Zur Festsetzung der PKH-Vergütung - anwaltliche Tätigkeit; Rechtsanwaltsvergütung; Bewilligungsreife; Mittelgebühr; PKH-Festsetzungsbeschluss;
Rahmengebühren; Synergieeffekte; Tätigkeiten ab Beiordnung; Verfahrensgebühr; Vergütungsfestsetzung; zeitlich beschränkte
PKH-Bewilligung; PKH; Prozesskostenhilfe
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor
dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (Aktenzeichen: S 14 AS 1403/12), in welchem die Erinnerungsführerin, Erinnerungsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) die Kläger
vertreten und das SG Prozesskostenhilfe erst ab einem bestimmten Stichtag bewilligt hatte.
Die fünf Kläger (Mutter und vier Kinder) standen zunächst mit dem Ehemann der Klägerin zu 1) als Bedarfsgemeinschaft beim
Jobcenter Dessau-Roßlau (Beklagter des vor dem SG geführten Ausgangsverfahrens) im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheiden vom 20. Oktober 2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II für den Zeitraum von November 2010 bis April 2011 in Höhe von monatlich je 849,27 EUR (November 2010 bis Januar 2011) bzw.
946,17 EUR (Februar bis April 2011) sowie für den Zeitraum von Mai bis Juli 2011 in Höhe von monatlich je 946,17 EUR. Mit
Änderungsbescheid vom 26. März 2011 wurden für den Zeitraum von Januar bis Juli 2011 monatliche Leistungen in Höhe von 951,17
EUR bewilligt. Aufgrund eines nach der Trennung der Eheleute erfolgten Umzugs in eine kostengünstigere Unterkunft und des
Bezugs von bisher nicht berücksichtigten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hob der Beklagte die Leistungsbewilligung - nach entsprechender Anhörung - mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.
Dezember 2011 gegenüber den Klägern unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 teilweise auf und forderte insgesamt einen Betrag in Höhe von 3.264,17
EUR zurück (§ 50 SGB X). Hiergegen legten die Kläger am 13. Januar 2012 Widerspruch ein. Mit Korrekturbescheid vom 11. Mai 2012 forderte der Beklagte
- nunmehr auf Grundlage der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 50 SGB X - noch einen Betrag in Höhe von 1.690,67 EUR zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2012 wies der Beklagte den Widerspruch
im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 8. Juni 2012 erhoben die Kläger, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdegegnerin, Klage vor dem SG. Gleichzeitig beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Mit Schreiben
vom 7. August 2012 gewährte das SG der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten. Nach einer Betreibensaufforderung trugen die Kläger
mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 zur Begründung der Klage vor, der Bedarf der Kläger sei nicht zutreffend ermittelt
worden. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei bereits im November 2010 ausgezogen. Außerdem sei ein von den Heizkosten vorgenommener
Abzug für Warmwasserbereitung rechtswidrig gewesen. Auch eine Verrechnung von Nachzahlungs- mit Überzahlungsansprüchen sei
unzulässig erfolgt. Veränderte Einkommensverhältnisse seien noch vor Erlass des Änderungsbescheides mitgeteilt worden. Dieser
sei mithin von Beginn an rechtswidrig gewesen. Die Kläger hätten auf dessen Rechtmäßigkeit vertrauen können.
Am 19. November 2013 reichten die Kläger eine "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - Anlage
zum Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe" nebst weiteren Anlagen beim SG ein.
Mit Beschluss vom 14. August 2014 bewilligte das SG den Klägern für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung ab dem 19. November 2013 und ordnete
die Beschwerdegegnerin zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei.
Am 3. September 2014 fand vor dem SG ein Erörterungstermin statt, welcher 1:07 Stunden dauerte und in welchem auch ein weiteres - zwischen den Beteiligten geführtes
- Verfahren (S 14 AS 1339/12) erörtert wurde. In diesem Termin wies das SG darauf hin, dass für die Kläger zu 1) und 2) insgesamt ein höherer Leistungsanspruch von 1.364,40 EUR errechnet, dieser jedoch
in unzulässiger Weise mit Rückforderungsansprüchen gegenüber den übrigen Klägern verrechnet worden sei. Eine "Verböserung"
scheitere ihnen gegenüber unter Vertrauensschutzgesichtspunkten. Das SG schlug eine Reduzierung des Rückforderungsbetrages auf 326,27 EUR vor. Daraufhin erklärte der Vertreter des Beklagten: "Der
Rückforderungsbetrag aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 11. Mai 2012 wird von 1.690,67 EUR auf 326,27 EUR reduziert. Für den Zeitraum Dezember 2010 bis Juli 2011 wird der Beklagte
keine weiteren Forderungen gegenüber den Klägern geltend machen. Des Weiteren erstattet der Beklagte den Klägern 90 Prozent
der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens S 14 AS 1403/12." Die Beschwerdegegnerin erklärte als Prozessbevollmächtigte der Kläger: "Das Teilanerkenntnis sowie das Kostengrundteilanerkenntnis
in dem Verfahren S 14 AS 1403/12 werden angenommen und der Rechtstreit im Übrigen für erledigt erklärt."
Am 19. September 2014 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem Vergütungsverzeichnis
(VV) des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wie folgt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:
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170,00 EUR
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Erhöhung um 1,2 gemäß Nr. 1008 VV RVG:
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204,00 EUR
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Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:
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200,00 EUR
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Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG:
|
190,00 EUR
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Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:
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20,00 EUR
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Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG:
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25,00 EUR
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809,00 EUR
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19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:
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153,71 EUR
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Gesamtbetrag:
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962,71 EUR
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Mit dem der Beschwerdegegnerin am 3. November 2014 zugestellten Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 28. Oktober 2014
setzte der Urkundsbeamte des SG die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten auf 829,19 EUR fest. Der Festsetzung lag folgende Berechnung zu Grunde:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:
|
119,00 EUR
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Gebührenerhöhung um 1,2 nach Nr. 1008 VV RVG:
|
142,80 EUR
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Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:
|
200,00 EUR
|
Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1006, 1002 VV RVG:
|
190,00 EUR
|
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:
|
20,00 EUR
|
Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV RVG:
|
25,00 EUR
|
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696,80 EUR
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19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:
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132,39 EUR
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Gesamtbetrag:
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829,19 EUR
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Die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Verfahrensgebühr sei unbillig gewesen: Der Umfang der Sache sei auch unter
Berücksichtigung der gefertigten Schriftsätze als unterdurchschnittlich zu bewerten, ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Auftraggeber. Die Schwierigkeiten der Sache, die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber sowie das Haftungsrisiko
würden als durchschnittlich bewertet.
Der Betrag in Höhe von 829,19 EUR wurde an die Beschwerdegegnerin ausgezahlt.
Am 1. Dezember 2014 hat die Beschwerdegegnerin gegen den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 28. Oktober 2014 Erinnerung
eingelegt: Bei der Verfahrensgebühr sei kein Abschlag von 30 % vorzunehmen. Die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr könne nur
auf einen Ermessensmissbrauch überprüft werden. Die anwaltliche Tätigkeit habe in der Erhebung und Begründung der Klage, einer
weiteren Stellungnahme und Einsichtnahme in die umfangreiche Verwaltungsakte bestanden. Auch habe eine Besprechung mit der
Klägerin stattgefunden. Der Umfang sei als durchschnittlich anzusehen.
Am 26. Februar 2015 hat auch der Beschwerdeführer Erinnerung gegen den Beschluss vom 28. Oktober 2014 eingelegt: Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin sei erst ab dem 19. November 2013 bewilligt worden. Mithin wirke der Beschluss ausschließlich
für die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Tätigkeiten der beigeordneten Beschwerdegegnerin. Außerdem sei zu berücksichtigen,
dass nicht unerhebliche Synergie-Effekte in Bezug auf ein parallel geführtes und inhaltlich gleich gelagertes Verfahren (Aktenzeichen
des SG: S 14 AS 1339/12; hiesiges Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des SG im Erinnerungsverfahren: L 4 AS 140/16 B) gegeben gewesen seien. Überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse
der Kläger würden sich praktisch aufheben. Es werde lediglich die Hälfte der Mittelgebühr als angemessene Verfahrensgebühr
(zuzüglich der Erhöhung für vier weitere Streitgenossen) für angemessen gehalten. Wegen der zusätzlichen Erörterung eines
weiteren Verfahrens (Synergieeffekt) seien hinsichtlich der Terminsgebühr 3/4 der Mittelgebühr und bezüglich der Erledigungsgebühr
die Hälfte der Mittelgebühr anzusetzen. Wegen der Dokumentenpauschale sei die Notwendigkeit der Erstellung von Kopien nicht
substantiiert vorgetragen worden. Außerdem seien diese Kosten vor dem im Beschluss genannten Zeitpunkt entstanden. Es ergebe
sich mithin folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:
|
85,00 EUR
|
Gebührenerhöhung um 1,2 nach Nr. 1008:
|
102,00 EUR
|
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:
|
150,00 EUR
|
Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1006, 1002 VV RVG:
|
95,00 EUR
|
Post- und Telekommunikationspauschale:
|
20,00 EUR
|
|
452,00 EUR
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19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:
|
85,88 EUR
|
Gesamtbetrag:
|
537,88 EUR
|
Die Beschwerdegegnerin hat auf die Erinnerung des Beschwerdeführers geltend gemacht, die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr
sei angemessen und nicht unbillig. Im Übrigen seien beide Verfahren zwar in einem Termin, allerdings getrennt voneinander
besprochen worden. Auch die Erledigungsgebühr sei in der beantragten Höhe zuzuerkennen.
Mit Beschluss vom 4. März 2016 hat das SG den PKH-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 28. Oktober 2014 abgeändert und die aus der PKH zu erstattende Vergütung
auf insgesamt 799,44 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vergütungsanspruch bestimme sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden sei. Der Rechtsanwalt könne daher nur
für solche Tätigkeiten eine Vergütung fordern, die er nach dem Wirksamwerden der Beiordnung geleistet habe. Dies beziehe sich
indes nur auf die Frage, ob überhaupt eine Gebühr dem Grunde nach angefallen sei. Bei "Dauergebühren", die fortlaufende oder
wiederholte Tätigkeiten abgelten sollen (wie die Verfahrensgebühr), sei dann jedoch die gesamte Tätigkeit bei der Bestimmung
der konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens zu berücksichtigen, wenn zumindest auch nach dem Wirksamwerden der Beiordnung eine
gebührenauslösende Tätigkeit gegeben sei. Dafür spreche auch ein Vergleich mit den streitwertgebundenen Wertgebühren in Verfahren
nach §
197a Sozialgerichtsgesetz (
SGG), die in voller Höhe erstattungsfähig seien, wenn nach dem Wirksamwerden der Beiordnung - unabhängig von der vorangegangenen
Tätigkeit des Rechtsanwalts - noch eine gebührenauslösende Maßnahme erfolge. Sei eine Gebühr dem Grunde nach ab der Beiordnung
entstanden, komme es für die Höhe also auch hier auf die gesamte Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren an.
Andernfalls müsste der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Forderungssperre gegenüber seinem Mandanten gemäß §
122 Abs.
1 Nr.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) für alle nach der Beiordnung verwirklichten Tatbestände einen nicht gerechtfertigten Ausfall hinnehmen.
Die Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe von 374,00 EUR (Mittelgebühr von 170,00 EUR + Erhöhung um 204,00 EUR für vier
weitere Auftraggeber) sei vorliegend - auch unter Beachtung des Toleranzrahmens - gleichwohl als unbillig zu bewerten. Es
werde ein Abschlag von 30 % von der Mittelgebühr als angemessen erachtet, also eine Gebühr in Höhe von 119,00 EUR. Für jeden
weiteren Auftraggeber sei eine Erhöhung um 0,3 vorzunehmen, woraus sich insgesamt eine Verfahrensgebühr in Höhe von 261,80
EUR ergebe. Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit der Beschwerdegegnerin seien unter Beachtung eines erheblichen Synergieeffektes
wegen des parallel geführten Verfahrens S 14 AS 1339/12 als unterdurchschnittlich zu bewerten. Abzustellen sei allerdings auf die gesamte Tätigkeit während des gerichtlichen Verfahrens,
da die Verfahrensgebühr auch nach dem Wirksamwerden der Beiordnung fortlaufend entstanden sei. Alle wesentlichen Handlungen
(Erhebung der Klage, Akteneinsicht, Klagebegründung) seien im selben zeitlichen Ablauf wie im Verfahren S 14 AS 1339/12 erfolgt. Eine Befassung mit der Verwaltungsakte sei bereits im Parallelverfahren erfolgt, zusätzliche Mandantengespräche
seien nicht erforderlich gewesen. Auf der anderen Seite sei eine Rückforderung in Höhe von (zuletzt) 1.690,67 EUR für sechs
Monate streitgegenständlich gewesen, so dass die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger und das Haftungsrisiko der Beschwerdegegnerin
als höher einzuschätzen seien. Eine weiter gehende Reduzierung als um 30 % verbiete sich in Anbetracht der gegenüber dem Verfahren
S 14 AS 1339/12 in einigen Punkten abweichenden inhaltlichen Problematik. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Kläger würden insgesamt auch keine weitere Reduzierung begründen. Die Vorbefassung durch das Widerspruchsverfahren schlage
sich bereits im reduzierten Gebührenrahmen gemäß Nr. 3103 VV RVG nieder.
Die Bestimmung der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr (200,00 EUR) sei nicht unbillig. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit seien im durchschnittlichen Bereich einzuordnen. Im etwa einstündigen Termin seien zwar zwei Verfahren erörtert
worden, allerdings ausweislich der Sitzungsniederschrift nacheinander. Wegen der abweichenden sachlichen und rechtlichen Problematik
sei ein Synergieeffekt - anders als bei der Verfahrensgebühr - als gering einzuschätzen, der sich im Hinblick auf den Toleranzrahmen
bei der Bestimmung der Gebühr durch die Beschwerdegegnerin nicht gebührenmindernd auswirke.
Weiterhin sei eine Erledigungsgebühr entstanden. Denn der Rechtsstreit habe sich durch anwaltliche Mitwirkung mit dem Ergebnis
der Abänderung des belastenden Verwaltungsakts im Sinne von Nr. 1002 VV RVG erledigt. Die erforderliche qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung liege zum Beispiel in der Einwirkung
des Rechtsanwalts auf den Mandanten, sich mit einem Teilanerkenntnis (der Gegenseite) zufrieden zu geben. Ohne eine entsprechende
Kommunikation der Beschwerdegegnerin mit den Klägern wäre es auch in Anbetracht der Höhe der Rückforderung nicht zur unstreitigen
Erledigung gekommen. Wegen des abweichenden Sach- und Streitstandes zum Verfahren S 14 AS 1339/12 sei auch keine Kürzung gerechtfertigt. Beide Verfahren seien getrennt voneinander einer Erledigung zugeführt worden.
Eine Dokumentenpauschale könne die Beschwerdegegnerin hingegen nicht beanspruchen. Denn etwaige gebührenauslösende Tätigkeiten
seien jedenfalls vor Wirksamwerden der Beiordnung erfolgt. Unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale
sowie der Umsatzsteuer ergebe sich nach alldem ein Vergütungsanspruch in Höhe von 799,44 EUR. Da bereits eine Auszahlung in
Höhe von 829,19 EUR erfolgt sei, sei ein Betrag in Höhe von 29,75 EUR zu viel geleistet worden.
Gegen den ihm am 11. März 2016 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16. März 2016 Beschwerde eingelegt: Mit
Beschluss des SG vom 14. August 2014 sei PKH unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin ab dem 19. November 2013 bewilligt und damit ein konkreter
Bewilligungszeitraum festgelegt worden. Mit dieser Datumsangabe sei im Beschluss der Umfang der PKH-Bewilligung konstitutiv
in einer Weise festgelegt worden, dass der Urkundsbeamte bei der Entscheidung über die Vergütungsfestsetzung hieran gebunden
sei und der Beschluss ausschließlich für in der Zukunft liegende Tätigkeiten wirke. Dies folge auch aus § 48 Abs. 1 und 2 RVG. Ob die Bewilligung mit Wirkung ab einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können, obliege der Beurteilung des Gerichts im
Bewilligungsverfahren und sei der Beurteilung im Verfahren der Vergütungsfestsetzung entzogen (vgl. auch § 48 Abs. 4 letzter Halbsatz RVG). Darüber hinaus sei der Gebührenanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren nach §§
183,
184 SGG nicht mit dem eines beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren nach §
197a SGG vergleichbar. In Verfahren, in denen Rahmengebühren entstehen, richteten sich diese gerade nicht am Streitwert aus, sondern
an den in § 14 RVG genannten Kriterien. Aus dem Gesichtspunkt einer "Forderungssperre" gegenüber dem Mandanten gemäß §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO könne im Ergebnis jedenfalls nichts anderes folgen. Zur Beurteilung der angemessenen Gebühren seien vorliegend nach § 14 RVG u. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommensverhältnisse
der Mandanten innerhalb des Bewilligungszeitraumes zu bewerten. Diese stellten sich in der Gesamtheit "sehr unterdurchschnittlich"
dar. Nach alldem ergebe sich die durch den Beschwerdeführer im Erinnerungsverfahren vor dem SG angestellte Berechnung (Gesamtbetrag: 537,88).
Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2016 und den PKH-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts
Dessau-Roßlau am 28. Oktober 2014 abzuändern und die aus der Prozesskostenhilfe an die Beschwerdegegnerin zu erstattende Vergütung
auf einen Betrag von insgesamt 537,88 EUR festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr dürfe nur auf einen Ermessensmissbrauch überprüft werden.
Eine Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt sei immer dann billig, wenn sie nicht grob vom Üblichen abweiche. Im Hinblick
auf die Verfahrensgebühr seien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich anzusehen. Die Bedeutung
für die Kläger sei wegen einer Rückforderung von (zuletzt) 1.690,67 EUR überdurchschnittlich gewesen. Die deutlich unterdurchschnittlichen
Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger würden durch diese überdurchschnittliche Bedeutung kompensiert. Die vom SG in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr in Höhe von 261,80 EUR (119,00 EUR + 120% Erhöhung) sei angemessen. Im Übrigen sei die
Verfahrensgebühr nach dem 19. November 2013 durch die Wahrnehmung des Termins am 3. September 2014 und die Mitwirkung bei
der Verfahrensbeendigung ausgelöst worden. Es sei unerheblich, dass der Anspruch auf die Verfahrensgebühr auch schon mehrfach
vor dem Wirksamwerden der Beiordnung am 19. November 2013 entstanden sei, nachdem die Beschwerdegegnerin das Klageverfahren
zunächst als Wahlanwältin geführt und dabei verschiedene anwaltliche Tätigkeiten entfaltet habe. Denn gemäß §§ 45, 48 RVG entstehe der Vergütungsanspruch ebenso bei erneuter gebührenauslösender Tätigkeit.
Wegen der Terminsgebühr sei zu berücksichtigen, dass die beiden Verfahren am 3. September 2014 getrennt voneinander besprochen
worden seien. Die Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR sei angemessen. Auch die in Ansatz gebrachte Erledigungsgebühr sei
in Höhe von 190,00 EUR erstattungsfähig. Die Einwirkung auf die Klägerin zu 1) erfülle die Voraussetzungen der erforderlichen
Mitwirkung.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie sich gegen die Festsetzung einer über der hälftigen Mittelgebühr
liegenden Verfahrensgebühr (nämlich in Höhe eines nur um 30% unter der Mittelgebühr liegenden Betrages) wendet. Im Übrigen
ist sie (hinsichtlich der beanstandeten Höhe von Termins- und Erledigungsgebühr) unbegründet.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Aufgrund der hier in Rede stehenden Frage, ob sich eine zeitliche Begrenzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf
die Verfahrensgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren auswirkt, hat der Berichterstatter die Sache jedoch wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Angelegenheit mit Beschluss vom 30. Januar 2017 gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat als Gesamtspruchkörper übertragen.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Dem steht insbesondere die Vorschrift des §
178 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht entgegen. Durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (Bundesgesetzblatt
2013 Teil I Nr.
55 S. 3533) hat der Gesetzgeber in §
73a Abs.
1 SGG durch Anfügen des Satzes 4 geregelt, dass sich die Vergütung für den beigeordneten Rechtsanwalt nach den Vorschriften des
RVG richtet. Daraus folgt, dass das RVG und damit insbesondere die dort geregelten Beschwerdemöglichkeiten innerhalb des
SGG für die Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe anwendbar sind. Die Beschwerdemöglichkeit nach dem RVG in sozialgerichtlichen Verfahren wird auch im RVG nochmals bestätigt. Nach § 1 Abs. 3 RVG in der Fassung vom 23. Juli 2013 gehen die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen spezialgesetzlicher Verfahrensvorschriften (z.B. des
SGG) vor. Aufgrund der Rechtsänderung ist die frühere Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 30. Oktober 2009 - L 4 P 8/09 B, juris) nicht mehr anwendbar (vgl. hierzu schon Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. November 2015
- L 4 AS 427/15 B).
Die Beschwerde ist auch im konkreten Fall statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Nach den mit der Beschwerde geltend gemachten Auffassungen und Berechnungen des Beschwerdeführers würde sich durch die
Beschwerde die Kostenfestsetzung gegenüber dem angefochtenen Beschluss des SG um 261,56 EUR (799,44 EUR - 537,88 EUR) zum Nachteil der Beschwerdegegnerin verringern. Auch ist die Beschwerde fristgerecht
eingelegt worden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
2. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als sich der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr in Höhe
eines gegenüber der Mittelgebühr lediglich um 30% abgesenkten Betrages durch das SG wendet und dabei konkret die Berücksichtigung von vor dem Wirksamwerden der PKH-Bewilligung liegenden anwaltlichen Tätigkeiten
angreift.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten
sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte den Klägern mit Beschluss vom 14. August 2014 (mit Wirkung ab 19. November 2013) PKH bewilligt. Die Kläger waren im
Ausgangsverfahren S 14 AS 1403/12 kostenprivilegierte Beteiligte im Sinne des §
183 Satz 1
SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen (Satz 1); außerdem ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in
§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht abschließend, so dass weitere (unbenannte) Kriterien mit einbezogen werden können.
Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander. Für jede Rahmengebühr ist dabei eine
eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich,
wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sog. "Toleranzgrenze") von 20 % zusteht
(vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09, juris; Thüringer Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 27. Oktober 2016 - L 6 SF 1611/15 B, juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat; in diesem Falle erfolgt eine Festsetzung
nur in Höhe der angemessenen Gebühren (Thüringer LSG, a. a. O.).
b) Bei der Verfahrensgebühr handelt es sich um eine Tätigkeitsgebühr, mit der jede prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwalts
abgegolten wird, für die das RVG keine gesonderte Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information und gilt
u. a. für die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage durch den Rechtsanwalt anhand von Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang
mit dem gerichtlichen Verfahren notwendigen Besprechungen des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber, Dritten, Gericht oder Sachverständigen
sowie den Schriftwechsel mit dem Auftraggeber, Dritten, Behörden und dem Gericht, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und
Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwalts relevanten Stoffs sowie das
Anbieten von Beweismitteln (Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 210). Der durchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
hat sich dabei am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung und dem Ablauf des Verfahrens, hier des sozialgerichtlichen Verfahrens,
zu orientieren. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen erbringen muss. Zu berücksichtigen
ist dabei zum Beispiel das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung mit dem Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigen
von Notizen, bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung
auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie die Heranziehung von Kommentarliteratur und einschlägiger Rechtsprechung.
Es entspricht dabei allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent
für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind
sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen
die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert
werden (BSG, a. a. O.).
c) Nach diesen Grundsätzen wäre der Ansatz einer gegenüber der Mittelgebühr nur um 30% reduzierten Gebühr durch das SG für die Verfahrensgebühr grundsätzlich nicht zu beanstanden, soweit - wie vom SG angenommen - auch die zeitlich vor dem Wirksamwerden der PKH-Bewilligung liegenden anwaltlichen Tätigkeiten für die Bemessung
der Verfahrensgebühr relevant wären. Wegen der diesbezüglichen Erwägungen wird entsprechend §
153 Abs.
2 SGG auf die insofern zutreffenden Erwägungen im Beschluss des SG Bezug genommen. Dies gilt insbesondere auch für den jedenfalls mit Blick auf die Verfahrensgebühr zu berücksichtigenden erheblichen
Synergieeffekt wegen des parallel geführten Verfahrens S 14 AS 1339/12. Unter Beachtung dieses Effektes und der weiteren vom SG im Grundsatz zutreffend in Ansatz gebrachten Bemessungskriterien ergäbe sich - auch unter Berücksichtigung des Toleranzrahmens
- die Unbilligkeit der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Mittelgebühr und die Angemessenheit eines insoweit von
der Mittelgebühr vorzunehmenden Abschlags von 30 %.
Im Ergebnis ist gleichwohl von einer unrichtigen Festsetzung der Verfahrensgebühr auch durch das SG auszugehen. Denn - entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin und des SG - sind zur Überzeugung des Senats für die Bestimmung der Verfahrensgebühr nur die anwaltlichen Tätigkeiten der Beschwerdegegnerin
zugrunde zu legen, die diese ab dem Wirksamwerden der PKH-Bewilligungsentscheidung entfaltet hat (so auch Hessisches LSG,
Beschluss vom 10. Juli 2015 - L 2 SF 11/15 E; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 17. Juli 2008 - L 1 B 127/08 SK, juris). Dies bedeutet, dass die vor dem 19. November 2013 angefallenen Tätigkeiten für die Gebührenhöhe nicht relevant
sind. Damit sind insbesondere die Erhebung der Klage mit Anwaltsschriftsatz vom 8. Juni 2012, die Akteneinsicht und die Klagebegründung
mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 keine für die Bestimmung der Verfahrensgebühr maßgebenden Tätigkeiten. Entsprechendes
gilt für alle sonstigen vor dem 19. November 2013 erfolgten Maßnahmen, beispielsweise etwaigen Besprechungen mit den Klägern
im Hinblick auf das hiesige Ausgangsverfahren.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine "Kürzung" der
Verfahrensgebühr nicht mit dem Argument der zeitlich beschränkten Bewilligung in Betracht komme: Das RVG biete keine Grundlage für eine solche Betrachtungsweise, die auf eine "Quotelung" der Gebühren hinaus liefe, auch nicht unter
dem Gesichtspunkt des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit. Vielmehr sei stets der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand zu würdigen,
nicht nur der Aufwand nach dem Wirksamwerden der Beiordnung. Dabei falle maßgeblich ins Gewicht, dass das RVG aus Gründen der Kostengerechtigkeit und Vereinfachung vom Grundsatz der Pauschgebühr beherrscht werde und die Gebühren nach
§ 15 Abs. 1 RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten würden. Auch §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO (in Verbindung mit §
73a SGG), wonach die Bewilligung von PKH bewirke, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen den Beteiligten
nicht geltend machen könnten, spreche gegen eine Kürzung der Verfahrensgebühr in Abhängigkeit vom Beiordnungszeitpunkt. Die
zugunsten des bedürftigen Beteiligten eingreifende Forderungssperre würde andernfalls bewirken, dass der Rechtsanwalt einen
nicht gerechtfertigten Ausfall hinnehmen müsse (so ausdrücklich Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - L 15 SF 303/09 B E, juris; s. hierzu im Ergebnis auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - L 19 B 21/08 AS, juris; Thüringer LSG, Beschluss vom 6. März 2008 - L 6 B 198/07 SF, juris sowie 5. Senat des LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. August 2012 - L 5 SF 2/09 E, juris).
Zur Überzeugung des Senats berücksichtigt diese Auffassung indes nicht hinreichend, dass es nach § 45 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 RVG für den Vergütungsanspruch in erster Linie auf die konkrete Bestimmung in den Beschlüssen ankommt, durch die PKH bewilligt
und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Wenn das zuständige Gericht (hier das SG) in seinem Beschluss ausdrücklich eine bestimmte zeitliche Beschränkung aufnimmt, bei der Kostenfestsetzung gleichwohl auch
die vor diesem Zeitpunkt angefallenen Tätigkeiten berücksichtigt würden, bedeutete dies faktisch eine "Korrektur" bzw. "Aushebelung"
des nach § 48 Abs. 1 RVG maßgebenden Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses. Mit der zeitlichen Beschränkung im Rahmen der Bewilligung und Beiordnung
hat das SG insoweit die ihm zu diesem Zeitpunkt obliegende Entscheidung darüber getroffen, in welchem (zeitlichen) Umfang die anwaltlichen
Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Folgte man der oben dargestellten Auffassung einer nicht in Betracht kommenden "Kürzung"
unter dem Gesichtspunkt des Zeitpunkts der Beiordnung wäre dies daher nach der Systematik des RVG zur Überzeugung des Senats bereits bei Abfassung des Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses umzusetzen, nicht aber bei
der späteren Kostenfestsetzung. Letzteres würde - wie bereits ausgeführt - faktisch auf eine inhaltliche "Änderung" der Bewilligung
und Beiordnung hinauslaufen, wofür jedoch keine Zuständigkeit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens mehr gegeben ist.
Insbesondere hat der für die Festsetzung zuständige Spruchkörper nicht die inhaltliche Berechtigung einer erfolgten zeitlichen
Begrenzung zu prüfen (Hessisches LSG, a. a. O.).
Hier hat das SG offenbar darauf abgestellt, dass zwar bereits mit dem Schriftsatz vom 8. Juni 2012 PKH beantragt worden, die Einreichung
der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen zur Glaubhaftmachung allerdings erst am
19. November 2013 bei Gericht eingegangen ist. Das SG ist deshalb davon ausgegangen, dass erst zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Antrag vorgelegen hat (§
117 Abs.
2 Satz 1
ZPO in Verbindung mit §
73a SGG). Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob aus § 48 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 RVG abzuleiten sein könnte, dass bereits die bloße Beantragung als solche (also ohne Einreichung der erforderlichen "PKH-Unterlagen")
für den Beginn der Bewilligung und Beiordnung ausreichend sein soll. Die Vorschrift stellt im Grundsatz auf den "Zeitpunkt
der Beantragung der Prozesskostenhilfe" ab. Der letzte Halbsatz des § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG enthält jedoch die Einschränkung "wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist". In dem Abstellen auf den Zeitpunkt des Eingangs
der vollständigen Unterlagen wäre jedenfalls eine solche abweichende Bestimmung durch das SG zu sehen (s. hierzu auch Hessisches LSG, a. a. O.).
Zur Überzeugung des Senats greift darüber hinaus der Vergleich mit den streitwertabhängigen Wertgebühren in Verfahren, in
denen das GKG anwendbar ist, nicht durch (so aber der 5. des Senat des LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Denn dort ist gerade eine sich allein
nach dem Streitwert richtende Pauschalierung des Anspruchs gegeben, der in keiner Weise auf den Umfang der konkreten Tätigkeit
des Rechtsanwalts abstellt. Der Gesichtspunkt der Pauschalierung ist demgegenüber in § 14 Abs. 1 RVG deutlich eingeschränkt, indem - neben anderen Kriterien - gerade auch dem Umfang der Tätigkeit ausdrücklich eine wesentliche
Bedeutung zuerkannt wird. Aus den oben dargestellten Erwägungen der Maßgeblichkeit der Bewilligungs- und Beiordnungsentscheidung
des SG kann es dann in diesem Zusammenhang konsequenterweise nur auf den Umfang ab der Beiordnung ankommen.
Soweit darüber hinaus mit der "Sperrwirkung" des §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO argumentiert wird, ist vorliegend nicht über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen möglicherweise ergänzende
Ansprüche gegen den Beteiligten selbst bestehen könnten. Denn die Entscheidung des in der Sache zuständigen Spruchkörpers
über den Umfang der Bewilligung von PKH ist jedenfalls für das Festsetzungsverfahren vorgreiflich und bindend (Hessisches
LSG, a. a. O.). Soweit sich aus der Vorschrift eine vollständige "Sperre" ergeben sollte, wäre dies als gesetzgeberische Wertungsentscheidung
hinzunehmen.
d) Der Großteil der anwaltlichen Maßnahmen (insbesondere Erhebung und Begründung der Klage, Akteneinsicht) fand hier bereits
vor dem Beiordnungszeitpunkt statt (s. o.). Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angemessen, mit dem Beschwerdeführer
lediglich auf die hälftige Mittelgebühr (für die ab dem Beiordnungszeitpunkt gegebenen anwaltlichen Tätigkeiten) abzustellen.
Wegen dieser deutlichen Absenkung schon aus dem Gesichtspunkt des (späten) Zeitpunkts der Beiordnung ist wegen der unter lit.
c) erörterten Synergieeffekte in Bezug auf die Verfahrensgebühr allerdings keine weitere - über die "Halbierung" der Mittelgebühr
hinaus gehende - Reduzierung mehr vorzunehmen.
Somit erweist sich auch nach der hiesigen Auffassung jedenfalls der Ansatz der Mittelgebühr durch die Beschwerdegegnerin -
auch unter Berücksichtigung der Toleranzgrenze von 20 % - als unbillig. Mithin ist nicht auf die Bestimmung durch die Beschwerdegegnerin
abzustellen, sondern auf die nach Auffassung des Senats angemessene Verfahrensgebühr, die sich nach den obigen Ausführungen
auf die hälftige Mittelgebühr in Höhe von 85,00 EUR beläuft. Demgemäß beträgt die Erhöhung um 1,2 für vier weitere Streitgenossen
nach Nr. 1008 VV RVG lediglich noch 102,00 EUR.
3. Soweit der Beschwerdeführer auch einen geringeren Ansatz der Terminsgebühr (150,00 EUR statt der Mittelgebühr von 200,00
EUR) sowie der Erledigungsgebühr (95,00 EUR statt der Mittelgebühr von 190,00 EUR) begehrt, ist die Beschwerde nicht begründet.
Das Gericht folgt hinsichtlich des Anfallens und der Höhe dieser Gebühren den zutreffenden Ausführungen des SG und macht sich diese nach eigener Prüfung entsprechend §
153 Abs.
2 SGG zu Eigen. Darüber hinaus hatte bereits im Beschluss des SG die ursprünglich von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Dokumentenpauschale aus den dort zutreffend angeführten Erwägungen
keine Berücksichtigung gefunden.
4. Damit ergibt sich - unter Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale sowie der Umsatzsteuer - für die aus
der Prozesskostenhilfe an die Beschwerdegegnerin zu erstattende Vergütung folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103, 3102 VV RVG:
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85,00 EUR
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Erhöhung um 1,2 gemäß Nr. 1008 VV RVG:
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102,00 EUR
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Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG:
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200,00 EUR
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Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG:
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190,00 EUR
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Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG:
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20,00 EUR
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597,00 EUR
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19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG:
|
113,43 EUR
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Gesamtbetrag:
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710,43 EUR.
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Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 RVG).
Dieser Beschluss ist endgültig (§
178 Abs.
1 SGG).