Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung; Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes;
Verschlossenheit des Arbeitsmarktes durch Pausenregelungen; Nutzung von Verkehrsmitteln zur Kompensation eines eingeschränkten
Gehvermögens
Tatbestand:
Der am ... 1956 geborene Kläger war seit 1976 in seinem erlernten Beruf als Facharbeiter für BMSR-Technik - mit der späteren
Qualifikation als Meister in der Fachrichtung Elektrotechnik - versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 30. Juni 2009 bezog
er Übergangsgeld und nachfolgend Krankengeld bis zum 10. Juni 2010.
Der Kläger beantragte am 9. Oktober 2009 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog
zunächst die Unterlagen aus den vorausgegangenen Rehabilitationsverfahren bei. Nach dem Entlassungsbericht des S.-Klinikums
B. K. vom 2. Juli 2008 über die dort vom 13. Mai bis zum 10. Juni 2008 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme bestanden
als Diagnosen:
PaVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) Stadium II b bds., rechts) links, retrograde Desobliteration der A. iliaca
ext., TEA und Patch der A. fem. comm. Re.
Arterielle Hypertonie.
ACI-Stenose links.
Übergewicht.
Chronischer Nikotinabusus.
Im Ergebnis der Rehabilitation habe die absolute Gehstrecke des Klägers etwas mehr als 200 m betragen. Danach sei es zu krampfartigen
Schmerzen in der linken Wade gekommen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wären mittelschwere Arbeiten über sechs und mehr Stunden
täglich ohne längere Gehstrecken zumutbar.
Dem Entlassungsbericht der S.-klinik B. L. vom 14. August 2009 über die in dieser Einrichtung vom 30. Juni bis zum 4. August
2009 durchgeführte stationäre Rehabilitationskur sind als Diagnosen zu entnehmen:
Hirninfarkt 24. Mai 2009 mit initialer Hemihypästhesie links, aktuell ohne fokal neurologisches Defizit.
Leichte kognitive Störung.
Benigne essentielle Hypertonie, ohne Angabe einer hypertensiven Krise.
Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Schädlicher Gebrauch.
PaVK II b links, rechts Z.n. Beckenarterien TEA, Femoralisgabel-TEA und Patch 04/08.
Die Therapeuten hätten über eine deutliche Leistungssteigerung im Bereich der allgemeinen Kondition berichtet, die "Claudicationsstrecke"
habe um 80 m ausgebaut werden können. Die Wegefähigkeit des Klägers sei im entsprechenden Zeitrahmen gegeben. Bei Vermittlung
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ohne Akkord, erhöhte Anforderungen
an die Aufmerksamkeit und ohne Nachtschichten - auch vollschichtig möglich. Auf Grund der PaVK seien Tätigkeiten mit überwiegend
gehenden Tätigkeitsmerkmalen nicht zu empfehlen.
Auf den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag holte die Beklagte einen Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin
Dipl.-Med. B. vom 24. Oktober 2009 ein. Es bestehe ein Zustand nach Bypass-Operation am rechten Bein und nach Hirninfarkt
mit Hirnleistungsminderung und Psychotrauma. Seit August 2009 sei eine Befundbesserung eingetreten.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 30. Oktober 2009 ab. Sie gewährte dem Kläger auf seinen
Widerspruch mit Bescheid vom 17. Juni 2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Mai 2008
(ausgehend von dem Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation am 28. April 2008) auf Dauer.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte das Gutachten von der Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie/Geriatrie
Dr. B. vom 20. Mai 2010 ein, das auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers 12. Mai 2010 erstattet wurde.
Dieser habe angegeben, nach ca. 150 m habe er Schmerzen im linken Bein. Der Kläger befinde sich in einem guten Allgemeinzustand
und adipösen Ernährungszustand. Als Diagnosen lägen bei dem Kläger vor:
Leichte kognitive Störung nach Apoplex.
Arterielle Hypertonie.
Athereosklerose der A. carotis links.
PaVK bds.
Z.n. Bizepsruptur links mit bewegungsabhängiger leichter Funktionseinschränkung.
Nikotinabusus.
Bei einer durchschnittlichen intellektuellen Befähigung bestünden leichte kognitive Leistungsstörungen im Sinne einer erworbenen
Beeinträchtigung. Hinweise auf eine Depression hätten sich nicht ergeben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger
leichte bis mittelschwere Tätigkeiten - ohne erhöhte Anforderungen an die (Dauer-)Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, erhöhte
Unfallgefahr und Nachtschichten - vollschichtig verrichten. Tätigkeiten mit längeren Gehstrecken oder mit Temperaturschwankungen
bzw. Kälte seien nicht zu empfehlen. Der Kläger sei im Besitz einer Fahrerlaubnis. Er könne nicht viermal täglich eine Wegstrecke
von mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zurücklegen.
Die Beklagte wies den Widerspruch, soweit sie diesem nicht abgeholfen hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2010
als unbegründet zurück. Der Kläger verfüge über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere
Arbeiten überwiegend im Sitzen - ohne besondere bzw. Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und die Merkkraft, ohne Arbeiten
im Akkord, unter Zeitdruck, mit häufigem Bücken und Hocken, Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Gefährdung durch Kälte und
Nässe oder Absturzgefahr - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Leistungsfähigkeit sei weder
durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch durch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung beeinträchtigt.
Mit seiner am 6. September 2010 bei dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Sein
Leistungsvermögen sei aus gesundheitlichen Gründen auf unter drei Stunden täglich herabgesunken. Zumindest könne er nicht
mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Er sei wegeunfähig im sozialmedizinischen
Sinne. Aus gesundheitlichen Gründen könne er keine längeren Strecken über mehrere Kilometer mehr fahren. Es sei auch fraglich,
ob er viermal täglich einen Pkw führen und einen Parkplatz in einer zumutbaren Zeit erreichen könne.
Das Sozialgericht hat durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Nach dem Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 18. Dezember
2010 sind seit Mai 2010 keine wesentlichen Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten. Der Kläger habe am
3. August 2010 bekundet, es gehe ihm gut; die Therapie verlaufe gut und das Befinden sei unverändert.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2011 abgewiesen. Der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert, da
er trotz herabgesetzter Leistungsfähigkeit in der Lage sei, noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen erwerbstätig zu sein. Der Kläger könne zwar nach dem Gutachten
von Dr. B. vom 20. Mai 2010 nicht mehr viermal täglich 500 m in 20 Minuten zurückzulegen. Diese Einschätzung sei indes nicht
nachvollziehbar, da in dem Befundbericht des Hausarztes vom 18. Dezember 2010 Hinweise auf eine eingeschränkte Gehfähigkeit
fehlten und Dr. B. ihrer Beurteilung allein die Angaben des Klägers zugrunde gelegt habe. Es sei nach dem Ergebnis der zweiten
Rehabilitationsmaßnahme davon auszugehen, dass bei dem Kläger zwar eine verkürzte Gehstrecke von ca. 200 m vorliege, er jedoch
nach einer kurzen Pause (zwei Minuten) weitergehen und insgesamt viermal (täglich) 500 m in 20 Minuten zurücklegen könne.
Im Übrigen könne der Kläger seine eingeschränkte Wegefähigkeit durch die Benutzung des eigenen Pkw kompensieren.
Der Kläger hat gegen das ihm am 29. September 2011 zugestellte Urteil am 26. Oktober 2011 Berufung bei dem Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt.
Der Senat hat sodann folgende Ermittlungen durchgeführt: Von der Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. U. ist der Befundbericht
vom 23. Juli 2012 eingeholt worden. Diese hat im Wesentlichen auf die beigefügten Ergebnisse der Farbdoppler-Echokardiographie
im Juni 2012 und der Farbduplexuntersuchung von Oktober 2011, Bl. 163 und 165 Bd. I der Gerichtsakten, verwiesen. Dipl.-Med.
B. hat in seinem Befundbericht vom 11. September 2012 eine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers
verneint; neue Leiden seien nicht hinzugekommen.
Der Senat hat schließlich das Gutachten von Dr. F., Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am H.-klinikum D. C. E. in Q.,
vom 6. Juni 2013 eingeholt. Das Gutachten ist auf der Grundlage der Untersuchung des Klägers am 3. Mai 2013 erstattet worden.
Bei dem Kläger lägen aus internistischer Sicht folgende Diagnosen vor:
PaVK im Stadium II b nach Fontaine bds. mit Z.n. TEA und Patch-Operation 4/2008, Nachweis eines AFS-Verschlusses links bei
regelrechter Bypassfunktion rechts.
Z.n. linksseitigem Apoplex 2009 mit leichten kognitiven Störungen.
Allgemeine Angiosklerose mit höhergradiger Stenose der ACI links und mittelgradiger Stenosierung rechts.
Arterielle Hypertonie im Stadium I-II nach WHO.
Adipositas.
Nikotinabusus.
Diätisch geführter Diabetes mellitus.
Sehnenabriss der linken Schulter.
Im Rahmen der Diagnostik habe echokardiologisch eine gute linksventrikuläre Funktion bei konzentrischer Wandhypertrophie nachgewiesen
werden können. Die Belastungssituation mit einem Abbruch der Fahrradergometrie auf Grund eines auftretenden Schwindels bei
50 Watt entspreche normalem Gehen in der Ebene bzw. Schreibtischarbeiten, Pförtnertätigkeiten oder einer leichten Hausarbeit.
Es sei von einer nicht optimal eingestellten arteriellen Hypertonie und einer höhergradigen Stenose der ACI links sowie mittelgradigen
Stenosen rechts auszugehen. Insbesondere im Hinblick auf den Zustand nach Apoplex 2009 sei eine weiterführende Diagnostik
empfohlen worden, die der Kläger bisher abgelehnt habe. Im Rahmen der Angiosklerose der unteren Extremitäten sei eine regelrechte
Bypassfunktion rechts nachweisbar. Links bestehe ein AFS-Verschluss. Die insoweit empfohlene Diagnostik in Form einer Angiografie
habe der Kläger abgelehnt. Im Rahmen der PaVK sei eine Einschränkung der Gehstrecke gegeben. Der Kläger habe ab 50 m Wegstrecke
insbesondere Schmerzen in der linken Wade und nach ca. 150 m die Notwendigkeit einer Pause angegeben. Es gebe indes Tätigkeiten
ohne Laufwege. Die von ihm erhobenen Befunde ließen Berufe wie Telefonist, Pförtner oder Computertätigkeiten als möglich erscheinen.
Abgesehen hiervon sei auch von einer Befundbesserung auszugehen, wenn der Kläger sich weiteren diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen unterziehe. Er könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen (z.B. leichte Sortier-
oder Büroarbeiten) sechs Stunden täglich verrichen. Zu vermeiden seien Arbeiten im Akkord, unter Zeitdruck, mit häufigem Bücken
und Hocken, in der Höhe oder mit Gefährdung durch Kälte und Nässe. Die volle Gebrauchsfähigkeit seiner Hände sei erhalten.
Auf Grund der leichten kognitiven Defizite auf Grund des Schlaganfalls sollten nur einfache Anforderungen an Konzentrationsvermögen,
Aufmerksamkeit und Merkkraft gestellt werden. Er sei in der Lage, sich innerhalb von drei Monaten auf eine einfache Tätigkeit
umzustellen. Außer einer viertelstündigen und einer halbstündigen Pause seien unter Berücksichtigung der Einschränkungen keine
weiteren Pausen nötig. Dem Kläger sei eine Wegstrecke von ca. 150 m zumutbar; dann müsse er eine Pause einlegen. Mit entsprechenden
Pausen sei ihm eine Wegstrecke von jeweils mindestens 500 m auch viermal täglich möglich. Für diesen Weg sollte jedoch jeweils
eine Zeit von ca. 30 Minuten eingeplant sein. Er sei gesundheitlich in der Lage, für den Weg zur Arbeit öffentliche Verkehrsmittel
zu nutzen und ein Kfz zu führen. Inwieweit er sich das jedoch selbst zutraue, bleibe dahingestellt. Die festgestellte Minderung
der Leistungsfähigkeit bestehe nach Aktenlage seit Mitte 2011.
Die Beklagte hat eine prüfärztliche Stellungnahme des Prüf- und Gutachterarztes Dr. V. vom 2. Juli 2013 übersandt, der dem
gerichtlichen Sachverständigen in seiner Leistungsbeurteilung weitgehend zugestimmt und auf eine nicht abschließende Diagnostik
verwiesen hat.
Der Kläger hat nach Erhalt des Guthachtens auf von dem gerichtlichen Sachverständigen festgestellte betriebsunübliche Pausen
und eine aufgehobene Wegefähigkeit im sozialmedizinischen Sinne hingewiesen. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die
Schriftsätze vom 29. Juli und 3. September 2013, Bl. 215 bis 216 und Bl. 226 bis 227 Bd. II der Gerichtsakten, verwiesen.
Der gerichtliche Sachverständige hat in seiner Stellungnahme zum Gutachten vom 7. August 2013 an seiner Leistungseinschätzung
festgehalten. Zur Frage der Notwendigkeit von Pausen hat er ausgeführt: "Die von mir vorgeschlagene Arbeitspausenregelung
war lediglich ein Entgegenkommen an den Kläger gewesen. Der § 4 des Arbeitszeitgesetzes kann in persönlichen Absprachen sicherlich modifiziert werden." Im Übrigen wird auf Bl. 218 bis 219 Bd. II der Gerichtsakten
Bezug genommen.
Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme des Senats führt der Kläger zur Begründung seines Rechtsmittels
im Wesentlichen aus, er sei voll erwerbsgemindert, da er nicht mehr in der Lage sei, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit von
wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Er sei nicht sechs Stunden täglich belastbar. Dr. F. habe diese quantitativ eingeschränkte
Erwerbsfähigkeit bestätigt, da er ihn nicht für in der Lage gehalten habe, Arbeiten von sechs Stunden und mehr täglich zu
verrichten. Durch die Festsstellungen des gerichtlichen Sachverständigen seien auch die gesundheitlichen Voraussetzungen einer
Verschlossenheit des Arbeitsmarktes unter dem Gesichtspunkt betriebsunüblicher Pausen und einer aufgehobenen Wegefähigkeit
im sozialmedizinischen Sinne belegt. Hierdurch würden die Angaben in den Rehabilitationsentlassungsberichten vom 2. Juli 2008
und 14. August 2009 sowie dem Gutachten von Dr. B. vom 20. Mai 2010 bestätigt. Die eingeschränkte Wegefähigkeit sei im vorliegenden
Fall nicht durch die Benutzung des eigenen Pkw kompensierbar, da er weder einen Arbeitsplatz innehabe noch ihm ein solcher
angeboten worden sei (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. Dezember 2009 - L 10 R 270/08 - und Urteil des erkennenden Senats vom 10. März 2011 - L 3 R 270/08 - juris). Hierzu sei bisher keine abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes
auf Grund der Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen ergebe sich daraus, dass der Rechtsanspruch auf Pausen nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) hinter den von ihm tatsächlich benötigten Pausen, wie diese von Dr. F. konkretisiert worden seien, zurückbleibe. § 4 ArbZG sei hinsichtlich des Rechtsanspruchs auf Pausen nicht modifizierbar. Aus der arbeitsgerichtlichen Praxis sei bekannt, dass
die Überschreitung von Pausen regelmäßig durch Arbeitgeber geahndet werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2009 in der
Gestalt des Bescheides vom 17. Juni 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 zu ändern und die Beklagte zu
verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. November 2009 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ihre Rechtsauffassung werde durch die sozialmedizinische Stellungnahme des
Prüf- und Gutachterarztes Dr. V. vom 16. Oktober 2012 gestützt, der ein Gehtraining des Klägers für erforderlich und möglich
erachtet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung
einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
deshalb nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll
erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert
sind nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne. Er ist noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis
mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden sind Arbeiten im
Akkord, unter Zeitdruck, mit häufigem Bücken und Hocken, in der Höhe oder mit Gefährdung durch Kälte bzw. Nässe. Die volle
Gebrauchsfähigkeit seiner Hände ist vorhanden. Es können nur einfache Anforderungen an Konzentrationsvermögen, Aufmerksamkeit
und Merkfähigkeit gestellt werden.
Dieses Leistungsbild ergibt sich im Wesentlichen aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. in seinem
Gutachten vom 6. Juni 2013. Dessen Feststellungen weichen in Bezug auf das quantitative Leistungsvermögen nicht von dem Ergebnis
der Begutachtung von Dr. B. in ihrem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten vom 20. Mai 2010 ab.
Im Vordergrund der Beschwerden des Klägers stehen seine PaVK, die in Verbindung mit einem schlecht eingestellten Bluthochdruck
und einem erheblichem Übergewicht seine Leistungsfähigkeit einschränkt. Im Sitzen kann der Kläger aber weiterhin im Wesentlichen
unbeeinträchtigt tätig werden. Insbesondere ist die Gebrauchsfähigkeit seiner Hände unbeeinträchtigt.
Eine Beeinträchtigung der geistig-psychisch-mnestischen Funktionen des Klägers ist während des hier maßgebenden Zeitraums
durch eine Reduzierung des möglichen Anforderungsprofils auf einfache bis durchschnittliche Anforderungen mit dem Schlaganfallsereignis
eingetreten, das aber den Kreis der möglichen leichten bis mittelschweren Arbeiten nicht in einem rentenrelevanten Umfang
einschränkt.
Bei dem Kläger liegt weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes
führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz
zu benennen. (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.; diese Rechtsprechung findet weiterhin Anwendung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - Leitsätze in juris). Das Leistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für Tätigkeiten wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen,
Reinigungsarbeiten, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus. Die Fähigkeit des Klägers, einfache Sortier- und
Büroarbeiten (im Sitzen) durchzuführen, ist zuletzt in dem Gutachten von Dr. F. vom 6. Juni 2013 bestätigt worden.
Der Senat ist auch überzeugt, dass bei dem Kläger kein Katalog- oder Seltenheitsfall vorliegt, der zu einer Verschlossenheit
des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte.
Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit
gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, aaO., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt
nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von
bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung
aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dem Kläger sind insbesondere Gehstrecken von 500 m am Stück
viermal täglich noch zumutbar. Er benötigt für diese Gehstrecken unter Berücksichtigung der durch die PaVK im Stadium II b
bedingten Gehpausen zwar 30 Minuten, d.h. mehr als 20 Minuten, pro Strecke. Entgegen der Auffassung des Klägers ist indes
die nicht gegebene Fähigkeit, die Wegstrecke in der angegebenen Zeit zurückzulegen, durch eine Kfz- oder Fahrrad-Nutzung zu
"kompensieren". Der Senat hält insoweit an seiner Auffassung in der Entscheidung vom 10. März 2011 (- L 3 R 270/08 - juris) nicht fest, sondern schließt sich der Rechtsansicht des BSG an, das großzügigere Maßstabe an die Nutzungsobliegenheit für Verkehrsmittel zur Kompensation eines eingeschränkten Gehvermögens
formuliert hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - juris). Der Kläger ist gesundheitlich in der Lage, einen Pkw zu führen. Ob er sich selbst längere Fahrten zutraut, hat
für die hier maßgebenden kurzen Wegstrecken im Ergebnis keine Bedeutung.
Für die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen lassen sich aus dem Gutachten von Dr. F. unter Berücksichtigung seiner gutachterlichen
Stellungnahme vom 7. August 2013 bereits in medizinischer Hinsicht keine Gesichtspunkte ableiten. Er hat die von dem Berichterstatter
unter Berücksichtigung des § 4 ArbZG formulierte Beweisfrage zur Notwendigkeit von über eine halbe Stunde und eine Viertelstunde pro Arbeitstag hinausgehenden
Pausen verneint und daran auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 7. August 2013 ausdrücklich festgehalten.
Die Frage einer Modifizierbarkeit des Rechtsanspruchs auf Pausen nach dem ArbZG hat er als Rechtsfrage zutreffend seinen Ausführungen zugrunde gelegt, sodass insoweit auch keine weitere Nachfrage erforderlich
war. Soweit der Kläger meint, die Regelung in § 4 ArbZG schließe eine Gewährung von Pausen während einer Arbeitszeit von sechs Stunden täglich grundsätzlich aus, folgt der Senat
dem nicht. Vielmehr legt § 4 ArbZG, ähnlich wie z.B. die Regelungen zum Urlaubsanspruch nach § 3 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz - BUrlG), einen Mindestanspruch fest, ist also nur zu Lasten des Arbeitnehmers nicht modifizierbar (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil
vom 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - juris). Allein mit der Notwendigkeit, überhaupt eine Pause während der Arbeitszeit einlegen zu müssen, lässt sich für einen
Arbeitnehmer auch bei einem auf sechs Stunden täglich begrenzten Leistungsvermögen keine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes
belegen. Der Senat ist der Auffassung, dass sich im Übrigen bei der - hier vom Sachverständigen nicht eindeutig als Mindestmaß
festgestellten - Notwendigkeit für einen Versicherten, während eines üblichen Arbeitstages eine halbstündige und eine viertelstündige
Pause einzulegen, kein Rentenanspruch ergibt. Insoweit knüpft der Senat auch an die ältere Rechtsprechung des BSG an (vgl. Urteil vom 30. Mai 1984 - 5a RKn 18/83 - SozR 2200 § 1247 Nr. 43). In Bezug auf den engeren Maßstab, der teilweise der BSG-Rechtsprechung zu entnehmen ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 6. Juni 1986 - 5b RJ 42/85 - SozR 2200 § 1246 Nr. 136), ist zu berücksichtigen, dass sich als Rechtsfolge der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zunächst nur die Obliegenheit
des Rentenversicherungsträgers zur Benennung einer Verweisungstätigkeit ergibt. Es besteht also nur ein Rentenanspruch, wenn
die Beklagte dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist. Hier bestand insbesondere keine Verpflichtung des Senates, auf diese
Obliegenheit besonders hinzuweisen, da die Kriterien der "üblichen Arbeitsbedingungen" des allgemeinen Arbeitsmarktes während
des hier maßgebenden Verfahrenszeitraums auch mit der Notwendigkeit von Pausen während eines Arbeitstages vereinbar gewesen
sind. "Übliche Bedingungen" einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt liegen vor, wenn diese zwar nicht in der Mehrzahl, aber in
einer beachtlichen Zahl der Arbeitsverhältnisse vorliegen (vgl. z.B. zu § 103 Arbeitsförderungsgesetz: BSG, Urteil vom 20. Juni 1978 - 7 RAr 45/77 - BSGE 46, 257ff.). Die geltenden Tarifverträge (u.a. der TVöD) verweisen zur Frage der Gestaltung der Arbeitszeit in einem nicht unerheblichen Geltungsbereich nur auf die Mindestpausenregelung
im ArbZG und stellen es weitgehend in die Entscheidung auf Betriebsebene, die nähere Ausgestaltung der Arbeitszeitregelungen vorzunehmen.
Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass es durchaus eine Vielzahl von Betrieben geben mag, in denen Pausenregelungen vorgegeben
werden, die von der Belegschaft strikt einzuhalten sind. Denn für eine nicht unwesentliche Anzahl von Arbeitsverhältnissen
gelten diese Einschränkungen nicht. Der Arbeitstag von acht Stunden mit starren Anfangs- und Endzeiten ist nicht mehr die
Regel (vgl. z.B. verdi, Umsetzungsempfehlungen zu den Arbeitszeitregelungen des TVöD, Stand 18. September 2006, S. 2 der Einleitung). Nicht selten gibt es Gleitzeitvereinbarungen auf Betriebsebene, die einen
Gleitzeitrahmen vorsehen, innerhalb dessen der Arbeitnehmer die Pausen, für die der Arbeitgeber eine Entlohnung nicht schuldet,
nach freiem Benehmen in Bezug auf Lage und Dauer wählen kann (vgl. z.B. die Gleitzeitvereinbarung für den nichtrichterlichen
Dienst des LSG Sachsen-Anhalt).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung
der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.