Vergütung von beigeordneten Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Bemessung der Verfahrens- und Terminsgebühr in einem Rechtsstreit um Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende nach dem SGB II und an die Unbilligkeit von Betragsrahmengebühren bei unterdurchschnittlichem Umfang und unterdurchschnittlicher Schwierigkeit
der anwaltlichen Tätigkeit
Gründe
I.
Streitgegenständlich ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), dass dem Beschwerdeführer in einem Klageverfahren nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse
als Beschwerdegegner zusteht.
In dem seit dem 15. Dezember 2014 anhängigen und mittlerweile erledigtem Klageverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) mit dem Aktenzeichen S 4 AS 9/15 vertrat der Beschwerdeführer die klagende fünfköpfige Familie im Streit mit dem Jobcenter des Landkreises Anhalt-Bitterfeld
als Beklagten um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit der gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
7. November 2014 gerichteten Klage begehrten die Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum von September 2014 bis Februar 2015 in gesetzlicher Höhe. Die mit Klageschrift angekündigte Begründung erfolgte
nach Akteneinsicht und mehrfacher gerichtlicher Erinnerung nicht.
Am 16. Mai 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, welchen den Beschwerdeführer für die Kläger wahrnahm. Das persönliche
Erscheinen der Kläger wurde mit Ladung nicht angeordnet. Die Verhandlung begann um 10:11 Uhr und dauert inklusive einer 20-minütigen
Unterbrechung 64 Minuten. Um 10:28 Uhr ging bei Gericht per Fax ein Nachweis zur Höhe des Kfz-Versicherungsbetrages der Klägerin
für 2015/2016 ein. Der Schriftsatz wurde dem Vorsitzenden in der Verhandlung überreicht und der Sitzungsvertreterin des Beklagten
vorgelegt. Im Folgenden wurde die Sitzung vom 10:48 Uhr bis 11:08 Uhr für eine Beratung der Kammer über den Antrag auf Prozesskostenhilfe
unterbrochen. Mit einem im Termin verkündeten Beschluss bewilligte das SG den Klägern PKH für das Klageverfahren und ordnete den Beschwerdeführer bei. Sodann gab die Bevollmächtigte ein Teilanerkenntnis
dahingehend ab, dass vom Einkommen der Klägerin aus Elterngeld ein Betrag iHv monatlich 19,72 € für September bis Dezember
2014 und iHv 20,96 € im Januar und Februar 2015 abgesetzt wird. Der Beschwerdeführer hat das Teilanerkenntnis für die Kläger
angenommen und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Die Beteiligten haben im Termin die Kostengrundentscheidung
beantragt.
Am 4 Juni 2018 beschloss das SG, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Der Beschwerdegegner beantragte mit einem beim SG am 28. Juni 2018 eingegangenem Schreiben die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG (MG) 300,00 € Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG (120% - für 4 weitere Auftraggeber) 360,00 € Anrechnung ½ Gebühr Beratungshilfe Nr. 2503 Nr. 2 VV RVG - 42,50 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 490,00 € Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 25,00 € Post- und Telekom.Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme 1.152,50 € 19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 218,98 € Gesamtbetrag 1.371,48 €
Unter dem 13. August 2018 wies die Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG (UdG) darauf hin, dass die beantragte Verfahrensgebühr angesichts der objektiven Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unangemessen hoch und unbillig und nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr zu berücksichtigen sei. Die anwaltliche Tätigkeit
habe sich auf die Klageerhebung- und begründung und auf zwei kurzen Schriftsätzen erschöpft. Es liege eine im Umfang und Schwierigkeit
stark unterdurchschnittliche anwaltliche Tätigkeit vor. Die Bedeutung der Sache sei für die Kläger durchschnittlich und deren
Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko habe nicht bestanden. Die
Verfahrenslänge habe zwar einer leicht überdurchschnittlichen Verfahrensdauer entsprochen, jedoch sei keine überdurchschnittliche
anwaltliche Tätigkeit und keine überdurchschnittliche Schwierigkeit erkennbar. Das Anwesenheitsgeld sei ferner auf ein Viertel
zu kürzen, da der Beschwerdeführer am 15. Mai 2018 zu Verhandlungen in vier verschiedenen Angelegenheiten erschienen sei.
Der Beschwerdeführer führte hierzu aus, dass eine mehrfache Einarbeitung in den Sach- und Streitstand aufgrund der Verfahrensdauer
von mehr als drei Jahren erforderlich gewesen sei. Der Beklagte habe im laufenden Verfahren diverse Korrekturbescheide erlassen.
Es erschließe sich nicht, aus welchen Gründen von einer geringen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, zu welchen die
Kommunikation zudem schwierig sei, auszugehen sei. Bereits im Hinblick auf die rückwirkenden Überprüfungsmöglichkeiten von
Bescheiden nach § 44 SGB X werde ein besonderes Haftungsrisiko ausgelöst.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 setzte die UdG die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 816,97 € wie
folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 330,00 € Anrechnung Beratungshilfe - 42,50 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 364,00 € Geschäftsreise Nr. 7003 VV RVG (16.05.2018) ¼ 8,78 € Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG (16.05.2018) ¼ 6,25 € Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme 686,53 € 19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 130,44 € Gesamtsumme 816,97 €
Zur Begründung führte sie aus, die Verfahrensgebühr einschließlich des Erhöhungsbetrages für vier weitere Auftraggeber sei
in Höhe der hälftigen Mittelgebühr mehr als angemessen. Die anwaltliche Tätigkeit habe sich auf die Klageerhebung mit halbseitiger
Klagebegründung und zwei weiteren Schriftsätzen, wonach mit einem Schreiben PKH-Unterlagen eingereicht wurden, beschränkt.
Eine umfangreiche Erwiderung oder Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und dem Vorbringen des Beklagten sei nicht erforderlich
gewesen. Zudem seien Synergie- und Rationalisierungseffekte angefallen, die sich auf die Höhe der Verfahrensgebühr auswirke.
Im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren sei daher von einer stark unterdurchschnittlichen anwaltlichen Tätigkeit
im Umfang und Schwierigkeit auszugehen. Die Bedeutung der Angelegenheit sei für die Kläger, bei einem Streit um die vorläufige
Bewilligung von Grundsicherungsleistungen, durchschnittlich und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unterdurchschnittlich.
Ein besonders Haftungsrisiko bestünde nicht bzw. sei gering. Bei der Beurteilung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit im
Termin sei maßgeblich auf den tatsächlichen Arbeits- und Zeitaufwand für die Terminteilnahme abzustellen. Die Dauer der öffentlichen
Sitzung sei zwar mit 64 Minuten im Vergleich zu anderen sozialrechtlichen Streitigkeiten als überdurchschnittlich zu bewerten.
Jedoch sei die Schwierigkeit der Angelegenheit und des Termins als durchschnittlich zu bewerten. Die Terminsgebühr sei in
Höhe der um ein Drittel erhöhten Mittelgebühr angemessen.Die nicht beantragten Fahrtkosten seien anteilsmäßig – einem Parallelverfahren
entsprechend – anteilsmäßig zu einem Viertel zu erstatten.
Gegen den am 16. November 2018 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 30. November 2018 Erinnerung ein und führte
aus: Es sei von einer deutlich überdurchschnittlichen Terminsdauer auszugehen. Termine, die – wie vorliegend – über 60 Minuten
dauern, seien mit der doppelten Mittelgebühr in Ansatz zu bringen. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr sei die Wechselwirkung
zwischen der vorläufigen und der endgültigen Leistungsbewilligung und die im streitigen Zeitraum ergangenen Korrekturbescheide
des Beklagten zu berücksichtigen. Der wechselnde Lohn des Klägers habe neu berechnet und bereinigt werden müssen, was einen
erheblichen Zeitaufwand darstelle. Insbesondere ein übersteigender Grundfreibetrag sei problematisiert worden. Auch die Bereinigung
des Einkommens der Klägerin sei streitbefangen gewesen. Von einer unterdurchschnittlichen Tätigkeit könne nicht ausgegangen
werden. Da im Vorfeld nicht abgeschätzt werden könne, in welchem Umfang die Fehler der Leistungsberechnung durchschlagen,
sei zumindest von einem durchschnittlichen Interesse und aufgrund der schlechten Einkommenssituation der Kläger von einer
überdurchschnittlichen Bedeutung auszugehen.
Mit Beschluss vom 22. Juni 2020 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Die Vergütungsfestsetzung der UdG sei nicht zu beanstanden und der Höhe nach angemessen. Die
Verfahrensgebühr sei mit der hälftigen Mittelgebühr (150 €) und die Terminsgebühr nur in Höhe der Mittelgebühr (280 €) festzusetzen.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Verfahren und die Schwierigkeit der Sachen sei weit unterdurchschnittlich gewesen.
Eine Klagebegründung sei nicht erfolgt. Erst in der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer zur Sache vorgetragen
und den Nachweis einer Kfz-Haftpflichtversicherung vorgelegt. Die Erörterung rechtlicher Fragen sei nicht erforderlich gewesen.
Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit habe sich in der Vorlage eines Beitragsbescheides erschöpft. Der
Auffassung des Bundessozialgerichts, wonach bei einem Rechtsstreit um existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II regelmäßig von einer überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Bedeutung auszugehen sei, werde nicht geteilt. Zum einen gehe
auch das BSG von möglichen Ausnahmen aus und zum anderen zeige die gerichtliche Praxis, dass die mit Klage verfolgten Zielen von geringen
Beträgen bis zu Beträgen in den vierstelligen Bereich reichen. Daher sei eine Differenzierung erforderlich. Soweit Beiträge
von weniger als 20 €/monatlich je Bedarfsgemeinschaftsmitglied streitig seien, sei von einer unterdurchschnittlichen Bedeutung
auszugehen. Dies sei hier der Fall, da sich das Interesse der fünf Kläger auf die Berücksichtigung der Kfz-Haftpflichtversicherung
iHv monatlich 19,72 € bzw. ab Januar 2015 iHv 20,96 € bezogen habe. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien als unterdurchschnittlich
zu bewerten. Der Umfang und die Schwierigkeit des Termins seien als durchschnittlich zu bewerten. Aufwendige Erörterungen
oder Berechnungen seien nicht erfolgt, da der Beklagte lediglich den Erlass eines Ausführungsbescheides unter Berücksichtigung
der Kfz-Beiträge anerkannt habe. Die Terminsdauer von 64 Minuten sei dem Umstand geschuldet, dass der Beschwerdeführer erstmals
in der mündlichen Verhandlung einen Nachweis über geltend gemachte Kfz-Beiträge vorgelegt habe und die Verhandlung für 20
Minuten zur Beratung über die beantragte PKH habe unterbrochen werden müssen. Das Haftungsrisiko sei als durchschnittlich
zu bewerten. Höhere, als die bereits festgesetzten Gebühren und Auslagen, könne der Beschwerdeführer nicht beanspruchen.
Gegen den am 7. August 2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 21. August 2020 Beschwerde eingelegt und vorgetragen,
dass die geltend gemachten Aufwendungen von ca. 20 € monatlich 5% des Regelsatzes eines volljährigen Erwerbstätigen seien.
Bei einer Reduzierung des Einkommens in dieser Höhe sei grundsätzlich von einer weit überdurchschnittlichen Angelegenheit
auszugehen. Zudem seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse als schlecht zu bewerten. Nicht nachvollzogen werden könne,
dass nur die reine Nettoterminsdauer zu berücksichtigen sei. Bereits der Umstand, dass eine Unterbrechung und Beratung mit
der Partei erfolgen musste, spreche dafür, dass die Zeit ebenfalls zur Festsetzung der Terminsgebühr heranzuziehen wäre.
Der Beschwerdegegner hat auf die Begründung der Vergütungsfestsetzung der UdG und des SG im Erinnerungsverfahren Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Gegen die Entscheidung des SG über die Erinnerung ist abweichend von §
178a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) der weitere Rechtsbehelf der Beschwerde zum Landessozialgericht eröffnet (§
73a Abs.
1 SGG; § 1 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. § 56 Abs. 2 RVG, § 33 Abs. 3 bis 8 RVG; vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017 – L 4 AS 141/16 B – zitiert nach juris). Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§
56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nicht die Festsetzung einzelner Gebührentatbestände, sondern jeweils die gesamte
Kostenfestsetzung des UdG vom 8. Oktober 2018 in der Fassung des Beschlusses des SG vom 22. Juni 2020. Aufgrund des Rechtsbehelfs des Beschwerdeführers ist die gesamte Kostenfestsetzung noch nicht rechtskräftig.
Selbst wenn er nur einzelne Berechnungselemente der Kostenfestsetzung bemängelt, ist eine Begrenzung der Beschwerde auf die
Festsetzung einzelner Gebührentatbestände nicht zulässig. Denn die Gebührentatbestände sind lediglich Elemente der einheitlichen
Kostenfestsetzungsentscheidung. Der Rechtsanwalt begrenzt den Umfang der Prüfung und Entscheidung nur durch seinen summenmäßigen
Antrag. Erhebt – wie hier - nur der Rechtsanwalt Beschwerde, darf zu seinen Ungunsten nicht von der Kostenfestsetzung des
SG abgewichen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – L 19 AS 646/16 B – zitiert nach juris, Rn. 57 m.w.N.). Anders liegt es nur, wenn auch die Landeskasse mit der Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung
vorgeht, was hier nicht der Fall ist.
Die Beschwerde ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes einschließlich der Umsatzsteuer (vgl. LSG Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 27. September 2017 – L 5 AS 585/15 B – zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.) 200,00 € übersteigt (vgl. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben worden.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist jedoch unbegründet.
In dem Verfahren sind der UdG und das SG dem Erstattungsbegehren des Beschwerdeführers zu Recht nicht gefolgt. Der Umfang der Rechtsanwaltsvergütung bzw. deren Erstattung
durch die Landeskasse bemisst sich nicht nach dem Wert bzw. der Bedeutung des Klagebegehrens (Streitwert), sondern nach Betragsrahmengebühren.
Die geltend gemachten Betragsrahmengebühren waren nicht nach den maßgeblichen Kriterien des § 14 RVG angemessen bestimmt worden und wegen ihrer Unbilligkeit herabzubemessen.
Grundlage des Erstattungsanspruches des Beschwerdeführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach sind einem – wie hier – im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren aus der Landeskasse
zu erstatten. Jene richten sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen.
Das GKG ist gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG nicht anzuwenden. Die Kläger waren Beteiligte i.S.v. §
183 Satz 1
SGG, und es handelte sich nicht um ein Verfahren wegen überlangem Gerichtsverfahren (§
202 Satz 2
SGG), sodass das Gerichtsverfahren für sie kostenfrei war. Anzuwenden ist das RVG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beauftragung des Beschwerdeführers mit der Klage ist erst nach
diesem Zeitpunkt erfolgt. Die Klage ist am 15. Dezember 2014 bei Gericht eingegangen.
Im Einzelnen bestimmt sich die Vergütung, d.h. die Gebührentatbestände, die Spannwerte der Betragsrahmengebühren usw. aus
dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Bemessung der Betragsrahmengebühren ist nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmen. Hiernach steht es dem Rechtsanwalt zu, eine solche Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände,
vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren, die sich – wie hier – nicht nach einem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen
(§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG folgt, dass auch weitere im Einzelfall vorliegende Kriterien zur Bemessung herangezogen werden können. Aus der Aufzählung
der benannten Kriterien kann nicht auf ein vorgegebenes abstraktes Rangverhältnis geschlossen werden. Es ist Aufgabe des Rechtsanwaltes,
jedenfalls die in § 14 RVG genannten und gegebenenfalls noch weitere relevante Kriterien im Einzelfall zu gewichten.
Ist die Gebühr von einem Dritten (hier: der Landeskasse) zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht
verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Bei der Bestimmung der im Einzelfall zutreffenden Rahmengebühr ist dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht
eingeräumt. Eine Unbilligkeit kann allenfalls angenommen werden, wenn die vom Rechtsanwalt angesetzte Gebühr die nach den
gesetzlichen Kriterien angemessene Gebühr um mehr als 20% übersteigt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R, juris Rn. 19). Ist die Bestimmung unbillig, erfolgt die Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der vom UdG festgesetzte Vergütung jedenfalls nicht zu niedrig bemessen. Die durch
den Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrens- und Terminsgebühr ist unbillig.
Die Verfahrensgebühr ist hier nach Anlage 1 zum RVG, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 2 iVm Nr. 3102 VV RVG in Höhe der hälftigen Mittelgebühr gemäß den aus Nr. 3102 VV RVG folgenden Spannwerten – einschließlich der Erhöhung (für fünf Mandanten) nach Nr. 1008 VV RVG – entstanden.
Aus den Vorgaben von Spannwerten folgt, dass die Mittelgebühr – rechnerisch die Hälfte der Summe aus Mindest- und Höchstgebühr
– nicht der Regelfall der Vergütung ist. Sie ist vielmehr nur für einen Regel- bzw. Durchschnittsfall die angemessene Vergütung.
Die Mittelgebühr bietet dann die Bestimmung der konkret angemessenen Gebühr einen Richtwert, wenn es sich um eine in jeder
Hinsicht durchschnittliche Angelegenheit handelt. Das ist nicht der Fall, wenn teilweise über- oder unterdurchschnittlich
zu bewertende Einzelkriterien vorliegen. Dann sind Zu- oder Abschläge vom Richtwert vorzunehmen. Die Mittelgebühr kann sich
aber auch daraus ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit einzelner Kriterien die Unterdurchschnittlichkeit anderer Kriterien
kompensiert.
Zum unterdurchschnittlichen Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird auf die zutreffenden Ausführungen
der UdG in der angegriffenen Festsetzungsentscheidung sowie auf den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 22. Juni 2020 verwiesen
und von einer erneuten Darstellung abgesehen. Ergänzend wird ausgeführt: Bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG handelt es sich um eine Tätigkeitsgebühr, mit der jede prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwalts abgegolten wird, für die
das RVG keine gesonderte Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information und gilt
u. a. für die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage durch den Rechtsanwalt anhand von Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang
mit dem gerichtlichen Verfahren notwendigen Besprechungen sowie den Schriftwechsel des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber,
Dritten, Gericht oder Sachverständigen, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung
und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwalts relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln (Bundestags-Drucksache
15/1971, S. 210). Der durchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hat sich dabei am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung
und dem Ablauf des Verfahrens, hier des sozialgerichtlichen Verfahrens, zu orientieren. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch,
welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen erbringen muss. Zu berücksichtigen ist dabei zum Beispiel das Lesen der Verwaltungsentscheidung,
die Beratung mit dem Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigen von Notizen, bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung,
wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie die Heranziehung
von Kommentarliteratur und einschlägiger Rechtsprechung ( LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017 - L 4 AS 141/16 B , zitiert nach juris Rn. 37 ).
Dabei entspricht es der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent
für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind
sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen (LSG Sachsen-Anhalt,
a. a. O., Rn. 38). Dabei kann im Übrigen die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit
anderer Bewertungskriterien kompensiert werden (BSG, a. a. O., Rn. 38).
Nach diesen Grundsätzen erscheint die durch den Beschwerdeführer in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr
unbillig. Denn der Erinnerungsführer hat die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG auch unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren hier weit unterdurchschnittlich. Die Abfassung lediglich einer Klageschrift
entspricht nicht dem durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in sozialgerichtlichen Verfahren. Die bereits mit
Klageschrift angekündigte Klagebegründung reichte der Beschwerdeführer auch nach gewährter Akteneinsicht nicht ein. Ferner
wurden weder die aufgeführten Korrekturbescheide des Beklagten übersandt, noch wurden (umfangreiche) Berechnungen zum Leistungsanspruch
der Kläger vorgenommen. Woraus sich die Fehlerhaftigkeit der mit Klage angegriffenen Bescheide ergeben sollte, blieb bis zur
mündlichen Verhandlung unklar. Die anwaltliche Tätigkeit hat sich, ohne zugleich rechtliche Erwägungen vorzunehmen, in der
Vorlage eines Beitragsbescheides in der mündlichen Verhandlung erschöpft.
Eine dem Durchschnitt entsprechende tatsächliche Schwierigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer
nicht nur die (Einkommens-) Verhältnisse eines Klägers, sondern auch diejenigen der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
zu berücksichtigen hatte. Dieser Umstand führt vielmehr dazu, dass die Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG, wie vom UdG und dem SG zutreffend beachtet wurde, erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 27/13 R – Rn. 21, zitiert nach juris).
Die Dauer des gerichtlichen Verfahrens - vorliegend 41 Monate - stellt zudem kein geeignetes Kriterium dar, um den vom Rechtsanwalt
betriebenen Aufwand in die Bewertungsskala - unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich – einzuordnen
(vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2018 – L 19 AS 1472/17 B -, Rn. 51 mwN, zitiert nach juris). Im Übrigen ist die Verfahrensdauer hier dem Nichtbetreiben des Verfahrens der Verfahrensbeteiligten
zuzurechnen.
Unter Berücksichtigung der weit unterdurchschnittlichen anwaltlichen Tätigkeit im Verfahren und Schwierigkeit in der Sache,
der – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, deren unterdurchschnittlichen
Einkommens- und Vermögensverhältnissen und dem durchschnittlichen Haftungsrisiko ist die Verfahrensgebühr in Höhe der hälftigen
Mittelgebühr
(150 €) angefallen. Unter Berücksichtigung der Erhöhungsgebühr für vier weitere Auftraggeber nach Nr. 1008 VV RVG (hier: 180 €) hat das SG die Verfahrensgebühr zutreffend in Höhe von 330 € festgesetzt.
Auf die Verfahrensgebühr ist nach Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG die im Rahmen der Beratungshilfe ausgezahlte Geschäftsgebühr iHv 85 € zur Hälfte, mithin iHv 42,50 €, anzurechnen.
Zudem ist auch die vom SG angesetzte Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr (280 €) nicht zu beanstanden. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen
Tätigkeit ist auf den tatsächlichen Arbeits- und Zeitaufwand für die Terminsteilnahme, der wesentlich durch die Anzahl und
Dauer der anberaumten Termine bestimmt wird, abzustellen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 29. Januar 2016 – L 15 SF 386/13 E – zitiert nach juris). Hierbei ist der Zeitaufwand für die Vorbereitung nicht zu berücksichtigen. Bei der Verfahrensdauer
handelt es sich nur ein Kriterium für die Bemessung der zutreffenden Terminsgebühr. Die Mittelgebühr kann sich auch hier daraus
ergeben, dass die Überdurchschnittlichkeit eines Kriteriums (z.B. Terminsdauer) durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer
Kriterien kompensiert wird. So liegt der Fall hier. Die Dauer der Verhandlung ist mit 64 Minuten als überdurchschnittlich
zu bewerten. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass – ausweislich der Sitzungsniederschrift - eine 20-minütige Unterbrechung
zur Beratung über den PKH-Antrag aufgrund der im Termin eingereichter Unterlagen erforderlich war. Eine notwendige Unterbrechung
zur Beratung mit dem Mandanten, welche grundsätzlich nicht in Abzug zu bringen wäre, ist gerade – mit den ohnehin abwesenden
Klägern - nicht erfolgt. Die überdurchschnittliche Verfahrensdauer rechtfertig gleichwohl keine höhere als die Mittelgebühr,
da diese durch die anderen Kriterien kompensiert wird. Zutreffend hat das SG die Schwierigkeit des Termins als durchschnittlich, das Haftungsrisiko als durchschnittlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Kläger als unterdurchschnittlich und die Bedeutung der Angelegenheit für diese als unterdurchschnittlich bewertet. Insoweit
wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss des SG vom 22. Juni 2020 verwiesen und von einer erneuten Darstellung abgesehen (§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Unter Zugrundelegung dieser Gebührenpositionen sowie der weiteren Kostenfestsetzung, die nicht zu beanstanden ist, ergibt
sich ein Gesamtbetrag der anwaltlichen Vergütung von 717,01 €. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2018 hat die UdG die zu erstattenden
Kosten auf insgesamt 816,97 € festgesetzt. Da ausschließlich der Beschwerdeführer Erinnerung und anschließende Beschwerde
erhoben hat, kommt eine niedrigere Kostenfestsetzung nicht in Betracht (Verbot der „reformatio in peius“). Legt die Staatskasse
selbst keine Erinnerung oder Beschwerde ein, garantiert letzteres die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz
bzw. durch den Urkundsbeamten zuerkannten Gebühren (vgl. Thüringer LSG vom 9. Oktober 2019 – L 1 SF 227/19 B – zitiert nach juris).
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar; eine Beschwerde zum Bundessozialgericht ist nicht gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).