Ernsthaftigkeit der Ausübung des Gewerbes; wirtschaftliche Relevanz; rückwirkende Gewerbeanmeldung; Ermessen hinsichtlich
der Modalitäten der Leistungsgewährung; maßgeblicher tatsächlicher Aufenthalt; gewöhnlicher Aufenthalt; tatsächlicher Aufenthalt;
pflichtgemäßes Ermessen; Zahlungsmodalitäten; Beiladung; Freizügigkeitsrecht; rumänische Staatsangehörige; Gebrauchtwagenhandel;
geringe wirtschaftliche Bedeutung; Aufenthaltsrecht; Ermessensreduzierung auf Null; Ansprucheseinschränkung; Sozialhilfeträger;
EU-Ausländer; selbständige Tätigkeit
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darüber, ob die Antragsteller auf einen Leistungsantrag
vom 25. Januar 2016 hin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben und, falls dies bejaht wird, der
Antragsgegner als die in H. zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gebildete gemeinsame Einrichtung
oder der beigeladene örtliche Träger der Sozialhilfe den Antragstellern vorläufig existenzsichernde Leistungen zu erbringen
hat.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Nach ihrem Vortrag sind sie im Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland
eingereist.
Die 1980 geborene Antragstellerin zu 1) und der 1977 geborene Antragsteller zu 2) sind nicht miteinander verheiratet. Sie
haben ein gemeinsames Kind, die am ... 2005 geborenen Antragstellerin zu 3), die nicht zur Schule geht. Am 15. Oktober 2015
meldeten sie bei der Stadt H., Fachbereich Einwohnerwesen, den Einzug in die O-straße in H. Die Anschrift einer bisherigen
Wohnung ist in der Anmeldebestätigung nicht vermerkt.
Am 22. Oktober 2015 beantragten die Antragsteller die Zahlung von Kindergeld für den Antragsteller zu 3). Die Bewilligung
erfolgte durch Bescheid der Familienkasse Sachsen-Anhalt - Thüringen vom 9. November 2015.
Am 25. Januar 2016 beantragten die Antragsteller die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) durch den Antragsgegner. Nach ihren Angaben in den Antragsformularen waren sie innerhalb der letzten fünf Jahr vor der Antragstellung
nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Antragsteller legten einen Mietvertrag für eine 66 qm große Wohnung in
der O-straße in H. vor. Nach diesem Mietvertrag sind ab dem 15. Oktober 2015 monatliche Zahlungen von 389 EUR Grundmiete,
51 EUR Vorauszahlungen für Betriebskosten und 62 EUR Vorauszahlungen für Heizkosten vereinbart. Die Antragsteller reichten
zwei Quittungen ein, aus denen die Barzahlung von 1.230 EUR mit der Angabe "OF 9 Whg 103 Miet ½ 10/11/12" durch die Antragstellerin
zu 1) am 15. Oktober 2015 und 527 EUR mit der Angabe "O-str. Whg Nr. ..." am 7. Januar 2016 durch den Antragsteller zu 2)
hervorgeht. Auf den Kopien der Quittungen ist durch eine Mitarbeiterin des Antragsgegners vermerkt "wurde n.e.A von Ersparnissen
gezahlt".
Die Antragstellerin zu 1) erklärte, seit dem 14. Oktober 2015 unter der Betriebsstätte O-straße ein Gewerbe mit dem "An- und
Verkauf von gebrauchten Pkw's" zu betreiben. Sie habe von Oktober 2015 bis Januar 2016 folgende Einnahmen erzielt: November
2015 350 EUR, Dezember 2015 700 EUR und Januar 2016 350 EUR. Den Einnahmen stünden folgende Ausgaben gegenüber: November 2015
200 EUR, Dezember 2015 200 EUR und Januar 2016 500 EUR. Mithin ergebe sich ein Gewinn von: November 2015 150 EUR, Dezember
2015 150 EUR und Januar 2016 200 EUR. Für die Angaben zum Bewilligungszeitraum von Februar 2016 bis Juli 2016 wird auf Blatt
32 und 33 der Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen. Nach der Gewerbeanmeldung vom 22. Oktober 2015 hat die Antragstellerin
zu 1) am 14. Oktober 2015 eine Hauptniederlassung des neu gegründeten Gewerbes "An- und Verkauf von gebrauchten Pkw's" unter
der Anschrift O-straße angemeldet. Dieses Gewerbe hat sie ausweislich der Bescheinigung vom 10. Dezember 2015 zu diesem Tag
vollständig wieder abgemeldet. Am 21. Januar 2016 hat sie eine Neuanmeldung des Gewerbes mit dem Beginn am 11. Dezember 2015
vorgenommen, im Übrigen inhaltsgleich mit der Anmeldung vom 22. Oktober 2015.
Die Antragstellerin zu 1) legte einen Vertrag über den Kauf eines Opel Vectra (Erstzulassung 1993) von "M. S., J.-straße ..."
am 16. November 2015 über 200 EUR vor. Sie reichte weiter einen Vertrag über den Verkauf dieses Fahrzeugs am 13. November
2015 zu 350 EUR (korrigiert von 250 EUR) nach Rumänien ein. Das Fahrzeug ist nicht mehr zugelassen. Die letzte Zulassungsbescheinigung
wurde im Jahr 2010 erteilt.
Die Antragstellerin zu 1) legte weiter einen Vertrag über den Kauf eines Renault Twingo von C. T. aus H. am 14. Dezember 2015
über 200 EUR, Erstzulassung "25.03.1987" vor. Sie reichte weiter einen Vertrag über den Verkauf eines Renault Twingo Erstzulassung
"25.03.1997" am 12. Dezember 2015 zu 350 EUR nach "Lapzig" ein. Die vorgelegte Zulassungsbescheinigung wurde im Jahr 2008
erteilt.
Die Antragstellerin zu 1) legte drittens einen Vertrag über den Kauf eines Kia Pregio von S. E. H. aus B. am 21. Januar 2016
über 500 EUR vor. Die Bescheinigung in Kopie hinterlässt hinsichtlich der Adresse des Verkäufers den Eindruck einer nachträglichen
Korrektur. Sie reichte weiter einen Vertrag über den Verkauf des Kia Pregio am 26. Januar 2016 an G. L. aus H. ein. In der
für die Eintragung des Kaufpreises vorgesehenen Spalte befinden sich keine Eintragungen, aber zu den Punkten Ort/Datum die
Angabe "H. 700 EUR" (korrigiert von 500 EUR). Die vorgelegte Zulassungsbescheinigung wurde im Jahr 2008 erteilt.
Nach den vorgelegten Kontoauszügen vom 18. November 2015 bis zum 4. Januar 2016 für das Girokonto mit der Kontonummer ...
bei der C.-bank H. ergeben sich lediglich Sollbuchungen für die Kosten der Kontoführung und Zinsen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen
vom 18. November 2015 bis zum 4. Januar 2016 für das Girokonto mit der Kontonummer ... bei der P-bank M. ergeben sich für
die Zeit vom 31. Dezember 2015 bis zum 18. Januar 2016 Sollbuchungen wegen Barabhebungen über 50 EUR und 150 EUR sowie einer
Telefonrechnung über 59,99 EUR. Am 7. Januar 2016 erfolgte eine Habenbuchung über 190 EUR Kindergeld.
In einem Termin zur Vorsprache am 2. Februar 2016 bei dem Antragsgegner teilte die Antragstellerin über eine Dolmetscherin
mit, sie besitze weder einen Führerschein noch ein Auto. Notwendige Fahrten mit dem KfZ übernehme ihr Bruder. Die Autos kämen
über Bekannte. Sie stelle die Fahrzeuge bei diversen Händlern unter und kümmere sich überwiegend um die Vermittlung.
Auf Abforderung des Antragsgegners vom 3. Februar 2016 legte die Antragstellerin zu 1) weitere Kontoauszüge für ihr Girokonto
bei der Postbank M. vor. Für die Zeit vom 3. bis zum 14. Dezember 2015 ergibt sich eine Sollbuchung wegen einer Telefonrechnung
über 71,99 EUR. Am 4. Dezember 2015 erfolgte eine Habenbuchung über 188 EUR Kindergeld. Für den 4. Februar 2016 ergibt sich
eine Sollbuchung für eine Barabhebung über 150 EUR sowie eine Habenbuchung über 190 EUR Kindergeld. Die Antragstellerin zu
1) erklärte, An- und Abmeldungen für die Fahrzeuge nicht vorlegen zu können, weil diese schon abgemeldet gewesen seien. Die
Fahrzeuge würden mit einem Abschleppwagen oder rotem Kennzeichen abgeholt, blieben aber meistens im Autohaus bis sie verkauft
würden oder für ein bis zwei Tage bei ihr zuhause. Sie arbeite ca. 20 bis 30 Stunden/Woche.
Am 19. Februar 2016 fragte die Antragstellerin wegen der Leistungsgewährung nach und erklärte, sei habe bereits eine Androhung
der Kündigung des Mietvertrags erhalten.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag vom 25. Januar 2016 ab: Die Antragstellerin zu 1) übe
eine selbständige Tätigkeit nicht ernsthaft und in nennenswertem Umfang aus. Zum Teil datierten die Verträge über den Verkauf
vor denjenigen des Kaufs. Zudem sei die Echtheit der vorgelegten Kaufverträge zweifelhaft. Teilweise seien Kaufverträge im
Original inklusive der Durchschrift für den Verkäufer/Käufer vorgelegt worden. Auch habe eine Recherche ergeben, dass Käufer,
die in den Kaufverträgen eingetragen worden seien, das Fahrzeug nie gekauft hätten. Schließlich sei fraglich, wie die Antragstellerin
zu 1) ihrer Tätigkeit vollumfänglich nachgehe, ohne einen Führerschein oder ein Auto zu besitzen. Das Aufenthaltsrecht der
Antragstellerin ergebe sich also allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Sie und ihre Familienangehörigen seien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Gegen den Bescheid vom 22. Februar 2016 legten die Antragsteller am 9. März 2016 Widerspruch ein. Einen konkreten Schwellenwert
erzielten Einkommens, unter welchem nicht mehr von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden könne, gebe es nicht.
Zudem sei im Anschluss an ein Urteil des Bundessozialgerichts (B 14 AS 23/10 R) nicht davon auszugehen, dass es sich um eine völlig untergewichtige und unwirtschaftliche Tätigkeit handele. Der Antragsgegner
wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2016 zurück. Am 5. April 2016 haben die Antragsteller hiergegen
Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben.
Bereits am 17. März 2016 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht Halle beantragt.
Sie haben vorgetragen: Die Antragstellerin zu 1) erziele aus ihrer selbständigen Tätigkeit etwa 170 EUR monatlich. Es sei
zu berücksichtigen, dass sie das Gewerbe erst kurz betreibe.
Die Antragsteller legten die bekannten Kaufverträge, die Gewerbeanmeldung vom 22. Oktober 2015 sowie weitere Kontoauszügen
für das Girokonto bei der P.-bank M. für die Zeit vom 15. bis zum 30. Dezember 2015 vor. Aus diesen ergeben sich Sollbuchungen
wegen einer Barabhebung über 70 EUR und Zinsen/Entgelte.
Das Sozialgericht Halle hat den Antrag mit Beschluss vom 8. April 2016 abgelehnt und zur Begründung auf den Inhalt des Bescheids
vom 22. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. März 2016 verwiesen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 12. April 2016 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 13. April 2016
Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Mit Beschluss vom 25. April 2016 hat das Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt den örtlichen Träger der Sozialhilfe wegen seiner in Betracht kommenden Verpflichtung zur Gewährung existenzsichernder
Leistungen beigeladen.
Die Antragsteller haben zur Beschwerdebegründung vorgetragen: Das Sozialgericht Halle habe sich mit der Antragsbegründung
nicht auseinandergesetzt. Soweit der Antragsgegner von einem Monatseinkommen von 167 EUR ausgehe, sei zu berücksichtigen,
dass das Gewerbe erst seit Oktober 2015 ausgeübt werde.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. April 2016 aufzuheben sowie
den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab dem 17. März 2016 bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts Halle für zutreffend. Die Antragstellerin zu 1) habe kein Freizügigkeitsrecht als
selbständig Erwerbstätige, weil sie einer solchen Tätigkeit nicht nachgehe. Es fehlten Führerschein, eigenes Kraftfahrzeug
und Betriebsstätte. Abgemeldete Kraftfahrzeuge dürften nicht im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt werden. Es sei daher
nicht erklärbar, wie die ange- und verkauften Fahrzeuge transportiert würden. Die Antragstellerin zu 1) verfüge über keine
Deutschkenntnisse. Daher sei unklar, wie sie sich um Aufträge bemühe. Die Kaufverträge seien nicht plausibel.
Die Beigeladene erklärt, ein Antrag auf Leistungen die Antragsteller sei bei ihr nicht gestellt worden.
Die Berichterstatterin hat die Kaufverträge für die Fahrzeuge im Original angefordert und an deren Übersendung erinnert. Eine
Vorlage ist nicht erfolgt.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. April 2016 ist zulässig. Sie ist nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
2b Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung keiner Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den
Betrag von 750 EUR übersteigt, §§
143,
144 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGG. Die Antragsteller begehren die Zahlung existenzsichernder Leistungen ab dem 17. März 2016 auf ihren Antrag vom 25. Januar
2016. Ausgehend von der Rückwirkung dieses Antrags auf den Ersten des Monats (§ 38 Abs. 2 Satz 2 SGB II) und einem sechsmonatigen Regelbewilligungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) ist bei geltend gemachten Bedarfen aus Regelbedarfen und Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Anbetracht der Höhe des
erzielten Einkommens aus laufendem Kindergeld und der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) für die Zeit vom 17. März bis zum
30. Juni 2016 der Betrag von 750 EUR überschritten.
Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Die Beigeladene ist aller Voraussicht nach zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an die Antragsteller verpflichtet.
Verfahrensrechtliche Grundlage für eine Verpflichtung des Antragsgegners oder der Beigeladenen ist in Verfahren des vorläufigen
Rechtschutzes, in denen es - wie hier - nicht um die Geltendmachung einer bereits gewährten, zwischenzeitlich aber aberkannten
Rechtsposition geht, der Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2 und
4 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926,
928,
929 Absatz
1 und
3, die §§
930 bis
932,
938,
939 und
945 Zivilprozessordnung (
ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs (der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache
gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und eines Anordnungsgrunds (der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile).
Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs haben die Antragsteller nur in Bezug auf in Zuständigkeit der Beigeladenen zu erbringende
Leistungen glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn eine Vorausbeurteilung der Hauptsache nach summarischer Prüfung ergibt, dass
das Obsiegen eines Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz stellt aber besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht
mehr zu beseitigen wären. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen daher
auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden.
Vorliegend entscheidet das Gericht nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Als Ergebnis dieser Prüfung
besteht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU und auch kein anderes materielles Aufenthaltsrecht für die Antragsteller, auf die es im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ankäme.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) erfüllen aller Voraussicht nach die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die elfjährige Antragstellerin zu 3) kann über die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) Leistungen nach dem SGB II erhalten, § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
Die Antragsteller sind indes nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt, weil aller Voraussicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift. Nach dieser Vorschrift sind ausgeschlossen vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Darüber hinaus sind im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt Unionsbürger oder Ausländer, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder kein anderes materielles, eine längerfristige
Bleibeperspektive vermittelndes Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 19 ff.; konkretisierend: BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes beziehungsweise
der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem
anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck
der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris, Rn. 23; Urteil vom 25. Januar 2012 - B 14 AS 138/11 R - juris, Rn. 20; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2016 - L 2 AS 37/16 B ER - zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
Als mögliches Aufenthalts- beziehungsweise Freizügigkeitsrecht kommt hier neben dem Recht des Aufenthalts zur Arbeitsuche
die durch die Antragsteller geltend gemachte unionsbürgerrechtliche Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerin zu 1) nach
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern - Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), gegebenenfalls in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU in Betracht.
Von diesem Freizügigkeitsrecht ableiten könnte die Antragstellerin zu 3) ein Freizügigkeitsrecht als Tochter der Antragstellerin
zu 1) in gerader absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt ist, § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 Variante 3 FreizügG/EU. Der Antragsteller zu 2) hingegen ist mit der Antragstellerin zu 1) nicht verheiratet, so dass eine Ableitung seines Freizügigkeitsrechts
von demjenigen der Antragstellerin zu 1) über § 3 Abs. 1 FreizügG/EU von vornherein nicht in Betracht kommt.
Nach dem bisherigen Sachstand dürfte eine unionsbürgerrechtliche Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerin zu 1) gemäß
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU ausscheiden. Es spricht deutlich mehr gegen als für eine selbständige Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 1) im Sinne
dieser Vorschrift.
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt
sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige).
Die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU macht deutlich, dass es nicht allein auf die Berechtigung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ankommt. Vielmehr
muss - abgesehen von den Fällen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU - die selbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werden (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004, Amtsblatt der Europäischen Union L 158, 77). Selbständig ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht im Rahmen
eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt, in eigener
Verantwortung und gegen ein Entgelt, das dem Tätigen vollständig und unmittelbar gezahlt wird, ausgeübt wird (vgl. Gerichtshof
der Europäischen Union (EuGH), Urteil vom 20. November 2001 in der Rechtssache Jany ua - C-268/99 - juris, Rn. 71); vgl. auch zur Abgrenzung der Freizügigkeitsrechte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FreizügG/EU Senatsbeschluss vom 5. April 2016 - L 2 AS 102/16 B ER - zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 5. April 2016 ausgeführt hat, bedeutet eine weite Begriffsbestimmung der Niederlassung
im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG nicht, dass Umstände wie eine fehlende feste Einrichtung oder lediglich "pro forma" angegebene Betriebsstätte unter der Adresse
der Wohnanschrift generell unbeachtlich bei der Bewertung einer Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit sind. Die Frage
der geringen wirtschaftlichen Bedeutung einer Tätigkeit, für die solche Gesichtspunkte Indiz sein können, ist im Rahmen des
Tatbestandsmerkmals der Erwerbstätigkeit zu prüfen.
Ebenso wie bei Arbeitnehmern müssen Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich
als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Diese vom EuGH zur Arbeitnehmereigenschaft aufgestellte Anforderung
wird für das Arbeitsverhältnis ergänzt durch die Weisungsbestimmtheit der vergüteten Tätigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli
1986 in der Rechtsache Lawrie-Blum, - C-66/85 - juris, Rn. 17; Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09 - Slg. 2010, I-931, Rn. 19). Ist der Selbständigkeit die fehlende Weisungsgebundenheit eigen bleibt es dabei, dass sie -
wie auch die Arbeitnehmertätigkeit - ein gewisses Ausmaß an wirtschaftlicher Bedeutung erreichen muss (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris, Rn. 28: "erwerbsorientiert").
Wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken, die Arbeitnehmer und Selbständige mit ihrer Tätigkeit eingehen, muss
es bei der Prüfung der wirtschaftlichen Relevanz der Tätigkeit eines Selbständigen nicht allein auf den Umfang der Einnahmen
ankommen. Zu berücksichtigen sein können auch die von ihm im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit eingegangenen Verpflichtungen
gegenüber anderen. Dabei kann es sich um Risiken handeln, denen sich der selbständig tätige Unionsbürger gegenüber Trägern
öffentlicher Verwaltung aussetzt (z.B. gegenüber den Trägern der Sozialversicherung bei Beschäftigung Dritter), aber auch
um gegenüber Privaten eingegangene Verbindlichkeiten (z.B. bei Leasing eines Firmenfahrzeugs, Anmietung von Geschäftsräumen).
Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass nicht mit jedem Gewerbe die regelhafte Eingehung auf eine gewisse Dauer angelegter
Verpflichtungen verbunden sein muss (vgl. Reisegewerbe).
Je geringer eingegangene wirtschaftliche Risiken sind, desto eher gleicht sich die Selbständigkeit in ihrer Bedeutung für
die Teilnahme des Unionsbürgers am Wirtschaftsleben der Arbeitnehmertätigkeit an. Gerade in Fällen wie den vorliegenden, in
denen aufgrund der konkreten Ausgestaltung der selbständigen Tätigkeit mangels Betriebsausgaben die Betriebseinnahmen nahezu
im Verhältnis 1:1 den Gewinn darstellen, liegt es daher nahe, einen Gewinn in Höhe des vom EuGH für eine nicht nur untergeordnete
und unwesentliche Marktteilnahme als Arbeitnehmer als hinreichend erachtete Vergütung ausreichen zu lassen (vgl. zu einem
Durchschnittslohn von etwa 175 EUR bei Arbeitnehmern: EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 in der Rechtssache Genc - C-14/09 - Slg 2010, I-931). Andererseits kann in diesen Fällen - ebenso wie bei einem Arbeitnehmer - verstärktes Gewicht auf die
Regelmäßigkeit der Ausübung der Tätigkeit zu legen sein. In diesem Sinne kann zum Beispiel die nur gelegentliche Erbringung
handwerklicher Leistungen Anhaltspunkt für eine fehlende wirtschaftliche Relevanz der Tätigkeit sein (vgl. Hailbronner, AuslR,
Kommentar, Stand Einzellieferung April 2013, § 2 FreizügG/EU, Rz. 52).
Nach alledem hält der Senat ein schon nur durch Kauf- und Verkaufsaktivitäten der Antragstellerin zu 1) in den Monaten November
2015 bis Januar 2016 ansatzweise belegbares Engagement in dem von ihr angemeldeten Gewerbe "An- und Verkauf von gebrauchten
Pkw" jedenfalls für nicht hinreichend wirtschaftlich relevant.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der von der Antragstellerin behaupteten Tätigkeit.
Diese Zweifel hat der Antragsgegner im Ablehnungsbescheid vom 22. Februar 2016, im Widerspruchsbescheid vom 29. März 2016
und in den im gerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich gemacht. Sie entspringen den tatsächlichen Angaben der Antragsteller
und den weiteren Besonderheiten der vorgelegten Unterlagen. Auf diese ausführliche Auseinandersetzung mit den konkreten Anhaltspunkten
gegen eine selbständige Tätigkeit der Antragstellerin zu 1) haben sich diese allein auf den Umstand der "ausreichenden Einkommenserzielung"
zurückgezogen.
Der Senat kann nach den vorgelegten Unterlagen schon nicht von der behaupteten "ausreichenden Einkommenserzielung" ausgehen.
Sofern die Antragsteller vortragen, es seien Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 167 EUR belegt, lässt sich die Zahlung
der jeweils erzielten Kaufpreise nicht nachvollziehen. Sie ist im Übrigen bereits im Verwaltungsverfahren nicht schlüssig
dargelegt. Denn in der am 1. Februar 2016 ausgefüllten "abschließenden" EKS sind die Einnahmen mit 350 EUR/700 EUR/350 EUR
(November 2015/Dezember 2015/Januar 2016) angegeben. Eingereicht wurden Kaufverträge, die die Reihenfolge 350 EUR/350 EUR/700
EUR (November 2015/Dezember 2015/Januar 2016) belegen könnten. Angesichts der zeitnahen Einreichung der abschließenden EKS
zum Verkauf im Januar 2016 erscheint eine Verwechslung der erzielten Erlöse nicht nachvollziehbar. Im Übrigen sind in den
Kaufverträgen vom 13. November 2015 und 26. Januar 2016 die - mit den ursprünglichen Kaufpreisen für die Antragstellerin zu
1) identischen - Werte überschrieben. Gründe hierfür sind nicht erkennbar.
Nach dem bisherigen Sachstand erscheint weiter ausgeschlossen, dass die Antragstellerin zu 1) eine wirtschaftlich relevante
Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt einer ernsthaft beabsichtigten Marktteilnahme entfaltet.
Zum einen sind keine Umstände erkennbar, die einen Verkauf von zwei der drei Fahrzeuge vor deren Kauf nachvollziehbar erscheinen
lassen könnten. Im Übrigen deutet auf die mangelnde Ernsthaftigkeit der Ausübung des Gewerbes "An- und Verkauf von gebrauchten
Pkw" die vollständige Abmeldung am 10. Dezember 2015. Für die Zeit nach der rückwirkenden erneuten Anmeldung am 21. Januar
2016 zum 11. Dezember 2015 hat die Antragstellerin keine Geschäftsaktivitäten nachgewiesen. Der Fall liegt insoweit nicht
wesentlich anders derjenige im von den Antragstellern zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2010 zu dem
bereits entschieden worden ist, dass die Registrierung eines Gewerbes allein für eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht ausreicht
(BSG Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R - juris, Rn. 19). Schließlich ist angesichts der mangelnden Sprachkenntnisse der Antragstellerin zu 1) nicht nachvollziehbar,
wie eine Kundenakquise erfolgt sein und in der Zukunft erfolgen soll. Denn selbst wenn die Antragstellerin zu 1) auf Kaufgesuche
im Internet und in der Presse aufmerksam werden könnte, dürfte sich die Geschäftsanbahnung bei einer Kontaktaufnahme im deutschen
Sprachraum schwierig gestalten.
Halten sich die Antragsteller allenfalls zum Zwecke der Arbeitsuche beziehungsweise sogar ohne unionsbürgerrechtliche Freizügigkeitsberechtigung
und ohne anderes materielles, eine längerfristige Bleibeperspektive vermittelndes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik auf,
kommen nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Beigeladene in Betracht.
Zwar haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - SGB XII keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Nach dem bisherigen Sachstand kann aber nicht sicher festgestellt werden, ob die Einreise
der Antragsteller erfolgt ist, um Sozialhilfe zu erlangen, § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 8 SO 9/13 R - juris, Rn. 25; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris, Rn. 38; vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Mai 2016 - L 2 AS 119/16 B ER - nicht veröffentlicht).
Gleichwohl greift für die Antragsteller der Ausschlusstatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB XII. Denn nach dieser Vorschrift sind Ausländerinnen und Ausländer - auch als Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen
Union - ebenso wie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen, wenn sie, wie die Antragsteller, weder über eine Freizügigkeitsberechtigung
nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris, Rn. 38). Daher haben sie keinen (gebundenen) Leistungsanspruch aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege.
Die Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII führt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat nach vorläufiger Prüfung anschließt, indes nicht
zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (vgl. dazu BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - und - B 4 AS 44/15 R, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris).
Nach dieser Vorschrift kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang
ist zunächst zu klären, welche Bedarfe überhaupt in die Leistungsberechnung einzustellen sein können. Sollte die Antragstellerin
zu 1) zwischenzeitlich den Schulbesuch aufgenommen haben, käme neben den Regelbedarfen und den Bedarfen für Unterkunft und
Heizung für alle Antragsteller auch die Berücksichtigung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe gemäß § 34 SGB XII bei der Antragstellerin zu 3) in Betracht.
Hinsichtlich der Leistungsgewährung ist weiter zeitlich zu differenzieren.
Insofern hat die Beigeladene nach Ermittlung der für die Leistungen der Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer maßgeblichen
Bedarfe vorläufig Leistungen für die Zeit vom 15. April bis zum 30. Juni 2016 unter der Beachtung einer Ermessensreduzierung
auf Null hinsichtlich des "Ob" und der Höhe zu erbringen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verdichtet sich in der Regel bei einem - verfestigten - sechsmonatigen Aufenthalt
von EU-Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland das Ermessen des Trägers der Leistungen der Sozialhilfe für Ausländerinnen
und Ausländer auf Null. Der Senat bezieht diese Rechtsprechung auf das "Ob" der Leistungsgewährung und die Höhe der Leistungen.
Aus diesem Grund erfolgte die Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährung von Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer
in gesetzlicher Höhe (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris).
Dagegen dürfte es dem Träger der Leistungen der Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer - im Wege der Ausübung pflichtgemäßen
Ermessens - weiterhin möglich sein, über die Art und Weise der Leistungserbringung zu entscheiden. Daher hat die Beigeladene
in Umsetzung der ihr in diesem Beschluss auferlegten vorläufigen Leistungspflicht nach pflichtgemäßem Ermessen über die Modalitäten
der Leistungsgewährung entscheiden. In diesem Rahmen ist zu erwägen, ob Direktzahlungen für die Bedarfe für die Unterkunft
und Heizung an den Vermieter der Antragsteller vorgenommen werden, was § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zulässt. Weiter kommen bei Anhaltspunkten für eine gesteigerte Mobilität der Ausländerinnen und Ausländer (etwa bei regelmäßigem
Verlassen der Bundesrepublik Deutschland in den Sommermonaten) Bewilligungsentscheidungen für lediglich kurze Monatszeiträume
in Betracht. Ebenso denkbar ist die Vornahme eines Teils der Leistungsgewährung (z.B. Regelbedarf) durch Barauszahlungen in
kürzeren zeitlichen Einheiten als denjenigen eines Monats. Über solche Zahlungsmodalitäten kann die Kontrolle des tatsächlichen
Aufenthalts der Ausländerinnen und Ausländer im Inland sichergestellt werden. Denn ein solcher tatsächlicher Aufenthalt ist
auch für die Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII maßgeblich.
Vor Ablauf des Zeitraums von sechs Monaten besteht eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Höhe der über § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu gewährenden Leistungen nicht.
Die Leistungsgewährung für die Zeit vom 15. Oktober 2015 - dem durch den Abschluss des Mietvertrags und die Anmeldung der
Wohnung bei der Stadt H. bislang ersten belegten Tag des Aufenthalts - bis zum 17. März 2016 ist nicht verfahrensgegenständlich.
Bis zum 14. April 2016, also weitere drei Monate ab dem 15. Januar 2016, steht die Entscheidung der Beigeladenen über die
Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer im Ermessen des Leistungsträgers. Dieses Ermessen
ist weder reduziert, wie es für den ersten bis zum dritten Monat nach dem Beginn des tatsächlichen Aufenthalts wegen der gesetzgeberischen
Wertungsentscheidung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II der Fall ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2016 - L 2 AS 119/16 B ER - nicht veröffentlicht), noch aus verfassungsrechtlichen Gründen regelhaft beschränkt (nach Ablauf des sechsten Monats,
vgl. oben).
Dabei können für den Zeitraum vom 17. März bis zum 14. April 2016 - hier nicht bekannte - Maßnahmen der Ausländerbehörde zu
einer Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland Einfluss auf die Entscheidung haben.
Wären Anhaltspunkte für eine Verfestigung des Aufenthalts auch aufgrund behördlicher Untätigkeit erkennbar, könnte dies zu
einer Annährung der Lage der Antragsteller an die nach Ablauf des sechsten Aufenthaltsmonats zu erbringenden Leistungen der
Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer führen. Andererseits könnte die gesetzgeberische Wertung aus §
1a Abs.
3 Satz 1 in Verbindung mit Abs.
1 Satz 2
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) zu beachten sein. Nach diesen Vorschriften werden nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft
einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt, wenn bei nach § 60a AufenthG Geduldeten ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststeht und die Ausreise aus nicht zu vertretenden Gründen nicht
durchgeführt werden kann. Offenbar hält der Gesetzgeber die Gewährung von Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums
in bestimmten Lebenssituationen für ausreichend (vgl. hierzu auch den Referentenentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz
zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Bearbeitungsstand 28. April 2016).
Auf die Bedarfe der Antragsteller ist bei der Antragstellerin zu 3) das Einkommen aus Kindergeld anzurechnen, § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Wegen des Einkommens der Antragstellerin zu 1) aus einer "Erwerbstätigkeit" geht der Senat davon aus, dass dieses nicht
belegt ist und daher eine Anrechnung als andere Einkünfte im Sinne des § 8 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (juris-Abkürzung: BSHG§76DV) im Rahmen der von der Beigeladenen aufgrund dieses Beschlusses zu treffenden vorläufigen Entscheidung
ausscheidet. Im Übrigen wäre eine Einkommenserzielung im Januar 2016 wegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BSHG§76DV jedenfalls für den
hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum ohne Belang.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.