PKH-Beschwerde; Beschwerde im PKH-Verfahren; Beschwerdeausschluss; Aufhebung der PKH-Bewilligung; wirksame Aufforderung; Änderung
in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen; PKH; Zustellung; Zustellung an den Prozessbevollmächtigten; PKH-Überprüfungsverfahren
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein mittlerweile abgeschlossenes,
beim Sozialgericht Halle (SG) geführtes Klageverfahren.
Die anwaltlich vertretene Klägerin erhob am 19. März 2008 Klage beim SG und beantragte zugleich, ihr PKH für das Klageverfahren zu bewilligen. Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung
der Bewilligung von Einstiegsgeld für eine am 4. Dezember 2007 aufgenommene selbständige Tätigkeit als Dozentin.
Das SG bewilligte der Klägerin mit Beschluss vom 26. November 2008 für die Zeit ab dem 3. April 2008 PKH ohne Ratenzahlung unter
Beiordnung ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten. Mit Urteil vom 25. Mai 2011 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Berufung blieb erfolglos (Berufungsurteil vom 12. September
2013). In dem Klage- und Berufungsverfahren wurde die Klägerin durchgehend anwaltlich von ihrer Prozessbevollmächtigten vertreten.
Mit einem Schreiben vom 26. November 2013 bat die beim SG zuständige Kammervorsitzende die Klägerin, zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens
aktuelle Nachweise über das Einkommen der letzten sechs Monate zu den Akten zu reichen. Nachdem die Klägerin dem aus Sicht
der Kammervorsitzenden auch nach einem weiteren Aufforderungsschreiben vom 9. Januar 2014 nicht nachgekommen war, setzte die
Kammervorsitzende der Klägerin mit einem Schreiben vom 7. Juli 2014 eine Frist von vier Wochen für die Erledigung verbunden
mit dem Hinweis, die Bewilligung werde gemäß §
124 Nr. 2
Zivilprozessordnung (
ZPO) aufgehoben, wenn die Erklärung nicht abgegeben werde. Dieses Schreiben wurde der Klägerin am 11. Juli 2014 mit Postzustellungsurkunde
zugestellt.
Nachdem hierauf keine Rektion erfolgte, hat das SG mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 den Beschluss vom 26. November 2008 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben
und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach §
124 Abs.
2 Satz 2
ZPO, der gem. §
73a Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung finde, lägen vor. Die Klägerin habe trotz der ausdrücklichen Aufforderung die
angeforderten Einkommensnachweise nur unvollständig und die angeforderten Kontoauszüge überhaupt nicht vorgelegt.
Gegen den ihr am 18. Dezember 2014 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 24. Dezember 2014 Beschwerde eingelegt. Sie
ist der Auffassung, es sei ausreichend, die geforderten Nachweise zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
durch Vorlagen ihrer Steuererklärung und der Einnahmen-Überschussrechnung zu führen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 4. Dezember 2014 über die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichtsakten und das Prozesskostenheft Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und nach §
172 Abs.
1 SGG zulässig. Die Beschwerdeausschlüsse nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 a) und b)
SGG greifen nicht ein. Denn diese erfassen nur Beschwerden gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH und nicht auch Beschwerden
gegen die Aufhebung der Bewilligung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
172 Rdn. 6g mit weiteren Nachweisen).
Im Fall der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht vor.
Als Grundlage für die mit dem angefochten Beschluss des SG vom 4. Dezember 2014 erfolgte Aufhebung kommen nur die über §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren §
124 Nr.
2, 2. Alternative alte Fassung (a.F.) in Verbindung mit §
120 Abs.
4 Satz 2
ZPO a.F. in Betracht. Diese Vorschriften finden jeweils in der bis zum 31. Dezember 2013 gültigen Fassung Anwendung, weil die
Bewilligung von PKH für die Klägerin im Klageverfahren mit Beschluss vom 26. November 2008 vor dem 1. Januar 2014 erfolgte.
Dies ergibt sich aus der Übergangsregelung im §
40 des Gesetzes betreffend der Einführung der
Zivilprozessordnung in der Fassung durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungsrechts vom 31. August 2013 (BGBl. I, S. 3533). Danach kann die Bewilligung von PKH aufgehoben werden, wenn die Partei (der PKH bewilligt worden ist) trotz Aufforderung
des Gerichts keine (oder keine ausreichende) Erklärung nach §
120 Abs.
2 Satz 2
ZPO a.F. darüber abgibt, ob eine Änderung in den für die Bewilligung von PKH maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses
eingetreten ist.
Es kann hier dahinstehen, ob die vom SG ergangenen Aufforderungen an die Klägerin zur Vorlage bestimmter Unterlagen ordnungsgemäße Aufforderungen in diesem Sinne
sind. Jedenfalls wollte das SG die Klägerin in diesem Sinne auffordern und eine andere Rechtsgrundlage dafür, von der Klägerin im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren
Unterlagen zu fordern, bestand nicht. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen ordnungsgemäßen Zustellung, so dass keine
wirksame Aufforderung im Sinne von §
120 Abs.
2 Satz 2
ZPO a.F. vorliegt.
Die Aufforderung, eine Erklärung darüber abzugeben, ob eine Änderung in den für die Bewilligung von PKH maßgeblichen persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisses eingetreten ist, ist regelmäßig mit der Fristsetzung für die Erledigung zu verbinden. Daraus
folgt, dass die Aufforderung gemäß §
329 Abs.
2 Satz 2
ZPO formell zuzustellen ist (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 2. Dezember 2014, 14 Ta 546/14, zitiert nach juris). Weil das
SGG keine eigenen Verfahrensvorschriften für das Prozesskostenhilfeverfahren enthält, findet diese Vorschrift nach §
202 Satz 1
SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren für die Aufforderung an eine Beteiligte, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung
in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten sei, sinngemäße Anwendung.
Nachdem die vorangegangen Schreiben des SG an die Klägerin mit einfachen Brief gesandt worden, erfolgte bezogen auf das Schreiben vom 7. Juli 2014 am 11. Juli 2014
eine Zustellung an die Klägerin mit Postzustellungsurkunde.
Die Zustellung an die Klägerin war aber nicht wirksam. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu ausgeführt: Für das Verlangen
des Gerichts an die Partei, sich im Prozesskostenhilfeverfahren darüber zu erklären, ob eine Änderung in den persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten sei, finde §
172 Abs.
1 Satz 1
ZPO Anwendung, wonach die Zustellung in einem anhängigen Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigen
zu erfolgen habe. Das Prozesskostenhilfeverfahren gehöre zum Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Zustellungserfordernis
an den Prozessbevollmächtigen im Prozesskostenhilfeverfahren gelte über den formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus.
Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wirke sich auf die Pflicht zur Kostentragung und damit auf die wirtschaftliche Grundlage
der Prozessführung aus. Entsprechend bestehe ein Interesse der Partei daran, das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren in den
Händen ihres Prozessbevollmächtigen zusammenzuführen, so dass dieser dadurch in die Lage versetzt werde, die Partei auf dem
laufend zu halten und die notwendigen Schritte zu unternehmen. Diese Interessenlage bleibe nach dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens
bestehen. Die Zustellung der Aufforderung nur an die Partei sei nicht wirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010, XII ZB 38/09, zitiert nach juris).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung im Ergebnis an. Die Herleitung des BGH ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Gesetz,
sie ist aber gut vertretbar. Im Hinblick auf eine möglichst einheitliche Anwendung der Vorschriften über das Prozesskostenhilfeverfahren
in allen Gerichtszweigen erscheint es dem Senat geboten, die Auffassung des BGH auch im sozialgerichtlichen Verfahren als
maßgeblich anzusehen. Sie gewährleistet auch am besten den Schutz der oft nicht rechtkundigen Partei in einer für sie oft
wirtschaftlich sehr bedeutsamen Angelegenheit.
Mangels einer ordnungsgemäßen Zustellung der Aufforderung an die Klägerin, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung in den
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten ist, fehlt es an der Grundlage für eine Aufhebung der PKH-Bewilligung.
Eine Kostenerstattung erfolgt in diesem Beschwerdeverfahren nicht (§
73a SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO entsprechend).
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).