Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes befristet auf drei
Jahre
Herabsinken des täglichen Leistungsvermögens des Klägers auf drei bis unter sechs Stunden
Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage
Tatbestand:
Der am ... 1968 geborene Kläger absolvierte von September 1984 bis Juli 1987 erfolgreich eine Berufsausbildung zum Ausbaumaurer.
Er war nachfolgend für verschiedene Bauunternehmen bis zur betriebsbedingten Kündigung des letzten Arbeitsverhältnisses zum
31. Januar 2001 als Maurer versicherungspflichtig beschäftigt.
Der Kläger erlitt am 10. Juli 1985 einen Verkehrsunfall mit dem Moped, bei dem er durch einen rückwärtsfahrenden Lkw überrollt
wurde. In dem Erstgutachten über die Feststellung des Körperschadens infolge eines Arbeitsunfalles von dem Facharzt für Chirurgie
Medizinalrat Dr. H. vom 24. September 1986 wird als Unfallfolge eine Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes nach zentraler
Hüftluxation angegeben. Er bezieht eine Unfallrente von der Bergbauberufsgenossenschaft (BBG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. und im Übrigen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Der Kläger verfügt über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw, den er nach eigenen Angaben für kürzere Fahrten weiterhin nutzt.
Die Beklagte holte auf den ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung das Gutachten von dem Facharzt u.a. für Orthopädie
Dr. A. vom 19. März 2007 ein, der bei dem Kläger eine ausgeprägte posttraumatische Arthrose des linken Hüftgelenkes mit deutlicher
Bewegungseinschränkung und leichter Atrophie der Oberschenkelmuskulatur als Befund angab. Eine leichte bis mittelschwere körperliche
Tätigkeit überwiegend im Sitzen - ohne Arbeiten im Bücken, Hocken oder Knien, das Besteigen von Leitern und Gerüsten und lange
Laufstrecken - könne der Kläger aus orthopädischer Sicht vollschichtig ausführen. Er sei auch in der Lage, viermal täglich
Wegstrecken von mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. In dem nach Ablehnung des vorgenannten Rentenantrages
eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (S 1 (4) R 400/07) wurde das Gutachten von Dr. W., Leitender Oberarzt am Zentrum für Rückenmarksverletzte
und der Klinik für Orthopädie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B., vom 14. Mai 2008 eingeholt. Mit der posttraumatischen
Arthrose des linken Hüftgelenkes seien für den Kläger Anlauf- und Belastungsschmerzen verbunden. Nach einer gewissen Anlaufzeit
seien Gehstrecken von 800 bis 1000 m von ihm sicherlich gut zu bewältigen. Er könne Wegstrecken von 500 m viermal täglich
in jeweils maximal zehn bis zwölf Minuten problemlos zurücklegen. Der Kläger könne noch körperlich leichte und gelegentlich
mittelschwere Arbeiten (mit weiteren qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich verrichten. Die festgestellte Minderung
der Leistungsfähigkeit bestehe seit Dezember 2006. Durch den Einbau einer Hüftprothese oder eines Oberflächenersatzes bei
dem jungen Patienten könne sich die Leistungsfähigkeit deutlich bessern. Die Klage wurde durch rechtskräftig gewordenen Gerichtsbescheid
abgewiesen.
Auch die gegen die Ablehnung des zweiten Rentenantrages des Klägers vom 16. September 2008 erhobene Klage (S 12 R 370/09) wies das SG Dessau-Roßlau mit Gerichtsbescheid ab. In dem - schließlich durch Rücknahme des Rechtsmittels beendeten - hiergegen
geführten Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt (L 3 R 394/09 PKH) stützte sich der Kläger im Wesentlichen auf das Attest der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. B. vom 27. November
2009, in dem insbesondere bescheinigt wurde, der Kläger könne insgesamt nur noch maximal 300 m in 30 bis 35 Minuten zurücklegen.
Das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm unmöglich. In dem von dem Senat eingeholten Gutachten von dem Facharzt u.a.
für Orthopädie Dr. S. vom 9. September 2010 wurde daraufhin ein auf orthopädischem Fachgebiet deutlich eingeschränktes Leistungsvermögen
des Klägers festgestellt. Er könne leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten bei vorwiegendem Sitzen vollschichtig
ausführen. Auf Grund der chronischen Schmerzen seien nur noch geistig leichte Arbeiten möglich. An die mnestischen Fähigkeiten
könnten nur geringe Anforderungen gestellt werden. Gehstrecken von 500 m am Stück in circa 15 bis 20 Minuten seien dem Kläger
auch viermal täglich zumutbar. Gegen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gebe es keine Einwände.
Die Beklagte lehnte auch den dem vorliegenden Streitverfahren zugrunde liegenden Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung
vom 12. Oktober 2010 ab. Bei diesem liege ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten
zeitweise im Stehen oder Gehen und überwiegend im Sitzen - ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, häufiges
Bücken, Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft
sowie ohne längere Gehstrecken - vor (Bescheid vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011).
Mit seiner am 18. Mai 2011 vor dem SG Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Das SG hat durch Einholung des Befundberichtes von Dipl.-Med. B. vom 18. September 2011 ermittelt und die Klage mit Gerichtsbescheid
vom 6. Februar 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da er weder
voll noch teilweise erwerbsgemindert oder berufsunfähig sei. Er sei noch fähig, körperlich leichte Tätigkeiten "vorwiegend
sitzend" mit der Möglichkeit eines gelegentlichen Haltungswechsels nach höchstens einer Stunde und geistig leichte Tätigkeiten
vollschichtig auszuführen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 13. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 28. Februar 2012 Berufung bei dem LSG Sachsen-Anhalt
eingelegt. Zur Begründung verweist er auf sein unfallbedingtes posttraumatisches Hüftgelenksleiden links mit beginnendem Hüftgelenksleiden
rechts, den Zustand nach Hüftluxation und Beckenfraktur 1985, das Wirbelsäulenleiden sowie die angeborene Fußveränderung mit
erheblicher Zunahme der Bewegungseinschränkung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. November
2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 25. November 2012 eingeholt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt
89 bis 92 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.
Dr. S. hat auf die Anfrage des Berichterstatters unter dem 31. Juli 2013 mitgeteilt, auf Grund des Umstandes, dass Dipl.-Med.
B. in ihrem Befundbericht vom 25. November 2012 eine deutliche Zunahme der Bewegungseinschränkungen von Seiten der Hüftgelenke
angegeben habe, erscheine eine Zunahme der Veränderungen im Vergleich zur Vorbegutachtung im Jahr 2010 möglich. Die erneute
Begutachtung durch einen Orthopäden sei sinnvoll.
Der Senat hat sodann das Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. F., Chefarzt der Klinik für Orthopädie am MEDIGREIF
Krankenhaus A., vom 9. Oktober 2014 eingeholt, das auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 26. August
2014 erstattet worden ist. Die Inspektion des Klägers zeige bei normaler Grundstellung mit herabhängenden Armen einen sehr
athletischen Habitus. Zusammenfassend lägen bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen vor:
Zustand nach (Z.n.) konservativ versorgter Beckenringfraktur sowie Hüftgelenksluxationen mit jetzt bestehender sekundärer
posttraumatischer Coxarthrose linksseitig Grad 3 bis 4 mit daraus resultierendem Beckentiefstand links 1 cm sowie vorliegender
Myatrophie der linken Oberschenkelmuskulatur und der hüftübergreifenden Muskulatur sowie der Beckenmuskulatur.
Initiale Varusgonarthrose links mit endgradiger Bewegungseinschränkung.
Lokal lumbales Reizsyndrom mit Osteochondrose und Spondylarthrose L4/5.
Lokal cervikales Reizsyndrom mit rezidivierender pseudoradikulärer Symptomatik bei Osteochondrose und Spondylarthrose C6/7.
Diskrete rechts-/links-konvexe Seitausbiegung (Skoliose) der Wirbelsäule mit resultierender muskulärer Dysbalance der Rückenmuskulatur.
Auf neurologischem Fachgebiet bestehe der Verdacht auf ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychosomatischer Komponente. Bei
Bedarf wäre die fachliche Spezifizierung des chronischen Schmerzsyndroms evtl. noch durch entsprechende Gutachten festzulegen.
Auf orthopädischem Fachgebiet lägen Funktionsstörungen mit einer deutlichen Beckenverwringung und daraus resultierender muskulärer
Dysbalance, eine deutliche Behinderung des linken Fußgelenkes sowie eine Muskelminderung am Oberschenkel links von fünf Zentimetern
gegenüber rechts vor. Im Laufe der letzten Jahre habe sich die Situation bei dem Kläger erheblich verschlechtert. Dies liege
im Wesentlichen nicht nur an der Verschleißsituation, sondern an den sich hieraus ergebenden Begleiterkrankungen, wie Kontrakturen
und Muskelsehnenverkürzungen mit daraus resultierenden Störungen des musculo-skelettalen Systems. Diese Erkrankungen hätten
Auswirkungen auf angrenzende Gelenke im Stütz- und Bewegungsapparat, wie die Lendenwirbelsäule (LWS), Kniegelenke etc. Von
dem Kläger würden die Beschwerden glaubhaft geschildert. Eine Aggravation lasse sich augenscheinlich nicht nachweisen. Behandlungen
und weiterführende Diagnostik bezüglich der von dem Kläger als erheblich empfundenen körperlichen Beeinträchtigungen lägen
nicht vor. Solche Beeinträchtigungen könnten aber aus Sicht des Sachverständigen nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Sollte bei dem Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom vorliegen, würde dies zur weiteren Verstärkung der Einschränkung der
Belastungsfähigkeit führen. Dem Kläger könne unter Würdigung aller vorliegenden Befunde auf dem Fachgebiet des Sachverständigen
eine körperlich leichte Tätigkeit mit maximal drei bis unter sechs Stunden täglich im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und
Gehen zugemutet werden. Zu vermeiden seien Akkordarbeit, Arbeiten mit einem Heben und Tragen schwerer Lasten, in Zwangshaltung
oder in nass-kalter bzw. feuchter Umgebung. Die Frage, ob dem Kläger eine leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche
Tätigkeit von über sechs Stunden täglich zuzumuten wäre, sei aus rein orthopädischer Sicht mindestens insoweit zu beantworten,
dass auf Grund der erheblichen Kontrakturen und Verletzungen der LWS und Halswirbelsäule (HWS) ein längeres Sitzen bzw. dauerhaftes
Verbleiben am Arbeitsplatz auch für leichte körperliche Tätigkeiten über sechs Stunden täglich nicht zuzumuten wäre. In diesem
Fall würde sich die körperliche Situation des Klägers in kürzester Zeit erheblich zum Negativen für ihn entwickeln. Sollte
bei dem Kläger zusätzlich noch ein chronifiziertes Schmerzsyndrom mit psychosomatischer Komponente festgestellt werden, würde
dies noch zur weiteren Einschränkung der Belastungsfähigkeit und Einsatzfähigkeit führen. Unter längeren Pausen und mit Schmerzen
seien dem Kläger sicherlich Gehstrecken von 500 m möglich, aber nicht viermal täglich. Unter bestimmten Voraussetzungen könne
ein Privat-Kfz von dem Kläger geführt werden. Zu der Frage 10 der Beweisanordnung "Seit wann besteht die festgestellte Minderung
der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung aller in den Akten und Beiakten befindlichen Unterlagen" hat der Sachverständige
ausgeführt: "Retrospektiv sicherlich möglich, da man ständig von einer Progression ausgehen sollte. [Ob] Diese Einschränkung
bereits zum Zeitpunkt des Antrages der Berentung vorgelegen haben[/t], lässt sich X-Jahre rückwirkend sicherlich schwer feststellen.
Festlegen können wir, dass diese Einschränkung, wie sie jetzt vorliegt, zumindest zwei Jahre rückwirkend schon bestanden hat."
Die Leistungseinschränkung bestehe auf Dauer. Inwieweit weiterführende Rehabilitationsmaßnahmen bzw. komplexe Therapien eine
Besserung herbeiführen würden, sei schwer beurteilbar. Wesentliche Änderungen der Befunde seien im Vergleich zu den Vorgutachten
nicht festgestellt worden. Anzumerken sei, dass nun zumindest die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke, HWS und LWS sowie
das komplexe Krankheitsbild eines chronischen Schmerzsyndroms mit musculo-skelettalen Dysbalancen bzw. arthromuskulären Dysbalancen
mit in das Gutachten eingeflossen seien und insoweit sicherlich eine Abweichung zu den Vorgutachten festzustellen sei.
Auf die Anfrage des Berichterstatters zu einer aktuellen psychiatrischen oder schmerztherapeutischen Behandlung hat der Kläger
unter dem 23. Dezember 2014 mitgeteilt, sich in einer schmerztherapeutischen Mitbehandlung bei Dipl.-Med. B. zu befinden.
Diese daraufhin erneut um Erstellung eines Befundberichtes gebetene Ärztin hat in dem am 4. März 2015 bei dem Senat eingegangenen
Bericht eine letzte Konsultation durch den Kläger am 4. September 2013 angegeben und inhaltlich ihren vorausgegangenen Bericht
wiederholt.
Die Beklagte hat einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung weiterhin verneint und sich insoweit auf
die sozialmedizinische Stellungnahme der Prüf-/Gutachterärztin Dr. K. vom 27. Januar 2015 gestützt. Darin wird ausgeführt,
eine wesentliche Befunddynamik innerhalb der der Untersuchung vorausgegangenen zwei Jahre im Vergleich zum Vorgutachten sei
von Dr. F. nicht beschrieben worden. Insgesamt dränge sich der Eindruck auf, dass in stärkerem Maße dem subjektiven Beschwerdevortrag
des Klägers gefolgt worden sei und nicht den maßgeblich zugrunde zu legenden Funktionsbefunden. Allein aus den Diagnosen könne
nicht auf Funktionseinbußen geschlossen werden. Nachlesbar sei in dem Gutachten ein sportlicher bzw. sehr athletischer Habitus
mit gut ausgeprägter Brustmuskulatur bzw. gut konfigurierter muskulärer Situation, was insgesamt Zweifel an einer erheblichen
Beeinträchtigung aufgebe. Welche Therapien gegenwärtig überhaupt in Anspruch genommen würden, sei nicht zu erfahren. Perspektivisch
bestehe die Option eines Hüftgelenkersatzes. Zusammenfassend sei unter sozialmedizinischen Gesichtspunkten weiterhin ein mindestens
sechsstündiges Leistungsvermögen für zumindest körperlich leichte Tätigkeiten in bevorzugt wechselnder Körperhaltung mit höherem
Sitzanteil und unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen festzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist teilweise begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes
vom 1. März 2015 bis zum 28. Februar 2018. Das angefochtene Urteil ist nur insoweit abzuändern. Der angefochtene Bescheid
der Beklagten ist insoweit rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Nach §
43 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für
eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Versicherte sind nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist teilweise erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil seit dem Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. F. am 26. August
2014 nachgewiesen ist, dass er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis unter sechs
Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Die von der Rechtsprechung geprägte konkrete Betrachtungsweise bei einem quantitativ
auf weniger als sechs Stunden täglich eingeschränkten Leistungsvermögen des Versicherten, d.h. einer Verschlossenheit des
Teilzeitarbeitsmarktes, soweit der Versicherte keinen Teilzeitarbeitsplatz inne hat, ist auch bei der seit 2001 geltenden
Gesetzeslage weiterhin anzuwenden. Der Gesetzgeber hat die Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Arbeitsmarktrente
ausdrücklich beibehalten wollen (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit, Bundestags-Drucksache 14/4230, S. 25 zu Nr. 19). Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung, die
bisherige Rechtsprechung aufzugeben (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 2011 - L 3 R 107/10 -, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2011 - L 22 R 43/10 -, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. April 2009 - L 18 R 875/08 -, juris). Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Arbeitsplatz inne. Die Beklagte hat auch einen konkreten Arbeitsplatz
nicht aufgezeigt oder angeboten.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Folgen des von dem Kläger im Jahr 1985 erlittenen Unfalls eine solche Progredienz
seit der Vorbegutachtung durch Dr. S. gezeigt haben, dass aktuell ein Leistungsvermögen des Klägers von knapp unter sechs
Stunden täglich auch für leichte körperliche Arbeiten im Sitzen gegeben ist. Bereits zwischen dem positiven Leistungsbild
in den Gutachten von Dr. A. vom 19. März 2007 (leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit), Dr. W. vom 14. Mai 2008 (leichte
und gelegentlich mittelschwere Arbeiten) und Dr. S. vom 9. September 2010 (leichte körperliche und geistig einfache Arbeiten)
zeichnet sich ein deutliches Herabsinken des Leistungsvermögens des Klägers ab. Bei dem Kläger liegen ein Beckenschiefstand,
eine Beckenverwringung und eine deutliche Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur mit einer Umfangsdifferenz von inzwischen
fünf Zentimetern vor. Das von dem Kläger auch im Alltag gelebte einseitige Bewegungsbild ist insbesondere durch die ungleiche
Fußsohlenbeschwielung hinreichend dokumentiert. Keinem der Gutachten, die von Seiten der Beklagten und den Gerichten eingeholt
worden sind, lassen sich Anhaltspunkte für eine Aggravation des Klägers entnehmen. Die körperliche Statur des Klägers, die
Dr. F. mit "sehr athletisch" beschrieben hat, ist nach den Angaben des Klägers seiner früheren schweren körperlichen Arbeit
geschuldet. Weder seine Angaben noch die Feststellungen zur körperlichen Verfassung des Klägers in den Gutachten von Dr. A.,
Dr. W., Dr. S. und Dr. F. weisen Anhaltspunkte dafür auf, dass der Kläger sich nicht - wie der selbst angibt - körperlich
schont, sondern irgendeiner Form von sportlicher oder beruflicher Tätigkeit nachginge.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für das Leistungsbild der aktuelle Körperzustand des Klägers maßgebend. Die Mitwirkung
eines Versicherten an einer konkreten Heilbehandlung setzt nach §
65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil -
SGB I) im Regelfall zunächst ein konkretes Verlangen des Leistungsträgers voraus. Unabhängig davon kann aber den Vorschriften über
die Grenzen einer zumutbaren Mitwirkung deutlich entnommen werden, dass eine Hüftgelenksimplantation von einem Versicherten
zur Abwendung eines Rentenanspruchs nicht verlangt werden kann. Nach §
65 Abs.
2 SGB I können Behandlungen und Untersuchungen, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben und Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden kann (Nr. 1), die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind (Nr. 2) oder die einen erheblichen Eingriff
in die körperliche Unversehrtheit bedeuten (Nr. 3) abgelehnt werden. Zumindest unter dem Gesichtspunkt des erheblichen Eingriffs
einer Hüftgelenksoperation in die körperliche Unversehrtheit ist eine solche Maßnahme für einen Versicherten nicht mitwirkungspflichtig
(vgl. Kampe/Voelzke in JurisPK-
SGB I, 2. Aufl. 2011, §
65 RdNr. 42). Unter diesem Gesichtspunkt ist hier auch zu berücksichtigen, dass das positive Leistungsbild so zu bemessen ist,
dass der Kläger eine weitere Progredienz seiner Erkrankung weitgehend vermeiden kann. Da die Beklagte insoweit einen nicht
maßgebenden rechtlichen Maßstab des Leistungsbildes zugrunde gelegt hat, hat der Senat davon abgesehen, von dem gerichtlichen
Sachverständigen eine Einschätzung in Bezug auf die medizinischen Implikationen einer solchen Operation, die in der prüfärztlichen
Stellungnahme vom 27. Januar 2015 als zumutbar erachtet worden ist, abzufordern.
Damit steht dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, die nach §
102 Abs.
2 Satz 1,
2 und 5
SGB VI auf drei Jahre zu befristen ist. Der Kläger ist demgegenüber nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI, sodass ihm eine Rente auf Dauer nicht bewilligt werden kann. Nach §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat
hat vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger nicht in nervenärztlicher Behandlung befindet und seit September 2013 auch nicht
mehr in kontinuierlicher ambulanter Behandlung befand, schon keine tragfähigen Anhaltspunkte für ein derart herabgesunkenes
quantitatives Leistungsvermögen feststellen können. Da gleichzeitig bereits auf Grund der insbesondere nicht ausgeschlossenen
zukünftigen Versorgung des Klägers mit einem Hüftgelenksersatz eine wesentliche Verbesserung des Leistungsvermögens nicht
unwahrscheinlich im Sinne des §
102 Abs.
2 Satz 5 1. Halbsatz
SGB VI ist, wäre ein aktuelles Leistungsvermögen des Klägers nur insoweit von Bedeutung gewesen, dass dem Kläger bei einer Weitergewährung
der Rente ggf. nach neun Jahren ein Anspruch auf Dauerrente hätte entstehen können (§
102 Abs.
2 Satz 5 2. Halbsatz
SGB VI). Allein die von Dr. F. aufgeworfene Fragestellung einer Schmerzstörung des Klägers hat dem Senat aber nicht genügt, um weitere
Ermittlungen von Amts wegen insoweit für notwendig zu erachten. Hier sind andererseits auch keine Gründe erkennbar, von der
Regeldauer der Gewährung der Arbeitsmarktrente von drei Jahren zu Lasten des Klägers abzuweichen.
Der Rentenbeginn der befristeten Rente ist nach §
101 Abs.
1 SGB VI der siebte Monat nach der Untersuchung bei Dr. F. im August 2014. Dessen Angaben zu einem früheren Leistungsfall sind weder
ausreichend konkret in zeitlicher Hinsicht noch in Bezug auf die nicht ausgeschlossene progrediente Entwicklung der Erkrankungen
des Klägers, die der Sachverständige an anderer Stelle seines Gutachtens hervorgehoben hat, zwingend.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.