Vergütung von Rechtsanwälten im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren; Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die isolierte Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren, insbesondere geht es um die Berücksichtigung
einer Erledigungsgebühr.
Die Klägerin ist die Prozessbevollmächtigte des Leistungsempfängers H. J. Sie führt aus abgetretenem Recht den Rechtsstreit
auf höhere Kostenerstattung für die Rechtsanwaltsgebühren. Der am 22. Juni 1968 geborene Herr J. bezog bis zum 31. Dezember
2004 Arbeitslosenhilfe. Danach erhielt er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten bzw. der Agentur für Arbeit H. - SGB II S ... (der Rechtsvorgängerin des Beklagten, solange es eine geteilte Trägerschaft in dem betreffenden Landkreis bis zum 31.
Dezember 2010 gab - künftig einheitlich als der Beklagte bezeichnet). Herr J. genoss freies Wohnrecht bei seinen Eltern, der
Beklagte bewilligte ihm anfänglich Grundsicherungsleistungen ohne Kosten der Unterkunft und ohne Anrechnung von Einkommen.
Am 4. April 2007 stellte er einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Der Beklagte
fragte bei ihm nach, ob er sich an den Stromkosten beteilige. Zunächst bewilligte der Beklagte Herrn J. mit Bescheid vom 18.
April 2007 vorläufig Leistungen nach §
42 SGB I für den Zeitraum 1. Mai 2007 bis 31. Oktober 2007 in Höhe von 317,40 EUR monatlich. Am 20. April 2007 gingen die Angaben
von Herrn J. zu dem Umfang der Hilfebedürftigkeit bei Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bei dem Beklagten ein. Er gab
an, dass er bei seinen Eltern lebe, die Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde und er sich nicht finanziell
an den Stromkosten beteilige. Darüber hinaus kreuzte er an, dass ihm volle Verpflegung zur Verfügung gestellt werde.
Mit Änderungsbescheid vom 26. April 2007 bewilligte der Beklagte Herrn J. für den Zeitraum 1. Mai 2007 bis 31. Oktober 2007
Leistungen nur noch in Höhe von 196,65 EUR monatlich: Er bekomme ab dem 1. Mai 2007 Verpflegung in vollem Umfang frei zur
Verfügung gestellt. Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen würden insoweit aufgehoben. Am gleichen Tag
hörte der Beklagte Herrn J. dazu an, dass ihm für Mai 2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von 120,75 EUR zu Unrecht gezahlt worden
sei. Hierauf teilte Herr J. mit Schreiben vom 30. April 2007 mit, dass ein Missverständnis vorliegen müsse. Er erhalte keine
frei Verpflegung, sondern müsse im Monat 130,00 EUR für Verpflegung bei seinen Eltern bezahlen. Er bezahle auch anteilmäßig
Strom an seine Eltern. Er fügte auch eine Quittung als Nachweis für die Zahlung von 130,00 EUR am 1. Mai 2007 an seine Eltern
bei. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8. Mai 2007 hob der Beklagte die Bewilligung für Herrn J. für Mai 2007 in
Höhe von 120,75 EUR auf. Dies begründete er wie folgt: Der Hilfeempfänger erhalte ab dem 1. Mai 2007 freie Verpflegung von
seinen Eltern und müsse sich nicht an den Stromkosten beteiligen. Er wusste bzw. hätte wissen müssen, dass der ihm zuerkannte
Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erhob
der Kläger persönlich mit zwei gleichlautenden Schreiben, welche an zwei verschiedene Mitarbeiterinnen adressiert sind am
21. Mai 2007, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Er habe mitgeteilt, dass er für die Versorgung und für den Strom
bei seinen Eltern bezahlen müsse und habe erklärt, dass in Bezug auf seine früheren Angaben ein Missverständnis vorliege.
Stromkosten seien zum 1. eines Monats in Höhe von 10,00 EUR fällig. Stromkosten sowie das Verpflegungsgeld in Höhe von 130,00
EUR würden aus finanziellen Gründen an seine Eltern gezahlt. "Ich bitte Sie, dies zu überprüfen und mir ein Ergebnis mitzuteilen."
Am 5. Juni 2007 stellte die Klägerin für Herrn J. einen Antrag auf Überprüfung der Bewilligung im Bescheid vom 18. April 2007,
da dieser nach eigenen Angaben nicht über Einkünfte verfüge. Weiter erhob sie für ihn Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.
Mai 2007 und verwies insoweit auf den bereits früher erhobenen eigenen Widerspruch ihres Mandanten.
Mit Änderungsbescheid vom 2. Juni 2007 änderte der Beklagte die Bewilligung vom 27. April 2007 ab, da die Regelleistung ab
dem 1. Juli 2007 erhöht wurde. Nunmehr bewilligte er Herrn J. Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Oktober
2007 in Höhe von 198,65 EUR monatlich.
Mit Änderungsbescheid vom 15. Juni 2007 bewilligte der Beklagte Herrn J. Leistungen vom 1. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2007
in Höhe von 317,40 EUR monatlich (wie bei der vorläufigen Bewilligung vom 18. April 2007) und für die Zeit vom 1. Juli 2007
bis zum 31. Oktober 2007 in Höhe von 319,40 EUR monatlich. Die Bescheide vom 27. April 2007 und vom 8. Mai 2007 würden aufgehoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Datum wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Die im Widerspruchsverfahren
entstandenen notwendigen Aufwendungen würden auf Antrag erstattet und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten werde als notwendig
anerkannt. Zur Begründung führte er aus: Die Regelleistung reduziere sich um die anteiligen Stromkosten, welche mit 8% in
der Regelleistung enthalten seien. Stromkosten habe der Leistungsempfänger nicht zu zahlen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2007
leitete die Klägerin den Widerspruchs- und den Änderungsbescheid vom 15. Juni 2007 an Herrn J. weiter. Dabei wies sie darauf
hin, dass der Beklagte dem Widerspruch nur teilweise stattgegeben habe und als Einkommen weiterhin die Stromkosten angerechnet
würden. Außerdem bat die Klägerin ihren Mandanten um Rücksprache. Die Klägerin reichte unter Bezugnahme auf das Kostenanerkenntnis
des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007 am 3. Juli 2007 eine Gebührenrechnung bei dem Beklagten ein. Diese
stellt sich wie folgt dar:
Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten
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§ 14, Nr. 2400 VV RVG
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240,00 EUR
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Erledigungsgebühr, sozialrechtliche Angelegenheiten
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§ 14, Nr. 1005, 1002 VV RVG
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280,00 EUR
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Zwischensumme der Gebührenpositionen
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520,00 EUR
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Pauschale für Post und Telekommunikation
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Nr. 7002 VV RVG
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20,00 EUR
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Zwischensummen netto
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540,00 EUR
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19% Mehrwertsteuer
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Nr. 7008 VV RVG
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102,60 EUR
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Gesamtbetrag
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642,60 EUR
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Mit Bescheid vom 7. September 2007 setzte der Beklagte die Kosten für das Widerspruchsverfahren auf 309,40 EUR fest. Eine
Erstattung der Erledigungsgebühr müsse zurückgewiesen werden. Erledigungsgebühren könnten nur in Ansatz gebracht werden, wenn
eine qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts vorliege. Es solle eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwaltes abgegolten
werden. Sie setze voraus, dass der Rechtsanwalt an der Erledigung durch eine Tätigkeit in einem Umfang mitgewirkt habe, die
über das hinausgehe, was von ihm allgemein im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten sei und durch die bis dahin entstandene
Gebühr nicht als abgegolten angesehen werden könne. Hierfür reiche die Begründung des Widerspruches ebenso wenig aus wie der
Umstand einer auf die Widerspruchserhebung folgenden Bescheidkorrektur.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin für Herrn J. Widerspruch ein: Führe man sich den Widerspruchsbescheid und den
zeitgleich erlassenen Änderungsbescheid vor Augen, werde deutlich, dass man gegen dieses Bescheide weiter hätte vorgehen können,
vornehmlich unter Berücksichtigung, dass eine Einkommensanrechnung von 27,60 EUR monatlich erfolgte, ohne dass dies nachvollziehbar
sei. Nach Rücksprache mit der Mandantschaft und ausführlicher Erörterung sollte dies jedoch nicht erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid
vom 25. September 2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte er aus, die Tätigkeit des
Anwaltes müsse auf die Erledigung des Rechtsbehelfsverfahrens ohne streitige Entscheidung gerichtet sein. Diese Voraussetzungen
seien hier nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Oktober 2007 Klage vor dem Sozialgericht Halle (künftig: SG) erhoben. Sie hat mitgeteilt, dass sie im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtsanwaltsgebühren im eigenen Namen geltend mache,
weil der Leistungsempfänger Herr J. seine Erstattungsansprüche hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren mit Abtretungserklärung
vom 11. Oktober 2007 auf sie übertragen habe. Der Kläger habe zwei Begehren verfolgt, zum einen habe er sich gegen die Anrechnung
von Einkommen in Höhe von 27,60 EUR im Bescheid vom 18. April 2007 wehren wollen, zum anderen gegen die Rückzahlung eines
Betrages von 120,75 EUR. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007 habe der Beklagte die Anrechnung des Betrages von
27,60 EUR beibehalten und nur die weitergehende Forderung fallen gelassen. Gleichwohl habe er die notwendigen Aufwendungen
vollständig anerkannt. Die Mitwirkung zur Erledigung habe darin bestanden, dass nach Rücksprache mit dem Mandanten eine Erörterung
durchgeführt und die Entscheidung getroffen worden sei, auf weitere Rechtsmittel - vornehmlich die Klageerhebung - zu verzichten.
Es müsse der Schutzzweck der Norm bedacht werden, nämlich dem Bemühen Rechnung zu tragen, ein Verfahren außergerichtlich zu
erledigen und die Gerichte zu entlasten. Die Entscheidung, keine Klage einzureichen, sei im persönlichen Gespräch mit dem
Mandanten in den Büroräumlichkeiten getroffen worden.
Das SG hat der Klage nach Vernehmung des Zeugen H. J. mit Urteil vom 14. Dezember 2010 stattgegeben und den Beklagten verurteilt,
an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 333,20 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Berufung hat das SG zugelassen. Dieses Urteil hat es wie folgt begründet: Die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr seien gegeben. Hinsichtlich
des Widerspruchsverfahrens bei dem Beklagten sei eine teilweise Erledigung einer Rechtssache gegeben, da der Beklagte dem
Widerspruch des Zeugen H. J. durch den Änderungsbescheid nur teilweise abgeholfen habe. Eine qualifizierte Mitwirkung bei
der Erledigung der Rechtssache sei durch die Einwirkung der Klägerin auf den Zeugen H. J. im Rahmen der persönlichen Besprechung
erfolgt, welche nach Erlass des Widerspruchsbescheides und innerhalb der Klagefrist stattgefunden habe. Durch das Überzeugen
des Mandanten vom Absehen von der Klageerhebung, dem nachfolgenden Verstreichenlassen der Klagefrist sowie dem tatsächlichen
Nichterheben einer Klage wurde eine gerichtliche Streitentscheidung vermieden. Damit habe die Klägerin durch ihre Mitwirkung
tatsächlich das zuständige Gericht entlastet, was der Gesetzgeber mit der Kodifizierung der Erledigungsgebühr beabsichtigt
habe. Die Berufungszulassung sei notwendig, weil es noch keine gefestigte Rechtsprechung dazu gebe, ob eine Mitwirkung im
Sinne des Nr. 1002 VV RVG auch in dem Zeitraum nach Erlass eines Widerspruchsbescheides, bis zum Verstreichen der Klagefrist, möglich sei, bzw. wie
diese gegebenenfalls erfolgen müsse.
Gegen dieses ihm am 29. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Januar 2011 Berufung eingelegt und wie folgt
begründet: Eine Tätigkeit der Rechtsanwältin über das normale Maß hinaus liege nicht vor. Es sei selbstverständlich, dass
der Abschluss eines Widerspruchsverfahrens zu überprüfen sei und gegebenenfalls dem Widerspruchsführer zu erklären. Diese
Tätigkeit sei von der Geschäftsgebühr im Widerspruchsverfahren umfasst. Das streitige Verfahren habe sich vorliegend nicht
durch die Beratung erledigt, denn es habe ein Widerspruchsbescheid erlassen werden müssen. Es sei festzustellen, dass er für
das Widerspruchsverfahren keine weiteren Kosten zu erstatten habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Argumentation des Beklagten, dass eine Erledigungsgebühr deshalb
nicht angefallen sei, da ein Widerspruchsbescheid erlassen worden sei, könne nicht gefolgt werden. Die gesetzliche Regelung
schreibe vor, dass der Beklagte einen Widerspruchsbescheid zu erlassen habe. Dies habe nichts mit der Entstehung der anwaltlichen
Gebühren zu tun und schon gar nicht sei es ein Argument gegen den Anfall der Erledigungsgebühr.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen,
dass problematisch sein könnte, ob es überhaupt ein Widerspruchsverfahren für die Gewährung von höheren Leistungen gegeben
habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Diese haben vorgelegen
und sind vom Senat bei der Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die vom SG zugelassene Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25. September 2007 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Kostenerstattung.
Es handelt sich um eine Anfechtungs- und Leistungsklage gem. §
54 Abs.
1 und 4
SGG, in welcher die Klägerin aus abgetretenem Recht höhere Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren festgesetzt haben möchte.
Dem zusätzlich angekündigten Begehren, festzustellen, dass keine weiteren Kosten zu tragen sind, kommt keine eigenständige
Bedeutung zu. Er wiederholt das mit dem Antrag der Klageabweisung verfolgte Klageziel nur mit anderen Worten und ist unbeachtlich.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung höherer Rechtsanwaltsgebühren im Widerspruchsverfahren gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die von dem Beklagten gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 HS 1 SGB X getroffene Kostenentscheidung, wonach Herr J. nur einen Anspruch auf eine Kostenerstattung in Höhe von 309,40 EUR hat, ist
rechtmäßig. Ein höherer Kostenerstattungsanspruch besteht nicht.
Zutreffend hat der Beklagte die Geschäftsgebühr und die Pauschale für Post- und Telekommunikation nebst Mehrwertsteuer angesetzt.
Herr J., bzw. seine Rechtsnachfolgerin kraft Abtretung, hat gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 HS 1 SGB X keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen auf der Grundlage der Erledigungsgebühr gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Nr. 1005 und 1002 VV RVG. Die Höhe der Vergütung für die anwaltliche Tätigkeit bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu dem RVG. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG kommt bei einer Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren
entstehen in Betracht. Hierzu zählt der Anspruch von Herrn J. auf höhere Leistungen nach dem SGB II. Bei den "Allgemeinen Gebühren" ist unter der Nr. 1002 RVG VV, die über Nr. 1005 RVG VV auch für das sozialgerichtliche Verfahren gilt, geregelt, dass eine Erledigungsgebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache
ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche
Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten
Verwaltungsaktes erledigt. Die Voraussetzungen für eine Erledigungsgebühr liegen nicht vor. Gefordert wird eine qualifizierte
erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwaltes, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen
Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (ständige Rechtsprechung
des BSG zuletzt BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R -; Urteil vom 9. Dezember 2010 - B 13 R 63/09 R - mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris). Gefordert wird damit eine Anfechtung eines Verwaltungsaktes mit Rechtsbehelf,
eine Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes, eine Erledigung der Rechtssache und eine besondere anwaltliche Mitwirkung
hieran, welche kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein muss (vgl. Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., VV 1002 Rn. 11 ff.). Es soll das besondere Bemühen des Rechtsanwaltes honoriert werden, eine streitige Entscheidung
zu vermeiden. Eine Rechtssache hat sich in diesem Sinne insgesamt oder teilweise erledigt, wenn es bezüglich sämtlicher oder
eines Teils der Streitgegenstände einer streitigen Entscheidung nicht mehr bedarf (Curkovic in Bischof, RVG, 5. Aufl., Nr. 1002 VV Rn. 6).
Fraglich hingegen ist, ob die qualifizierte Mitwirkungshandlung - hier die eingehende Beratung, von einer Klage abzusehen
- auch noch nach Erlass eines Widerspruchsbescheides erfolgen kann.
Es wird - so auch vom SG mit ausführlicher Darstellung - vereinzelt vertreten, dass die Erledigungsgebühr nicht eng verstanden werden dürfe. Eine
Erledigung der Rechtssache i. S. der Nr. 1002 RVG VV sei umfassend zu verstehen und diese auch dann anzunehmen, wenn es nicht zur Klageerhebung gekommen ist (so ausdrücklich
für einen Einzelfall: LSG NRW, Urteil vom 14. Januar 2009 - L 11 KA 23/07 - Rn. 32- zitiert nach juris). Auch eine solche Einwirkung werde dem Sinn und Zweck einer Erledigungsgebühr, eine streitvermeidende
und gerichtsentlastende Handlungsweise des Rechtsanwaltes zu honorieren, gerecht. Der Wortlaut der betreffenden Erläuterung
zu Nr. 1002 schließe dies nicht aus, wenn es dort umfassend heißt "wenn sich eine Rechtssache (...) erledigt".
Dem ist nicht zu folgen. Die Erledigung muss sich auf das konkrete Verfahren - hier also das Widerspruchsverfahren beziehen.
Die qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwaltes muss ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Widerspruchsverfahrens
ohne den Erlass eines Widerspruchsbescheides sein. Die von der Klägerin dargestellte Mitwirkungshandlung, die Einwirkung auf
Herrn J., keine Klage vor dem SG zu erheben und den Widerspruchsbescheid bestandskräftig werden zu lassen, erfolgte erst nach der Erledigung des Vorverfahrens
durch den Erlass des Widerspruchsbescheides. Hierdurch konnte eine Widerspruchsentscheidung nicht mehr vermieden werden. Insofern
kann eine Einwirkung nach einer Teilabhilfe, das Verfahren nicht fortzuführen, nur solange auf die Erledigung des Widerspruchsverfahrens
gerichtet sein, solange nicht schon eine streitige Widerspruchsentscheidung durch die Behörde getroffen wurde. Es mag zwar
zutreffen, dass der Wortlaut ein umfassenderes Verständnis zulässt und die systematische Stellung als allgemeine "vor die
Klammer" gezogene Regelung hierfür sprechen könnte, letztlich kann eine Erledigungsgebühr aber nur entweder im Widerspruchsverfahren
oder im Klageverfahren anfallen, nicht dagegen in dem Zeitraum dazwischen. Über § 63 SGB X werden nur die Kosten im Vorverfahren übernommen. Das Vorverfahren endet mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides. Die Erledigungsgebühr
soll privilegieren, dass es keiner Verwaltungs- bzw. Widerspruchentscheidung mehr bedarf. Der Beklagte muss nicht die Kosten
übernehmen, die entstehen, weil sich der Empfänger des Widerspruchsbescheides darüber beraten lässt, ob er in das Klageverfahren
geht oder nicht. Entscheidet sich der Mandant für ein Klageverfahren dürfte die Beratung in der Verfahrensgebühr für das Klageverfahren
enthalten sein, entscheidet er sich dagegen, kommt eine besondere Beratungsgebühr in Betracht.
Besteht kein höherer Anspruch der Klägerin bedarf es keiner weiteren Prüfung der Voraussetzungen des Vergütungsanspruches,
da jedenfalls eine "Verböserung" nicht in Betracht kommt.
Es handelt sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gem. §
197a SGG. Denn die Kostenprivilegierung nach §
183 SGG greift für die Klägerin nicht. Sie ist keine Versicherte oder Leistungsempfängerin. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach auch
die Klage eines Rechtsnachfolgers aus dem abgetretenen Recht eines Leistungsempfängers unter §
183 SGG fällt, besteht nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 62/12 R - zitiert nach juris).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. §
160 Abs.
2 SGG bestehen nicht. Allein die im Ergebnis gegenteilige Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen in einem anders gelagerten Einzelfall
(uneindeutige Verwaltungsentscheidung) begründet noch keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sich das Ergebnis aus §
63 SGG ableiten lässt. Es ist nicht erkennbar, dass die Einbeziehung von Mitwirkungshandlungen des Rechtsanwaltes nach Erlass des
Widerspruchsbescheides für eine Erledigungsgebühr diskutiert wird und es einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.
Die Streitwertfestsetzung folgt auch §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert beträgt nach dem Antrag der Klägerin 333,20 EUR.