Seltenheitsfalles, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, ist nichts ersichtlich.
Darüber hinaus kann der Kläger einen Erstattungsanspruch für die Kosten der CyberKnife-Behandlung des Prostatakarzinoms auch
nicht auf ein Systemversagen, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, stützen. Für die Beurteilung des Vorliegens eines
Systemversagens ist auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung im Juni 2012 abzustellen, denn es geht um die Erstattung
der durch die Selbstbeschaffung entstandenen Kosten (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 16, juris). Ein Systemversagen unter dem Aspekt, dass der GBA zu der fraglichen Methode noch keine Empfehlung abgegeben
hat und das vorgesehene Anerkennungsverfahren für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trotz Anhaltspunkten für eine
therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen heraus nicht oder nicht rechtzeitig
durchgeführt wurde bzw. eine Aktualisierung der Richtlinien unterblieben ist (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, Rn.17 ff, juris), liegt nicht vor. Es gibt keinen Grundsatz, nach dem alle innovativen Leistungen
zeitnah vom GBA zu bewerten sind; ein solches Erfordernis ergibt sich erst dann, wenn nach der vorhandenen Studienlage hinreichende
Aussicht auf eine positive Bewertung besteht (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 57, juris). Aktuell befasst sich die HYPOSTAT-Studie in Deutschland mit dieser neuen Form der kurzzeitigen hochdosierten
Strahlenchirurgie für die Behandlung von Prostatakarzinomen mithilfe des sogenannten "CyberKnife" (http://www.uksh.de/171211
pi hypostat studie update.html) mit dem primären Ziel der Feststellung die Spättoxizität nach einem Jahr und sekundären Ziel
PSA-Kontrolle, akute Toxizität (https://www.kgu.de/kliniken-institute-zentren/einrichtungen-des-klinikums/kliniken/zentrum-der-
radiologie / strahlentherapie/ /strahlentherapie/forschung/klinische-forschung-studien/aktuelle-studien/hypostat.html). Deren
Ergebnis steht noch nicht fest.
Dass die anderen Behandlungsmethoden aus Sicht des Klägers eventuell nicht optimal sein könnten, bleibt ohne Belang (Landessozialgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2014 - L 11 KR 1499/13 -, Rn. 34, juris). Denn die gesetzlichen Krankenkassen sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was an
Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit überhaupt verfügbar ist. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt,
neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zunächst auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie auf ihre medizinische
Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu prüfen, um die Anwendung
dieser Methoden zu Lasten der Krankenkasse auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, juris).
Soweit andere Krankenkassen aufgrund von Verträgen (entsprechend spezifischer Indikationslisten) mit den jeweiligen Leistungserbringern
ihren Versicherten die CyberKnife-Behandlung anbieten, ist dem Kläger die Teilnahme an diesen Verträgen verwehrt (Engelhard
in: Hauck/Noftz, SGB, 12/17, §
140a SGB V, Rn. 139, juris), da die Krankenkasse, bei der er versichert ist (hier: die Beklagte), selbst einen Vertrag mit dem entsprechenden
Leistungserbringer abgeschlossen haben muss.
Soweit der Kläger einen Anspruch auf die "Sowieso-Kosten", sprich die fiktiven Kosten für eine Leistung der GKV, die ebenfalls
in Frage gekommen wäre, oder die Kosten, die die Krankenkasse erspart hat, geltend macht, ist der Anspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V ausgeschlossen, da die Regelung nur die beim Versicherten konkret entstandenen Kosten erfasst. Sonst würde der Versicherte
nicht so gestellt wie bei unverzüglicher Anerkennung der Leistungspflicht durch die Krankenkasse, sondern besser (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 -, BSGE 79, 125-128, SozR 3-2500 § 13 Nr 11, Rn. 17, juris).
Ferner ist der geltend gemachte Anspruch auf Fahrkostenerstattung nach §
60 Abs.
1 Satz 1
SGB V nicht begründet. Danach übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach §
133 SGB V (Fahrkosten) nur, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig
sind. Beschafft sich ein Versicherter wegen eines Systemversagens die von ihm zu beanspruchende Naturalleistung selbst und
wendet er hierfür Fahrkosten auf, die die Krankenkasse bei Gewährung einer Naturalleistung nach §
60 SGB V zu tragen gehabt hätte, so kann er im Rahmen der Kostenerstattung nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V auch die Erstattung der selbst aufgewendeten notwendigen Fahrkosten geltend machen. Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs
gemäß §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V sind vorliegend aber nicht erfüllt. Der Kläger konnte die selbst beschaffte CyberKnife-Strahlentherapie nicht als Naturalleistung
von der Beklagten verlangen. Dementsprechend kommt auch eine Kostenerstattung für die aufgewendeten Fahrkosten nicht in Betracht
(vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr 14, Rn. 23, juris). Entsprechend sind auch die Hotelkosten nicht zu erstatten (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 5/05 R -, BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 8, jeweils Rn 25 m. w. N., Rn. 29, juris).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
IV.
Gründe, die nach §
160 Abs.
2 SGG eine Zulassung der Revision rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.