Zusatz- und Sonderversorgung der neuen Bundesländer - Massenproduktion; betriebliche Voraussetzung; Reparatur; Montage; industrielle
Fertigung; Überleitungsvertrag; Leitfunktion des Betriebs; Serienproduktion; serielle Montage; fiktive Einbeziehung; Serienproduktion
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass ihre Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) mit Bescheid vom 30. Juni 1999 rechtswidrig war.
Der am ... 1939 geborene Kläger erwarb ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Kraft- und Arbeitsmaschinenbau "R.
D." M. vom 22. Juli 1960 die Berufsbezeichnung Ingenieur. Vom 1. September 1960 bis zum bis zum 31. Dezember 1961 war er als
Ingenieur beim VEB Rohrleitungsbau B. und anschließend bis zum 30. Juni 1990 beim VEB Industrie- und Kraftwerksrohrleitungen
B. (VEB IKR B.) beschäftigt (Überleitungsvertrag vom 15. Dezember 1961 zwischen dem Kläger, dem VEB IKR B. als übernehmender
Betrieb sowie dem VEB Rohrleitungsbau B. als abgebender Betrieb). Am 1. Januar 1985 erhielt der VEB IKR B. den Namenszusatz
"Leitbetrieb". Eine schriftliche Versorgungszusage zu einem Zusatzversorgungssystem erhielt der Kläger während des Bestehens
der DDR nicht. Seit dem 1. Juni 1978 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).
Mit Bescheid vom 30. Juni 1999 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1960 bis zum 30. Juni 1990 als solche der Zugehörigkeit
zur AVItech mit den dazugehörigen Entgelten fest. Am 11. Oktober 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der festgestellten
Entgelte und bezog sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 im Verfahren B 4 RS 4/06 R. Insbesondere beantragte er die Berücksichtigung von Jahresendprämien. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom
3. März 2009 fest, dass das AAÜG nicht anwendbar und der Feststellungsbescheid vom 30. Juni 1999 rechtswidrig sei, aber nicht nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückgenommen werden könne. Es bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung von höheren Entgelten nach dem AAÜG. Der VEB IKR B. sei am 30. Juni 1990 kein volkseigener Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) im Sinne der Versorgungsordnung
und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl.
DDR, Nr. 62, S. 487 - im Folgenden: 2. DB) gewesen.
Am 13. Oktober 2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 3. März 2009. Der VEB IKR B. sei ein volkseigener
Produktionsbetrieb (Bau) mit zeitweise über 2.000 Beschäftigten (mit 5 bis 1.200 Monteuren auf Baustellen) gewesen. Dieser
Betrieb habe 80 Prozent aller Rohrleitungen in der DDR produziert. Die Rohrleitungen seien in Werkstätten vorgefertigt und
in den Räumlichkeiten der Kraftwerksanlagen vorgerichtet und verschweißt worden. Der VEB IKR B. sei mit dem VEB Rohrwerke
B. verbunden und vom 1. Januar 1985 bis zum 30. Juni 1990 rechtlich übergeordnet gewesen. Damit ergebe sich der gleiche Produktionsstatus
wie bei dem VEB Rohrwerke B., der als volkseigener Produktionsbetrieb anerkannt sei.
Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 2010 ab. Sie führte aus, die betriebliche Voraussetzung
sei nicht erfüllt. Es habe sich bei dem ehemaligen VEB IKR B. nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder
Bau) und auch nicht um einen einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellten Betrieb gehandelt. Die Systematik der
Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass der Betrieb nicht dem Geltungsbereich der AVItech unterfalle. Denn der Betrieb
sei der Wirtschaftsgruppe 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen) zugeordnet gewesen. Dagegen legte
der Kläger am 29. September 2010 Widerspruch ein. Der VEB IKR B. sei ein volkseigener Produktionsbetrieb im industriellen
Sektor der DDR-Planwirtschaft gewesen. Er habe Sachgüter produziert. Dies sei sein Hauptzweck gewesen. Diesen Widerspruch
wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 als unbegründet zurück.
Ein Schreiben des Klägers vom 27. Juni 2011 an die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Funktion als Rentenversicherungsträger
betreffend die Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 wertete die Beklagte als weiteren Überprüfungsantrag hinsichtlich der Feststellung
der Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides vom 30. Juni 1999. Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 27. September 2012 ab. Das Profil des VEB IKR B. sei bereits im Verlauf früherer Verfahren geklärt worden. Danach sei
der Hauptzweck des Betriebes die Reparatur bzw. Montage und nicht die industrielle massenhafte Produktion von Sachgütern oder
Bauwerken gewesen. Dagegen legte der Kläger am 26. Oktober 2012 Widerspruch ein. Der VEB IKR B. habe als einziger industrieller
Anlagenbauer sowohl in Chemieanlagen als auch in allen Kraftwerksneubauten als Hauptauftragnehmer (HAN) aus eigener Hand mit
Bauteilen aus eigener Produktion komplexe Rohrleitungssysteme als Teile für Anlagen gebaut. Massenproduktion sei seiner Auffassung
nach identisch mit der Erzielung hoher Produktivität. Sie werde durch Spezialisierung in der Produktherstellung und der Organisation
des Produktionsprozesses erreicht. Der VEB IKR B. habe seit seiner Gründung 1962 in den Großvorhaben der DDR massenhaft die
vielfältigsten Rohrleitungssysteme produziert. Aus den Werkstätten des VEB IKR B. seien Rohre, Rohrformteile, Bögen und vorgefertigte
Rohrleitungsstränge massenhaft auch in Containern zu Großbaustellen u. a. ins Ausland befördert worden, um dort mit modernen
Fertigungsverfahren Rohrleitungssysteme herzustellen. Der VEB IKR B. habe folgende Aufgaben zu erfüllen gehabt:
Gesamtverantwortung für die Rohrleitungsanlage,
Bereitstellung aller benötigten Bauteile, besonders Rohre und Rohrleitungsbauteile aus den betriebseigenen und den unterstellten
Werkstätten,
Erarbeitung von Studien zur technischen Machbarkeit,
Erarbeitung von Preisangeboten,
Konstruktion von Rohrleitungsbauteilen und Projektierung von Rohrleitungssystemen,
Ausblase-Prozesse und Probebetrieb,
Herstellung von Korrosionsschutz und Isolierung,
Erarbeitung von Betriebs- und Wartungsvorschriften,
Anleitung des Betreiberpersonals,
Bereitstellung von Ersatzteilen.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte nach Beiziehung betrieblicher Unterlagen zum VEB IKR B., wegen derer auf Blatt 93 bis
112 der Verwaltungsakte verwiesen wird, mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2013 als unbegründet zurück. Der Hauptzweck
des VEB IKR B. sei bereits mehrfach und ausführlich im Verlauf diverser Rechtsmittelverfahren beim Thüringer Landessozialgericht
(LSG), beim Sächsischen LSG sowie beim LSG Sachsen-Anhalt geklärt worden. Dieser habe mit der Übernahme von Funktionen eines
HAN, der einheitlichen Leitung, Forschung und Entwicklung, der Koordinierung der Planung, der Organisation, Anleitung und
Kontrolle der Plandurchführungen sowie der Abrechnung und Analyse gegenüber den ihm zugeordneten Betrieben (daher auch der
Namenszusatz "Leitbetrieb") eben nicht in der industriellen und standardisierten Massenproduktion entsprechender Sachgüter
gelegen. Daran ändere auch der Überleitungsvertrag vom 15. Dezember 1961 nichts. Mit einem Überleitungsvertrag sei gemäß §
53 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB) das Arbeitsrechtsverhältnis mit dem bisherigen Betrieb aufgelöst (vorliegend:
mit dem VEB Rohrleitungsbau B. zum 31. Dezember 1961) und gleichzeitig ein Arbeitsrechtsverhältnis mit dem neuen Betrieb eingegangen
worden (vorliegend: mit dem VEB IKR B. mit Wirkung vom 1. Januar 1962). Arbeitgeber im rechtlichen Sinne sei daher seit dem
1. Januar 1962 bis zum 30. Juni 1990 der VEB IKR B. gewesen. Soweit eingewendet werde, dass die Beklagte in gleichgelagerten
Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech anerkannt habe, könne aus einer - möglicherweise fehlerhaft ergangenen - Entscheidung
kein Anspruch auf Gleichbehandlung hergeleitet werden. Denn nach der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG)
bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung "im Unrecht".
Dagegen hat der Kläger am 25. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt
hat. Ergänzend hat er vorgetragen, durch die 1985 verfügte Übernahme der Leitfunktion sei eine weitere Konzentration von Montagekapazitäten
und die leitungsseitige Einflussnahme auf die Produktion in den Werkstätten erfolgt. Der Produktionsbetrieb VEB Rohrwerke
B. sei in den HAN VEB IKR B. - Leitbetrieb - aufgegangen. Damit seien Standardrohrleitungsbauteile wie B.er Bogen als Massenprodukte
direkt vom VEB IKR B. - Leitbetrieb - zu beziehen gewesen. Die Verlegung von Rohrleitungen mit Hunderten von Strängen in aufeinanderfolgenden
Kraftwerksblöcken, bei der Tausende Tonnen an hauptsächlich Rohrmaterialien verbaut worden seien, sei von der Beklagten zu
Unrecht nicht als Massenproduktion von Sachgütern oder Bauwerken anerkannt worden. Vielmehr habe diese eine Eingruppierung
nach einer nicht aktualisierten Betriebsliste vorgenommen.
Mit Urteil vom 10. Juli 2014 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es schließe
sich den überzeugenden Entscheidungen des LSG Sachsen-Anhalt vom 28. Januar 2010 (L 1 R 214/06) und des Thüringer LSG vom 22. März 2012 (L 2 R 649/09) an.
Gegen das ihm am 29. Juli 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. August 2014 Berufung beim Sozialgericht Dessau-Roßlau
eingelegt, das diese an das LSG Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Den gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Zulassung
der Sprungrevision zum BSG hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Beschluss vom 10. Oktober 2014 abgelehnt. Zur Berufungsbegründung hat er sein Vorbringen
aus dem Verwaltungsverfahren sowie aus dem erstinstanzlichen Gerichtsverfahren vertieft und ergänzend ausgeführt, der VEB
IKR B. habe typisierte Anlagen für Kraftwerke, Heizwerke, Parex-Anlagen (Export in die Sowjetunion) und Verdichterstationen
für die Erdgastrassen durch die Sowjetunion, die als gleichartige Anlagen reihenweise hintereinander realisiert worden seien,
hergestellt. Durch die Erfüllung planvorgegebener Serienproduktion sei es möglich gewesen, die nötigen Produktionsgewinne
zu erzielen, um mit den beschränkten Kapazitäten die Staatsplantermine einzuhalten. Die reihenweisen, hintereinander in Serie
gefertigten gleichartigen Rohrleitungsanlagen seien gemäß dem Status Investitionsproduktionsbetrieb als Leistungskriterium
"Massenproduktion" anzuerkennen. Ab 1985 sei der VEB IKR B. als Leitbetrieb zusätzlich für die Produktion sämtlicher Rohrleitungskomponenten
produzierender Betriebe der Branche verantwortlich gewesen. Diese Produktionen seien überwiegend Bauteile für die oben genannten,
in Serie gefertigten gleichartigen Anlagen gewesen. Für ihn sei nur ein "Einzelurteil" vom BSG zu akzeptieren. Zur weiteren Unterstützung seines Vortrags hat der Kläger das Buch "Die Geschichte des Rohrleitungsbaus im
Raum B." (hrsg. v. Rohrleitungsbautradition B. e.V., 2009; im Folgenden: Geschichte) übersandt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juli 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid 3. März
2009 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der VEB IKR B. sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens und auch
kein gleichgestellter Betrieb gewesen. Sein Hauptzweck sei in seiner Funktion als Leitbetrieb und als HAN zu sehen. Als HAN
habe er komplette funktionsfähige Industrie- und Kraftwerksrohrleitungsanlagen zu entwickeln, zu projektieren und zu errichten
bzw. bestehende Anlagen zu rekonstruieren gehabt. Die Errichtung bzw. Montage der Anlagen sei jedoch nicht schematisch (seriell)
erfolgt, sondern allein nach den besonderen Anforderungen bzw. Vorgaben der individuell erstellten technisch-technologischen
Ausführungsunterlagen. Es sei zudem eine Anpassung an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten erforderlich gewesen. Soweit
im VEB IKR B. tatsächlich in den juristisch nicht selbstständigen Werken produziert worden sei, stelle diese Produktion von
Rohren, Formstücken, Flanschen und Behältern einen notwendigen Zwischenschritt hin zur Rohrleitungsmontage dar. Sie habe jedoch
nicht den Schwerpunkt des Aufgabenprofils des Betriebes bestimmt. Eine von individuellen Kundenwünschen unabhängige überwiegend
serielle Montage von Bauteilen in einem standardisierten Verfahren sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu erkennen.
Diese Unterlagen bestätigten vielmehr, dass das Aufgabengebiet des VEB IKR B. vielfältig gewesen sei.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 17. März 2015 sind den Beteiligten Kopien des Urteils des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt
vom 28. Januar 2010 (L 1 R 214/06) sowie betriebliche Unterlagen zum VEB IKR B. ausgehändigt bzw. im Anschluss übersandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der
Beklagten sowie der Gerichtsakte verwiesen. Diese Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht hat es die Beklagte mit ihrem
Bescheid vom 27. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2013 abgelehnt, den Bescheid vom
3. März 2009 zurückzunehmen. Denn es ist nicht zu beanstanden, dass sie mit dem Bescheid vom 3. März 2009 festgestellt hat,
dass der Feststellungsbescheid vom 30. Juni 1999 rechtswidrig ist.
Der Kläger hat nach § 44 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 3. März 2009. Soweit sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn der genannte Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die AVItech.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei
einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 5 RS 4/09 R -, juris, RdNr. 11). Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2 S. 11).
Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten
Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR, Nr. 93, S. 844, im Folgenden: VO-AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB von
drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich - am 30. Juni 1990 - vorgelegen haben müssen.
Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und
die entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche
Voraussetzung).
Der Kläger ist seit dem 22. Juli 1960 berechtigt, den Titel eines Ingenieurs zu führen, und erfüllt damit die persönliche
Voraussetzung für die Einbeziehung in die AVItech. Es ist auch davon auszugehen, dass er eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende
Tätigkeit verrichtet und damit die sachliche Voraussetzung für die Einbeziehung erfüllt hat. Er war jedoch am 30. Juni 1990
nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb tätig.
Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.
An dieser Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hat der jetzt zuständige 5. Senat des BSG festgehalten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R -, juris, RdNr. 24; Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R -, juris, RdNr. 23; Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R -, juris, RdNr. 24, 25).
Der Begriff des Produktionsbetriebs der Industrie erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R -, juris, RdNr. 24). Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion
und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter
Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen. Nur eine derartige Massenproduktion
im Bereich der Industrie oder des Bauwesens war für eine Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech von maßgeblicher
Bedeutung (BSG, Urteile vom 23. August 2007 - B 4 RS 23/06 R -, und vom 19. Juli 2011 - B 5 RS 7/10 R -, beide juris). Merkmal einer industriellen Massenproduktion ist, dass Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig
wiederkehrend, vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R -, juris) gefertigt werden. Massenproduktion ist auf die standardisierte und automatisierte Herstellung einer potentiell
unbestimmten Zahl von Sachgütern gerichtet. Die Anzahl der produzierten Güter ist nicht von entscheidender Bedeutung. Auch
Kleinserien können zur Massenproduktion gehören, wenn diese zwar in einer theoretisch unbestimmten Vielzahl zur Verfügung
stehen könnten, aber der Markt nur wenige oder im Extremfall ein einziges Gut abnimmt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 8/11 R -, juris, RdNr. 24). Der Zusammenbau der hergestellten Güter muss mehr oder weniger schematisch anfallen und das Produkt
muss einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entsprechen. Dabei kann es sich um nach Art, Aussehen und Bauweise
identische Produkte handeln. Darunter können aber auch Sachgüter fallen, die aus mehreren - ihrerseits standardisiert und
automatisiert hergestellten - Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller
vorgegebenen Produktpalette sind (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R -, juris, RdNr. 26). Dann kann auch der Zusammenbau von Einzelteilen zu einem fertigen Produkt Teil der industriellen Produktion
einschließlich des Bauwesens sein (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/11 R -, juris, RdNr. 24). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bauteile im eigenen oder in einem Drittbetrieb angefertigt
worden sind. Maßgebend ist vielmehr, ob auch die Herstellung des Endprodukts durch den Zusammenbau von Bauteilen mehr oder
weniger schematisch erfolgt (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/11 R -, juris, RdNr. 24).
Wenn allerdings Gebrauchtteile mit verbaut werden, liegt keine industrielle Massenproduktion vor. Auch wenn individuelle Kundenwünsche
in den Vordergrund treten, ist bei einem solchen Zusammenbau der Bezug zu industriellen Massenproduktion entfallen. Dies gilt
etwa dann, wenn die Produktionsweise eines Betriebs von vornherein darauf angelegt ist, allein den Vorgaben des Auftraggebers
entsprechend Einzelstücke herzustellen, die in einer vorgegebenen Produktpalette so nicht enthalten sind. Dies kann etwa beim
Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf die
besondere Anforderung des Auftraggebers gefertigten Produkts vorliegen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 8/11 -, juris, RdNr. 23). Werden jedoch Produkte zwar nach individuellen Vorgaben gefertigt, sind diese aber in einer vom Hersteller
vorgegebenen Produktpalette enthalten, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet
(BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/11 R -, juris, RdNr. 24, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/12 R -, juris, RdNr. 27).
Hat ein VEB am Stichtag verschiedene Sparten und Produktionsgruppen gehabt, so sind der Hauptzweck des Betriebs und der Schwerpunkt
der betrieblichen Tätigkeit zu ermitteln. Im Rahmen einer "Geprägeprüfung" sind die jeweiligen Sparten oder Produktionsgruppen
nach jeweils einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Dies können etwa Umsatz und Ertrag
in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen sein (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 5/11 R -, juris, RdNr. 27). Bei dem Kriterium der Kopfzahl der Mitarbeiter ist zu beachten, dass diese nicht automatisch auf ein
entsprechendes Arbeitsvolumen und einen Anteil an der Wertschöpfung schließen lässt (BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R -, juris, RdNr. 26). Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nach der Rechtsprechung des
BSG ebenfalls nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion standardisierter Produkte im Baubereich bestand (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 R -, juris, RdNr. 23).
Der Kläger war am 30. Juni 1990 beim VEB IKR B. - Leitbetrieb beschäftigt. Dies ergibt sich aus den Eintragungen in seinem
Sozialversicherungsausweis. Dieser selbstständige VEB war der maßgebliche Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn, worauf
es nach der Rechtsprechung des BSG ankommt (Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R -, juris, RdNr. 32). Er war aber kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1
Abs. 1 Satz 1 der 2. DB.
Am 1. Januar 1985 kam es zur Bildung eines Großmontagebetriebes mit ca. 14.000 Beschäftigten unter Führung des VEB IKR B.
- Leitbetrieb (Geschichte, S. 50, 71). Dieser Betrieb hatte nach seinem Zweck wesentlich andere Aufgaben zu erfüllen als eine
reine, standardisierte Massenproduktion. Hauptaufgabe des VEB IKR B. - Leitbetrieb war nicht die Massenproduktion von Sachgütern.
Die vielfältigen Aufgaben hat der Kläger selbst anschaulich beschrieben:
Gesamtverantwortung für die Rohrleitungsanlage,
Bereitstellung aller benötigten Bauteile, besonders Rohre und Rohrleitungsbauteile aus den betriebseigenen und den unterstellten
Werkstätten,
Erarbeitung von Studien zur technischen Machbarkeit,
Erarbeitung von Preisangeboten,
Konstruktion von Rohrleitungsbauteilen und Projektierung von Rohrleitungssystemen,
Ausblase-Prozesse und Probebetrieb,
Herstellung von Korrosionsschutz und Isolierung,
Erarbeitung von Betriebs- und Wartungsvorschriften,
Anleitung des Betreiberpersonals,
Bereitstellung von Ersatzteilen.
Eine im Wesentlichen übereinstimmende Leistungsbeschreibung findet sich in der vom Kläger überreichten "Geschichte" (S. 68,
69). Als Leitbetrieb hatte der Betrieb auch vielfältige übergeordnete Aufgaben außerhalb der eigentlichen Produktion zu erfüllen.
Das ergibt sich überdies aus § 7 Abs. 2 des Statuts des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau vom 30. November 1984, das am 1.
Januar 1985 in Kraft trat. Danach hatten die beiden Leitbetriebe des Kombinates (VEB Dampferzeugerbau B. und VEB IKR B.) insbesondere
Funktionen der einheitlichen Leitung von Forschung und Entwicklung, der Koordinierung der Planung, der Organisation, Anleitung
und Kontrolle der Plandurchführung sowie der Abrechnung und Analyse gegenüber den ihnen zugeordneten Betrieben wahrzunehmen.
Aber auch die Produktion des VEB IKR B. - Leitbetrieb trug nicht hauptsächlich das Merkmal einer Serienfertigung. Dies ergibt
sich anschaulich aus der vom Kläger übersandten "Geschichte". Bis 1990 war der Betrieb als HAN an allen Kraftwerksneubauten
und an der Rekonstruktion oder Reparatur von vorhandenen Kraftwerken der DDR (Energie-, Industrie- und Heizkraftwerke) beteiligt,
darüber hinaus an fast allen großen Investitionen in der Chemieindustrie, Metallurgie, Kohleveredlung und an Vorhaben der
Elektronik und Halbleiterindustrie. Die Energiekraftwerke sind in Kern-, Braunkohle- und Gasturbinenkraftwerke sowie Pumpspeicherwerke
zu unterteilen (Geschichte, S. 97 ff.). Hinzu kam die Mitwirkung an Erdgasleitungen in der ehemaligen Sowjetunion von 1974
bis 1979 - DRUSCHBA - und von 1981 bis 1990 - SOJUS -; (vgl. Geschichte, S. 155 ff.). Hier wurden insbesondere Verdichterstationen
realisiert. Diesem umfangreichen und vielfältigen Aufgabenspektrum entspricht die Einstufung in das Statistische Betriebsregister
der DDR mit der Schlüsselziffer 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen).
Der VEB IKR B. - Leitbetrieb ist im Wesentlichen als Anlagenbauer zu charakterisieren. Rohrleitungs(teil)anlagen werden aber
nicht in Massenproduktion, sondern speziell für das jeweilige Kraftwerk oder eine sonstige Anlage hergestellt. Auch dann,
wenn verschiedene Kraftwerke in großer Stückzahl gebaut wurden, kann nicht von Massenproduktion gesprochen werden. Denn eine
solche liegt nur dann vor, wenn - wie oben ausgeführt - die Produkte massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau
mehr oder weniger schematisch anfällt. Dies ist bei den Rohrleitungs(teil)anlagen für Kraftwerke aber nicht vorstellbar, da
auch bei den Kraftwerken - selbst, wenn sie nach einem bestimmten Typ gebaut wurden - entsprechend den örtlichen Gegebenheiten
(Baugrund, Verkehrsanbindung usw.) konkrete Anpassungen vorgenommen werden mussten (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 22. März
2012 - L 2 R 649/09 -, juris, RdNr. 39). Dasselbe gilt für die Verdichterstationen in der ehemaligen Sowjetunion. Soweit in dem VEB IKR B. -
Leitbetrieb bzw. in den dazugehörigen, unselbstständigen Betrieben tatsächlich produziert worden ist, stellte diese Produktion
von Rohren, Formstücken, Flanschen und Behältern einen notwendigen Zwischenschritt hin zur Rohrleitungsanlage dar und hatte
somit dienenden Charakter. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, dass die Produktion der Bauteile möglicherweise serienmäßig
und in großer Stückzahl erfolgte, da das eigentliche Produkt des VEB IKR B. - Leitbetrieb, die Rohrleitungs(teil)anlage, aus
der Vielzahl dieser Einzelteile individuell gefertigt wurde (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 22. März 2012 - L 2 R 649/09 -, juris, RdNr. 42).
Ein weiteres Indiz ist die Eintragung des Gegenstandes des Unternehmens der Rechtsnachfolgerin des Stammbetriebes/HAN des
VEB IKR B. - Leitbetrieb, der Industrie- und Kraftwerksrohrleitungsbau B. GmbH, am 20. März 1991 im Handelsregister. Dieser
ist umschrieben mit "Entwicklung, Projektierung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von kompletten Industrie- und Kraftwerksrohrleitungssystemen
sowie weiterer Komponenten der Energietechnik, Stoffwirtschaft und Umwelttechnik". In dieser Beschreibung wird die Vielseitigkeit
des Aufgabenspektrums des Betriebes deutlich, der eben nicht seinen Schwerpunkt in der bloßen Herstellung hatte.
Der VEB IKR B. - Leitbetrieb war auch kein einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1
Abs. 2 der 2. DB. Denn er lässt sich keinem der dort genannten Betriebstypen zuordnen. Die Liste der aufgezählten gleichgestellten
Einrichtungen ist abschließend (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 23/04 -, juris, RdNr. 19).
Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zugunsten des Klägers beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in gleichgelagerten
Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festgestellt hat. Selbst bei gleicher Sachlage könnte der Kläger sich darauf nicht
berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung
an Recht und Gesetz (Rechtsstaatsprinzip des Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden
müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979
- 1 BvR 25/77 -, BVerfGE 50, 142, 166).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.