Rentenversicherung - Witwerrente; Erstattung; Rückforderung; Lebensgemeinschaft; eingetragene Partnerschaft; Eheschließung;
Falschangaben; grob fahrlässig; Rechtswidrigkeit; Bewilligung; Mitverschulden; eingetragene Lebenspartnerschaft; Personenstand;
Ehefrau; Tatsachenangabe; Zweifel; Hinterbliebenenrente; Ermessensentscheidung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung einer Witwerrente
und Rückforderung überzahlter Rentenleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012.
Der am ... 1959 geborene Kläger lebte nach eigener Angabe seit ... 2000 mit der am ... 1955 geborenen und am ... 2008 verstorbenen
Frau. P. M. in einer Lebensgemeinschaft.
Am 12. Februar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten Witwerrente. In dem Antragsformular gab er in dem Formularfeld
"Tag der Eheschließung/Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der/dem Versicherten" den 30. November 2000 an,
und er beantwortete die Formularfrage "Bestand diese Ehe/Eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Tod der/des Versicherten?"
mit Ankreuzen des Kästchens "ja". Er legte die erweiterte Melderegisterauskunft vom 11. Februar 2008 vor, aus der sich ergab,
dass die Verstorbene seit dem 13. Mai 2006 unter der Anschrift des Klägers in D.-R. in der L. gemeldet war. Der den Antrag
entgegennehmende Mitarbeiter der Beklagten F. vermerkte, dass die Sterbeurkunde keine Angaben über den die Rente beantragenden
Ehegatten/Lebenspartner enthalten habe, sodass die Heiratsurkunde/Lebenspartnerschaftsurkunde nach dem Tode ausgestellt worden
sein müsse, und gab das Vorliegen einer Heiratsurkunde vom 11. Februar 2008 an. Der Kläger bestätigte die Richtigkeit seiner
Angaben im Antrag mit seiner Unterschrift.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. April 2008 ab dem 30. Januar 2008 eine große Witwerrente. Sie führte
zur Begründung u.a. aus, seine - des Klägers - "Ehefrau P. M." sei am 30. Januar 2008 verstorben. Des Weiteren forderte die
Beklagte den Kläger in diesem Bescheid auf, den Sozialversicherungsausweis und das Facharbeiterzeugnis seiner "verstorbenen
Ehefrau" zu übersenden.
Im Rahmen der Überprüfung der Einkommensverhältnisse im März 2012 ermittelte die Beklagte zum Familienstand des Klägers. Aus
der Auskunft des Standesamtes der Stadt D.-R. vom 23. Mai 2012 ergab sich, dass der Kläger mit der Verstorbenen nicht verheiratet
war. Die Verstorbene sei ausweislich der beigefügten Sterbeurkunde vom 1. Februar 2008 von H.-J. M. geschieden gewesen.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2012 mit, es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 16. April 2008, mit
dem ihm eine große Witwerrente bewilligt worden sei, für die Zeit ab 30. Januar 2008 zurückzunehmen und die überzahlten Beträge
in Höhe von 17.302,24 EUR zurückzufordern, da der Kläger mit der Verstorbenen nicht verheiratet gewesen sei. Die Rentenzahlung
werde zum 30. Juni 2012 eingestellt.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2008 für die Zeit ab dem 30. Januar 2008 zurück
und forderte zur Erstattung der vom 30. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 überzahlten Beträge in Höhe von 17.302,24 EUR auf.
Der Bescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Kläger mit der verstorbenen Frau M. zum Zeitpunkt des Todes nicht
verheiratet gewesen sei. Der Kläger habe als Heiratsdatum den 30. November 2000 angegeben. Durch das Standesamt der Stadt
D.-R. sei nunmehr bestätigt worden, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt ihres Todes geschieden war. Im Rahmen der Anhörung
habe er sich zu der beabsichtigten Rücknahme nicht geäußert. Ein Vertrauen des Klägers auf den Bestand des rechtswidrigen
Bescheides sei nicht schutzwürdig. Dem Bescheid wurde eine Aufstellung der Rückzahlungsbeträge vom 30. Januar 2008 bis zum
30. Juni 2011 und vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 beigefügt. Mit Berichtigungsbescheid vom 28. August 2012 korrigierte
die Beklagte die Höhe der Überzahlung in Bezug auf die vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 gezahlte Witwerrente und
forderte nunmehr einen Betrag in Höhe von 19.437,40 EUR zurück.
Mit Schreiben vom 14. September 2012 mahnte die Beklagte die Zahlung des Rückforderungsbetrages an. Der Kläger sprach am 27.
September 2012 bei der Beklagten vor und machte geltend, die Schreiben vom 2. Juli und 28. August 2012 nicht erhalten zu haben.
Die Beklagte übergab dem Kläger Zweitschriften des Bescheides vom 2. Juli 2012 sowie des Berichtigungsbescheides vom 28. August
2012. Der Kläger führte aus, auch aus finanziellen Gründen eine Rückzahlung nicht leisten zu können. Hierzu reichte er Unterlagen
zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach.
Am 9. Oktober 2012 beantragte der - nunmehr anwaltlich vertretene - Kläger die Überprüfung des Rücknahmebescheides vom 2.
Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012. Er habe lediglich mitgeteilt, seit 30. November
2000 mit der Verstorbenen zusammengelebt zu haben, nicht dagegen, dass die Verstorbene seine Ehefrau gewesen wäre. Auch habe
er keine am 11. Februar 2008 ausgestellte Heiratsurkunde vorgelegt. Wahrheitswidrige Angaben habe er nicht gemacht.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Änderung des überprüften Bescheides vom 2. Juli 2012 in der Fassung
des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012 ab. Die Überprüfung habe zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt.
Sie habe vielmehr ergeben, dass der Kläger ausweislich seiner Unterschrift die Personenstandsdaten bestätigt habe.
Der Kläger legte mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf seine Ausführungen im
Überprüfungsantrag vom 8. Oktober 2012. Mit Teilabhilfebescheid vom 4. April 2013 nahm die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid
vom 16. April 2008 erst für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 zurück und forderte zur Erstattung der Überzahlungen
in Höhe von 10.726,50 EUR auf. Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte von einem falschen Sachverhalt ausgegangen
sei, da sie die Verstorbene als Ehefrau des Klägers bezeichnet habe. Sein Vertrauen auf den Bestand des Bescheides sei nicht
schutzwürdig. Im Rahmen der Ermessensprüfung habe sie jedoch berücksichtigt, dass auch ein Mitverschulden der Behörde, insbesondere
bei der Feststellung des persönlichen Status als Witwer, vorgelegen habe.
Der Kläger hat am 6. Mai 2013 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Er habe aufgrund von Hinweisen aus seiner
Bekanntschaft den Antrag gestellt, da er in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Verstorbenen zusammengelebt habe. Bei der Antragstellung
habe er keine Falschangaben gemacht. Er habe lediglich die Sterbeurkunde, nicht aber eine Heiratsurkunde vom 11. Februar 2008
vorgelegt. Dass der Bescheid rechtswidrig gewesen sei, habe er nicht erkannt. Es könne auch nicht mit dem Maßstab eines Juristen
gemessen werden, sondern nur mit dem eines durchschnittlichen Verbrauchers. Er sei davon ausgegangen, dass seine Lebensgemeinschaft
mit der Verstorbenen für die Bewilligung einer Witwerrente ausreichend gewesen sei. Er habe auf den Bestand des Bescheides
vertraut. Die erbrachten Leistungen habe er für den Lebensunterhalt verbraucht. Außerdem könne ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Eine Rückforderung innerhalb
von zehn Jahren nach Bekanntgabe des Bescheides scheide vorliegend aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2013 hat die Beklagte den über die Teilabhilfe hinausgehenden Widerspruch zurückgewiesen.
Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte von einer Verheiratung mit der Verstorbenen ausgegangen sei, da
sie im Bescheid die Versicherte als die "Ehefrau" bezeichnet habe. Aufgrund eines Mitverschuldens der Behörde ergebe sich
jedoch eine Verringerung des zu erstattenden Betrages.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. März 2014 die Klage abgewiesen. Es sei Allgemeinwissen, dass Witwerrente nur an den
überlebenden Ehegatten oder den eingetragenen Lebenspartner geleistet werde.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Juni 2014 zugestellte Urteil am 25. Juli 2014 vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Berufung eingelegt. Der Begriff der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei nicht Allgemeingut. Der Kläger habe aufgrund von
Hinweisen aus der Bekanntschaft angenommen, dass er einen Anspruch auf Witwerrente auch dann habe, wenn er in eheähnlicher
Gemeinschaft mit der Verstorbenen gelebt habe. Dies habe der aufnehmende Sachbearbeiter der Beklagten offensichtlich ebenfalls
angenommen. Des Weiteren sei die nach Jahren und nicht nach monatlichen Beträgen erfolgte Aufhebung nicht rechtmäßig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 13. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 in der Fassung
des Teilabhilfebescheides vom 4. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, den Bescheid vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012 für den Zeitraum
vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe in seinem Antrag auf Hinterbliebenenrente falsche Angaben gemacht. Er habe den 30. November
2000 als Tag der Eheschließung/Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der/dem Versicherten benannt und die Frage,
ob die Ehe/Eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Tod der/des Versicherten bestanden habe, durch Ankreuzen des Kästchens
"ja" beantwortet. Diese Angaben habe er grob fahrlässig unrichtig gemacht. Darüber hinaus habe der Kläger aus dem Rentenbewilligungsbescheid
ohne weiteres erkennen können, dass die Beklagte von einer Eheschließung mit der Verstorbenen ausgegangen sei. Auf Seite 2
des Bescheides habe sie festgestellt: "Ihre Ehefrau P. M. ist am 30.1.2008 verstorben". Im weiteren Verlauf auf Seite 4 habe
sie nochmals die Verstorbene als "Ihre Ehefrau" bezeichnet. Aus den Hinweisen auf Seite 5 des Bescheides ergebe sich, dass
eine anspruchsbegründende Lebenspartnerschaft nur gegeben sei, wenn eine Eintragung vorliege. Ein mögliches Mitverschulden
der Beklagten sei im Rahmen des Ermessens berücksichtigt worden.
Der Senat hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt. Es wird auf die Niederschrift über die öffentliche
Sitzung vom 14. April 2016 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der
Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass sie bereits am 6. Mai 2013 erhoben worden ist, obwohl das nach
§
78 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erforderliche Vorverfahren erst mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2013 abgeschlossen wurde. Die
Klageerhebung ist auch vor Beendigung des außergerichtlichen Vorverfahrens möglich, wenn die Entscheidung über den Widerspruch
während des Klageverfahrens erfolgt, weil es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt, die erst zum Schluss der mündlichen
Verhandlung vorliegen muss (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte,
SGG-Kommentar, 2. Auflage 2014, §
78, Rn. 2, 8, juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
78 Rn. 3).
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 4. April 2013 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 SGG. Der Kläger hat keinen über die Änderungen im Teilabhilfebescheid vom 4. April 2013 hinausgehenden Anspruch auf Rücknahme
des Bescheides vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im
Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist,
der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben
worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der noch streitigen Verwaltungsentscheidung nicht vor.
1. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012
und der Teilabhilfebescheid vom 4. April 2013 begegnen zunächst keinen Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit.
a) Sowohl der Bescheid vom 2. Juli 2012 als auch der Berichtigungsbescheid vom 28. August 2012 und der Teilabhilfebescheid
vom 4. April 2013 sind gemäß § 39 Abs. 1 SGB X wirksam bekannt gegeben geworden. Adressat war der bis dahin nicht anwaltlich vertretene Kläger, der den Bescheid vom 2.
Juli 2012 sowie den Berichtigungsbescheid vom 28. August 2012 - zumindest spätestens im Rahmen seiner Vorsprache am 27. September
2012 - erhalten hat.
b) Die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vorzunehmende Anhörung ist erfolgt. Mit Schreiben vom 30. Mai 2012 hatte die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass
beabsichtigt sei, die Rentenbewilligung aufzuheben, und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen
Tatsachen zu äußern.
c) Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X. Dies ist der Fall, wenn der Bescheid so klar formuliert ist, dass der Adressat eindeutig erkennen kann, was die Behörde
will. Die Verfügungssätze des Bescheids sind vorliegend nach ihrem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei und haben den
Kläger bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran
auszurichten. Er konnte eindeutig erkennen, dass die Beklagte die Rentenbewilligung für die Zeit vom 30. Januar 2008 bis zum
30. Juni 2012 in voller Höhe aufgehoben und die Erstattung des Gesamtbetrages in Höhe von 19.437,40 EUR von ihm verlangt hat.
Eine fehlende Bestimmtheit ergibt sich auch nicht aus der Aufhebung nach Jahren. Der Rentenbewilligungsbescheid wurde zunächst
für seine gesamte Bewilligungsdauer aufgehoben, eine monatsweise Aufschlüsselung der Beträge war daher nicht erforderlich.
Soweit mit Teilabhilfebescheid vom 4. April 2013 nur noch der Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 aufgehoben
wird, ergibt sich auch dies aus dessen Verfügungssatz. Der nunmehr noch zu zahlende Rückforderungsbetrag ist benannt und für
den Kläger erkennbar gewesen.
d) Das Erfordernis einer Aufhebung nach monatlichen Beträgen ergibt sich auch nicht aus § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X. Danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, in welcher die wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, welche die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Der vom Bescheid Betroffene
muss aus dieser Entscheidung erkennen können, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgeblich
gewesen sind. Nur dann ist er in der Lage, die Verwaltungsmaßnahme zu begreifen, zu akzeptieren oder sie mit einem statthaften
Rechtsbehelf anzufechten. Die Behörde hat die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen nicht nur formelhaft oder
allgemein, sondern bezogen auf den konkreten Einzelfall darzustellen. Ein schriftlicher Bescheid muss für einen seriösen,
um Verständnis bemühten Leser ohne spezielle Kenntnis der besonderen Rechtsmaterie aus sich selbst heraus verständlich und
nachvollziehbar sein (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 22. Januar 2009 - L 3 R 17/08 -, juris, Rn. 34). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat dem Kläger mitgeteilt, die Rentenbewilligung werde aufgehoben,
weil er fehlerhafte Angaben gemacht und die Rechtswidrigkeit des Bescheides habe erkennen benannt. Hinsichtlich des Umfangs
der Aufhebung ist zunächst der gesamte Zeitraum betroffen gewesen, nach Teilabhilfe noch der Zeitraum ab 1. Januar 2010 bis
zum 30. Juni 2012. Sämtliche in dieser Zeit geleisteten Beträge wurden zurückgefordert. Die Verwaltung darf sich im Rahmen
der Begründung auf die tragenden Gründe beschränken, wenn dem Betroffenen - wie hier - die Sach- und Rechtslage bekannt ist
oder der Fall keine komplizierten Problemstellungen bietet, die der Betroffene ohne weiteres nachvollziehen kann (Luthe in:
Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35 SGB X, Rn. 13). Die Gesamtsumme ergab sich aus der Addition der einzelnen Monatsbeträge und war damit auch für den Kläger leicht
ermittelbar und nachrechenbar.
2. Der zur Überprüfung gestellte Rücknahmebescheid ist in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 4. April 2013 auch materiell
rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung ist § 45 SGB X. Danach wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen,
soweit er von Anfang an rechtswidrig begünstigend ist und der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen
kann. Dies ist nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bzw. 3 SGB X der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat bzw. wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte
oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
a) Die Bewilligung der Witwerrente war rechtswidrig begünstigend. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf eine Witwerrente nach
§
46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI). Nach §
46 Abs.
2 SGB VI in Verbindung mit §
242 a Abs.
4 SGB VI haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt
hat, Anspruch auf große Witwerrente u.a., wenn die Versicherte vor dem 1. Januar 2012 verstorben ist und der Witwer das 45.
Lebensjahr vollendet hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger war mit der Verstorbenen nicht verheiratet.
Eine Eingetragene Partnerschaft bestand ebenfalls nicht.
b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen. Zwar trägt er vor, auf den Bestand des Bescheides vertraut und die Rentenzahlungen im Rahmen seiner Lebensführung
verbraucht zu haben.
aa) Auf Vertrauen kann sich der Kläger aber zum einen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen, da seine Angaben auf dem Formblatt im Hinblick auf eine Ehe bzw. zum Vorliegen einer Eingetragenen Partnerschaft
mit der Verstorbenen unrichtig waren. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder
grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Unter Angaben sind dabei nur Tatsachenangaben zu verstehen. Werden vom Kläger die Anwendung von Rechtsnormen oder die Subsumtion
unter einzelne Rechtsbegriffe verlangt, sind die entsprechenden Äußerungen im Verwaltungsverfahren folglich bereits keine
"Angaben" im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und damit auch von vornherein nicht geeignet, insofern sein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts zu
bestimmen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 R 8/12 R -, juris, Rn. 27). Tatsachen sind sinnlich wahrnehmbare Vorgänge oder Zustände aus Gegenwart oder Vergangenheit. Ob zwei
Menschen miteinander verheiratet sind, ist eine Tatsache in diesem Sinne. Die Ehe wird vor dem Standesbeamten geschlossen,
wobei die Verlobten vor dem Standesbeamten gleichzeitig anwesend sein und erklären müssen, dass sie die Ehe eingehen wollen.
Die Eheschließung ist mittels Eheurkunde nachweisbar. Gleiches gilt für die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Der Tag der
Eheschließung bzw. der Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ist eine Tatsachenangabe, ebenso, ob die Ehe bzw.
die Eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Tod der Versicherten bestanden hat. Es handelt sich nicht lediglich um eine Rechtsauffassung
oder um eine Subsumtion unter Rechtsbegriffe. Der Kläger hat mit der Verstorbenen am 30. November 2000 weder eine Ehe noch
eine Eingetragene Partnerschaft begründet. Diese Tatsachenangabe war falsch.
Diese für die Bewilligung der Witwerrente wesentlichen Angaben hat der Kläger zumindest grob fahrlässig unrichtig abgegeben.
Es gilt ein subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff (bereits BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 -, juris, Rn. 25, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, juris, Rn. 23). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit,
dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen.
Mit seiner Unterschrift unter dem Rentenantrag versicherte der Kläger, sämtliche Angaben nach bestem Wissen gemacht zu haben.
Zwar ist sich der Senat um die Ausnahmesituation bewusst, in der sich ein Mensch bei der Beantragung einer Hinterbliebenenrente
aufgrund des Verlustes einer ihm nahestehenden Person befindet. Dennoch geht er davon aus, dass der Kläger die Fehlerhaftigkeit
seiner Angabe insbesondere zum Tag der Eheschließung hätte erkennen können. Angaben sind dann falsch gemacht, wenn dem Betroffenen
ohne weitere Überlegungen klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand mitzuteilen hat. Sofern eine Leistung auf Antrag
gewährt wird, ist auf den Antrag abzustellen (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 81). Der Kläger ist der deutschen Sprache mächtig. Er hat nach der Schulausbildung einen Teilfacharbeiterabschluss als
Gärtner erzielt und verfügt nach Einschätzung des Senats unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks aufgrund seines
Auftretens in der mündlichen Verhandlung über ausreichende intellektuelle Fähigkeiten, den Anforderungen des täglichen Lebens
gewachsen zu sein, sich zu artikulieren und mit Behörden auseinanderzusetzen und insbesondere auch ihn betreffende Fragen,
zum Beispiel zu seiner Person und zu seinem Personenstand, vollständig und richtig zu beantworten. Dies ergibt sich aus der
Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung. So gab er gegenüber dem Senat an, die Verstorbene nicht geheiratet zu
haben, weil sie "das Geld für die Scheidung nicht zusammen" gehabt hätten. Sowohl der Kläger als auch die Verstorbene hätten
bis zu deren Tod in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Über die Versorgung des überlebenden Partners hätten sie nie gesprochen.
Der Kläger wusste, dass sie nicht geheiratet hatten. Ihm war auch bekannt, dass es keine Eintragung einer Partnerschaft in
ein Partnerschaftsregister gab. Der Vortrag des Klägers, er habe aufgrund eines Tipps eines Bekannten, "da doch mal hinzugehen",
angenommen, die Lebensgemeinschaft könnte als Anspruchsbegründung für eine Hinterbliebenenrente ausreichend sein, zeigt aufgrund
dieser Wortwahl gleichzeitig, dass er dennoch genügend Zweifel diesbezüglich hatte. Insbesondere wusste der Kläger auch, dass
der Bekannte keine juristische Vorbildung hatte. Als unüblich ist ebenfalls anzusehen, dass der vom Kläger beauftragte Bestatter,
der sich nach seiner - des Klägers - Auskunft um alles gekümmert habe, nicht darauf hingewiesen haben soll, dass ein Anspruch
auf Hinterbliebenenrente nicht bestehe. Üblicherweise beantragen die beauftragten Bestatter die Hinterbliebenenrente sogar
beim zuständigen Rentenversicherungsträger. Auch aufgrund dieses Umstandes hätte der Kläger Zweifel hinsichtlich seines Anspruchs
auf Witwerrente haben müssen, die er gegenüber der Beklagten hätte aufdecken müssen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die falschen Angaben insbesondere zum Tag der Eheschließung nicht unter dem
ausdrücklichen Hinweis abgegeben hat, dass er - ohne verheiratet zu sein - lediglich seit dem 30. November 2000 in einer eheähnlichen
Lebensgemeinschaft mit der Verstorbenen zusammenlebte. Zwar geht der Senat davon aus, dass der Kläger mündlich nicht ausdrücklich
behauptet hat, mit der Versicherten verheiratet gewesen zu sein. Im Antragsformular hat er jedoch unterschrieben, der Tag
der Eheschließung bzw. der Begründung der Eingetragenen Partnerschaft sei am 30. November 2000 gewesen. Auch eine etwaige
Annahme des Klägers, mit der Verstorbenen in einer Partnerschaft gelebt zu haben, führt nicht dazu, keine grobe Fahrlässigkeit
anzunehmen. Dabei ist es unerheblich, dass nach dem Partnerschaftsgesetz eine Partnerschaft nur zwischen Personen gleichen
Geschlechts begründet werden kann. Der Senat verkennt nicht, dass der Begriff der Partnerschaft bzw. des Partners durchaus
auch bei Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau verwendet wird. Keinesfalls lag jedoch eine "Eingetragene Partnerschaft"
vor. Ein Irrtum des Klägers hierüber ist mangels Eintragung nicht möglich. Dies war dem Kläger auch bewusst. Daran ändert
auch die erweiterte Meldeauskunft nichts. Diese bestätigt lediglich die Meldeadresse einer Person, nicht jedoch deren Familienstand.
Dennoch hat der Kläger angegeben, mit der Verstorbenen seit dem 30. November 2000 eine Ehe bzw. Eingetragene Partnerschaft
geführt zu haben und dies mit seiner Unterschrift bestätigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger geschilderten Bruchstücken des Gesprächs bei der Beklagten. Ein Gesprächsverlauf
für die Beantragung der Witwerrente am 12. Februar 2008 lässt sich sowohl unter Berücksichtigung dieser Angaben als auch der
des Mitarbeiters der Beklagten nicht mehr rekonstruieren. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er
habe als Erstes zum Mitarbeiter der Beklagten "Meine Lebensgefährtin ist verstorben" gesagt, führt dies zu keiner anderen
Einschätzung. Der Senat konnte sich vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht überzeugen. Es erscheint bereits zweifelhaft,
dass sich der Kläger an den genauen Wortlaut des Einleitungssatzes erinnern können will. Außer dieser Einleitung hat der Kläger
nämlich keine weiteren Einzelheiten zum Gesprächsverlauf machen können. Das Gespräch liegt über acht Jahre zurück. Wenn er
sich tatsächlich an den genauen Wortlaut des ersten Satzes erinnern sollte - wovon der Senat nicht ausgeht -, spricht dies
auch für eine zielgerichtete, geplante Gesprächsführung und damit für eine Kenntnis über die Bedeutung seiner weiteren unzutreffenden
Angaben für die spätere Rentenbewilligung. Nicht überzeugend ist für den Senat auch die Angabe, der Mitarbeiter der Beklagten
habe daraufhin geantwortet, dass es ein neues Gesetz gebe und er - der Mitarbeiter - nachschauen müsse. §
46 Abs.
4 SGB VI, der die Witwerrente auch für den überlebenden Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vorsieht, wurde bereits
mit dem Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eingefügt und war damit im Februar 2008 schon seit über drei Jahren geltendes Recht. Ebenfalls
nicht glaubhaft ist für den Senat die in der mündlichen Verhandlung erstmals gemachte Angabe des Klägers, dass es zwei Gespräche
bei der Beklagten gegeben habe. In den Verwaltungsakten finden sich keine Hinweise für ein Gespräch bzw. eine Antragstellung
vor der Beantragung der Witwerrente am 12. Februar 2008. Der Senat geht davon aus, dass es zumindest auch einen Aktenvermerk
über eine erste Vorsprache gegeben hätte, wenn diese tatsächlich stattgefunden hätte. Der Kläger konnte auch keine weiteren
Angaben zu den sonstigen Inhalten beider Gespräche machen. Auch hat nicht der Mitarbeiter F. - wie vom Kläger behauptet -
ihn bei seiner ersten Vorsprache beraten, sondern vielmehr den Antrag am 12. Februar 2008 aufgenommen. Es ist unklar, welcher
Mitarbeiter im Gesetz nachgeschaut und den Kläger angehalten haben soll, die erweiterte Meldeauskunft vorzulegen. Aufgrund
dieser Widersprüchlichkeiten, der fehlenden Erinnerungen an sonstige Details der Gespräche und des Zeitablaufs sowie unter
Berücksichtigung des Erkenntnisgewinns im Rahmen des laufenden Verfahrens ist der Senat von der vom Kläger behaupteten Eingangsformulierung
"Lebensgefährtin" nicht überzeugt. Es wird vielmehr für naheliegend erachtet, dass der Kläger unter dem insoweit auch zutreffenden
Hinweis darauf, dass seine "Frau" bzw. "Partnerin" verstorben ist, eine Rente beantragt hat, so dass es zu einem Missverständnis
auf Seiten des Mitarbeiters der Beklagten gekommen ist, welches durch das Überlesen des Vermerks zum Personenstand der Verstorbenen
in der Sterbeurkunde vom 1. Februar 2008 und die Annahme des Vorliegens einer Heiratsurkunde vom 11. Februar 2008 - mutmaßlich
unter Heranziehung der erweiterten Meldeauskunft vom 11. Februar 2008 - nicht erkannt wurde, so dass im Antrag auf Witwerrente
als Tag der Eheschließung der 30. November 2000 aufgenommen und vom Kläger mit seiner Unterschrift als zutreffend bestätigt
wurde. Diese Fehler auf Seiten der Beklagten lassen dabei nicht die grobe Fahrlässigkeit des Klägers entfallen, sind jedoch
im Rahmen der Ermessensprüfung (siehe unten) zu berücksichtigen.
bb) Auf Vertrauen kann sich der Kläger gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X auch deshalb nicht berufen, weil er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder zumindest infolge grober Fahrlässigkeit
nicht kannte.
Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße
verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X), und ist zu bejahen, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster
und nahe liegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht
besteht (Schütze in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45, Rn. 56 m.w.N.). Hierbei ist wiederum der individuelle Verständnishorizont des Begünstigten maßgeblich (s.o.). Im Allgemeinen
besteht für den Betroffenen kein Anlass, einen Verwaltungsakt auf Richtigkeit zu überprüfen, wenn im Verwaltungsverfahren
zutreffende Angaben gemacht worden sind. Anderenfalls würde das Risiko der rechtmäßigen Umsetzung der korrekten Angaben des
Begünstigten von der Behörde auf diesen verlagert (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, juris). Allerdings sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig vor vermeidbarem, das
Versicherungsverhältnis betreffendem Schaden zu bewahren (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 11 RAr 75/95 -, juris, Rn. 19). Daher ist der Adressat eines Verwaltungsakts rechtlich gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid
auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, a. a. O.). Die Unkenntnis ist daher grob fahrlässig, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und
zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und nahe liegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte
Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht (BSG, Urteil vom 26. August 1987 - 11a RA 30/86 -, juris, Rn. 19). Davon ist bei Fehlern auszugehen, die sich aus dem begünstigenden
Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar
sind (BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R -, a. a. O.).
Die grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt sich vorliegend daraus,
dass es sich dem Kläger geradezu aufdrängen musste, dass die Beklagte von einer Ehe mit der Verstorbenen ausgegangen ist und
ihm die Witwerrente bewilligt hat, ohne zu vermerken, dass die bei ihm konkret vorliegenden Umstände einer bloßen Lebensgemeinschaft
ausreichend seien, und daher der Bescheid nicht rechtmäßig sein kann. Für die Erkenntnis dieses Fehlers waren auch keine besonderen
Kenntnisse der Rechtslage erforderlich, denn es liegt der Hand, dass der Bescheid aufgrund der Annahme einer Ehe nicht zutreffend
sein kann. Die Beklagte gewährte dem Kläger "Witwerrente", obwohl er kein "Witwer" war. Mehrfach erwähnt sie in dem Bescheid,
dass die Verstorbene die "Ehefrau" des Klägers gewesen war. So führt sie auf Seite 2 des Bescheides aus: "Sie haben Anspruch
auf große Witwerrente. Ihre Ehefrau P. M. ist am 30.01.2008 verstorben, und Sie haben das 45. Lebensjahr vollendet."
Der Kläger konnte dabei auch nicht annehmen, dass es sich hierbei lediglich um eine Zusammenfassung aller möglichen Konstellationen
handelte. Er musste vielmehr - in Anbetracht der genauen und jeweils korrekten Daten im Übrigen - davon ausgehen, dass die
Beklagte sich in Bezug auf seinen Familienstand irrte und ihm möglicherweise die Begünstigung nicht zusteht. Es erscheint
nicht glaubhaft, dass der Kläger davon ausgegangen sein will, dass der Begriff "Ehefrau" aufgrund des neuen Partnerschaftsgesetzes
als Synonym im Bescheid verwendet wurde. Eine Ehefrau ist nur die Frau, die ein Mann geheiratet hat. Es handelt sich bei dem
Wort "Ehefrau" nicht um ein Synonym für jegliche Lebensgefährtinnen bzw. eine Sammelbezeichnung hierfür. Das war und ist -
nach dem Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung - auch diesem bewusst gewesen. Vorliegend hält es der Senat daher
nicht für glaubhaft, dass der Kläger gemeint haben will, mit der Bezeichnung "Ehefrau" sei seine verstorbene Lebensgefährtin
zutreffend bezeichnet worden. Darüber hinaus zeigt sich auf Seite 5 des Bescheides, dass die Rente mit einer erneuten Eheschließung
bzw. einer Eintragung einer Lebenspartnerschaft ende, so dass der Kläger verpflichtet sei, dies unverzüglich mitzuteilen.
Hieraus war für den Kläger ersichtlich, dass die Eintragung maßgeblich ist, um die Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichzustellen.
Es hätte ihm bewusst werden müssen, dass eine nichteingetragene "Lebenspartnerschaft" weder positiv noch negativ rentenerheblich
ist. Wenngleich dem Kläger nicht bekannt sein musste, dass eine Partnerschaft nur zwischen gleichgeschlechtlichen Personen
geschlossen werden kann, so musste es sich ihm doch aufdrängen, dass - bei Nichtvorliegen einer Ehe - für die Rechtserheblichkeit
einer Partnerschaft die Eintragung als leistungsrelevanter Umstand angenommen wird, der bei ihm nicht vorlag. Nicht ausreichend
ist insoweit, dass der Kläger sich "gar nichts" gedacht haben will, als er den Bescheid erhalten habe. Seine Erkenntnisfähigkeit
ist nicht derart eingeschränkt, dass dies zu einer anderen Sicht des Kennenmüssens führen könnte. Der zum Gärtner (Teilfacharbeiter)
ausgebildete Kläger verfügt nach Einschätzung des Senats aufgrund des Auftretens in der mündlichen Verhandlung über ausreichende
intellektuelle Fähigkeiten, Bescheide zu lesen und zu verstehen.
Der Senat ist ebenfalls davon überzeugt, dass dem Kläger auch Bedenken an der Richtigkeit des Bescheids erwachsen sind. Zwar
führt er aus, keine Zweifel gehegt zu haben. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Seine Bedenken zeigen sich insbesondere darin,
dass er nach eigener Angabe mit niemanden über die Bewilligung der Witwerrente gesprochen habe. Auch seinem Bekannten, der
ihm den Tipp gegeben hatte, will er hiervon nicht berichtet haben. Dies führt nicht zur Annahme einer diesbezüglichen Gutgläubigkeit
des Klägers. Vielmehr spricht diese Angabe dafür, dass er wusste, dass ihm die Rente nicht zusteht, oder er zumindest genügend
Zweifel hatte, und deshalb keine weiteren Personen hierüber informieren wollte. Der Kläger konnte hierzu in der mündlichen
Verhandlung auch keine überzeugende Erklärung abgeben, sondern wies vielmehr erst nach Vorgabe seines Prozessbevollmächtigten
auf einen abgebrochenen Kontakt hin. Seine Zweifel hätte der Kläger bei der Beklagten durch eine entsprechende Nachfrage ausräumen
können und müssen. Dies hat er nicht getan. Er hat auch nicht die noch angeforderten Unterlagen nachgereicht, bzw. vorgesprochen
und mitgeteilt, dass er die Unterlagen nicht einreichen könne.
c) Die Beklagte war nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch befugt, den Bescheid vom 16. April 2008 mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil hier ein Fall fehlenden Vertrauensschutzes
nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt. Die Rücknahme war dabei bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Bekanntgabe des Bescheides möglich (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X). Die Beklagte hat zudem die für die Rücknahme maßgebliche Frist aus § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, nach dem die Aufhebung nur innerhalb eines Jahres möglich ist. Fristbeginn ist dabei der Zeitpunkt der behördliche
Kenntniserlangung von den Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit
rechtfertigen, und setzt regelmäßig die Anhörung des Betroffenen zur beabsichtigten Aufhebung und Erstattung voraus (BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 - B 7 AL 88/99 R -, juris, Rn. 23 m.w.N.). Die Beklagte erlangte am 23. Mai 2012 Kenntnis davon, dass der Kläger und die Versicherte nicht
verheiratet waren. Die Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Rücknahme wurde umgehend durchgeführt. Die Rücknahme erfolgte
mit Bescheid vom 2. Juli 2012 innerhalb der Frist.
d) Schließlich entspricht die Ermessensentscheidung hinsichtlich einer Aufhebung der Bewilligungsentscheidung erst ab dem
1. Januar 2010 den gesetzlichen Vorgaben aus § 45 SGB X (sog. Rücknahmeermessen, vgl. etwa BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 12/08 R - juris, Rn. 10 m.w.N.). Die Begründung des Bescheides muss zum einen erkennen
lassen, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, und zum anderen auch diejenigen Gesichtspunkte
benennen, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat einen
Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens. In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung
der gerichtlichen Kontrolle (§
54 Abs.
2 Satz 2
SGG). Insoweit ist auch der Inhalt des Widerspruchsbescheides maßgebend (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X). Nach dem Inhalt des Teilabhilfebescheides vom 4. April 2013 und des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013
war sich die Beklagte des eingeräumten Ermessensspielraums erkennbar bewusst. Der Sozialleistungsträger hat bei einer Rücknahmeentscheidungen
nach § 45 SGB X sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Grenzen des Ermessens einzuhalten. Normzweck
ist die Lösung des Konflikts zwischen dem Grundsatz der Recht- und Gesetzmäßigkeit jedes Verwaltungshandelns einerseits und
der Rechtssicherheit, insbesondere dem Vertrauensschutz des Bürgers, andererseits (Merten in: Hauck/Noftz, SGB X, 5/15, § 45 SGB X, Rn. 2; Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, 88. EL, § 45 Rn. 4, beck-online). Eine Durchbrechung der Bestandskraft eines Verwaltungsakts soll nach Überlegung des Gesetzgebers daher
dann möglich sein, wenn in bestimmten Fällen das durch das Rechtsstaatsprinzip in Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz grundsätzlich geschützte Vertrauen des Adressaten eines Bescheids in dessen Bestand nicht schützenswert ist bzw. überhaupt
nicht besteht (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 27). Die Beklagte hat berücksichtigt, dass Witwerrente nur Witwern zusteht und insoweit eine ungerechtfertigte Bewilligung
von Witwerrente erfolgt ist. Sofern ausnahmsweise ein nicht bestehender Leistungsanspruch anerkannt wird, solle der rechtmäßige
Zustand wieder hergestellt werden. Zutreffend hat die Beklagte darüber hinaus ein eigenes Mitverschulden angenommen und durch
Beschränkung des Rücknahmezeitraums erst ab dem 1. Januar 2010 und eine entsprechende Reduzierung des Rückforderungsbetrages
berücksichtigt. Ihr Mitarbeiter F. hat die Angaben des Klägers ungefragt und ungeprüft übernommen und trotz Fehlens einer
Eheurkunde mangels Eheschließung das Vorliegen einer "Heiratsurkunde", ausgestellt am 11. Februar 2008, bestätigt. Der Senat
geht dabei davon aus, dass sich diese Bestätigung auf die erweiterte Meldeauskunft der Stadt D.-R. vom 11. Februar 2008 bezogen
hat. Auch seien laut Vermerk des Mitarbeiters in der Sterbeurkunde keine Angaben zum die Rente beantragenden Ehegatten enthalten
gewesen, obwohl die im Verfahren vorgelegte Sterbeurkunde vom 1. Februar 2008 die Angabe "Die Verstorbene war geschieden"
enthält. Ob es dabei darüber hinaus zu einer konkreten Nachfrage bezüglich einer Eheschließung gekommen ist oder ob der Mitarbeiter
eine Eingetragene Partnerschaft ohne Nachweise angenommen hat, blieb auch nach dessen Auskunft ungeklärt. Die angestellten
Ermessenserwägungen weisen keine Rechtsfehler auf.
e) Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die für den Zeitraum vom
1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 aufgehobenen Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 10.726,50 EUR sind daher vom Kläger
zu erstatten. Die Gesamtsumme ergibt sich dabei aus den einzelnen Zahlungen:
Zeitraum
|
Monatliche Rente
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Gesamt
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Januar 2010 bis Juni 2010 (6 Monate)
|
361,60 EUR
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2169,60 EUR
|
Juli 2010 bis Dezember 2010 (6 Monate)
|
357,81 EUR
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2146,86 EUR
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Januar 2011 bis Juni 2011 (6 Monate)
|
356,62 EUR
|
2139,72 EUR
|
Juli 2011 bis Juni 2012 (12 Monate)
|
355,86 EUR
|
4270,32 EUR
|
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.